Titel: | Ueber die sauren Gase, welche Schwefelsäure- und Sodafabriken verbreiten, und die Mittel, dieselben unschädlich zu machen. – Nach einer belgischen Staatsschrift auszugsweise bearbeitet von Prof. Dr. E. L. Schubarth in Berlin. |
Fundstelle: | Band 145, Jahrgang 1857, Nr. CII., S. 428 |
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CII.
Ueber die sauren Gase, welche
Schwefelsäure- und Sodafabriken verbreiten, und die Mittel, dieselben unschädlich
zu machen. – Nach einer belgischen Staatsschrift auszugsweise bearbeitet von
Prof. Dr. E. L. Schubarth in Berlin.
(Schluß von S.
387 des vorhergehenden Heftes.)
Ueber die sauren Gase, welche Schwefelsäure- und
Sodafabriken verbreiten, und die Mittel, dieselben unschädlich zu machen.
II. Fabrication von Glaubersalz und
Salzsäure.
1) Sulphatöfen.
Zur Erzeugung von Glaubersalz dient Kochsalz und Schwefelsäure, wobei salzsaures Gas
entwickelt wird. Die zu dieser Production angewendeten Oefen haben zwei getrennte
Räume; in dem einen ist eine bleierne Pfanne eingesetzt, in welcher die Vermischung
beider genannten Stoffe stattfindet und die größeste Menge des salzsauren Gases
entbunden, der andere Raum dient zur Calcination des schwefelsauren Natrons, wobei
die letzte Partie Salzsäure ausgetrieben wird. – Um die sehr beträchtliche
Menge des salzsauren
Gases zu condensiren, bedarf es bedeutender Apparate.
Man kann drei Arten Sulphatöfen unterscheiden, 1) mit einer, oder 2) mit zwei Pfannen
(Doppelöfen) und 3) Muffelöfen, d. i. Oefen, durch deren Construction die Rauchgase
von dem salzsauren Gase getrennt sind.
Die Construction der Oefen mit 1 und 2 Pfannen ist im Allgemeinen zu bekannt, als daß
eine ins Einzelne gehende Beschreibung nöthig wäre. Das Feuer, welches auf einem
Roste brennt, schlägt über die Feuerbrücke in den zum Calciniren des Glaubersalzes
bestimmten, durch eine gemauerte Scheidewand von dem Pfannenraume getrennten Theil
des inneren Ofens, steigt dann abwärts unter den Pfannenboden und gelangt hierauf in
den zur Esse führenden Canal. Ist nun das Salz in der Pfanne, welches durch eine
mittelst Schieber verschlossene Oeffnung im Ofengewölbe herabgefallen, durch Zusatz
von Schwefelsäure zum größten Theile zersetzt, und die Masse ein steifer Brei
geworden, so wird ein in der Scheidewand zwischen beiden Ofenräumen angebrachter
Schieber geöffnet, der Brei mittelst eiserner Kellen in den Calcinirraum
übergeschöpft und die Pfanne von Neuem mit Salz und Schwefelsäure besetzt. Das
salzsaure Gas, welches sich aus dem Salze in der Pfanne entwickelt, wird durch zwei
weite Röhren nach den Condensationsapparaten geleitet, das beim Calciniren
entwickelte Gas aber wird von dem Rauche aufgenommen und in die Esse abgeführt.
Während der Calcination wird die Masse von Zeit zu Zeit durchgekrückt und zuletzt,
wenn der Proceß zu Ende ist, das glühend heiße schwefelsaure Natron durch eine in
der Herdsohle angebrachte Oeffnung in einen Abkühlungsraum herabgestürzt.
Bei einem Doppelofen liegen zwei Pfannen, durch eine Scheidewand geschieden, neben
einander. Das Feuer, welches den Calcinirraum durchzogen hat, theilt sich in einen
rechten und einen linken Strom, welche herabsteigen, die Pfannenböden beheizen und
dann nach der Esse abziehen. Jede Pfanne hat ihre besonderen Röhren, welche das
salzsaure Gas durch Oeffnungen im Ofengewölbe ableiten. – Ein Doppelofen
gewährt den Vortheil, daß der Calcinirofen in steter Thätigkeit bleibt, indem die
beiden Pfannen so besetzt werden können, daß alle 3–4 Stunden in den erstem
übergeschöpft wird.
Man besetzt die Pfannen meistentheils mit 300 Kilogr. Salz und 325–330 Kilogr.
Schwefelsäure von 60° Baumé, oder mit 350 : 380–90, endlich
auch wohl im Verhältnisse von 400 : 440–60. Ungefähr nach 6–8 Stunden,
wenn die Masse, die sich anfänglich stark aufblähte, wieder niedergesunken ist, wird
in den Calcinirraum übergeschöpft, aus welchem das Glaubersalz nach Verlauf von
3–4 Stunden in den Abkühlungsraum herabgestürzt wird. Ist derselbe gut verschlossen, so
verbreiten sich während dieser Operation keine sauren Dämpfe in dem Fabrikraume,
wird aber bald darauf das nicht völlig abgekühlte Glaubersalz aus jenem Raume
entfernt, so ist es nicht zu vermeiden, daß sich saure Dämpfe verbreiten. –
Von 100 Theilen Salz gewinnt man 102 bis 113 Theile calcinirtes schwefelsaures
Natron.
Was nun die Oefen mit Doppelgewölbe, oder Muffelöfen anlangt, so ist deren
Construction folgende: Der Calcinirraum besteht aus einer Muffel, unter und über
welcher das Feuer des auf dem Roste brennenden Brennmaterials herumspielt, um sodann
durch eine Oeffnung herabzusinken und die Böden der beiden Pfannen zu heizen. Die
Arbeitsthüren, welche ins Innere der Muffel führen, sind mittelst Platten
geschlossen, die durch Bügel und Schrauben, wie bei den Gasretorten, angedrückt
werden. Die Rauchgase werden durch einen Canal am Fuße des Ofens in die Esse, das
salzsaure Gas aber aus der Muffel, so wie aus den beiden Pfannen mittelst irdener
Röhren in die Condensationsapparate geleitet. Bei einer Besetzung von 250 Kilogr.
Salz und 260–270 Kilogr. Schwefelsäure von 60° Baumé in jede
Pfanne dauert der Proceß in denselben etwa 4 Stunden, das Calciniren etwa 3–4
Stunden. Man vollbringt in 24 Stunden in beiden Pfannen 5–6 Operationen,
indem man abwechselnd in der einen oder der andern arbeitet. Zu diesem Ende dient
ein Schieber, um den Flammenstrom abwechselnd unter die eine oder die andere Pfanne
zu leiten. Die Arbeit an solchen Oefen ist dieselbe, wie an den gewöhnlichen.
(Vergl. die Abbildungen auf Tab. VI und die Beschreibung derselben am Ende des
Aufsatzes.)
Sämmtliche Oeffnungen am Ofen, welche während der Arbeit geschlossen bleiben müssen,
sind mit Thon oder Lehm gedichtet. Dadurch wird nicht allein erreicht, daß kein
salzsaures Gas in den Fabrikraum entweichen, sondern auch daß keine Luft in den
heißen Ofen eindringen kann. Die Ofenwände werden, um sie zu conserviren, mit
Steinkohlentheer übertüncht, welcher durch sein Austrocknen einen dichten, die Fugen
verschließenden Kitt hinterläßt, wodurch das Aussehen solcher Oefen vortheilhaft vor
anderen sich auszeichnet, die sich sehr oft in einem Zustande äußerer Zerstörung
befinden. Je besser die Oefen im Stande gehalten werden, und je mehr dafür gesorgt
wird daß die Thüren und Deckplatten gut schließen, desto leichter wird die Aufgabe
erfüllt, kein salzsaures Gas aus dem Ofen entweichen zu lassen. Hierzu trägt
wesentlich die Anlage von gewölbten Abkühlungsräumen bei, in welche die glühende
Masse des Glaubersalzes aus dem Calcinirraume entleert wird. Dadurch wird verhütet,
daß das aus der
Masse entbundene Gas sich in dem Fabrikraume verbreiten kann, was der Fall ist,
wenn, wie es leider hie und da geschieht, das Abkühlen im Fabrikraume vor den Oefen
stattfindet, wodurch die Arbeiter belästigt werden.
2) Condensationsapparate für das salzsaure Gas.
Dieselben bestehen aus Strängen verbundener leerer, oder zu einem kleinen Theile mit
Wasser gefüllter Bombonnes und einem besonderen Condensator am Ende derselben. Das
aus den Pfannen kommende Gas zieht durch diese Systeme, während das in dem
Calcinirraume entbundene, mit den Rauchgasen gemengt, entweder ohne Weiteres der
Esse zugeführt wird, oder ohne die Bombonnes zu Passiren, bloß in den Condensator
eintritt. Bei den Muffelöfen gelangt das von den Rauchgasen getrennte salzsaure Gas
des Calcinirraumes in ähnliche Apparate als das Gas aus den Pfannen.
Die Zahl der Bombonnes ist nach Größe der Oefen und Capacität der Gefäße verschieden,
30 bis 60. Um die letzten Antheile an salzsaurem Gase noch niederzuschlagen, wendete
man Regenkammern an, gemauerte senkrechte Canäle, oder aus Bleiplatten construirte,
mit Scheidewänden versehene Räume von etwa 10–16 Fuß Höhe, in welche man das
Gas leitete; von oben tröpfelt Wasser in Tropfen zertheilt durch eine gelochte
Platte nieder und wird an der Sohle abgeleitet. In der Fabrik zu Floreffe war früher
ein Condensationsapparat folgender Construction aufgestellt, wurde aber wegen der
schwierigen Unterhaltung aufgegeben. Das salzsaure Gas zog aus dem Ofen durch die
oben erwähnten irdenen Röhren nach drei mit einander verbundenen Strängen von je 10
Bombonnes, welche auf einer ansteigenden Bühne aufgestellt waren. Um das lästige und
zeitraubende Umfüllen der Salzsäure aus den hinteren in die vorderen Bombonnes zu
vermeiden, waren dieselben mit eingekitteten Hebern versehen, durch welche die
stärkste, am Boden der Bombonne befindliche Säure, wenn sich dieselbe bis zu einer
mäßigen Höhe angesammelt hatte, von selbst in die nächste tiefer liegende abfloß,
wodurch ein Strom der flüssigen Säure gegen den Strom des Gases gebildet wurde. Zum
Ersatz der entnommenen Säure floß stets Wasser in einem dünnen Strahle in die
oberste Bombonne zu. Aus den obersten Gefäßen der drei combinirten Stränge trat das
Gas in einen Canal ein, welcher mit einem Saugapparate in Verbindung stand. Eine
Anzahl von Glockenerhaustoren saugte das Gas an und trieb es in eine gleiche Zahl
senkrechter irdener, mit Kohks angefüllter Röhren, welche stetig durch fein
zertheiltes Wasser feucht gehalten wurden. Aus diesen zog das übrig gebliebene Gas
in drei verbundene
Stränge von Bombonnes, zuletzt in einen mit angefeuchteten Kalksteinen angefüllten
Canal und der letzte Ueberrest in die Esse.
An die Stelle des vorstehend beschriebenen complicirten Apparates wurde ein anderer
nachstehender Einrichtung erbaut. Man leitete das salzsaure Gas aus beiden
Pfannenräumen eines Doppelofens durch Röhren nach einem doppelten Strange von je
drei Bombonnes und aus diesen in einen gemauerten Condensationsthurm. Dieser war
durch eine Scheidewand im Innern in zwei senkrechte parallele Hälften getheilt,
welche oberhalb mit einander verbunden waren. In der einen Hälfte trat unten das
salzsaure Gas ein, stieg zwischen den Kohks, welche beide Hälften erfüllten und
durch oberhalb zugeleitetes Wasser stets feucht erhalten wurden, empor, um danach in
der zweiten Hälfte niederzusteigen. Die in der ersten Hälfte gesammelte
tropfbar-flüssige Salzsäure fand in eine außen aufgestellte Bombonne Abfluß,
während das in der zweiten gewonnene Wasser durch einen Canal in den nahe bei der
Fabrik vorbeifließenden Strom abgeleitet wurde. Das salzsaure Gas aus dem
Calcinirraume wurde nach einem irdenen weiten, mit Kohks angefüllten Rohre geleitet,
welches an der einen Seite des Kohksschachtes emporsteigt und mit demjenigen Theile
des letzteren durch ein Rohr communicirt, in welchem das übrige salzsaure Gas
herabsteigt. Was nun an Gas uncondensirt in dem Kohksschachte übrig bleibt, wird
durch einen Canal in die Esse abgeleitet. (Vergl. Tab. VI und die Beschreibung am
Ende des Aufsatzes.)
Unbedingt verwerflich sind diejenigen Einrichtungen, durch
welche das salzsaure Gas des Calcinirofens mit den Rauchgasen vermischt in die
Esse abgeführt wird, ebenso auch das Ableiten des aus den Bombonnes abströmenden
Gases in die Esse, ohne vorher noch durch einen Kondensator gegangen zu
seyn.
Welche Verluste an salzsaurem Gas und welche Nachtheile dadurch sich ergeben, werden
die nachfolgenden Untersuchungen beweisen, wobei wir bemerken, daß nur die
Endresultate der angestellten Untersuchungen hier aufgezeichnet worden sind, aus
denen erstere hervorgehen.
1) Die chemische Fabrik zu Risle gewann im Jahre 1854 aus 2,190935 Kilogr. Salz
(welches 85,28 reines Chlornatrium enthielt), 1,633700 Kilogr. Salzsäure von der im
Handel üblichen Stärke, also 74,5 Proc. von 100 Salz. 100 Theile tropfbare Salzsäure
enthalten 31,121 salzsaures Gas, folglich 74,5 Theile der erstem 23,18 des
letzteren. Nun sind aber aus 100 Theilen Salz im Durchschnitt 109 Theile Glaubersalz
gewonnen worden, es sind folglich 52,99 Theile reine gasförmige Salzsäure erzeugt worden. Es
wurden aber nur 23,18 in den Bombonnes und 6,91 im Condensator, zusammen 30,09
Theile reine Salzsäure erhalten, also gingen 22,90 verloren, oder wurden nicht
condensirt. Dieß gibt für das Jahr 1854 einen Verlust von nicht weniger als 311243
Kubikmeter salzsaures Gas, oder täglich 852 Kubikmeter (47621 Kubikfuß).
2) In der Fabrik zu Floreffe stellten sich die Verhältnisse folgendermaßen: 100
Theile Salz (von 88,34 Proc. reinem Chlornatrium) lieferten 108 Glaubersalz; es
hätten also 100 Salz 54,69 salzsaures Gas geben müssen. Im J. 1854 wurden aus
1,765610 Kilogr. Salz 1,090000 Salzsäure, oder 61,7 Proc. gewonnen. In 24 Stunden
werden 1400 Kilogr. Salz zersetzt, es entbanden sich also während dieser Zeit 765,66
salzsaures Gas. Von diesem Quantum wurde in dem einen Theile des Kohksschachtes, wo
das Gas aussteigt, so viel flüssige Salzsäure gewonnen, daß dieselbe 330,91 Kilogr.
salzsaurem Gase entsprach, in der mit Kohks gefüllten irdenen Röhre 116,79 und in
der zweiten Hälfte des Kohksschachtes 84,416 salzsaures Gas condensirt, zusammen
also 532,116 Kilogr., oder 38 auf 100 Salz. Es blieben demnach täglich 114
Kubikmeter salzsaures Gas uncondensirt (6372 Kubikfuß).
3) In der Fabrik zu Moustier wurden aus 100 Theilen Salz (von 89,89 Proc. Gehalt)
113,8 Glaubersalz erzeugt, es hätten also 55,44 reine Salzsäure in der gewonnenen
Menge flüssiger Säure enthalten seyn müssen. In drei Oefen wurden in 24 Stunden 3000
Kilogr. Salz zersetzt, in den Bombonnes auf 100 Salz 18,89, im Condensator 6,36,
zusammen 25,25 reine Salzsäure gewonnen; es gingen folglich 30,19 verloren. Dieß
ergibt einen täglichen Verlust von 825 Kubikmeter Gas (46112 Kubikfuß).
4) Fabrik zu Auvelais. 100 Theile Salz (von 88,14 Proc.) gaben 102 Glaubersalz und
hätten 54,9 Theile reine Salzsäure liefern müssen. Von 100 Salz erhielt man 108,8
tropfbar-flüssige Säure von der Handelsstärke, also 30,46 reine Säure, 0,92
im Condensator, Summa 31,38. Es gingen folglich verloren: 23,52 Theile reine Säure,
täglich 607 Kubikmeter salzsaures Gas (33927 Kubikfuß).
Dieser große Verlust an salzsaurem Gase, welcher bei der Darstellung des
Glaubersalzes aus Kochsalz stattfindet, wird durch verschiedene Umstände
bedingt.
1) Es entweicht salzsaures Gas aus den Oefen, wenn die Thüren schlecht verschlossen
sind, oder unnöthig geöffnet werden; während der Arbeit, namentlich wenn sie zu
langsam geschieht, dringt Luft von Außen in den Ofen und reißt Gas in die Esse mit
sich fort. Sind die Rauchgase mit dem salzsauren Gase gemengt, so geht viel verloren.
Die breiartige Masse, wie sie aus den Pfannen in den Calcinirraum übergeschöpft
wird, enthält gewöhnlich noch 1/3 bis 1/2 unzersetztes Salz, dessen Zersetzung erst
in letzterem Raume durch die Einwirkung des zweifach-schwefelsauren Natrons
auf das Kochsalz erfolgt. Man kann annehmen, daß 1 Kubikfuß salzsaures Gas sich mit
58 bis 85 Kubikfuß durch das Verbrennen von Steinkohlen erzeugter Rauchgase mengt.
In einem solchen Falle, wo die Trennung des salzsauren Gases von dem Rauche nicht
stattfindet, entführt die Esse 1/4 oder 1/3 der ganzen Menge Salzsäure, welche das
in Arbeit genommene Salz liefert. Ein enormer Verlust!
2) Die bisher gebräuchlichen Bombonnes waren nie völlig geschlossen und häufig waren
sie geborsten. Die Commissarien fanden in einer Fabrik unter 203 Stück 49
geborstene. Meist stehen dieselben im Freien, jedem Temperaturwechsel ausgesetzt,
wodurch das Bersten bedingt und im Sommer, wenn die Sonne dieselben bescheint, die
Condensation behindert wird. Die Gefäße werden täglich entleert, manchmal mehr als
einmal; man gießt zwar etwas Wasser hinein, allein um den Durchgang des Gases nicht
zu erschweren, zu wenig; hin und wieder unterbleibt dieß auch gänzlich; man
erwartet, daß die im Ofen entwickelten Wasserdämpfe das Gas condensiren sollen.
Während des Entleerens der Bombonnes entweicht Gas und zwar um so mehr, wenn die
Arbeiter unaufmerksam und ungeschickt sind; das salzsaure Gas verbreitet sich in die
nächsten Umgebungen.
3) Um den Zug durch die langen Reihen der Gefäße zu befördern, gibt man den Essen
beträchtliche Höhen, allein dadurch wird nothwendigerweise Gas, ohne condensirt
worden zu seyn, in die Esse fortgerissen. Läßt man das Wasser in den Bombonnes in
einer dem Gase entgegengesetzten Richtung fließen, so wird der Zug vermindert, ja es
entsteht ein umgekehrter, die Oefen lassen Gas ausströmen, wodurch die Arbeiter sehr
behindert werden. Dieselben haben daher ein Interesse, den Wasserzufluß zu
vermindern, ja ihn ganz aufzuheben.
Diese anerkannten Uebelstände können dadurch gehoben werden, daß
a) nur solche Sulphatöfen in Betrieb
genommen werden, welche eine vollkommene Trennung der Rauchgase von dem bei der
Calcination sich entwickelnden salzsauren Gase gestatten, also Muffelöfen
(vergl. vorn Seite 429). – Nach angestellten Versuchen condensirten sich
aus 100 Theilen Salz bei einem Ofen alter Construction 65, bei einem Muffelofen
aber 92 Theile Salzsäure von der im Handel üblichen Stärke. Hierbei ist zu
bemerken, daß die Construction des letzteren noch viel zu wünschen übrig ließ. In der
Fabrik zu St. Gilles wurden während nahe 5 Monaten aus 100 Theilen Salz 187
Salzsäure von 20° Baumé gewonnen. Die Beschaffenheit des in
Muffelöfen erzeugten Glaubersalzes ist ohne allen Tadel und gleicher Qualität,
wie das in den alten unvollkommenen Oefen erzeugte. Der Aufgang an Brennmaterial
war bei dem Muffelofen zu Risle selbst geringer, als bei den alten Oefen. In
Betreff der Mehrkosten, welche durch die Anwendung von Muffelöfen verursacht
werden, gab der Director der Fabrik zu Floreffe an, daß dieselben für 100
Kilogr. Glaubersalz 30 Centimes betrügen, indem die Erbauung und Unterhaltung
der Oefen so wie der Aufgang an Brennmaterial mehr Ausgaben erheischten.
b) Das unnöthige Oeffnen der Bombonnes
kann dadurch vermieden werden, daß das Abziehen der Säure und der Zutritt von
Wasser durch kleine Röhren vermittelt wird, während die Gefäße auf einer
schrägen Bühne aufgestellt sind (vergl. Seite 430). Es ist wichtig, dieselben in
gutem Stande zu erhalten, gegen starken Temperaturwechsel, gegen directe
Sonnenstrahlen, Regen und Schnee durch ein Dach zu schützen, ferner solche
Gefäße, welche Risse erhalten haben, sogleich auszuwechseln. Die
Verbindungsröhren müssen gut verkittet werden. Endlich ist eine stete Controle
und Ueberwachung der chemischen Fabriken unumgänglich nöthig, wenn nicht alle
gegebenen Vorschriften illusorisch seyn sollen.
In neuester Zeit hat Kihlmann
Polytechn. Journal Bd. CXLII S.
156. vorgeschlagen, die letzten Bombonnes einer Reihe mit Wasser und zerstoßenem
Witherit (kohlensaurem Baryt) zu füllen, wodurch der letzte Antheil des salzsauren
Gases, welchen das vorgeschlagene Wasser nicht condensirte, verschluckt und
Chlorbaryum erzeugt wird. Derselbe fügt an 54 mit Wasser halb gefüllte Bombonnes von
je 175 Liter Inhalt 6 mit Witherit an, und stellt hinter diesen noch zwei auf,
welche bloß Wasser enthalten und dazu dienen, die Leistungen des Apparats zu
controliren. Nach 10 Tagen steter Arbeit zeigte eins dieser Gefäße kaum 1°
Baumé. Die hohe Esse, welche mit acht Systemen von Bombonnes in Verbindung
steht und den Rauch von vier Sulphatöfen aufnimmt, ließ kaum merklich weiße Dämpfe
ausströmen, wie auch der Feuchtigkeitszustand der Luft beschaffen seyn mochte. In
der Fabrik zu Madeleine gewann man beim Gebrauche des eben genannten Apparats von
100 Theilen Salz 158 Theile Salzsäure von 21–22° B. Da nun 100 reines und völlig
trockenes Salz 175 Salzsäure liefern sollen, das gebrauchte Salz aber 8 Proc. Wasser
und fremde Stoffe enthielt, so hätten nach der Theorie 92 Theile reines Salz 161
Salzsäure geben müssen; es sind demnach nur 3 Thle. der letzteren verloren gegangen
und zwar dadurch, daß die starke Säure mittelst Heber aus den ersten 25 Gefäßen
abgezapft wurde. Hierbei ist das Entweichen eines kleinen Theils salzsauren Gases
nicht zu vermeiden. Anderntheils geht auch am Ofen durchs Oeffnen der Thüre, welche
nach der Pfanne führt, etwas Gas verloren, deßgleichen beim Ueberschöpfen und
Einlassen des Salzes durch die Oeffnung im Gewölbe. Wollte man diesen Uebelstand
durch Herstellung eines kräftigeren Zuges vermeiden, so würde eine beträchtlich
größere Menge salzsaures Gas durch die Esse verloren gehen, was der Nachbarschaft
zum Schaden gereichen würde. Deßhalb sind zu hohe Essen nachtheilig, sie schützen
zwar die Arbeiter in der Fabrik, schaden aber den Nachbarn; bei mäßig hohen Essen
muß der Fabrikant gute Condensationsapparate anlegen und in Stand halten,
widrigenfalls die Arbeiter den nacktheiligen Einwirkungen des Gases ausgesetzt
sind.
Um das Abziehen der concentrirten Säure aus den Bombonnes mittelst Heber zu
beseitigen, ist statt einer horizontalen eine treppenartige Aufstellung der letztern
zu wählen, und sind dieselben durch im untern Theile des Bauches eingekittete
Röhrchen unter einander dermaßen zu verbinden, daß der Inhalt vom Boden des letzten
in die vorletzte etc., aus der zweiten in die erste abfließen kann (vergl. oben S.
430). Aus der ersten fließt die concentrirte Säure in einen Behälter. Es sollte die
Aufstellung der Bombonnes auf einer horizontalen Ebene untersagt und die Anwendung
einer treppenartigen Aufstellung des Systems der unter einander verbundenen Gefäße
angeordnet werden. Als ein Ersatz für die Anwendung des Witherits möchte ein
Kohksschacht in Betrieb zu setzen seyn. Die vermittelst der stets feucht zu
haltenden Kohks gewonnene schwache Salzsäure von 1–2° B. wird
zweckmäßig zum Auffüllen der letzten Bombonnes der einzelnen Stränge benutzt. Für
einen Sulphatofen reicht eine Säule von 8–10 Meter Höhe aus, für mehrere
Oefen muß die Zahl der Kohkssäulen der Zahl der Oefen entsprechen. Die Esse, in
welche die Condensatoren und die Rauchcanäle einmünden, muß allein für diese dienen,
nicht zugleich für andere Feuerungsanlagen.
In Betreff der Bombonnes ist darauf zu sehen, daß sie aus einer dichten Masse
angefertigt, sorgfältig gebrannt und gekühlt worden sind. Leider sind sie nur zu oft
porös, lassen Salzsäure ausschwitzen, woher es kommt, daß sie mit einer Atmosphäre
saurer Dünste umgeben sind.
Statt einer großen Zahl von Bombonnes hat man auch nur 10–12 in Verbindung mit
Kohksschächten angewendet. Man erbaut letztere theils aus feuerfesten Ziegelsteinen,
theils und vornehmlich aus Werkstücken, die vorher in kochendem Steinkohlentheer
gelegen haben und mit diesem vollkommen durchtränkt worden sind. Alle Fugen sind mit
Theerkitt gedichtet. Man hat auch solche Schächte ohne Kohksfüllung, wo eine Anzahl
schräg gelagerter und abwechselnd gestellter Scheidewände im Innern angebracht ist.
Das unten eintretende Gas muß der von oben herabfließenden Flüssigkeit
entgegenströmen und mit derselben in vielfache innige Berührung treten. Wendet man
Kohks an, so müssen es große feste Stücke seyn; sie condensiren angefeuchtet das Gas
ganz gut, aber behindern den Zug nicht unbedeutend. Diesem Umstande kann dadurch
abgeholfen werden, daß man in den Canal, welcher aus dem Kohksschachte in die Esse
führt, einen Dampfstrahl leitet, oder die letztere erhöht.
Eine Bemerkung dürfte hier nicht überflüssig seyn. Die mit Theer getränkten Ziegel
lassen nämlich nach einiger Zeit etwas Theer entweichen, wodurch sie der
zerstörenden Einwirkung der Säure bloßgestellt werden. Es verbreitet sich der Theer
über die Kohks und hindert dieselben Wasser einzusaugen, oder das aufgenommene
Wasser ist mit einem Theerhäutchen bedeckt, und verschluckt nun das salzsaure Gas
nicht mehr rasch. Es würde daher wesentlich von Vortheil seyn, die getheerten Steine
in einem Ofen mäßiger Hitze auszusetzen, um die flüchtigen Stoffe des Theers zu
entfernen, so daß nur die fixen, eine Art Asphalt, zurückbleiben. – Man
lagert am Boden des Kohksschachtes ein wasserdichtes Bassin, bedeckt mit einer
getheerten Steinplatte, welche mit vielen Löchern versehen ist. Ueber dieser werden
die Kohks aufgeschichtet, zu unterst die größeren, sodann Stücke von mittlerer
Größe. Höhe der Kohksschichten 10–12 Meter. Oberhalb befindet sich ein
Wasserbehälter mit fein gelochten Sprudelröhren, um die Kohks allseitig zu
befeuchten. Die in dem untern Behälter condensirte schwache Säure fließt durch
Röhrchen in die obersten der auf treppenartigen Bühnen unter Dach aufgestellten
Bombonnes.
III. Darstellung von Soda.
Die Darstellung von Soda aus Glaubersalz findet in Flammöfen statt. Man mengt
dasselbe mit gemahlenem Kalkstein und Kohlenklein in bestimmten Verhältnissen, trägt
das Gemenge in den Ofen ein und breitet es möglichst gleichförmig über der Sohle
aus. Nach Verlauf von 4–5 Stunden, während welcher Zeit die Masse öfters
durchgekrückt worden, wird der Ofen entleert, die glühend heiße breiartige Masse in
eiserne Kästen gefüllt,
in denen dieselbe erkaltet. Man setzt diese rohe Soda feuchter Luft aus, oder
besprengt sie auch wohl mit Wasser, damit sie mürbe werde, zerschlägt sie in Stücke,
mahlt sie zu einem Pulver und unterwirft sie sodann dem Auslaugen. Der Rückstand von
diesem Processe bildet eine Masse, welche hauptsächlich aus Schwefelcalcium und Kalk
(Oxysulphuretum Calcii) besteht. Von 100 Theilen
roher Soda werden 58–60 Theile Rückstand erhalten. Die gewonnenen Laugen
werden in eisernen Pfannen abgedampft, das gewonnene Salz mit Kohlensäure gesättigt,
die Masse darauf in Wasser gelöst und durch langsame Verdampfung Sodasalz gewonnen,
welches scharf getrocknet als Sodaasche, calcinirte Soda in den Handel kommt, oder
in Krystalle verwandelt und als krystallisirte Soda verkauft wird.
Bei diesen Processen findet keine Entbindung von sauren Gasen statt und nichts der
Gesundheit Nachtheiliges wird erzeugt. Dagegen können die Massen abgelaugter
Rückstände, wenn sie in der Nähe der Fabriken aufgehäuft lagern, Nachtheil bringen.
Durch den Einfluß der feuchten Luft findet eine Oxydation statt, es entbindet sich
Schwefelwasserstoffgas in reichlicher Menge, die Masse erhitzt sich im Innern bis
zum Erglühen, es bildet sich schweflige Säure, die zum Theil in die Luft entweicht,
theils auch das Schwefelwasserstoffgas zerlegt, wodurch Schwefel ausgeschieden wird,
der seinerseits sich entzündet und schwefligsaures Gas entwickelt, welches für
Thiere und Menschen nachtheilig ist. Diese Phänomene treten vorzugsweise in dem
Falle deutlich hervor, wenn die Rückstände in größeren Haufen angesammelt werden. In
alten Massen fand man 10,2 bis 14,75 Proc., in neueren bis an 30 Proc. Schwefel.
Eine praktisch brauchbare Verwendung haben diese Rückstände noch nicht gefunden,
obschon vielerlei Versuche gemacht worden sind, dieses Problem zu lösen.
Es ist dringend nöthig die Anhäufung größerer Massen jener frischen Rückstände zu
untersagen; sie müssen dünn ausgebreitet, oder nur kleine Haufen gebildet werden.
Hierdurch wird eine bedeutende Erhitzung vermieden. Die Massen können dann ohne
Schaden in Formen geschlagen und in eine Art Luftsteine verwandelt werden, welche
erhärten und zu verschiedenen Zwecken gebraucht werden können.
IV. Erzeugung von Chlorkalk.
Das zur Darstellung von Chlorkalk erforderliche Chlorgas wird aus Salzsäure mit Hülfe
von Braunstein entwickelt. Hierzu dienen Ballons aus Glas oder Irdenwaare, von
70–80 Liter Fassungsvermögen, welche theils in Sandkapellen, theils im
Marienbade lagern. Das Chlorgas wird entweder vorher gewaschen, oder ohne weiteres in die
Kammer geleitet, in der sich das Kalkhydrat befindet. Der Rückstand von der
Chlorbereitung, Manganchlorür mit Eisenchlorid und etwas freier Salzsäure gemischt,
wird in der Regel theils in das Wasser, theils in Senkgruben geschüttet, woher es
dann sich ereignet, daß nahe Brunnen dadurch verdorben werden. Kuhlmann hat dagegen, nach vorgängiger Neutralisation freier Säure durch
kohlensauren Kalk, die Flüssigkeit in Bleipfannen zur Trockne eingedampft und das
Salzgemisch an die Pariser Gaswerke zum Behuf der Reinigung des Gases vom
Schwefelammonium verkauft, oder sie auf eine andere Weise nutzbar zu machen
versucht.
Beschreibung der Abbildungen.
Muffelofen. – Fig. 1, 2 und 3 auf Tab. VI (in 1/50 der
natürlichen Größe gezeichnet) stellen einen Muffelofen zur Erzeugung von Glaubersalz
und Salzsäure dar, wie solcher in der Fabrik zu Floreffe erbaut worden ist.
A Calcinirraum, B zwei
Pfannen; a, a Arbeitsöffnungen, durch die man in das
Innere der Muffel gelangt) b Trichter, durch welchen das
Salz in die Pfanne gebracht wird; c Bleirohr zur
Zuleitung der Schwefelsäure in die Pfannen; d
Abkühlungsraum für das Glaubersalz; e Heizraum, f Aschenfall; g, g Schieber
zur Regulirung des Zuges; g' Schieber, welcher die
Oeffnung in der Scheidewand zwischen dem Calcinirraume und dem Pfannenraume
verschließt. k, k Schlucklöcher zur Leitung des
Flammenstromes; l, l Oeffnungen zum Ueberschöpfen der
Masse aus den Pfannen in den Calcinirraum; m Rauchcanal,
welcher nach der Esse führt; n Canal, durch welchen das
salzsaure Gas aus dem Calcinirraume nach dem Condensationsapparate abgeführt
wird.
Die Figuren 4
bis 9 (in 1/10
der natürlichen Größe gezeichnet) stellen Ziegel dar, wie sie zum Ofenbau angewendet
wurden, ohne besondere Erläuterung verständlich.
Doppel-Muffelofen. – Die Figuren 10, 11 und 12 (in 15/1000
der natürlichen Größe gezeichnet) stellen einen Doppel-Muffelofen mit
Condensationsapparat dar, wie er in der Fabrik zu Floreffe ausgeführt worden ist. In
allen drei Figuren bezeichnen gleiche Buchstaben gleiche Gegenstände.
A der Calcinirraum, B
Bleipfannen, C Feuerraum des Sulphatofens, D Abzugscanal des Rauches; E
irdene Röhren, welche das salzsaure Gas nach einem doppelten Strange von Bombonnes
E' leiten, aus denen das Gas in den Kohksschacht F eintritt. Dieser Schacht ist, wie die Figuren 11 und 12 nachweisen,
durch eine Scheidewand in zwei parallele Hälften G, G
getheilt, welche mit Kohks angefüllt sind. H
Wasserleitungsrohr zum Berieseln der Kohks; I Abfluß des
sauren Wassers aus der zweiten Hälfte des Condensators; J Canal, durch welchen das uncondensirte Gas aus dem Kohksschacht F nach der Fabrikesse abgeführt wird. K, K Bombonnes, in denen die im ersten Theile des
Condensationsapparates, in welchem das zugeführte Gas aufsteigt, condensirte
tropfbare Salzsäure gesammelt wird; L weites irdenes
Rohr, mit Kohks gefüllt, in welches das aus dem Calcinirraume zugeführte salzsaure
Gas eintritt, um schließlich aus demselben in die zweite Hälfte des Kohksschachtes
F zu gelangen. M Gefäß,
in welchem sich Kalk befindet; N Bleikasten mit
Schwefelsäure, aus welchem die Pfannen die nöthige Säure durch Bleiheber erhalten.
E'' gemauerte Canäle, durch welche das salzsaure Gas
nach dem Condensationsapparate geleitet wird. P
Abkühlraum für das heiße Glaubersalz.