Titel: | Ueber endlose Schienen (continuous rails) in den Vereinigten Staaten von Nordamerika; von B. Hager, Ingenieur. |
Fundstelle: | Band 145, Jahrgang 1857, Nr. LIV., S. 241 |
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LIV.
Ueber endlose Schienen (continuous rails) in den Vereinigten Staaten von Nordamerika; von B. Hager, Ingenieur.
Mit Abbildungen auf Tab.
IV.
Hager, über endlose Schienen in den Vereinigten Staaten von
Nordamerika.
Ein großer Uebelstand beim Eisenbahnbetriebe, sowohl in Hinsicht auf die Gefahr des
Ausgleisens des Zuges, als auch auf die Abnutzung der Locomotiven und Wagen (rolling stock), entsteht durch die Stöße, welche die
Fahrzeuge auf den Stellen erleiden, wo zwei Schienen an einander gränzen
(Schienenstöße, joints). Um diesem Uebelstande
abzuhelfen, hat man in Deutschland mit ziemlich gutem Erfolge in die Hälse der sich
berührenden Schienen Eisenplatten gelegt und dieselben durch Schrauben mit den
Schienenenden verbunden (Laschenverbindung). In Amerika verwendet man zu gleichem
Zwecke Stühle (chairs), wie Fig. 20, 21 und 22 einen solchen
darstellen. Fig.
20 ist ein Querschnitt, Fig. 21 eine Ansicht von
unten, und Fig.
22 ein Längendurchschnitt nach der Linie SS. A, A sind die zu vereinigenden Schienen; H, H zwei an deren Seiten angebrachte halbe Stühle,
welche durch die Schraubenbolzen D, D, die dicht unter
den Schienen hindurchgehen, so verbunden werden, daß B,
B und C, C den Schienenfuß oben und unten fest
umklammern, ohne ihn an seinen äußersten Enden F, F zu
berühren. Die obere Seite des untern Theiles B ist in
seinem Langendurchschnitt Fig. 22 ein wenig convex
und die untere Seite des oberen Theiles C etwas concav,
um den Schienenstößen das Bestreben zu geben, sich etwas zu heben, sobald die
Muttern angezogen werden. Hierdurch wird zugleich bezweckt, daß die Elasticität der
Schiene, sobald eine Last sich über deren Mitte bewegt, sie von dem Angriffe der
Stühle so weit befreit, daß sie sich bei Aenderung der Temperatur der Länge nach
bewegen kann. Die Schrauben D, D, welche unmittelbar
unter den Schienen durch die Stuhlhälften gehen, wirken als ein Stützpunkt (fulcrum), sobald eine Last sich über den Stoß bewegt,
und deßhalb umklammern die Stuhlhälften in diesem Augenblick die Schienen um so
fester. Dieser Stuhl ist auch erfolgreich zwischen den Schwellen ununterstützt
angewendet worden, so daß er, wie die anderen Theile der Schiene mit gefedert hat.
Er umfaßt die Schienenstöße so, daß sie sich auch durch das Gewicht der schwersten
Maschinen nicht setzen können und hierdurch beugt er der Abnutzung der
Schienenenden, welche durch das verschiedene Setzen derselben erfolgt, vor, oder mit
anderen Worten: er macht das Sinken eines Schienenendes unter das nächstfolgende bei
darübergehenden Lasten unmöglich.
Noch zweckmäßiger sind die drei verschiedenen Arten von endlosen Schienen, welche mit
dem besten Erfolge auf mehreren Bahnen in Nordamerika angewendet worden sind.
Die erste, für Welles und Serrell patentirte Schiene (Welles'
and
Serrell's
compund railway bar) besteht aus einer TSchiene E, Fig. 23, über der eine
andere Hohlschiene G liegt, wird ohne Schienenstühle
angewendet und bloß mit Schienennägeln (spikes) auf den
Querschwellen (cross-ties) befestigt. Sie hat den
Vorzug über die beiden andern Arten, daß sie nicht genietet zu werden braucht, und
deßhalb leichter von gewöhnlichen Handarbeitern ausgewechselt werden kann.
Die zweite, auf der 504 englische Meilen langen New-York
Central-Eisenbahn, welche Albany und Canada auf zwei verschiedenen Wegen, die
jedoch beide in Albany beginnen und an den
Niagara-Eisenbahn-Hängebrücken enden, mit Doppelgeleise verbindet, ist
Winslow's
patent compound rail.
Auf dieser Bahn lagen anfangs auf Langschwellen genagelte Flachschienen, zu welchen
sehr schwaches Eisen benutzt worden war. Bei schnell fahrenden Zügen geschah es
deßhalb öfters, daß sich eine Schiene losriß, krumm bog, durch den Wagenboden fuhr
und Passagiere verletzte oder gar tödtete. Man nannte diese gebogenen Schienen snails (Schnecken), wahrscheinlich wegen ihrer Gestalt.
Bald verdrängte deßhalb die TSchiene diese
Flachschienen, welche erstere abermals seit fünf Jahren der nachfolgend
beschriebenen Construction Fig. 24 weichen mußte.
Diese besteht aus zwei Halbschienen J, K, Fig. 24,
welche versetzt an einander genietet sind, weßhalb die Stöße der innern und äußern
Schienenhälften J und K nie
auf einander passen. Sie sind ungefähr 18 Fuß lang und von 3 zu 3 Fuß vernietet, so
daß auf jede Schwelle eine Niete kommt. Hierbei ist zu erwähnen, daß sich 5/8zöllige
Nieten (rivets) von gutem amerikanischen Eisen ohne
große Schwierigkeit kalt umnieten lassen.
Die dritte ist die seit acht Jahren auf der 381 Meilen langen
Baltimore-Ohio-Eisenbahn im Staate Maryland angewendete dreitheilige
Schiene (B. H. Latrope's
patent three part rail). Sie besteht aus drei Theilen
L, M, N, Fig. 25, d. i. zwei der
ganzen Länge der Schiene nach laufenden halben Stühlen L,
M und der eigentlichen Schiene N, welche von
diesen Stühlen umfaßt und mit ihnen von 3 zu 3 Fuß vernietet ist. Bei dieser
Einrichtung wird bloß der eigentliche Schienenkopf N
durch den Gebrauch unbrauchbar, während der Fuß L, M
stets unversehrt bleibt; der zu ersetzende Schienenkopf ist bei weitem leichter als
eine gewöhnliche TSchiene. Auch lassen sich die drei
Theile dieser Schiene ohne große Schwierigkeit herstellen.
Die Vorzüge eines endlosen Geleises müssen jedem Praktiker sofort einleuchten. Es
befreit die Fahrzeuge von der fortwährenden schlagenden Bewegung, welche sie bei der
gewöhnlichen Stuhlverbindung durch das anhaltende Springen von einer Schiene zur
andern erleiden; denn das Fahren von schweren Zügen drückt die Stühle in die
Querschwellen ein und die Folge hiervon ist eine leichte Senkung der Schienenenden,
wodurch die eben erwähnten Sprünge entstehen. Die hierdurch den Eilzügen erwachsende
Gefahr ist augenscheinlich. Neben Beseitigung dieser Gefahr erwächst aber auch ein
bedeutender Vortheil in pecuniärer Hinsicht, indem die Maschine und Wagen, d. i. das
rollende Inventar (rolling stock), wie der Amerikaner
sagt, weit weniger abgenutzt werden. Man schätzt die Ersparniß in diesem allein so
groß, daß der Unterschied in den Kosten der Beschaffung der Schienen nach letzter
Construction in 3 bis 4 Jahren sich bezahlen würde, auch wenn die früher verwendeten
Schienen auf einer schon angelegten Bahn mit bedeutendem Verluste verkauft werden
müssen. Ferner hat sich herausgestellt, daß die endlosen Schienen sich weit weniger
abnutzen, weil die Züge weit ruhiger passiren und deßhalb weniger Reibung entsteht;
eine Folge hiervon ist, daß auch Achsbrüche weit seltener in den letzten Jahren auf
jenen Bahnen, die endlose Schienen gelegt haben, vorgekommen sind, als vorher.
Ein weiterer Vortheil besteht darin, daß, während man früher auf den Flachschienen
(flat bar) in Amerika 15 englische Meilen in der
Stunde höchstens zurücklegen konnte und später die Geschwindigkeit auf der schweren
TSchiene (heavy T rail)
auf 40 englische Meilen in der Stunde erhöhte, man jetzt auf dem endlosen Geleise
(continuous or compound rail) mit Sicherheit 50
englische Meilen in der Stunde fährt; in außergewöhnlichen Fällen ist die
Geschwindigkeit sogar bis auf eine englische Meile in der Minute gebracht
worden.
Daß alle diese endlosen Schienen sehr ökonomisch und in hohem Grade sicher sind,
spricht sehr zu ihren Gunsten.