Titel: | Ueber die sauren Gase, welche Schwefelsäure- und Sodafabriken verbreiten, und die Mittel, dieselben unschädlich zu machen. – Nach einer belgischen Staatsschrift auszugsweise bearbeitet von Prof. Dr. E. L. Schubarth in Berlin. |
Fundstelle: | Band 145, Jahrgang 1857, Nr. XC., S. 376 |
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XC.
Ueber die sauren Gase, welche
Schwefelsäure- und Sodafabriken verbreiten, und die Mittel, dieselben unschädlich
zu machen. – Nach einer belgischen Staatsschrift auszugsweise bearbeitet von
Prof. Dr. E. L. Schubarth in Berlin.
Aus den Verhandlungen des Vereins zur Beförderung des
Gewerbfleißes in Preußen, 1857 S. 135.
Ueber die sauren Gase, welche Schwefelsäure- und
Sodafabriken verbreiten.
Vorwort.
Vielfältige Klagen der Landwirthe über die Beschädigung der Feld- und
Gartenfrüchte durch die Dämpfe der chemischen Fabriken in Belgien veranlaßten die
Regierung im Jahre 1854 eine Commission zur Untersuchung der Sache niederzusetzen.
Dieselbe theilte sich in zwei Abtheilungen; die eine, aus Chemikern bestehend,
unterzog sich der speciellen Kenntnißnahme der chemischen Fabriken und der dort
ausgeübten Fabricationsprocesse; die andere, aus Botanikern und Landwirthen
gebildet, widmete sich der Untersuchung des Zustandes der Vegetation auf den Aeckern
und Waldungen in der Nähe der Fabriken. Zugleich nahm man auch eine specielle
Kenntniß der Maßregeln, welche die französische Regierung ergriffen hat, um die
Uebelstände zu verhüten, um die es sich in Belgien handelte.
Während dieser Arbeiten hatte im Sommer 1855 die Aufregung des Landvolkes, welches
sogar die Kartoffelkrankheit den Einflüssen der chemischen Fabriken zuschrieb, so
zugenommen, daß sehr bedauerliche Angriffe auf die letztern stattfanden. Dieses veranlaßte die
Regierung, die Commission, um die weitläufigen und zeitraubenden Arbeiten zu
beschleunigen, durch neue Mitglieder zu verstärken, so daß es möglich wurde, Ende
des Jahres einen Generalbericht an das Ministerium abstatten zu können. Derselbe ist
unter dem Titel: „Fabriques de produits chimiques.
Rapport à Mr. le ministre de l'Intérieur par la Commission
d'enquête, Bruxelles 1856 4.“ erschienen.
––––––––––
Daß die Dämpfe der chemischen Fabriken, der Rauch der Essen, wenn demselben saure
Gase beigemengt sind, auf die Vegetation nachtheilig wirken, ist eine anerkannte
Thatsache. Vielfache Klagen sind seit Jahren laut geworden. Man hat aber auch nicht
selten die Sache übertrieben und Flecke auf den Blättern und Verderbniß der Blüthen
und Früchte dem Einflusse saurer Dämpfe Schuld gegeben, welche von ganz andern
Ursachen herrührten, als von Frost, mikroskopischen pflänzlichen und thierischen
Parasiten, vom Niederschlage fremder Stoffe auf die Blätter, von ausgezeichnet
intensiver Sommerhitze etc. Hat man doch in Belgien die Kartoffelkrankheit von den
Ausdünstungen der chemischen Fabriken herleiten wollen, namentlich von dem
salzsauren Gase! Aber gerade in denjenigen Theilen Belgiens, wo nicht eine derartige
Fabrik existirt, hat jene Krankheit begonnen und größere Zerstörungen ausgeübt, als
da wo chemische Fabriken sind. In Frankreich und England zeigte die
Kartoffelkrankheit sich vor 1845 nirgends, auch nicht in der Nähe der Sodafabriken,
obschon letztere nach einem großen Maaßstabe arbeiteten.
Nichts desto weniger steht fest, daß die sauren Dämpfe der Sodafabriken den Pflanzen
und Bäumen in der Nähe nachtheilig sind. Angestellte chemische Untersuchungen haben
die Gegenwart von Spuren Salzsäure in den fleckig gewordenen Blättern, ebenso in dem
Wasser (Thau) dargethan, mit welchem dieselben benetzt waren. Gleiche Flecke konnten
künstlich durch Bestreichen der Blätter mit verdünnter Salzsäure hervorgebracht, und
dann selbst noch nach 8 Tagen Spuren der Säure in den Blättern nachgewiesen
werden.
Folgende Liste von Bäumen, Sträuchern und sonstigen Gewächsen weist die
Empfänglichkeit für die Einwirkung salzsaurer Dämpfe nach; die in derselben zuerst
aufgeführten werden am meisten, die letzten am wenigsten angegriffen.
Weißbuche
Carpinus betulus.
Weißpappel
Populus alba.
Hainbuche
„ incisa.
Pappel
„
fastigiata.
Haselstrauch
Corylus avellana.
Zitterpappel
„
tremula.
Eiche
Quercus Robur.
Lebensbaum
Thuya orientalis.
Rothbuche
Fagus sylvatica.
Weinstock
Vitis vinifera.
Birke
Betula alba.
Pflaumenbaum
Prunus domestica.
Platane
Acer Pseudoplatanus.
Apfelbaum
Malus communis.
Feld-Ahorn
„ campestre.
Birnbaum
Pyrus
„
Weide
Salix cinerea.
Kirschbaum
Cerasus vulgaris.
Schwarzdorn
Crataegus
oxyacantha.
Johannisbeerstr.
Ribes rubrum.
Spindelbaum
Evonymus europaeus.
Rosenstrauch
Rosa gallica.
Ulme
Ulmus campestris.
Hollunderstrauch
Syringa vulgaris.
Linde
Tilia platyphyllos.
Himbeerstrauch
Rubus idaeus.
Schlehdorn
Prunus spinosa.
Spiräa
Spiraea ulmaria.
Lärche
Larix europaea.
Hopfen
Humulus Lupulus.
Brombeerstrauch
Rubus fruticosus.
Erle
Alnus incana.
Esche
Fraxinus excelsior.
Während Erlen in ziemlicher Nähe bei den chemischen Fabriken nicht leiden, werden
Buchen und Eichen schon in größerer Entfernung von denselben angegriffen. Die
Ausdehnung des Rayons, innerhalb dessen die sauren Gase ihre schädliche Wirkung auf
die Vegetation äußern, hängt von verschiedenen Umständen ab und läßt sich nicht
absolut festsetzen; allein in einem jeden einzelnen Falle kann man dieselbe
praktisch bestimmen, indem man beobachtet, bis auf welche Entfernung diejenigen
Gewächse, welche am empfindlichsten gegen derartige Einflüsse sind, wie z.B.
Weißbuchen, aufhören irgend eine Veränderung zu zeigen, welche von jenen schädlichen
Ursachen bedingt werden. Der Rayon des schädlichen Einflusses ist demnach nicht
allein für die verschiedenen Fabriken sehr verschieden, sondern auch nach
Verschiedenheit der Richtungen um die Fabrik. Derselbe erstreckt sich in der
Richtung der herrschenden Winde am weitesten, während in der Richtung der am
seltensten wehenden Winde sich derselbe am wenigsten weit erstreckt und wenig
beträchtlich ist. Endlich scheint sich die Ausdehnung des Rayons der schädlichen
Wirkung in der Richtung der herrschenden Winde nicht über 2000 und nicht unter 600
Meter zu erstrecken (531 und 459,3 preuß. Ruthen, oder 0,256 und 0,0796 Meilen).
Man hat die Behauptung aufgestellt, die chemischen Fabriken begünstigten Krankheiten,
und es fände in den Ortschaften in der Nähe derselben eine vermehrte Sterblichkeit
statt. Um diese Frage zu erörtern, hat die Commission statistische Untersuchungen
angestellt.
Es handelte sich um vier chemische Fabriken der Provinz Namur, in denen
Schwefelsäure, Salzsäure, Glaubersalz, Soda, Chlorkalk dargestellt werden. Dieselben
befinden sich zu Risle, Floreffe, Moustier und Auvelais.
Das Verhältniß der Todesfälle zur Kopfzahl der Bevölkerung der nächsten Ortschaften,
nach einem fünfjährigen Durchschnitte, ergibt sich aus nachstehender Uebersicht in
Procenten ausgedrückt.
Verhältniß der
Todesfälle
Nameder
Fabriken.
Zahl derOrtschaften.
vor Errichtung der
Fabriken.
nach
Errichtung der Fabriken.
Risle
5
2,37 Proc.
1, 90
Proc.
Floreffe
5
1,53 „
1,508
„
Moustier
3
1,85 „
1,79
„
Auvelais
3
1,61 „
1,79
„
Im Durchschnitt
–
1,79 „
1,708
„
Kein Cholerafall hat sich dort ereignet und, mit Ausnahme von Floreffe, kein Typhus
gezeigt, wobei zu bemerken ist, daß unter 75 daselbst Erkrankten 1 einziger
Fabrikarbeiter sich befand. Nach ärztlichen Beobachtungen sind im Thale der Sambre,
wo sich chemische Fabriken befinden, Brustkrankheiten nicht häufiger, als früher der
Fall war, ehe es dort solche Fabriken gab; überhaupt haben Krankheitsfälle nicht
zugenommen, selbst nicht bei den in den Fabriken beschäftigten Arbeitern. Obschon
dieselben wohl zu Anfange ihrer Arbeitszeit, ehe sie sich an die Dünste gewöhnt
haben, an Entzündung des Kehlkopfs, der Bronchien leiden, so verschwinden doch diese
Uebel bald und kehren nicht wieder. Gleiche Erfahrung hat man auch bei Pferden
gemacht.
I. Schwefelsäure-Fabrication.
Bekanntlich ist, um Schwefelsäure zu erzeugen, schwefligsaures Gas nothwendig,
welches entweder durch Verbrennen von Schwefel, oder durchs Rösten von Schwefelkies
(oder Blende) gewonnen wird. Im Nachstehenden ist nur von der letztern Methode,
schwefligsaures Gas durchs Rösten von Schwefelkies zu erzeugen, die Rede. Derselbe
wird, je nachdem er als Stuferz oder als Schliech angeliefert wird, entweder in
Flammöfen mit Rosten
(fours à grille), oder in Oefen mit Fließen
(fours à dalles) zur Erzeugung von
schwefligsaurem Gas abgeröstet.
Der erstere Ofen hat in seiner ganzen Länge einen Rost, auf welchen das Erz in
Stücken durch Oeffnungen im Gewölbe aufgegeben und gleichmäßig ausgebreitet wird.
Ueber dem Roste ist ein Raum, welcher die Abbrände aufnimmt und zur Zuführung der
zum Verbrennen des Schwefels, zur Oxydation des Eisens im Schwefelkiese, so wie für
die Erzeugung der Schwefelsäure in den Bleikammern nöthigen Luft dient. Ein kurzer
Canal leitet die Luft und das Gas in die Vorkammer. Vor der Einmündung des Ofens in
den Canal liegt eine eiserne cylindrische Pfanne, in welcher Salpeter mit
Schwefelsäure gemischt die zur Bildung der Schwefelsäure nöthige Salpeter-
und Untersalpetersäure liefert. Ueber diese Pfanne strömt das schwefligsaure Gas,
indem es die letztere zugleich erwärmt, in die Kammer. Die in 24 Stunden in einen
solchen Ofen aufgegebenen Röstposten, 4 bis 8 an der Zahl, betragen etwa 2 bis 3000
Kilogr.,1 Kilogramm= 2 Zollpfund.1 Meter= 3,1862 preuß. Fuß oder = 38,234
Zoll.1 Decimeter= 3,8234
„ Zoll. die Höhe der Schwefelkiesschicht 2 bis 3 Decimeter. Man hat sich auch aus
Schwefelkies-Schliech und Thonbrei gebildeter Steine bedient, die man zu 1/4
dem Schwefelkies in Stücken zugibt. – Um beim Entleeren des Ofens von den
Abbränden am Ende einer Röstung den Eintritt von Staub in die Bleikammer zu
verhüten, wird der Zug abgesperrt; damit aber auch der Arbeiter nicht von demselben
und dem schwefligsauren Gase, welches die glühenden Abbrände ausgeben, leide, ist
ein Canal geöffnet, welcher aus dem Raume unter dem Roste nach dem Schornsteine der
Anstalt führt.
Der Fließenofen unterscheidet sich von ersterem dadurch, daß die Sohle aus Fließen
oder Platten besteht, welche auf niedrigen Pfeilern ruhen, zwischen denen die
Feuerungen mit Rosten und Aschenfällen angelegt sind. Das Besetzen geschieht wie bei
den vorigen Oefen, das Abräumen der Abbrände durch eine während des Röstens mit
einer Platte bedeckte Oeffnung in einen Keller oder (was sehr zu tadeln ist) in
eiserne vor den Oefen gestellte Kästen. – Man verbrennt in 24 Stunden
mindestens 5000 Kilogr. in 6–8 Posten, und gibt dem Schlieche in dem Ofen
eine Höhe von 0,08 bis 0,10 Meter.
Um den Zug in den Kammern zu reguliren und die durch denselben mit fortgerissene
Untersalpetersäure, welche als ein rothgelber Dampf entweicht, zurückzuhalten, hat
man sich verschiedener Vorrichtungen bedient.
Man hat das aus der Kammer entweichende Gas in einen Bleikasten geleitet, aus welchem
es durch eine Röhre, in der sich ein stellbarer Schieber befindet, in den
Fabrikschornstein abgeführt wird. Ein Dampfstrahl befördert den Zug. Man hat auch
wohl den Bleikasten mit Kohks gefüllt, die aber zum Zuge nachtheilig waren.
Eine andere Art der Zugregulirung besteht in einer in dem Abzugsrohre angebrachten
Bleiplatte mit mehreren Oeffnungen, die nach Umständen mit irdenen oder bleiernen
Stöpseln geschlossen werden können. Zu dem Ende befindet sich in der Röhre oberhalb
jener Platte seitwärts eine mit einem Schieber verschließbare Oeffnung. Um die in
diesem Ausgangsrohre niedergeschlagene saure Flüssigkeit abzuleiten, dient ein
Bleirohr. Ein Dampfstrahl befördert den Zug und die Absorption der sauren Gase.
Zur Absorption der salpetersauren Dämpfe hat man Bleikästen angewendet, mit
Glaskugeln, Kohks gefüllt, die von oben mit Schwefelsäure berieselt werden, während
die Gase von unten eintreten. Endlich sind auch Bombonnes, in zwei parallele Reihen
auf einer ansteigenden Bühne geordnet, zu gleichem Zwecke benutzt worden, durch
welche die Gase durch einen Zugregulator nach dem Fabrikschornstein abziehen,
während die in ihnen condensirte Flüssigkeit, nahe dem Boden durch Bleiröhren
abgezogen, in eine der Vorkammern des Schwefelsäure-Bildungs-Apparates
geleitet wird.
Die Kammersäure wird in bleiernen offenen Pfannen auf 60° B. abgedampft und
sodann zur Erzeugung von Glaubersalz verwendet. Während des Abdampfens entweichen
Wasserdämpfe, welche etwas Schwefelsäure mit fortreißen, die sich, wenn das Local
nicht gehörigen Luftwechsel gestattet, durch Reizung der Schleimhäute der Luftröhre
und Lungen bemerklich machen. Die Concentration auf die höchste Dichtigkeit für den
Handel, 66° B., wird theils in Glasretorten oder Ballons, theils in
Platinblasen mit Kühlung vorgenommen, wobei keine irgend lästigen Dämpfe entweichen,
da man bemüht ist, die bei Anwendung von Ballons entweichenden sauren Dämpfe, um sie
nicht zu verlieren, in Bombonnes oder in einen mit Kohks angefüllten Kasten zu
leiten, in welchem eine Berieselung mit Wasser stattfindet. Das uncondensirte Gas
wird in die Esse abgeführt.
Es soll nun die Frage erörtert werden: in welchem Verhältnisse stand in jenen vier
Fabriken die erzeugte Menge Schwefelsäure zu der Menge des gerösteten
Schwefelkieses, wie groß war der Verlust?
In der Fabrik zu Risle sind 924500 Kilogr. Schwefelkies in Stücken und 819000 Kilogr.
in Schliechform innerhalb 10 Monaten geröstet worden. Ersterer enthielt 47,56 Procent, letzterer 39,71
Proc. Schwefel; die Abbrände enthielten von ersterem noch 6,65, von letzterem 14,95
Proc. Schwefel. Von ersterem wurden 70,76, von letzterem 62,71 Proc. Abbrände im
Mittel erhalten. Hieraus folgt: daß von dem Schwefelkiese in Stücken 42,86, von dem
Schlieche aber nur 30,34 Proc. Schwefel verbrannt worden sind. Es hat also betragen
die verbrannte Schwefelmenge aus 924500 Kilogr. Schwefelkies in Stücken 396259
Kilogr., von 819000 Kilogr. Schliech 248500 Kilogr., zusammen 644759 Kilogr. Die
Gewichtsmenge Schwefelsäure von 60° B., welche mit dem vorstehend angegebenen
Gewichte verbrannten Schwefels erzeugt wurde, betrug 1,894185 Kilogr.; es sind also
aus 100 Schwefel 293,78 Theile Schwefelsäure von 60° gewonnen worden. Nach
der Theorie sollen aber 306,25 Schwefelsäure von 66°, oder 392,62 von
60° B. gewonnen werden.Baudrimont führt in seinem Traité de chimie Tome I pag.
587 die Fabrik von Porquerolles an, wo man im
Durchschnitte vieler Jahre diese theoretische Ziffer erreicht hat; in
anderen best eingerichteten Fabriken kam man bis auf 384,6 einer Säure von
60° B. Es sind also 98,84 Theile Säure, oder 25 Proc., weniger gewonnen, als der
Theorie nach hätten erzeugt werden können, oder 90,83 Theile weniger, d. i. 23 Proc.
derjenigen Menge, welche vorzüglich eingerichtete Fabriken gewinnen.
Diese Minderproduction hat ihren Grund darin, daß eine bedeutende Menge
schwefligsaures Gas nicht in Schwefelsäure umgewandelt worden ist; sie beträgt, wenn
man das theoretische Resultat zu Grunde legt, nicht weniger als: 637269 Kilogr.,
oder selbst noch 585624 Kilogr., wenn man 23 Proc. Verlust annimmt. 637269 Kilogr.
Säure von 60° B. entsprechen aber bei 0° Wärme und einem
Barometerstande von 0,76 Meter einem Volum von 111060 Kubikmeter schwefligsauren
Gases, und 585624 Kilogr. einem Volum von 102867 Kubikmeter. Nimmt man letztere Zahl
an, so war der tägliche Verlust an schwefligsaurem Gase 338 Kubikmeter (10932 preuß.
Kubikfuß), in der Secunde 3,9 Liter (218 Kubikzoll).
In der Fabrik zu Floreffe betrug die Menge der von 100 Schwefel gewonnenen
Schwefelsäure von 60° B. 287,96, der Verlust an Säure in 10 Monaten nach der
theoretischen Schätzung 359775 Kilogr., welchen 63195 Kubikmeter schwefligsaures Gas
entsprechen, oder nach der zweiten Annahme 332239 Kilogr., welchen 58359 Kubikmeter
Gas entsprechen, oder täglich 191 Kubikmeter, in der Secunde 2,2 Liter (123
Kubikzoll).
In der Fabrik zu Moustier gingen täglich 207, in der zu Auvelais 193 Kubikmeter
schwefligsaures Gas verloren.
Ein Theil dieses sehr bedeutenden Verlustes an schwefligsaurem Gase hat durch den Zug
aus den Bleikammern in die Fabrikesse stattgefunden, ein anderer Theil ist durch die
Thüren und Oeffnungen der Röstöfen entwichen; endlich hat auch dadurch ein Verlust
stattgefunden, daß Schwefelsäure durch den Zug und beim Abdampfen mit fortgerissen
wurde.
Die chemische Untersuchung des Gasgemenges, welches durch das Abzugsrohr in die Esse
abgeführt wird, hat folgendes Resultat ergeben:
Schwefligsaures
Gas.
Sauerstoffgas.
Stickstoffgas.
Zu Risle
1,22
15,74
83 04
„ Floreffe
0,38
15,45
84,17
„ Moustier
1,265
13,695
85,040
Tabellarische Zusammenstellung der Resultate.
Verlust
anSchwefelsäure.
Schwefligsaures
Gas.
Name derFabriken.
GewonneneSchwefelsäure
von 60°
B. Kilogr.
Nach
der Theorie. Kilogr.
Auf 100
Thle.gewonnener
Säure. Kilogr.
DemSäureverlusteentsprechend.
Kubikmet.
Durch die
Esseentwichen. Kubikmet.
Durch die
Esse entwichen v. d.Gesammtverluste.
Risle
1,894183
637269
33,64
111060
58606
52,76
Floreffe
989950
359775
36,33
63195
23319
36,90
Moustier
1,622465
401342
24,73
70496
33129
46,98
Auvelais
1,019841
363461
35,63
63843
29074
45,54
Geht man auf die Ursachen des Verlustes specieller ein, so können folgende
unterschieden werden:
1) Der mangelhafte Betrieb der Röstung des Schwefelkieses, indem ein bedeutender
Ueberschuß an Luft das schwefligsaure Gas aus den Röstöfen in die Kammern
begleitete.
Um 1 Kilogr. Schwefel in den Oefen zu verbrennen und in Schwefelsäure zu verwandeln,
sind 2,1 Kilogr. Sauerstoff erforderlich, nämlich 1 Kilogr zur Erzeugung der
schwefligen Säure, 0,5 Kilogr. um diese in Schwefelsäure umzuwandeln, und 0,6 Kilogr. um das
Stickstoffoxyd, welches durch den Einfluß eines Ueberschusses an schwefliger Säure
und Wasser in Stickstoffoxydul umgewandelt wird und dadurch für die Fabrication der
Säure verloren gehen würde, wieder herzustellen. Da nun die atmosphärische Luft 23
Gewichtsprocente Sauerstoff enthält, so sind 9,13 Kilogr. Luft, oder 7060 Liter bei
0° und 0,76 Met. Barometerstande zu obigem Behufe erforderlich und zwar
3362 Liter
um schweflige Säure zu bilden,
1681 „
„
die
„
„ in Schwefelsäure, und
2017 „
„ das Stickstoffoxydul in
Stickstoffoxyd umzuwandeln
–––––
7060 Liter.
Nach der Condensation der Schwefelsäure wird das übrig gebliebene Gasgemenge
enthalten:
Sauerstoff
419,5Stickstoff 1597,5
atmosph. Luft
2017 Liter
– der
verbrauchten Luft
3994 –
–––––––––
Summa
6011 Liter.
Es werden also in dem Gasgemische, welches aus den Kammern kommt, nur noch 6,97 Proc.
Sauerstoff dem Raume nach enthalten seyn.
Die Röstöfen erfordern aber mehr Sauerstoff um den Schwefelkies zu oxydiren, da auch
das Eisen, indem es in Oxyd übergeht, Sauerstoff aufnimmt. Um 1,875 Kilogr.
Schwefelkies, in welchem 1 Kilogr. Schwefel enthalten ist, zu oxydiren, sind 8320
Liter Luft erforderlich, wovon 1260 auf das Eisen kommen. Es bleibt also nach der
Niederschlagung der Schwefelsäure ein Gasgemisch von 7009 Liter mit 5,98
Volumprocenten Sauerstoff.
Vergleicht man nun dieses theoretische Resultat mit den Ergebnissen von 15 chemischen
Analysen der Gase, welche aus den Schwefelsäurekammern jener Fabriken abziehen, so
ergibt sich, daß in letzteren im Mittel 15,30 Sauerstoffgas enthalten war (das
Maximum betrug 17,42, das Minimum 11,68). Hieraus folgt: daß man 2,5mal mehr Luft in
die Kammern eingeführt hatte, als erforderlich war, selbst wenn man reinen
Schwefelkies geröstet hätte. Dieser schädliche Ueberschuß an Luft verursacht, daß
das schwefligsaure Gas nicht hinlänglich Raum in den Kammern hat, um daselbst die
zur chemischen Reaction erforderliche Zeit verweilen zu können; es wird daher eine
bedeutende Menge in die Esse entweichen. – Als man in Auvelais die Röstposten
verminderte, stieg die Production um 1/3, und in Moustier nahm dieselbe, als man
eine dritte Kammer mit den beiden in Gebrauche stehenden verband, um 18–20
Procent zu.
Woher stammt aber dieser Ueberschuß an Luft in den Kammern? In den Röstöfen mit
Fließen findet die Verbrennung des Schwefelkieses unter den ungünstigsten Umständen
statt; die Berührung des Schliechs mit der Luft ist zu gering; das Verbrennen findet
nur an der Oberfläche statt. Man ist daher gezwungen, alle halbe Stunden 10 Minuten
lang den Schliech durchzukrücken. Während dieser Arbeit stehen die Thüren offen und
die Luft strömt, ohne zum Verbrennen des Schwefels etwas beigetragen zu haben, durch
den Ofen in die Kammern. In den Oefen mit Rosten durchdringt die Luft die Schichten
des Kieses, die 3–5 Decimeter hoch sind, es findet kein regelmäßiges
Verbrennen statt; auch hier zieht viel Luft während der Ausbreitung des Erzes über
dem Rost bei offenen Arbeitsthüren in die Kammer.
Nachstehend eine Vergleichung der Ergebnisse des Röstens von Schwefelkies in
beiderlei Oefen der Fabrik zu Risle.
Textabbildung Bd. 145, S. 384
Monate; Schwefelkies in Stücken;
100 Gewichtstheile Schwefelkies-Schliech; 100 Gewichtstheile; Verbrauchte;
Menge; Schwefelsäure von 60°; gaben Schwefelsäure; Verbrauchte Menge;
Schwefelsäure von 60°; Schwefelkies gaben Schwefelsäure; Kilogr.; Juli;
August; September; October
356200 Kilogr. Schwefelkies in Stücken enthalten 152674 Kilogr., und 270600 Schliech
82105 Kilogr. nutzbaren Schwefel. Theoretisch hätte die erstere Schwefelmenge 599428
Kilogr. Schwefelsäure von 60° und die letztere 322360 geben müssen. Hieraus
ergibt sich ein Verlust im erstern Falle von 125765 für die Oefen mit Rosten, im
letztern von 100079 für die Oefen mit Fließen, oder für die erstern auf 100 Kilogr.
verbrannten Schwefel von 82,37 Kilogr. und für die letztern von 121,89 Kilogr. Aus
diesen Zahlen folgt: daß der Fließenofen ein weit ungünstigeres Resultat gibt, als
der Ofen mit Rost, obschon auch dieser noch mangelhaft arbeitet.
Den Uebelständen beim Gebrauche des Rostofens kann dadurch abgeholfen werden, daß man
mehrere, von geringeren Dimensionen, neben einander anlegt und mit einem
gemeinschaftlichen Abzugscanale verbindet. – Die Fabrikbesitzer, welche zu
Folge der vorgeschlagenen Verbesserungen kleinere Oefen mit Rosten eingeführt haben,
erkennen einstimmig an, daß dadurch die Ausbeute wesentlich vermehrt worden ist, und
daß durch eine Vermehrung derselben eine Production wird erreicht werden können,
welche der früheren mindestens gleichkommen wird. Ein Fabrikdirector bemerkte, es
werde durch die größere Anzahl der Rostöfen ein Zurückstoßen des schwefligsauren
Gases bewirkt, welches er nicht habe bewältigen können. Die Ursache davon liegt
jedoch in der mehr oder minder regellosen und complicirten Construction der Füchse,
die in das senkrechte allgemeine Abzugsrohr einmünden, welches das Gas in die
Kammern leitet, ferner in der zu geringen Höhe des letztern. In Frankreich ertheilt
man demselben eine Länge von mindestens 8 Meter. Endlich ist auch der Zug durch
einen Dampfstrahl zu bethätigen.
Man wird ferner die gerügten Nachtheile vermeiden, wenn man die Rostöfen nach
einander besetzt, um einen mittleren Zug zu erhalten, der desto regelmäßiger seyn
wird, je mehr Oefen verbunden sind. Jeder derselben muß eine Salpeterpfanne haben,
wodurch eine regelmäßigere Entwickelung von salpetersauren Dämpfen ermöglicht wird.
Ferner wird durch eine Vermehrung der Höhe der Kiesschicht über dem Roste der Luft
mehr Gelegenheit gegeben, mit dem letztern in Berührung zu kommen, es wird weniger
Sauerstoff ungenützt in die Kammer entweichen. Die zweckmäßigste Höhe der
Kiesschicht kann nur durch Versuche ermittelt werden. In England macht man die Oefen
2 Meter hoch, im Innern 0,8 Met. breit, 0,8 bis 1,0 Met. tief; der Rost liegt 0,2
Met. über der Sohle, und die Schichten haben eine Höhe von 0,8 Meter. Eine Thür mit
Regulationsschieber gestattet der Luft Zutritt unter den Rost, eine zweite dient zum
Aufgeben, eine dritte, in der Decke des Ofens, um das Salpetergefäß, welches auf
eisernen Stangen über der Flamme des Kieses aufgestellt ist, zu besetzen.
Die Fließenöfen scheinen keiner Verbesserung fähig zu seyn und sollten ganz
aufgegeben werden, und zwar um so mehr, als man sich der Oefen mit Rosten auch für
Schliech bedienen kann, wenn man den letztern in Steine formt. Man fertigt dieselben
mit Zusatz von 25 Proc. Thon und etwas Wasser, trocknet sie an der Luft, zuletzt auf
dem Ofengewölbe. Die Kosten der Handarbeit werden durch Ersparung an Brennmaterial
gedeckt, welches durch die Fließenöfen in nicht unbeträchtlicher Menge verschwendet wird. (Ein solcher
Ofen, in welchem in 24 Stunden 2400 Kilogr. Schliech geröstet werden, verzehrt etwa
900 Kilogr. Steinkohlen, im Betrage von 10 Fr. 35 Cent., während die Herstellung von
1000 Kilogr. Schliechsteinen 5 Fr. 50 Cent. kostet.)
2) Ein zweiter Grund des Verlustes liegt in der Benutzung des Salpeters statt der
Salpetersäure, die man bei dem Gebrauche von Schwefel statt Schwefelkies in die
Kammer einzulassen pflegt. Ist nun auch die Menge des Salpeters dem Gewichte der bei
andern Apparaten gebräuchlichen Menge Säure ziemlich entsprechend, so ist doch die
Entwickelung der Salpetersäure aus dem Salpeter ziemlich ungleichförmig und von
Nachtheil für den regelmäßigen Gang des Apparats. Anfangs sind die Dämpfe der sich
entbindenden Säure im Ueberschusse vorhanden, zuletzt tritt ein Mangel ein.
3) Ein dritter Grund, allein von geringerem Belange, ist in dem Einflusse der
Temperatur zu suchen, wenn die Kammern im Freien aufgestellt sind.
Fabriken, welche Schwefel statt Schwefelkies verbrennen, arbeiten ohne alle Frage
weit vollkommener und geregelter, indem es unmöglich ist, in gleichen Zeiten gleiche
Mengen schwefligsauren Gases zu erzeugen. Wesentlich ist hierbei, daß das
schwefligsaure Gas nicht zu heiß mit der Salpetersäure in Berührung komme. Ist alles
in gutem Gange, so enthält das aus dem Zugrohre entweichende Gasgemisch
Stickstoffgas mit, 4–6 Procent Sauerstoffgas, etwas schwefligsaures und
salpetrigsaures Gas, sehr wenig Wasserdampf.
Um dem Entweichen der beiden letzteren Gase entgegen zu treten, wendet man, bevor
dieselben ins Abzugsrohr gelangen, ein System von etwa 30 Bombonnes an. Die ersten
10 enthalten etwas Wasser und dienen als Condensatoren, die nächstfolgenden 10 sind
bis zur Hälfte mit einer Lösung von salpetersaurem Baryt angefüllt; in den letzten
10 befindet sich Wasser und gestoßener Witherit (kohlensaurer Baryt). Diese
Einrichtung hat der bekannte Chemiker Kuhlmann in Lille
eingeführt. Um den Zug und die chemische Aufeinanderwirkung zu befördern, leitet man
einen schwachen Dampfstrahl in die erste Bombonne. Durch diese Anordnung gewinnt man
in der zweiten Abtheilung der verbundenen Gefäße schwefelsauren Baryt (als
unveränderliche weiße Farbe von guter Deckkraft [permanent
white, blanc fix] verkäuflich), in der dritten salpetersauren Baryt, den
man zur Füllung der zweiten Abtheilung benutzt. Auf diese Weise werden beide sauren
Gase nicht verloren, sondern nutzbar gemacht und jede Belästigung aufgehoben.
Ein anderer Vorschlag, das Entweichen von schwefligem und salpetrigsaurem Gas zu
verhüten, ist folgender: Man läßt das aus der letzten Kammer abziehende Gas durch 3
oder 4 große irdene Bombonnes ziehen, welche zur Hälfte mit concentrirter
Salpetersäure gefüllt sind. Dadurch wird die schweflige Säure in Schwefelsäure
umgewandelt und ein Theil der salpetrigen Säure verschluckt. Aus der letzten
Bombonne wird das Gas in eine weite bleierne Röhre von 30' Höhe 3' Durchmesser
geleitet, welche von Außen mit Holz verschalt und mit Ringen versehen ist. Im Innern
befinden sich aus Steinzeug gefertigte Krüge (Kohks werden zu leicht zerstört).
Concentrirte Schwefelsäure von 66° B., in dünne Strahlen zertheilt, träufelt
stetig auf dieselben nieder und hält sie, während das Gas emporsteigt, feucht. In
der Schwefelsäurefabrik von de Hemptinne hat sich solch
ein Apparat vorzüglich bewährt. Für je 100 Kilogr. erzeugter concentrirter Säure
ließ man 15 Kilogr. conc. Säure in den Absorptionsapparat fließen. Die letztere wird
sodann in die Vorkammer gebracht und hier durch die Einwirkung des schwefligsauren
Gases und des Wasserdampfes von der aufgenommenen salpetrigen Säure befreit. Durch
diese Vorrichtung ist man dahin gelangt, die Menge der Salpetersäure bis zu 1/3 zu
verringern, wodurch die Kosten der Concentration jener 15 Procent angewendeter
Schwefelsäure gedeckt werden. – Statt dieser Absorptionssäure kann auch eine
Reihe von 30–40 auf einer Bühne ansteigend aufgestellter, zur Hälfte mit
Wasser angefüllter Bombonnes dienen.Man vergleiche hiermit die Angaben des Hrn. Dr.
Kunheim im polytechn. Journal Bd. CXLII S. 339.
(Der Schluß folgt im nächsten Heft.)