Titel: | Ueber den Betrieb der Dampfmaschinen mit überhitztem Dampfe; von Hrn. G. A. Hirn zu Logelbach bei Colmar. |
Fundstelle: | Band 145, Jahrgang 1857, Nr. LXXIII., S. 322 |
Download: | XML |
LXXIII.
Ueber den Betrieb der Dampfmaschinen mit
überhitztem Dampfe; von Hrn. G. A.
Hirn zu Logelbach bei Colmar.
Aus Armengaud's Génie industriel, August 1857, S.
85.
Hirn, über den Betrieb der Dampfmaschinen mit überhitztem
Dampfe.
Hr. Hirn hat der Mülhauser Industriegesellschaft im
October 1856 eine sehr interessante Abhandlung über die Theorie der Anwendung des
überhitzten Wasserdampfes bei Dampfmaschinen eingereicht, worin er die Wirkungen
untersucht, welche stattfinden, wenn man in den arbeitenden Cylinder der Maschine,
anstatt ihn mit gesättigtem Dampfe zu speisen, überhitzten Dampf leitet, mit anderen Worten, wenn man
dem Dampf, anstatt ihn in seinem natürlichen Zustande anzuwenden, wie er sich aus
dem Wasser entwickelt, vor seinem Einführen in den Cylinder künstlich einen
Wärmeüberschuß mittheilt, so daß er in eigentliches Gas verwandelt wird.
Die Versuche des Hrn. Hirn ergaben, daß man durch
Anwendung des überhitzten Dampfes eine sehr beträchtliche Brennmaterialersparniß
erzielt. Aus seiner umfangreichen Abhandlung (im Bulletin de
la Société industrielle de Mulhouse, 1857 Nr. 138 u. 139)
theilen wir im Folgenden das Wesentliche über die Wirkungen des überhitzten Dampfes
mit, nebst einer Tabelle, worin seine Versuche mit Dampfmaschinen zusammengestellt
sind.
Durch das Ueberhitzen des gesättigten Dampfes ändert sich das Gesetz seiner
Expansion, seine Dichtigkeit wird geringer (indem er sich in ein eigentliches Gas
verwandelt), seine Wärmeleitungsfähigkeit modificirt sich etc. Von diesen
verschiedenen Veränderungen ist zwar jede, an und für sich, von keiner großen
Bedeutung, aber zusammengenommen bringen sie eine vollständige Umgestaltung in die
Hauptfunctionen des Motors. Die Brennmaterialersparniß und die größere Leistung
welche man durch das Ueberhitzen des Dampfes erzielt, werden im Wesentlichen durch
die Maschine selbst
veranlaßt und nicht durch den Dampferzeuger. Letzterer spielt jedoch dabei ebenfalls
eine Rolle und zwar auf zweierlei Weise:
1) Man kann als Grundsatz aufstellen, daß ein Dampfkessel niemals zu groß seyn wird,
vorausgesetzt daß man die Rostfläche und die Stärke des Zuges in angemessenem
Verhältniß mit der Menge und Güte des zu verzehrenden Brennmaterials erhält. Der
Kessel wird, im Allgemeinen, stets um so mehr Wasser bei gleichem Gewicht des
verzehrten Brennmaterials verdampfen, je größer seine Heizfläche ist; daraus folgt
umgekehrt, daß ein gegebener Kessel ein um so vortheilhafteres Resultat liefern
wird, je weniger Dampf man ihn in derselben Zeit erzeugen läßt, vorausgesetzt daß
man besorgt ist den Rost etc. im Verhältniß zum Brennmaterial zu erhalten. Bei
Anwendung des überhitzten Dampfes ist aber ein geringerer Dampfaufwand für die
gleiche Leistung der Maschine hinreichend, folglich liefert dabei der Kessel immer
ein vortheilhafteres Resultat, d.h. es wird durch dasselbe Brennmaterialquantum
stets mehr Dampf erzeugt.
2) Aller Dampf führt im gesättigten Zustande mehr oder weniger Wasser mit sich, und
dieses Wasser wird bei seinem Durchgange durch den Ueberhitzungsapparat in Dampf
verwandelt. Der Ueberhitzer wirkt also wie ein Hülfskessel; den durch ihn gewonnenen
Effect besonders zu messen, ist nicht möglich, aber es ergibt sich eine größere
Leistung des Hauptkessels, indem bei gleichem Brennmaterialverbrauch mehr Dampf
erzeugt wird. Es ist einleuchtend, daß das eben Gesagte keine Anwendung auf solche
Maschinen findet, bei denen das mit dem Dampf fortgerissene Wasser an den Kessel
ohne erheblichen Wärmeverlust immer wieder zurückgegeben wird, wie dieß bei manchen
Maschinen mit Dampfmänteln der Fall ist.
Die zwei erwähnten, eine Brennmaterialersparniß veranlassenden Umstände zeigen zwar
stets einen merklichen Einfluß, derselbe ist jedoch unbedeutend im Vergleich mit den
Wirkungen der vier Hauptumstände, welche im Spiele sind, wenn bei irgend einem
Maschinensystem der überhitzte Dampf angewendet wird. Es sind folgende:
a) Vergrößerung des Volums des
Dampfes durch das Ueberhitzen; derselben entsprechend vermindert sich aber
der Dampfaufwand und folglich der Brennmaterialverbrauch;
b) Verminderung der Dichtigkeit
des Dampfes; die Folge derselben ist ein größerer Druck im Cylinder,
während der Dampf ihm aus dem Kessel zuströmt, und ein geringerer Gegendruck,
während er sich in den Condensator begibt; denn wir haben in derselben Zeit weniger
Dampf einzuführen und weniger auszutreiben, was, selbst bei Gleichheit des Druckes,
wegen seiner geringeren Dichtigkeit besser zu bewirken ist;
c) Abänderung des
Expansions-Gesetzes; das Ueberhitzen des Dampfes modificirt dasselbe
in der Weise, daß bei gleichem anfänglichem Druck für dieselbe Volumzunahme eine
größere Arbeitssumme verfügbar wird;
d) Abänderung der Temperatur der
Cylinderwände; das Ueberhitzen der Wände selbst modificirt ebenfalls das
Expansionsgesetz in der Weise, daß für dieselbe Expansion und denselben anfänglichen
Druck eine größere Leistung gewonnen wird.
Nach dem eigenthümlichen System jeder Dampfmaschine werden sich aber diese vier
Hauptumstände, selbst bei gleichbleibender Brennmaterialersparniß, in so
verschiedenen Verhältnissen zeigen, daß es nicht mehr möglich ist, dieselben
gesondert und unter einem allgemeinen Gesichtspunkt zu betrachten.
Versuchsmaschinen und Gang der Versuche.
Hr. Hirn hat seine Versuche an zwei Maschinen angestellt,
nämlich an einer Woolf'schen Maschine von 112
Pferdekräften (2 Cylinder mit Dampfmantel), und an einer Maschine andern Systems von
10 Pferdekräften (1 Cylinder ohne Mantel).
Von den Kesseln der Versuchsmaschinen hat jeder drei Siederohre, an welchen der Rauch
ihrer ganzen Länge nach hinzieht, worauf er in die Züge des Hauptkessels gelangt,
den er auf den halben Umfang umgibt. Zwischen den Zügen der Siederohre und den Zügen
des Kessels befand sich die Kammer, in welcher der Ueberhitzungsapparat aufgestellt
war. Derselbe bestand in einer Menge gerader gußeiserner Rohre, in horizontalen
Reihen etagenweise über einander aufgestellt und an den Enden so mit einander
verbunden, daß sie zusammen nur ein langes Rohr bildeten,
welches möglichst wenig Raum beanspruchte und die Wärme des Rauchs möglichst
vollständig aufnahm. Durch das Rohrsystem ging der Kesseldampf, ehe er in den
Cylinder eintrat.
Bei dieser Einrichtung hat man die Temperatur, welche der Dampf annimmt, vollständig
in seiner Gewalt. Steigt sie zu hoch, so öffnet man die Klappen in dem Canal,
welcher die Züge des Kessels mit denen der Siederohre unmittelbar verbindet, mehr
oder weniger, so daß ein Theil des Rauchs, statt durch die Kammer des
Ueberhitzungsapparates zu gehen, unmittelbar gegen die Kesselwand tritt. Will man
den Ueberhitzungsapparat ganz außer Thätigkeit setzen, so öffnet man alle jene
Klappen und schließt die Hähne in dem Schlangenrohr, so daß der Dampf unmittelbar
aus dem Kessel in den Cylinder tritt.
Der Gang der Versuche war folgender: Ging die Maschine z.B. mit Ueberhitzung, so
hielt man die Dampfspannung einen Arbeitstag hindurch möglichst constant und die
Dampfklappe vollständig offen. Die Maschine mußte daher eine gewisse Zeit hindurch
eine constante Leistung ausüben. Die verbrannte Kohle, das verdampfte Wasser, die
Spielzahl u.s.w. wurden genau aufgezeichnet. Den nächsten Tag wurde ein ähnlicher
Versuch angestellt, aber ohne Ueberhitzung. Die in beiden Fällen von der Maschine
ausgeübte Leistung wurde dann durch die Wasserkraft, welche sie in der Fabrik
ersetzt, ermittelt, und die Dampfmaschine genau in denselben Zustand gebracht, in
welchem sie während der beiden Versuchstage war. Um sich zu vergewissern, ob diese
mittelbare Messung der Leistung hinlängliche Genauigkeit böte, wendete Hr. Hirn in dem einen Fall den Prony'schen Zaum an und fand Uebereinstimmung bis auf 1 Proc.
Die Resultate der Versuche sind in der folgenden Tabelle zusammengestellt:
Textabbildung Bd. 145, S. 324–325
System der Maschine; Anzahl der
Kolbensp. p. Minute; Expansion; Druck im Cylinder, im Kessel; vor der Expansion;
nach der Expansion; nach der Condensation; Pferdekrafte; Dampf per Stunde und
per Pferdekraft; Steinkohlen p. Stunde und p. Pferdekraft; Dampf per Kilogr.
Kohle; Ersparniß in Folge der Ueberhitzung; an Dampf; an Kohlen; Temperatur
Verfügbare Wärmeeinheiten des in den Cylinder eingelassenen Damfes; des Dampfes;
des Einspritzwassers; der Condensationswassers; des in den Cylinder;
eingelassen. Dampfes; der mit dem Dampfe fortgeriss. Wasserth; der Wirkung; des
Watt'schen; Mantels; der Reibung; verloren durch die Wände; Im Ganzen;
Wärmeeinheiten, aufgenommen vom eingespritzten Wasser und entsprechend einem
Kolbenspiel; Differenz oder verschwundene Wärmeeinheiten; Leistung in Folge der
Expansion per 1 Kolbenspiel; Mechanisches Aequivalent; Verschwundene
Wärmeeinheiten per Kilogr. Dampf; Erklärung der Bezeichnungen in der Tabelle;
Columne 2. – N ist die Anzahl der Kolbenspiele der Maschine in einem
Arbeitstage (12 Stunden); D ist die Anzahl von Minuten während deren die
Maschine in Thätigkeit war; Columne 9. – π Dampfverbrauch in einem
Arbeitstage; D Dauer dieser Leistung in Stunden und Bruchtheilen einer Stunde; F
Pferdekraft; Columne 10. – Γ Verbrannte Kohle (von Saarbrücken)
per Arbeitstag, in Kilogr.; Fortsetzung der Erklärung der Bezeichnungen in der
Tabelle; Columne 12 – π¹ Dampfverbrauch ohne Ueberhitzung;
π² Dampfverbrauch mit Ueberhitzung; Columne 13. –
γ¹ Kohlenverbrauch per Stunde und per Pferdekraft, ohne
Ueberhitzung; γ² Kohlenverbrauch per Stunde und per Pferdekraft,
mit Ueberhitzung; Columne 23. – V Menge des per Kolbenspiel aus dem
Condensator getriebenen Wassers.