Titel: | Neues Verfahren zum Löschen, Formen und Gießen des Gypses, um demselben die Härte und Unveränderlichkeit des Marmors zu ertheilen; von Hrn. F. Abate aus Neapel. |
Fundstelle: | Band 145, Jahrgang 1857, Nr. LXIV., S. 287 |
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LXIV.
Neues Verfahren zum Löschen, Formen und Gießen
des Gypses, um demselben die Härte und Unveränderlichkeit des Marmors zu ertheilen; von
Hrn. F. Abate aus
Neapel.
Aus den Comptes rendus, Juli 1857, Nr.
4.
Abate's Verfahren zum Löschen, Formen und Gießen des
Gypses.
Der Gyps findet bekanntlich zahlreiche Anwendungen zu baulichen Zwecken, zur
Ausführung von Verzierungen und für Gegenstände der bildenden Künste; zu allen
diesen Zwecken besitzt er einerseits schätzbare Eigenschaften, solche sind: die
niedrigen Gestehungskosten des gebrannten Gypses, welchen man aus dem in der Natur
allgemein verbreiteten wasserhaltenden schwefelsauren Kalk darstellt, dann die
Leichtigkeit, ihn nach dem Löschen zu bearbeiten und zu formen, endlich die
Vollkommenheit der aus ihm mittelst des Gießens dargestellten Gegenstände;
andererseits macht man ihm aber seine Zerbrechlichkeit zum Vorwurf, und seinen
geringen Widerstand gegen die atmosphärischen Einflüsse, weßhalb man ihn nicht für
Gegenstände anwenden kann, welche der Witterung ausgesetzt bleiben. Man hat daher
von Zeit zu Zeit Methoden erfunden, um ihn hart zu machen und zu verbessern; aber
diese Verfahrungsarten, welche im Beimischen anderer Substanzen, wie Leim, Alaun etc.
bestehen, gaben in praktischer Hinsicht nur ungenügende Resultate, überdieß kamen
die aus solchen Compositionen dargestellten Artikel viel theurer zu stehen.
Ich habe zu demselben Zweck einen andern Weg eingeschlagen; durch eine Reihe von
Versuchen mit verschiedenen Gypsarten, und durch Beobachtung der Erscheinungen
welche sich beim Brennen dieses Steins und bei seinem nachherigen Löschen mit Wasser
einstellen, habe ich folgende Thatsachen ermittelt:
1) daß sich bei den zahlreichen Varietäten von Gyps, welche in der Natur vorkommen,
verschiedene Härtegrade zeigen, und daß einige dieser Varietäten so hart wie der
Marmor sind;
2) daß der Unterschied in der Härte des Gypses viel weniger von seiner chemischen
Constitution herrührt, als von den natürlichen oder zufälligen Umständen welche bei
der Vereinigung seiner Molecüle vorherrschten, denn es gibt Varietäten von
Gypsstein, welche fast die gleiche chemische Zusammensetzung haben, jedoch
hinsichtlich der Härte sehr von einander verschieden sind;
3) daß beim Brennen des Gypsspaths oder Gypssteins keine andere Veränderung in seiner
chemischen Constitution eintritt, als daß er das gebundene Wasser verliert, also
wasserfrei wird. Bei den Varietäten, welche ich dem Brennen unterzog, betrug der
Wasserverlust 27 bis 28 Procent.
Aus diesen Thatsachen zog ich den Schluß, daß man zur Fabrication eines festen und
dauerhaften künstlichen Steins mittelst des Gypses dem gebrannten Stein beim Löschen
nicht mehr Wasser einverleiben darf als der natürliche Gyps enthält, und daß man
überdieß nach dem Löschen desselben durch einen starken mechanischen Druck die
möglichste Annäherung der Molecüle zu erzielen suchen muß, weil die Cohäsion
derselben stets im umgekehrten Verhältniß ihrer Entfernung steht.
Ich habe mich ferner überzeugt, daß die jetzt gebräuchliche Behandlungsweise des
Gypses höchst fehlerhaft ist, was die Unvollkommenheit der mit demselben erhaltenen
Producte erklärt. Wegen der großen Verwandtschaft des gebrannten Gypses zum Wasser
rührt man ihn beim Löschen mit so viel Wasser an, als erforderlich ist um ihn in
einen Teig zu verwandeln, und für das Gießen mit noch mehr Wasser, indem man ihn in
einen Brei verwandelt; diese Quantität Wasser beträgt bis 200 Procent, also fast
achtmal so viel als der Gypsstein enthielt. Es erfolgt sogleich ein Erhärten
(Binden) des Gypses, und nachdem das Wasser durch das Austrocknen der Masse verdunstet ist, verbleibt
nur ein poröser Körper, welcher Feuchtigkeit absorbirt und, abwechselnd der Wärme
und Kälte ausgesetzt, sich sehr bald lockert.
Ich versuchte verschiedene Verfahrungsarten, um den Gyps mit der möglich geringsten
Menge Wasser löschen zu können; das einfachste, welches mir auch die besten
Resultate gab, besteht darin, das Wasser in Dampfform anzuwenden. Hierzu bringe ich
den gebrannten Gyps in eine cylindrische Trommel, welche sich horizontal um ihre
Achse dreht, und setze diese Trommel mit einem Dampfkessel in Verbindung; auf diese
Weise absorbirt der Gyps in sehr kurzer Zeit die gewünschte Menge Wasser, welche man
durch das Wägen desselben mit der größten Genauigkeit reguliren kann. Mit so
präparirtem Gyps, welcher stets seinen pulverigen Zustand behält, fülle ich gehörig
angeordnete Formen und setze das Ganze der Wirkung einer kräftigen hydraulischen
Presse aus. Nach kurzer Zeit ist die Operation beendigt, man nimmt die Formen
auseinander und die Artikel sind zum Gebrauch fertig. Wie man sieht, ist dieses
Verfahren sehr leicht ausführbar, und überdieß höchst ökonomisch.
Der so präparirte Gyps ist vollkommen compact und hart, und nimmt die Politur des
Marmors an. Die zartesten Medaillen etc. werden mit aller Vollkommenheit des
Originals copirt. Dreijährige Erfahrung hat mir die Unveränderlichkeit dieses
Products unter den atmosphärischen Einflüssen bewiesen; dasselbe eignet sich daher
für Gegenstände welche der Witterung ausgesetzt bleiben. Mittelst des bekannten
Verfahrens des Marmorirens kann man mit diesem Product alle Marmorarten nachahmen,
für welche man also ein vollkommenes und sehr wohlfeiles Surrogat hat.
Die Vortheile, welche die Industrie, die schönen Künste, die Architektur etc. aus
dieser Erfindung ziehen können, sind einleuchtend und von der größten Wichtigkeit.
Insbesondere ermöglicht sie die Fabrication eines künstlichen Bausteins als Surrogat
der Quadratsteine; dieser künstliche Stein wäre viel fester, dauerhafter, reiner und
schöner als die Hausteine, und würde nur den fünften oder sechsten Theil derselben
kosten; überdieß könnten die Stücke dieses künstlichen Steins mit den gewünschten
Verzierungen als Ganzes geformt werden.