Titel: | Ueber Messung von Hauptbasen für trigonometrische Aufnahmen, von Fairman Rogers. |
Fundstelle: | Band 145, Jahrgang 1857, Nr. XLIV., S. 180 |
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XLIV.
Ueber Messung von Hauptbasen für trigonometrische
Aufnahmen, von Fairman
Rogers.
Nach einem Aufsatze desselben im Civil Engineer and Architect's Journal, April 1856,
bearbeitet vom Bau-Inspektor Reder in Osnabrück. – Aus der Zeitschrift des hannoverschen
Architekten- und Ingenieur-Vereins, 1857, Bd. III S. 113.
Mit Abbildungen auf Tab.
III.
Rogers, über Messung von Hauptbasen für trigonometrische
Aufnahmen.
Die große Wichtigkeit der genauesten Messung der Bastslinien für ausgedehnte
geodätische Operationen bedingt einen Apparat, welcher folgende drei Schwierigkeiten
überwinden muß:
1) Herstellung der auf eine sichere bestimmte Einheit oder
den Erdquadranten basirten genauen Maaßstäbe;
2) Vermeidung der Längung, resp. Zusammenziehung dieser
Maaßstäbe bei verschiedenen Temperaturen und Witterungsverhältnissen;
3) einfache und sichere Manipulation mit diesen Maaßstäben, namentlich Leichtigkeit
der genauesten Voreinanderbringung derselben.
Als Längeneinheit nimmt man jetzt allgemein den französischen Meter, wegen seiner,
mehr wie irgend ein anderes Maaß, genau bestimmten Länge an.
Die Schwierigkeit, eine Metallstange mit einer anderen von so gleicher Länge zu
machen, daß ihre Längendifferenz nicht bemerkbar ist, ist nicht sehr groß, wohl aber
die, beide Stäbe derartig gleich lang zu machen, daß eine mehrtausendfache
Ueberschlagung jedes der beiden Maaßstäbe eine gleiche Länge der so gemessenen Linie
ergibt. Auf welche Schärfe es hierbei ankommt, ergibt allein die Ermittelung der
genauen Meterlänge zu 39,36850154 amerikanischen Zollen (bei Messung der Küsten der
Vereinigten Staaten.)
Die zweite Schwierigkeit, den Apparat trotz Aenderungen seiner Lage, der Temperatur
und Feuchtigkeitsverhältnisse der Luft, in stets gleicher Länge zu behalten, ist
nicht weniger groß.
Verschiedene Methoden sind deßfalls angewandt. Stahlketten, obgleich außerordentlich
sorgfältig gemacht, haben, was allerdings auch vorauszusehen war, ein sehr
schlechtes Resultat ergeben, indem einmal die große Schwierigkeit, ja Unmöglichkeit der stets gleichen
Anspannung, dann die der Unterstützung derselben bei der Messung, und endlich die
Temperaturänderungen für geodätische Messungen naturgemäß zu große Fehler
hervorrufen.
Glasstäbe haben sich ebenfalls als nicht brauchbar gezeigt; deßgleichen nicht solche
aus Tannen- oder andern Holzarten, indem dieselben sich warfen oder
zogen.
Die Hounslow-Heath-Basis ist der
Vergleichung wegen mit vorstehend genannten Maaßstäben gemessen und ergab sich die
Länge derselben:
bei Anwendung eines tannenen
Maaßstabes
= 27405,7607 Fuß,
bei Anwendung eines Glasstabes
=
27403,38 „
bei Anwendung von Stahlketten
=
27402,38 „
Zur Vermeidung dieser für die fraglichen Messungen unzuträglichen Differenzen
construirte Capitän Colby bei der Messung der Longh-Foyle-Basis im Jahre 1827 einen
Compensations-Maaßstab auf folgende Weise:
Zwei auf einander liegende Stäbe, der eine von Eisen, der andere von Messing, sind in
der Mitte mit einander fest verbunden, während die Enden beider sich frei bewegen.
An jedem Ende dieses Maaßstabes ist ein Compensationshebel, proportionirt zu den
Ausdehnungs-Verhältnissen der beiden verschiedenen Metalle, so angebracht,
daß, während jene sich verändern, eine feine Platinaspitze am Hebel stets eine
unveränderliche Entfernung von der Mitte des Apparates, resp. von der Platinaspitze des anderen Endes des Stabes bewahrt.
Zwei derartig construirte Maaßstäbe wurden mit Hülfe von Mikroskopen mit ihren
Platinaspitzen möglichst genau vor einander gebracht und auf diese Weise die Messung
mit ziemlich genügender Sicherheit beschafft. Die richtige Voreinanderbringung der
Platinaspitzen ist hierbei die Hauptschwierigkeit und hält sehr auf.
Ein zweiter Compensations-Apparat ist von Simeon Borden, auf fast gleiche Principien basirt, construirt.
Die Längenmessung in Frankreich ist mit den Borda'schen
Maaßstäben ausgeführt. Auf einem Platinamaaßstabe, dessen Ausdehnung vorher mit
möglichster Sorgfalt bestimmt war, liegt ein, nur an dem einen Ende mit dem
Platinastabe fest verbundener Kupferstab frei auf. Die freien auf einander liegenden
Enden beider Stäbe haben eine sehr feine Eintheilung und wird mit einem Vernier
davon abgelesen, so daß factisch ein metallenes Thermometer construirt ist, dessen
genaue Beobachtung eine spätere Correction der damit als Maaßstab gemessenen Linie
zuließ.
Bei allen vorstehenden Methoden ist keine Rücksicht auf die verschiedenen
Wärme-Capacitäten der mit einander in Berührung gesetzten Metalle
genommen.
Bei Colby's Apparate werden die absorbirenden
Eigenschaften der Stäbe durch den Firniß-Anstrich ihrer Oberflächen nur theilweise ausgeglichen, indem die Querschnitte beider
Stäbe gleich groß genommen waren.
Zur Beseitigung dieses Mißstandes wurden vom Professor Bache, welchem die Leitung der Aufmessung der Küsten der Vereinigten
Staaten im Jahre 1845–46 übertragen war, sehr sorgfältige Untersuchungen über
die verschiedenen Wärme-Capacitäten, die Leitungskraft und absorbirenden
Eigenschaften von Eisen- und Messingstäben angestellt und unter
Zugrundelegung dieser Erfahrungen folgender Apparat construirt:
Zwei Stäbe, der eine von Eisen, der andere von Messing, etwa 19 Fuß lang, sind an dem
einen Ende durch eine Zwischenlage fest mit einander verbunden, während das andere
Ende derselben (auf an dem äußeren Rahmen hängenden Rollen hängend) sich frei
ausdehnen resp. zusammenziehen kann.
Aus Fig. 31
ergeben sich die verschiedenen Beziehungen dieses Apparates. D, B ist der Eisenstab, D, C der Messingstab,
beide in D mit einander verbunden. Bei C ist der Fuß des Hebels C,
A, welcher an dem Messingstabe D, C mit einem
feinen Scharniere befestigt ist. Durch die in α
angebrachte Springfeder wird der Hebel C, A an das Ende
des Eisenstabes D, B in B
angedrückt.
Die Hebelarme A, B und A, C
stehen in dem genauen Verhältnisse der Ausdehnung von Eisen zu Messing. A
B : AC = 1100 : 1748,
wenn Eisen die Ausdehnung von 0,001258 (nach Smeaton) und
Messing die Ausdehnung von 0,00186671 (nach Laplace)
hat.
Es ergibt sich hieraus, daß, wenn durch Wärme-Einfluß der Eisenstab sich um
die Länge B
B¹ ausdehnt, der Messingstab die Mehrlänge von
C
C¹ erhält, wodurch der Hebel aus der Richtung ABC in die von A
B¹C¹, unter unveränderlicher Beibehaltung
des Punktes A, gebracht wird.
Mit A verbunden ist ein kurzer Eisenstab A, G welcher vorn bei G
einen polirten Achat von 1/4 Quadratzoll Fläche als Berührungspunkt der Maaßstäbe
hat.
Die Voreinanderbringung der Maaßstäbe ist die dritte Schwierigkeit.
Hierbei können die Maaßstabenden entweder zu wirklicher Berührung oder in
unveränderliche Entfernung von einander durch ablesende Mikroskope gebracht
werden.
Auf dem zweiten Ende des Maaßstabes über D ist zu diesem
Zwecke der Bessel'sche Berührungshebel angebracht, dessen
Construction Fig.
31 ergibt.
E ist eine zarte, um einen auf dem Stabende D befestigten Drehpunkt bewegliche Libelle.
Diese Libelle ist auf der inneren Seite etwas schwerer, so daß sie im natürlichen
Stande eine etwas geneigte Lage annimmt. Auf der unteren Seite hat die Libelle einen
kleinen Ansatz, wogegen sich der Stab F, H gegenlegt und
durch welchen derselbe hinausgedrückt wird, wobei durch Hemmungen jede unzuträgliche
Bewegung vermieden wird. Die Distanz zwischen den beiden Achaten ist demnach etwas
größer wie 6 Meter, sie wird jedoch durch Einschieben des Stabes F, H bis zu dem Punkte, daß die hierbei mitbewegte
Libelle einspielt, auf das richtige Maaß zurückgebracht, oder um es anders
auszudrücken, der Maaßstab ist dann genau 6 Meter lang, wenn die Blase der Libelle
in der Mitte steht.
In Wirklichkeit ist die Berührungslibelle nicht direct auf dem Maaßstabende
befestigt, sondern an der Stange einer feinen Sectorlibelle, deren Drehungsmitte
genau in der Achse beider Achate liegt und welche sich stets horizontal stellt, so
daß bei Neigung der Maaßstäbe selbst, was bei unebenem Grunde häufig nicht zu
vermeiden ist, die Lage der Berührungslibelle hiervon unabhängig ist.
Diese Sectorlibelle dient außerdem dazu, die Neigung der Maaßstäbe zu notiren, um
hiernach die gemessene Länge der Linie später auf ihre wirkliche Länge zu
reduciren.
Dieses sind die wesentlichsten Theile des Apparates.
Die Maaßstäbe hängen in Steigbügeln oder Rollen an einem eisernen Rahmen, welcher in
einer Weißblechbüchse befestigt ist. Eine zweite Hülse umgibt die erste in einem
Abstande von 4 Zoll und besteht der Zweck derselben darin, durch die ein- und
abgeschlossene Luftschicht die Einwirkungen plötzlicher
Temperatur-Aenderungen von dem Maaßstabe abzuhalten.
Mittelst Glasthüren in der Mitte und an den beiden Enden dieses, seines Aussehens
wegen Tubus genannten Apparates werden die inneren Thermometer und Berührungspunkte
beobachtet.
In einer Entfernung von 5 Fuß von den Enden jedes Tubus sind unterwärts Handhaben
angebracht, womit 4 Arbeiter den Transport besorgen.
Dicht an den Handhaben sind an dem Tubus Schildzapfen befestigt, welche in die Lager
der Richtungs- oder Stellböcke passen.
Diese Stellböcke sind von Eisen und haben drei Füße, welche zum Zweck der Verstellung
eine Einschiebevorrichtung (wie Fernröhre) besitzen. Durch jeden Fuß der Stellböcke
gehen verticale Fußschrauben auf eine gußeiserne Grundplatte. Die Grundplatte liegt
auf einem Rahmen von Holz. Durch die Oberplatte dieser Stellböcke geht eine
verticale eiserne Schraube, deren Kopf, welcher das Auflager der Tuben bilden soll,
eine Verschiebung in der Richtung der zu messenden Linie, so wie auch rechtwinkelig
dagegen, vermittelst Schieberbewegung zuläßt. Ein hölzerner Maaßstab mit Libelle
dient schließlich dazu, die Böcke in die richtige Entfernung von einander und
horizontal zu stellen.
Vor dem Beginne der Messung ist eine Hauptarbeit auszuführen, nämlich die Prüfung der
Maaßstäbe. Zu diesem Zweck sind zwei von Stein oder hartem Holze in einer Entfernung
von 6 Meter von M. z. M. aufgeführt und solide befestigt, welche zur Verhinderung
von Vibrationen mit einer hölzernen Umrammung versehen sind (Fig. 32). Beide Pfeiler
liegen genau in der Richtung von Westen noch Osten. In einer Entfernung von 20 Fuß
nördlich des östlichen Pfeilers befindet sich ein dritter Pfeiler. Die Köpfe aller
drei Pfeiler liegen in ein und derselben horizontalen Fläche, und zwar in der Höhe
der Stellböcke. Auf dem Kopfe des westlichen Pfeilers ist eine Messingplatte mit
genau verticalem Ansatze eingelassen. Durch diesen Ansatz geht eine sehr feine
Stahlschraube, die Berührungsschraube, deren viereckiges Ende eine genau verticale
Fläche bildet. Auf dem andern östlichen Pfeiler befindet sich ein genau vertical
stehender Stab, um welchen sich ein kleiner Spiegel dreht. Dieser nach Norden
sehende Spiegel hat auf der hinteren Seite einen Ansatz, durch welchen eine sehr
feine Stahlschraube mit rundem Ende durchgeht. Es möge schon hier erwähnt werden,
daß gegen die Fläche der Berührungsschraube auf dem
westlichen Pfeiler die achatene Messerschneide der
Berührungslibelle und gegen den runden Kopf der
Berührungsschraube des östlichen Pfeilers die Achatfläche
des Berührungshebels des Tubus gegen zu liegen kommt.
Auf dem dritten, dem nördlichen, Pfeiler endlich ist ein Theodolit so aufgestellt,
daß das mit einem verticalen Faden versehene Fernrohr in dem Spiegel des östlichen
Pfeilers das Bild einer auf Papier gezeichneten Scala sieht, welche unter dem
Fernrohre selbst vertical aufgestellt ist. Jetzt wird der Normalmaaßstab,
unterstützt durch die Stellböcke, zwischen die Berührungsschrauben des
„Vergleiches“ äußerst sorgfältig und genau horizontal eingepaßt und
vermittelst des Fadens im Fernrohre die Anzahl der im Spiegel sichtbaren Striche der
Scala abgelesen und unter Vermerk der vermittelst angebrachter Thermometer
ermittelten Temperatur der Enden und der Mitte des Normalmaaßstabes notirt.
Der Normalmaaßstab wird nun entfernt und einer der Tuben dafür substituirt. Bei
gleicher Länge der Tuben mit dem Normalmaaßstabe wird ein gleicher Theil der Scala
in dem Spiegel sichtbar seyn, während die vermittelte Differenz in der Anzahl der
Theilstriche die Längendifferenz ergibt.
Vorstehende Vergleichungen werden sehr viele Male wiederholt und darnach die Länge
der Tuben, mit Reducirung auf eine bestimmte Temperatur, festgesetzt. Die Scala ist
hierbei so eingetheilt, daß auf eine Länge von 11,68 Zollen = 60 Theilstriche
verzeichnet sind; der Zwischenraum zwischen zwei Theilstrichen beträgt mithin nahe
1/5 Zoll, eine sehr gut zu beobachtende Entfernung.
Da nun die Scala nach Obigem 20 Fuß von dem Spiegel entfernt ist, so weist die
Drehung des Spiegels um den Bogen, daß ein Theilstrich
mehr wie früher gezählt wird, eine größere Länge des zwischen den
Berührungsschrauben befindlichen Maaßstabes um 0,000157 Zoll nach.
Dieses außerordentlich sinnreiche Arrangement von Spiegel und Scala ist als Saxon's Pyrometer bekannt und wurde früher bei
magnetischen Beobachtungen benutzt.
Nachdem diese Vergleichungen und Prüfungen, welche Arbeit allein 2 bis 3 Tage in
Anspruch nimmt, beendigt sind, wird der Anfangspunkt der Linie genau und dauerhaft
markirt, die Linie selbst aufgeräumt und genau abgesteckt, und beginnt nun die
eigentliche Messung.
Die ausführliche Beschreibung dieser mit größter Sorgfalt vorzunehmenden Messung
würde jedoch hier zu weit führen und unterbleibt deßhalb, da dieser Aufsatz nur
bezweckte, die Principien, wonach die Apparate zu derartigen Messungen construirt
werden, so wie die Genauigkeit, welche bei der ganzen Arbeit beobachtet werden muß,
anschaulich zu machen und näher nachzuweisen.