Titel: | Künstliche Blumenblätter aus Collodium; von Hrn. E. Marx. |
Fundstelle: | Band 145, Jahrgang 1857, Nr. XX., S. 74 |
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XX.
Künstliche Blumenblätter aus Collodium; von Hrn.
E. Marx.
Aus dem württembergischen Gewerbeblatt, 1857, Nr.
23.
Marx, über künstliche Blumenblätter aus Collodium.
Die Fabrik von Bérard und Comp. in Paris verfertigt
seit einiger Zeit künstliche Blumenblätter von außerordentlicher Schönheit, alle
Rippen und Nerven der natürlichen Blätter sind aufs genaueste nachgebildet, dabei
fühlen sich diese künstlichen Blätter so zart und weich an wie die natürlichen.
Dieselben bestehen aus Collodium, dem färbende Substanzen beigemengt sind.
Um diese Blätter zu erhalten, wird Schießbaumwolle, wie sie gewöhnlich zum Lösen
benutzt wird, in alkoholhaltigem Aether, dem noch etwas Ricinusöl zugesetzt wird,
aufgelöst. In diese Collodiumlösung werden die aufs feinste abgeriebenen Farben
eingerührt, und man stellt sich auf diese Weise verschieden gefärbte
Collodiumlösungen dar, je nach den Farben der natürlichen Blätter, welche nachgeahmt
werden sollen. Die Lösungen werden nun auf Glasplatten gegossen, welche mit einem
niederen Rahmen von Holz oder dergleichen umgeben sind, um das Abfließen der Lösung
zu verhüten. Man läßt sie ruhig stehen, bis eine dünne Platte von festem Collodium
sich gebildet hat, welche sich nach dem Festwerden leicht von der Glasplatte
abnehmen läßt und dann eine dünne, sehr feste, durchschimmernde Masse bildet.
Will man eine Collodiumplatte haben von zwei verschiedenen Farben, welche in einander
übergehen, so gießt man zwei verschieden gefärbte Lösungen neben einander auf die
Glasplatte und bewegt sie langsam hin und her, bis die Flüssigkeiten an den
Berührungsstellen hinlänglich in einander geflossen sind.
Dieß ist der Zeug ans welchem die Blätter gefertigt werden.
Um nun die Formen zur Darstellung der künstlichen Blätter zu erhalten, nimmt man ein
natürliches Blatt, legt dasselbe auf eine weiche Unterlage, so daß dasselbe alle
seine natürlichen Wölbungen beibehalten kann und gießt darauf eine dünne
Gypsschichte; ist diese etwas erhärtet, so wiederholt man das Aufgießen, bis der
Gyps eine Dicke von 5–8 Centimeter, je nach der Größe des Blattes hat. Nun
läßt man den Gypsabguß ruhig stehen bis er hart geworden ist. Da er natürlich
unregelmäßig abgeglänzt ist, so arbeitet man ihn jetzt scharf nach den Conturen des
an ihm haftenden Blattes, etwas conisch zulaufend, ab. Hat man auf diese Weise den
Gypsabguß gefertigt, so wird derselbe rasch bis zu seiner halben Höhe in
geschmolzenes Wachs, das nahe am Erstarren ist, getaucht und das Eintauchen
4–6mal wiederholt, bis das Wachs, das am Gypsblock hängt, ungefähr dieselbe
Dicke hat wie dieser selbst. Der Gypsblock mit seinem Wachsabdruck wird 1–2
Minuten in kaltes Wasser gelegt; dadurch löst sich das Wachs leicht vom Gyps ab, und
man hat eine Art Kufe in Wachs, in welcher das natürliche Blatt so zu sagen den
Boden bildet. Durch leichtes Waschen mit Alkohol und Terpenthinöl gibt man derselben
eine reine Oberfläche und überzieht dieselbe innen sorgfältig mit einer dünnen
Schichte von Graphit- oder Bronzepulver, worauf man sie in ein
galvanoplastisches Bad bringt, bis der Kupferniederschlag 3–4 Millimeter
stark ist. Um ihm eine größere Haltbarkeit zu geben, wird er mit Bronze ausgegossen.
Nun schmilzt man in einem gußeisernen Gefäß, daß größer ist als der Kupferabdruck, 4
Theile Blei mit 1 Theil Antimon zusammen, läßt die Metalllegirung bis nahe zum
Erstarren erkalten, und drückt dann mittelst einer Presse die Kupferform in die
halberstarrte Antimonbleilegirung.
Die Formen sind jetzt fertig, um zum Darstellen der Blätter selbst zu schreiten. Es
wird eine zum Voraus gefertigte Collodiumplatte zwischen die beiden Metallformen gelegt
und bei 150° C. gepreßt. Mit diesen Formen läßt sich natürlich eine sehr
große Anzahl von Blättern erhalten; nach jedem Druck mit der Presse hat man ein
fertiges Blumenblatt. Eine Temperatur von 150° C. beim Pressen ist nöthig,
damit das Collodium die Form beibehält, welche ihm unter der Presse gegeben
wurde.
Bérard stellte früher die Metallformen auf eine
eiserne Platte, die über freiem Feuer erhitzt wurde, aber die Temperatur ist dabei
äußerst schwierig gehörig zu reguliren, deßhalb hat er jetzt eine Vorrichtung, um
die Formen durch Wasserdampf von 5 Atmosphären Spannung zu erhitzen.