Titel: | Ueber sogenannte Antiphosphorfeuerzeuge; von Professor Dr. J. R. Wagner in Würzburg. |
Fundstelle: | Band 145, Jahrgang 1857, Nr. XCI., S. 387 |
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XCI.
Ueber sogenannte Antiphosphorfeuerzeuge; von
Professor Dr. J. R. Wagner
in Würzburg.
Aus dessen Jahresbericht der chemischen Technologie für
1856, S. 465.
Wagner, über sogenannte Antiphosphorfeuerzeuge.
Das Prognostikon, welches ich im vorigen Jahre den sogenannten Antiphosphorfeuerzeugen,97) die einen Rückschritt in der Geschichte der Industrie bezeichnen,
stellte, hat sich als vollkommen richtig erwiesen. Die Fabrication der
Antiphosphorfeuerzeuge, überhaupt niemals schwunghaft betrieben, ist gegenwärtig
schon so gut wie verschwunden. Trotzdem erheben sich noch hier und da Stimmen zu
Gunsten dieser Feuerzeuge.
Der Grund, warum es den Antiphosphorfeuerzeugen nicht gelingen konnte die üblichen
Streichhölzchen zu verdrängen, liegt ziemlich nahe. Einmal ist bei der ersteren Art
Feuerzeug das Hölzchen an und für sich nicht im Stande Feuer zu geben; es gehört
dazu die präparirte Streichfläche, die, wie sich gezeigt hat, nach kurzem Gebrauche
durch die Phosphorsäure, welche sich während des Reibens und zwar immer in etwas
größerer Menge, als zum Entzünden der Streichhölzchen erforderlich gewesen wäre,
bildet, feucht und dadurch gänzlich unbrauchbar wird. Bei der Benutzung von 100
Hölzchen wird man im günstigsten Falle zwei, meistens aber mehr als zwei Reibflächen
brauchen, abgesehen von dem Umstande, daß eine nicht geringe Anzahl der Hölzchen
sich nicht entzündet. Auf der anderen Seite zeigt die Anwendung des amorphen
Phosphors, dessen Preis außerdem mehr als das Doppelte von dem gewöhnlichen Phosphor
beträgt, ein gänzliches Mißverstehen der Bedingungen der Fabrication der
Zündrequisiten. Ohne nun im Entferntesten die Wichtigkeit der glänzenden Entdeckung
des amorphen Phosphors zu verkennen, kann ich doch nicht umhin auszusprechen, daß
diese Modification des Phosphors in der Zündholzfabrication niemals Anwendung finden
wird und finden kann.98) Die Leichtentzündlichkeit des gewöhnlichen Phosphors, weit entfernt ein Uebelstand zu
seyn, ist seine werthvollste Eigenschaft. Der gewöhnliche Phosphor entzündet sich
bei 75° C., die rothe Modification dagegen nicht oder vielmehr erst, nachdem
sie wieder in die gewöhnliche übergegangen ist, was nur bei einer Temperatur von
beiläufig 300° C. der Fall ist. Gewöhnlichen Phosphor in rothen überzuführen
und ihn in letzterer Gestalt in der Zündholzfabrication anwenden zu wollen, heißt
den Phosphor seiner vorzüglichsten Eigenschaft berauben. Man hebt hervor, der rothe
Phosphor sey minder feuergefährlich, als der gewöhnliche. Wenn es wahr seyn sollte
daß ein Feuerzeug, bei welchem durch Reibung Feuer erzeugt wird, um so besser ist,
je weniger feuergefährlich es sich beim Gebrauche zeigt, so möchte ein Stück hartes
und ein ähnliches Stück weiches Holz, nach Art der Wilden an einander gerieben,
selbst den Antiphosphorfeuerzeugen vorzuziehen seyn.
Unsere intelligenten Fabrikanten von Zündrequisiten sind jedoch anderer Ansicht,
indem sie vielmehr darnach streben, die Entzündlichkeit des Phosphors nicht zu
verringern, sondern durch feinste Zertheilung dergestalt zu erhöhen, daß, wenn die
Phosphoratome nicht durch die übrigen Bestandtheile der Zündmasse von einander
getrennt wären, ähnlich wie bei dem Phosphor, der aus einer
Schwefelkohlenstofflösung nach deren Verdunstung zurückbleibt, eine Selbstentzündung
eintreten würde.
Wenn das Bedürfniß vorhanden wäre, Reibzündhölzchen ohne Phosphor (d.h. auch ohne
phosphorhaltige Reibfläche) darzustellen,99) so würde die
Chemie zahlreiche Vorschriften von Zündmassen ausfindig machen können, die ihren
Zweck durch Reibung Feuer zu erzeugen, genügend erfüllen würden. Es gibt eine große
Anzahl von Körpern, welche beim Reiben chemisch auf einander wirken und dabei
Feuererscheinung zeigen; ich erinnere beispielsweise an das Bleisuperoxyd, welches
mit Zucker, Weinsäure, Gerbsäure und andern organischen Körpern zusammengerieben,
ein Erglühen zeigt, welches hinreichend seyn wird, eine wie gewöhnlich, nur ohne
Phosphor, dargestellte Zündmasse zu entzünden.100)