Titel: | Ueber das Verhältniß der Boghead Parrot Cannelcoal zur Steinkohle; von Prof. H. R. Göppert zu Breslau. |
Fundstelle: | Band 145, Jahrgang 1857, Nr. XLVIII., S. 212 |
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XLVIII.
Ueber das Verhältniß der Boghead Parrot Cannelcoal zur Steinkohle; von Prof. H. R. Göppert zu
Breslau.
Aus v. Carnall's Zeitschrift für das Berg-, Hütten- und Salinenwesen im preußischen Staate, 1857, Bd. V S.
1.
Göppert, über das Verhältniß der Boghead
Parrot Cannelcoal .
Von dem Bauamte der freien Stadt Frankfurt erhielt ich das nachfolgende
Schreiben:
„In einer zwischen zwei in hiesiger Stadt bestehenden
Gasbereitungs-Gesellschaften obschwebenden Streitsache ist es
erforderlich, daß das Gutachten einer wissenschaftlichen Autorität im
geologischen Fache eingeholt werde, und wir wenden uns hiermit an E. H. mit der
ergebensten Anfrage, ob Sie sich dieser Aufgabe unterziehen wollen?“
„Der Sachverhalt ist folgender:“
„Die eine der hiesigen Gasbereitungsanstalten hat eine Concession auf
Steinkohlen-, die andere eine solche auf Oelgas, welche sie mit höherer
Erlaubniß gegenwärtig auf Harzgas ausübt. Letztere, die Frankfurter
Gesellschaft, hat seit einiger Zeit die sogenannten schottischen Boghead Parrot Cannelcoals bei der Fabrication als
Material mit und neben dem Harze benutzt. Die andere Gesellschaft, die
Imperial-Continental-Gas-Association ist nun mit einer
Beschwerde wegen Verletzung ihrer Rechte gegen die Frankfurter Gesellschaft
aufgetreten, indem sie behauptet, diese Cannelcoals
seyen Steinkohlen. Sie stützt sich für diese Behauptung darauf, daß in diesem
Sinne zu Edinburgh in einem Rechtsstreite vor dem Lordpräsidenten von den
Geschworenen, auf Grund einer von den HHrn. Professor Anderson und Dr. Wilson vorgenommenen Analyse der Boghead-Cannelcoals, entschieden worden ist, daß diese
Steinkohlen seyen. Unser hiesiger physikalischer Verein hat dagegen in zwei
Gutachten, sowie die königliche Gewerbe-Deputation in Berlin gelegentlich
der Einfuhr entschieden, daß dieser Stoff „bituminöser
Mergelschiefer“ sey. Nach Lage der Sache und der Acten bleibt nun
nichts anderes übrig, als daß die deutsche Wissenschaft, und zwar eine Autorität
derselben, über die Frage:
Ist die Boghead Parrot Cannelcoal Steinkohle,
bituminöser Mergelschiefer, oder eventuell was sonst?
gehört werde.“
„Da, wie wir belehrt worden sind, diese Frage auch ohne chemische Analyse,
und zwar noch mit größerer Sicherheit durch mikroskopische Untersuchungen und
durch andere Versuche beantwortet werden kann, so wenden wir uns nun an E. H.
mit dem Ersuchen, sich einem Gutachten hierüber geneigtest unterziehen zu
wollen.“
„Indem wir uns, erhaltener Erlaubniß zu Folge, auf Hrn. Professor Dr. Bunsen in Heidelberg
beziehen, behändigen wir E. H. in der Anlage zwei Proben der Boghead Parrot Cannelcoal und zwar enthält das mit
A bezeichnete Päckchen eine von der englischen
Gesellschaft, das mit B bezeichnete eine von der
Frankfurter Gesellschaft erhobene Probe desselben Materials.“
„Um die Ueberzeugung zu gewinnen, daß beide Proben von ein und demselben
Stoffe sind, wird es erforderlich seyn, jede derselben einer besonderen Prüfung
zu unterwerfen und bei etwa sich vorfindenden wesentlichen Abweichungen uns
solches gütigst bemerken zu wollen, warum wir gleichfalls ersuchen.“
„In der angenehmen Aussicht, baldigst von E. H. mit einer unseren Wünschen
zustimmenden Rückäußerung erfreut zu werden, beehren wir uns etc.“
Rückäußerung.
Um die in dem vorstehenden Schreiben gestellte Aufgabe zu lösen, erscheint es
nothwendig, auf die Bildung der Steinkohlen und Schiefer überhaupt zurückzugehen,
wie ich dieselbe in mehreren litterarischen Arbeiten darzulegen versucht habe.Abhandlung, eingesandt als Antwort auf die Preisfrage: „Man suche
durch genaue Untersuchungen darzuthun, ob die Steinkohlenlager aus
Pflanzen entstanden sind, welche an den Stellen, wo jene gefunden
werden, wuchsen, oder ob diese Pflanzen an anderen Orten lebten und nach
den Stellen, wo sich die Steinkohlenlager befinden, hinzugeführt
worden,“ von H. R. Göppert. Eine
im Jahre 1846 mit dem doppelten Preise gekrönte Preisschrift. Haarlem 1848.
Quart, 300 Seiten. 24 Tafeln. Die Bildung der Steinkohlenflötze erfolgte durch
Ablagerung einer großen Masse von organischen, besonders vegetabilischen Resten über
Ebenen von mehrerer oder minderer Ausdehnung, auf vorherigen Absätzen von Sand, Thon
oder Schlamm, welche in Folge des Druckes und durch Abnahme der Feuchtigkeit
allmählich erhärteten, und jetzt als Sandstein oder Schieferthon erscheinen. Diese
Kohlenablagerungen findet man gewöhnlich als regelmäßige, weit sich erstreckende
Schichten, jede oft von großer und sich gleich bleibender Mächtigkeit. Sie liegen
bald vollkommen horizontal oder in muldenförmigen Vertiefungen übereinander, woraus
klar hervorgeht, daß sie entweder auf dem Grunde des Meeres, oder auf einer
gleichförmig und langsam aufsteigenden Küste, oder endlich, wie wohl das
gewöhnlichste, in geschlossenen, von allen Seiten her gegen die Mitte einsinkenden
Meeres- oder Süßwasserbecken sich abgesetzt haben. Dieß wird auch dadurch
bestätigt, daß mitunter jene Schichten gegen die Mitte des Beckens an Mächtigkeit
zunehmen, gegen den Rand hin sich aber allmählich verschwächen, wie solches z.B. in
dem großen niederschlesischen Steinkohlenbecken wahrzunehmen ist. Diese Ansichten
vertragen sich auch mit der jetzt ziemlich allgemein herrschenden Annahme, daß
während und nach der Ablagerung aller sogenannten Uebergangsgesteine Europa ein
unermeßliches Meer darstellte, mit vielen vereinzelten Inseln und submarinen
Bergketten, wobei jene größeren oder kleineren Inseln, ebenso wie in jetziger Zeit,
ihre Berge, Thäler, Flüsse und Binnenseen haben mochten. Da wir aber verhältnißmäßig
nur in sehr wenigen Steinkohlenablagerungen Seeproducte antreffen, und die
Steinkohlen selbst fast ausschließlich Landpflanzen ihren Ursprung verdanken, so ist
anzunehmen, daß das Meer so zu sagen nur vorübergehend bei der Bildung der
Steinkohlenflötze mitwirkte. Nichts spricht dafür, daß das Material zu der
Steinkohle durch das Meer aus entfernt gelegenen Gegenden der Erdoberfläche
zusammengeschwemmt und so in die Vertiefungen und Busen, welche sie jetzt einnehmen,
abgesetzt wurde, um nun die Umwandlung in Kohle zu erfahren. Alle Umstände deuten
vielmehr auf die größte Ruhe hin, mit welcher die Bildung der Steinkohle erfolgte.
Die damalige, durch eine tropische Wärme zur üppigsten Entwickelung gebrachte
Vegetation aus Araucarien, Lycopodien, Farrn, Schachtelhalmen, Sigillarien,
Stigmarien u.s.w. bestehend, bedeckte wahrscheinlich große, niedrig und horizontal
gelegene Ebenen des Meeresstrandes, dessen weite Busen durch ältere Felsmassen
eingeschlossen wurden, oder dieselbe war auf einzelnen Inseln zerstreut.
Niveau-Veränderungen, Hebungen und Senkungen bewirkten ein Ueberfluthen des
Meeres, wobei die Pflanzen in den Wellen ihr Grab fanden. Dasselbe setzte Sand und
Thon auf die früher mit Vegetation bedeckten Flächen ab; Dünen bildeten sich, auf
welchen wieder Pflanzen ähnlicher Art entsprossen, die bei abermaligen, durch gleiche
Katastrophen hervorgerufenen Ueberfluthungen des Meeres wieder zerstört, über
dieselben oder auf naheliegende Flächen verbreitet und dort mit weiteren Absähen
bedeckt wurden. Indem diese Vorgänge noch oftmals wechselten, bildeten sich die
verschiedenen Kohlenstoße über einander, welche, durch Schieferthon oder Sandstein
von einander getrennt, die Reste von, zwar der Zeit nach verschiedenen, aber ihrer
Zusammensetzung nach zu einer Flora gehörenden
Vegetationsperioden einschließen. So gibt es bekanntlich Reviere, in denen 20 bis 30
verschiedene Kohlenstoße übereinander liegen; ja westlich von Mons zählt man über
115, in Saarbrücken 120, in Coalbrook dale im westlichen England sogar 135
bauwürdige Flöhe, letztere von einer Gesammtmächtigkeit von 500 Fuß. Wenn die
Kohlenschichten vor der Auflagerung des Sandes und Schlammes bereits eine gewisse
Festigkeit erlangt hatten, und dabei die größte Ruhe stattgefunden hatte, blieben
die Kohlen- oder Schieferthonschichten scharf getrennt, andernfalls und
insbesondere wenn Ströme die Masse bewegten und dadurch verhinderten, daß die unter
Thon und Sand begrabenen Pflanzen sich zu einem zusammenhängenden Kohlenlager
vereinigten, vermischten sich die vegetabilischen Theile mit den anorganischen
Stoffen, und es entstanden neben den Ablagerungen reiner Kohle, auch die mit
vegetabilischen Resten stark vermischten schwarzen Schiefer, welche unter dem Namen
Kohlenschiefer, bituminöse Schiefer, bituminöse Mergelschiefer, Brandschiefer oder
Schieferschnüre bekannt sind. Ihre mehr oder minder dunkle Farbe hängt lediglich von
dem Gehalt an vegetabilischen Stoffen ab. Abgesehen von der chemischen Analyse, die
in ihnen eine größere Menge mineralischer oder anorganischer Stoffe als in der
reinen Kohle nachweist, geben sie sich auch durch einen braunen Strich zu erkennen,
während derselbe bei reiner Steinkohle immer von schwarzer Farbe erscheint.
Ursache der braunen Farbe ist die Art der Erhaltung der vegetabilischen Reste, wie
mich zahlreiche mikroskopische Untersuchungen deutscher, belgischer, englischer und
französischer Schiefer lehrten, indem sie nicht schwarz gefärbt, wie in der reinen
Steinkohle, sondern braun gefärbt darin vorkommen, also sich entschieden in einem
geringeren Grade von Zersetzung befinden. Dieser ward höchst wahrscheinlich dadurch
veranlaßt, daß die zwischen den organischen Theilen befindlichen Partikelchen von
Sand und Schieferthon die vollständige Umwandlung in Kohle verhinderten, welche nur
die zu einer ungetrennten Masse vereinigten Reste anzunehmen vermochten. Deutlich
erkennt man in dieser braunen Masse noch Zellen derjenigen Pflanzen, welche einst
den Stoff dazu lieferten. Wenn man dichte Steinkohlen, wie z.B. die glänzende Kohle
von muschligem Bruche
oder die matte glanzlose Cannelkohle, in welchen man mit unbewaffnetem Auge keine
Spur von einer Pflanzenform zu erkennen vermag, unter dem Mikroskop untersucht, so
ist sie beinahe völlig undurchsichtig und zeigt nur hie und da braune durchsichtige
Stellen, an denen man äußerst selten noch mit einer gelbbraunen Masse erfüllte
Zellen unterscheiden kann. Viel häufiger sieht man nur eine einfache braungefärbte
Haut ohne alle und jede bestimmte Begränzung oder organische Structur. Anders
verhält es sich dagegen mit der, fast jeder wahren Steinkohle beigemischten
sogenannten mineralischen Holzkohle, dem vorzugsweise abfärbenden Bestandtheile
jener Kohlen; dieselbe zeigt bei vorsichtiger Spaltung in ganz dünne Plättchen braun
gefärbte, getüpfelte Zellen und netzförmige Gesäße in mannichfachen Abwechselungen.
Erstere gehören Coniferen, die letzteren Calamiten an. Beiläufig bemerkt, habe ich
bereits im Jahre 1846 bekannt gemacht, daß man in der Asche einer jeden Kohle noch
die Skelette van Pflanzenzellen findet und also auch auf diese Weise sich von ihrem
pflanzlichen Ursprunge zu überzeugen vermag, wodurch die Phantasien gewisser
Naturforscher, die in der Steinkohle bald den Urkohlenstoff, oder auch nur
bituminöses Erdharz sehen wollten, beseitigt seyn dürften.
Wenn wir nun die oben geschilderte und jetzt auch wohl ziemlich allgemein angenommene
Bildungsweise der Steinkohle und der an Kohle mehr oder weniger reichen Schiefer
(Brandschiefer, bituminöser Schiefer u.s.w.) in Betracht ziehen, und erwägen, daß
die einzelnen zur Bildung der Kohlen verwandten Pflanzenarten selbst einen
verschiedenen Aschengehalt besaßen, so dürfen wir uns in der That nicht über die
unendlich vielen in der Natur vorhandenen Abwechselungen oder Mittelstufen zwischen
Steinkohle und Kohlenschiefer wundern, welche nicht bloß in verschiedenen
Kohlenrevieren, sondern selbst sogar in einem und demselben Kohlenflötze vorkommen.
Selbst hier ist der reine Kohlengehalt, sowie die nach der Verbrennung
zurückbleibende Aschenmenge bedeutend verschieden. Der Gehalt der wahren Steinkohle
an Asche oder anorganischen Bestandtheilen übersteigt selten 5 bis 10 ProcentVorliegende Cannelkohle von Kirkdally in Schottland lieferte 9 Procent.; ein größerer Aschengehalt macht dieselbe zu vielen technischen Zwecken
unbrauchbar. Mit dem größeren Aschengehalte verliert sich auch die charakteristische
schwarze Färbung, sie geht in eine graue über, der Strich ist nicht mehr
reinschwarz, sondern grau oder graubraun, und so kann man endlich Mineralien von 20
bis 30 Procent Aschengehalt nicht mehr als Steinkohle, sondern nur als
Kohlen- oder bituminösen Schiefer bezeichnen. Man würde sonst jeden Unterschied zwischen den
beiden wichtigsten Gliedern der Steinkohlenformation, nämlich zwischen Kohle und
Schiefer, aufheben. Die mir vom Bauamte zu Frankfurt überschickten Mineralien, und
zwar sowohl die unter A von der Englischen Gesellschaft,
als die unter B von der Frankfurter Gesellschaft als Boghead Parrot Cannelcoal bezeichneten, stammen
bekanntlich von einem Fundorte, welcher unstreitig der alten Steinkohlenformation
angehört, nämlich aus dem Kohlenkalkstein, wie dieß durch die
Lagerungs-Verhältnisse und die mit ihnen zugleich vorkommenden, für diese
Formation charakteristischen Pflanzen, insbesondere durch die von mir selbst in
einem auf anderem Wege erhaltenen Stücke beobachtete Stigmaria ficoides
Brong. ganz außer Zweifel gesetzt wird. Es wird
also Alles, was ich in Vorstehendem über die Bildung der Kohle, sowie über den
Schiefer und den wahren und alleinigen Unterschied desselben von der ächten Kohle
gesagt habe, auch hier vollkommen Anwendung finden müssen. Insofern nun die
beiderlei vorgelegten Proben sich weder durch ihre auf dem Wege der mikroskopischen
Untersuchung erkannte Beschaffenheit, noch hinsichtlich ihres Aschengehalts von
einander unterscheiden (indem sie 25 bis 30 Procent Mineralbestandtheile enthalten),
ferner keinen schwarzen, sondern einen graubraunen Strich zeigen, kann ich sie
durchaus nicht für wahre Steinkohle oder Cannelkohle erklären, sondern nur als
Brand- oder bituminösen oder Kohlenschiefer bezeichnen.
Diese Schiefer mit ihrem braunen Striche und noch braungefärbten Pflanzenresten
verhalten sich zu der wahren, durch und durch schwarzen Steinkohle, wie die
sogenannte Rothkohle (Charbon roux) der französischen
Pulverfabriken zur schwarzen Holzkohle. Jene Schiefer sind die Producte einer
unvollkommenen Verkohlung auf nassem Wege, wie die Rothkohle ein Product
unvollkommener Verkohlung auf trockenem Wege; beide sind also keine wirkliche Kohle,
beide aber reicher an Wasserstoff, als wirkliche Holz- und Steinkohle, daher
bei gleichem Gewichte von verbrennlicher Substanz auch mehr geeignet zur Erzeugung
von brennbaren Gasen, als die letzteren.
Aus diesen Gründen ergibt sich, warum die vorliegende sogenannte Boghead Parrot
Cannelcoal trotz ihres bedeutenden Aschengehaltes auf so vortheilhafte Weise zur
Leuchtgasbereitung verwendet werden kann. Vielleicht sah man auch sich eben deßwegen
in Edinburgh veranlaßt, sie mit der wahren Cannelkohle, zu der sie, wie gesagt,
nicht gerechnet werden kann, zu indentificiren.
So und nicht anders glaubte ich aus den hier dargelegten wissenschaftlichen Gründen
über den fraglichen Fall urtheilen zu müssen.