Titel: | Ueber Messung der chemischen Wirkung des Lichtes; von Dr. John W. Draper, Professor der Chemie und Physiologie an der Universität zu New-York. |
Fundstelle: | Band 146, Jahrgang 1857, Nr. IX., S. 29 |
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IX.
Ueber Messung der chemischen Wirkung des Lichtes;
von Dr. John W. Draper,
Professor der Chemie und Physiologie an der Universität zu New-York.
Aus dem Philosophical Magazine, September 1857, S.
161.
Draper, über Messung der chemischen Wirkung des
Lichtes.
Die neuen Versuche von Prof. Bunsen und Dr. Roscoe
Poggendorff's Annalen der Physik und Chemie,
1857, Bd. 6 S. 43 und 481. berechtigen zu der Hoffnung, daß die Chemiker in der nächsten Zeit ihre
Aufmerksamkeit mehr der Photochemie zuwenden werden; ich brauche nicht
auseinanderzusetzen, welches ausgedehnte Feld für Untersuchungen dieselbe darbietet,
sondern begnüge mich daran zu erinnern, daß die Zersetzung von Kohlensäure durch die
Lichtstrahlen die Vorbedingung der Bildung jedes lebendigen Körpers, sowohl der
Pflanzen als der Thiere, ist, und daß ohne diese Wirkung auf der ganzen Oberfläche
unserer Erdkugel kein Leben anzutreffen wäre. Ueberdieß weiß man jetzt, daß der
Einfluß des Lichtes eben so zahlreiche und wichtige Verbindungen und Zersetzungen
veranlaßt, als durch die Wärme und Elektricität hervorgebracht werden.
Behufs photochemischer Untersuchungen müssen wir vor Allem Methoden ermitteln,
wodurch wir in Stand gesetzt werden, die chemische Kraft des Lichtes mit Genauigkeit
zu messen. Seit mehr als zwanzig Jahren sind meine Bemühungen dahin gerichtet;
zuerst benutzte ich zu diesem Zweck die Vergleichung der Farbentöne, welche auf
einem mit Chlorsilber oder Bromsilber überzogenen Papier entstehen; nachher
(December 1843) beschrieb ich im Philosophical Magazine
t. XXIII p. 401 unter der Benennung Tithonometer ein für solche Untersuchungen ganz
geeignetes Instrument. Mittelst desselben erhält man aus Salzsäure, welche durch
eine Volta'sche Batterie zersetzt wird, eine Mischung von gleichen Volumen Chlor und
Wasserstoff. Diese Mischung bleibt im Dunkeln ganz unverändert; setzt man sie aber
den Strahlen einer Lampe aus, so vereinigen sich die zwei Gase im Verhältniß der
Quantität des einfallenden Lichtes; ihre Empfindlichkeit ist so groß, daß ein
elektrischer Funke, welcher, wie man annimmt, nicht ganz den zehnhunderttausendsten
Theil einer Secunde dauert, sie selbst in Entfernung kräftig afficirt und bisweilen
eine Explosion verursacht, welche das Tithonometer zerstört.
Mit Hülfe dieses Instruments kann man die Veränderung nachweisen, welche nach meiner
Entdeckung die Sonnenstrahlen in den Eigenschaften des Chlors veranlassen,
deßgleichen die vorläufige Absorption von Licht, welche nothwendig ist, ehe
chemische Wirkungen nachfolgen.Draper hat nämlich bemerkt, daß Chlorgas, wenn
man es dem unmittelbaren Sonnenlichte ausgesetzt läßt, eine permanente
Veränderung erleidet, die im Dunkeln nicht wieder aufgehoben wird. Sie
besteht darin, daß sich das Chlorgas in diesem Zustande ohne Mitwirkung von
Licht oder Wärme sogleich, selbst im Dunkeln, mit Wasserstoffgas zu
Salzsäuregas vereinigt.Die Versuche, aus denen er den Schluß zog, daß Chlorgas durch Sonnenlicht
diese permanente Veränderung erfährt, hat er im Philosophical Magazine t. XXV p. 1
genauer beschrieben. Er bereitete Chlorgas beim Feuerlichte in zwei gleichen
Röhren über einer gesättigten Lösung von Kochsalz. Er ließ dann das eine im
Dunkeln und stellte das andere einige Minuten lang ins directe Sonnenlicht.
In beiden Röhren wurde dann das Gas mit Wasserstoffgas vermischt. Im Dunkeln
stieg das Liquidum in keinem von beiden; wurden sie aber in ein Fenster mit
schwachem Tageslichte von Norden gestellt, so condensirte sich das Gas
allmählich in dem Rohr, welches vorher dem Sonnenlichte ausgesetzt gewesen
war, aber es dauerte mehrere Stunden lang, ehe sich eine Verminderung des
Volums in dem anderen zu zeigen anfing. Draper
erklärt dieß so, daß sich ein Theil von der Lichtmaterie mit dem Chlor
vereinige und latent werde, und nennt dieses tithonisirtes Chlor. Aber das, was sich so mit dem Chlor verbunden
hat, reicht nicht hin, eine Vereinigung im Dunkeln hervorzubringen, sondern
es muß diese durch neues, in geringer Menge hinzukommendes Licht unterstützt
werden. Wird das Gemisch von Chlorgas und Wasserstoffgas dem zerstreuten
Lichte ausgesetzt, so geht immer eine kurze Zeit darauf hin, ehe das salzige
Liquidum zu steigen beginnt. Diese Zeit ist es, in welcher das Chlor
tithonisirt wird, worauf das Liquidum anfängt zu steigen, erst langsamer und
dann gleichmäßig, für eine gleiche Zeit.Von den verschiedenen Strahlen im Farbenbilde ist es immer das indigoblaue
Licht, welches diese Wirkungen am stärksten hervorbringt. (Berzelius' Jahresbericht Bd. XXV S. 68.) A. d.
Red. Diese Periode vorläufiger Absorption ist auch der Zeitpunkt, während dessen
unsichtbare Bilder auf dem Jodsilber der Daguerre'schen Platte und der
Collodiumschicht entstehen, welche in dem einen Falle durch Quecksilberdampf, und in
dem andern durch Pyrogallussäure oder schwefelsaures Eisenoxydul entwickelt werden
können.
Das Tithonometer ist das Instrument, von welchem Prof. Bunsen und Dr. Roscoe, in verbesserter Form, eine so vortreffliche Anwendung gemacht
haben. In seiner ursprünglichen Construction kann ich es jetzt noch für solche
Untersuchungen empfehlen, weil es außerordentlich empfindlich ist, und, wenn die
gehörigen Correctionen für Temperaturwechsel und Druck gemacht werden, auch
hinreichende Genauigkeit gewährt.
Ich will noch ein anderes Mittel zum Messen der chemischen Wirkung des Lichtes
angeben, welches in denjenigen Fällen zu empfehlen ist, wo außerordentliche
Empfindlichkeit nicht verlangt wird. Dasselbe ist eine Auflösung von saurem oralsaurem Eisenoxyd in Wasser. Diese Substanz, von goldgelber Farbe,
kann man, wie ich gefunden habe, in gänzlicher Dunkelheit über drei Jahre
(wahrscheinlich beliebig lange) aufbewahren, ohne daß sie eine Veränderung zeigt;
setzt man sie aber einer Lampe oder dem Tageslichte aus, so erfolgt eine Zersetzung
derselben, es entweicht Kohlensäure und es setzt sich citronengelbes oralsaures
Eisenoxydul ab. Stellt man sie in den Sonnenschein, so zischt sie in Folge des
entweichenden kohlensauren Gases.Diese Beobachtungen hat bekanntlich Döbereiner
schon im Jahre 1831 gemacht; Schweigger-Seidel's Journal für Chemie und Physik, Bd. LXII
S. 91. A. d. Red. Der Strahl, welcher sie hauptsächlich afficirt, ist der indigoblaue,
derselbe welcher auf das Tithonometer und die in der Photographie gebräuchlichen
Silberverbindungen wirkt. Dieser Strahl wird, um seine Wirkung hervorzubringen,
absorbirt; um dieß zu beweisen, braucht man nur einen Sonnenstrahl durch zwei
parallele Schichten von oralsaurem Eisenoxyd gehen zu lassen, wo man dann finden
wird, daß das Licht welches durch den ersten Theil gegangen ist, auf den zweiten
nicht einwirkt.
Die Lösung des oralsauren Eisenoxyds läßt sich in Glasröhren durch Quecksilber
absperren, was sie als photometrisches Mittel (statt Chlorlösung) dem Chemiker sehr
empfiehlt. Bei ihrer Anwendung sind zwei Punkte zu berücksichtigen: 1) ist darauf zu
achten, daß das citronengelbe oralsaure Eisenoxydul die Seite des dem Licht
ausgesetzten Glases nicht überzieht und dadurch dessen Durchsichtigkeit vermindert;
2) muß man die Lösung des oralsauren Eisenoxyds auf nahezu constanter Temperatur
erhalten, denn ihre Farbe ändert sich mit der Wärme. Beim Gefrierpunkt des Wassers
ist sie smaragdgrün, beim Siedepunkt aber bräunlichgelb. Mit diesen Aenderungen der
Farbe ändert sich auch ihre absorbirende Wirkung auf das Licht, und daher ihre
Zersetzbarkeit.
Ich will bei dieser Gelegenheit bemerken, daß das oralsaure Eisenoxyd ein
vortreffliches photographisches Agens ist. Ein Stück sehr dünnen Papiers, welches
durch Eintauchen in eine schwache Lösung desselben gelb gemacht wurde, ist, nachdem
man es im Dunkeln getrocknet hat, sehr empfindlich. Seine unsichtbaren Lichtbilder
können durch eine schwache Lösung von salpetersaurem Silber (zwei Gran in einer Unze
Wasser aufgelöst) zum Vorschein gebracht werden.
Bei der Anwendung des oralsauren Eisenoxyds zur Photometrie können verschiedene
Methoden befolgt werden. Gewöhnlich schlug ich den Weg ein, die Menge der erzeugten
Kohlensäure, dem Volum oder Gewicht nach zu bestimmen. Natürlich muß sich die Lösung mit
Kohlensäure gesättigt haben, ehe sich solche entbinden kann; und bevor wir die
Lichtmenge durch die Menge erzeugter Kohlensäure richtig messen können, muß dieser
aufgelöste Antheil bestimmt werden. Bei einem meiner Photometer wird das aufgelöste
Gas dadurch ausgetrieben, daß man die Flüssigkeit in ein kleines Bad von kochendem
Wasser stellt, bei einem andern geschieht dieß durch einen Strom Wasserstoffgas.
Beide Verfahrungsarten liefern genügende Resultate.
Man kann aber auch zur Bestimmung der Lichtmenge das Gewicht gewisser Metalle
benutzen, welches die Lösung nach der Belichtung absetzt. Eine Lösung von oralsaurem
Eisenoxyd, welche im Dunkeln bereitet und aufbewahrt worden ist, kann z.B. mit
Chlorgold gemischt werden, ohne daß irgend eine Wirkung erfolgt; nachdem diese
Mischung aber belichtet wurde, ist der Betrag des gefällten metallischen Goldes dem
eingefallenen Lichte proportional.
Unter die wichtigen Resultate, welche diese neue Methode der Photometrie in der
nächsten Zeit liefern dürfte, gehören die stündlichen, täglichen und jährlichen
Quantitäten des Sonnenlichtes. Dieselben sind nicht nur für die Meteorologie
wichtig, sondern auch bezüglich der physischen Geographie, und der großen Interessen
der Landwirthschaft. Die Summe von Pflanzenbildung ist in allen Climaten und an
allen Orten eine Function des dahin vertheilten Lichts. Selbst so weit die Wärme
dabei eine Rolle spielt, sind die Angaben des Thermometers von wenig Nutzen, weil
nicht die Intensität, sondern die absolute Quantität gemessen werden sollte. Jeder
Pflanze muß, von dem Augenblick ihrer Keimung bis zu dem Zeitpunkt ihrer höchsten
Entwickelung und der Vollendung ihrer physiologischen Functionen, eine bestimmte
Quantität von Wärme und auch von Licht zugemessen werden. Hinsichtlich der Wärme
sollte daher bei solchen Untersuchungen nicht das Thermometer, sondern das
Calorimeter benützt werden; das Licht betreffend, bestimmen die von mit empfohlenen
Photometer seine Quantität, nicht seine Intensität, und liefern daher die
erforderlichen Angaben. Da nun das Licht der Sonne, und nicht die Temperatur eines
Ortes, die wirksame Bedingung des Pflanzenwachsthums ist, so sind für die
Landwirthschaft allein schon die von mit vorgeschlagenen Bestimmungen in der That
sehr wichtig.