Titel: | Der atlantische Telegraph. |
Fundstelle: | Band 146, Jahrgang 1857, Nr. XXIV., S. 104 |
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XXIV.
Der atlantische Telegraph.
Aus dem Civil Engineer and Architect's Journal, August
1857, S. 245.
Ueber den atlantischen Telegraphen.
Die größte Länge der projectirten transatlantischen Telegraphenlinie von einer
Station zur andern, nämlich von der Südostküste Neufundlands bis zur Westküste von
Irland, beträgt ungefähr 2000 englische Meilen. Die eine Hälfte des isolirten
Drahtes wurde durch die HHrn. Newall zu Birkenhead, die
andere Hälfte durch die HHrn. Glasse und Elliot zu Greenwich angefertigt. Die durch jedes dieser
Etablissements angefertigte Drahtlänge beläuft sich indessen in Anbetracht der
unvermeidlichen Abweichungen aus der directen Linie und der Unebenheiten des
Meergrundes, auf 1225 Meilen. Der metallische Leiter, durch welchen der elektrische
Strom entsendet werden soll, besteht aus einer kupfernen Drahtschnur, welche aus
sieben einzelnen Drähten von Nr. 25 zusammengesetzt ist. Der Durchmesser der
zusammengedrehten Drahtschnur beträgt nur 1/16 Zoll, welches ungefähr die Dicke des
zwischen England und Frankreich gelegten unterseeischen Telegraphendrahtes ist.
Diese kupferne Schnur ist durch drei Ueberzüge von Gutta-percha, zusammen 1/8
Zoll dick, isolirt. Ueber die Gutta-percha ist ein Ueberzug von getheertem
Garn gewunden, welches die Gutta-percha gegen Zerstörung schützen und
zugleich die Isolirung erhöhen soll. Dieses isolirende Tau wird wiederum durch ein
Seil von dünnem Eisendraht geschützt; der Draht, woraus diese äußere Hülle besteht,
ist sehr dünn und zu einer Schnur gedreht; achtzehn dieser Schnüre bilden den
Strang, welcher das Tau umhüllt. Der Zweck dieses Drahtüberzuges ist, die
isolirenden Materialien gegen die Abreibung während der Einsenkung ins Meer zu
schützen. Das auf diese Weise construirte Tau ist beinahe so biegsam, wie ein
hänfenes Seil von gleicher Dicke. An jedem Ende ist der isolirte Draht auf eine Strecke von 25
Meilen mit einem weit stärkeren Eisendraht umhüllt, um ihn gegen die größeren
Gefahren, denen er in der Nähe des Ufers ausgesetzt ist, zu schützen.
Der kupferne Leitungsdraht der Londoner Abtheilung wurde in der
Gutta-percha-Fabrik in City-road mit seinem dreifachen
isolirenden Ueberzuge versehen, die übrigen Umwicklungen von getheertem Garn und von
Eisendraht erhielt derselbe in der Fabrik der HHrn. Glasse und Elliot, deren Maschinen jede 2 1/2
Meilen per Tag lieferten. In dem Maaße, als die Bildung
des Taues vor sich ging, wurde dasselbe in den Hofraum der Fabrik geleitet, und dort
sorgfältig in weiten Windungen aufgeschichtet. Jede dieser Schichten enthielt 200
bis 300 Meilen des Telegraphentaues, und im Laufe seiner Anfertigung wurde das Tau
beständig mittelst eines gut construirten elektrischen Apparates geprüft, um sich zu
überzeugen, ob keine Unterbrechung des Stromes statt finde, und ob die Isolation
vollkommen sey.
Der Agamemnon, eines der schönsten Schiffe der brittischen
Marine, wurde der atlantischen Telegraphen-Compagnie für die Aufnahme der zu
Last Greenwich angefertigten Abtheilung des Taues zur Verfügung gestellt. In
gleicher Weise stellte die Regierung der Vereinigten Staaten den Niagara, den Stolz ihrer Marine, unter das Commando der
Gesellschaft. Beide Schiffe wurden ausgeräumt, damit das Tau in Windungen, deren
Durchmesser der ganzen Breite jedes Schiffes gleichkam, aufgerollt werden konnte.
Der Agamemnon lag im Flusse ungefähr 200 Yards von dem Etablissement der HHrn. Glasse und Elliot entfernt.
Die Communication zwischen dem Schiffe und dem Ufer wurde mit Hülfe verankerter, mit
Bretern belegter Barken hergestellt. Auf den Barken und am Flußufer waren Stangen
errichtet, die an ihren oberen Enden große Rollen enthielten, welche das im Hofraum
aufgeschichtete Tau aufnahmen. Das Tau lief über ein endloses Band, welches durch
eine kleine am Schiffe befindliche Dampfmaschine in Thätigkeit gesetzt wurde. Im
Schiffsraume wurde das Telegraphentau durch Arbeiter in sorgfältig über einander
gelagerten Windungen gelegt, um eine Drehung derselben zu verhüten. Die Operation
der Befrachtung ging ohne Unterbrechung mit einer Geschwindigkeit von 50 Meilen per Tag vor sich. Zur Ermittelung dieser Geschwindigkeit
diente ein mit dem endlosen Bande in Verbindung stehender Registrirapparat, welcher
die Anzahl der an Bord aufgenommenen Achtelmeilen, Meilen, Hunderte von Meilen
anzeigte.
Der Agamemnon hatte am 21. August vollständig aufgenommen, und segelte am 23. ab, um
sich im Hafen von Cork mit dem Niagara zu vereinigen. Es war ursprünglichnrsprünglich die Bestimmung getroffen, daß die Schiffe mit einander absegeln und in der
Mitte des atlantischen Oceans die Enden der beiden Tauhälften vereinigen sollten.
Darauf sollten sie das eine nach Osten, das andere nach Westen steuernd, das Tau so
schnell wie möglich versenken. Der Agamemnon sollte nach dem Hafen von Valencia an
der Westküste von Irland segeln, der Niagara das andere Ende des Taues mit der
Telegraphenlinie zu Neufundland verbinden. Man erachtete es jedoch in der Folge für
besser, die Versenkung des Taues von Valencia aus zu beginnen und beide Schiffe mit
den begleitenden Lichterschiffen die Fahrt nach Neufundland gemeinschaftlich machen
zu lassen. Dadurch wurde man in Stand gesetzt, das Fortschreiten der Arbeit von
dieser Seite des atlantischen Meeres aus von Minute zu Minute zu verfolgen.
Im Hinblick aufanf den dünnen Strang, welcher die elektrischen Signale auf eine Strecke von
2000 Meilen fortpflanzen soll, möchte es nach den gewöhnlichen Begriffen von der
Leitungsfähigkeit der Drähte scheinen, als ob die Dicke desselben für den fraglichen
Zweck viel zu gering sey. Dem widersprechen jedoch die Resultate besonderer
Versuche. Hr. Whitehouse, welchem in Verbindung mit Hrn.
Bright die physikalisch-elektrische Abtheilung
des Unternehmens anvertraut wurde, war lange Zeit mit Versuchen beschäftigt zur
Ermittelung der besten Methoden, den elektrischen Strom unter der See auf eine
solche Entfernung hin fortzupflanzen; und im Laufe dieser Untersuchungen wurden
hinsichtlich der Bedingung der elektrischen Entladung mehrere neue und merkwürdige
Thatsachen ermittelt. Die Hauptschwierigkeit, welche sich darbot, war der
elektrische Rückstand in dem unterseeischen Drahte. Es hat sich nämlich selbst bei
verhältnißmäßig kurzen Strecken der unterseeischen und unterirdischen Telegraphen in
Europa herausgestellt, daß der mit Gutta-percha überzogene und von Wasser
umgebene Leitungsdraht die elektrische Ladung einige Secunden lang behält, und daß
es, um den Draht von der Elektricität zu befreien, nöthig ist den Strom umzukehren.
So läßt man z.B. nach jeder Transmission eines positiven Stroms einen negativen
Strom den Draht durchlaufen, um die positive Elektricität zu neutralisiren, worauf
ein zweiter positiver Strom entsendet werden kann. Man fürchtete indessen, diese
Methode den Draht zu entladen, möchte auf größere Entfernungen nicht wirksam seyn,
und stellte auf Versuche gegründete Rechnungen an, um die Nothwendigkeit eines sehr
dicken, in eine dicke Gutta-percha-Hülle eingeschlossenen
Leitungsdrahtes darzuthun, wenn man den Uebelstand des Zurückhaltens der
Elektricität auf ihrem Wege über das atlantische Meer besiegen wolle.
Die Resultate der Versuche des Hrn. Whitehouse beseitigen
diese Befürchtung. Bei seinen Versuchen mit 1000 Meilen Länge des atlantischen Taues
wurde der positive Strom durch den negativen vollständig neutralisirt. Mittelst
einer Modification des Morse'schen Telegraphen war er im
Stande 4 unterscheidbare Signale in 1 Secunde zu geben – eine
Geschwindigkeit, welche derjenigen des gewöhnlichen Betriebes mit Morse's Apparat nicht nachsteht.
Man wird sich der Magnet-Elektricität bedienen, aber anstatt eines permanenten
Magneten soll der Elektromagnetismus das unmittelbare Agens seyn. Zu diesem Zwecke
wurde ein elektrischer Apparat von gigantischen Verhältnissen construirt. Der
Elektromagnet ist 5 Fuß lang und wird durch 10 oder mehrere mächtig große Zellen
einer Smee'schen Batterie in Thätigkeit gesetzt. Der
dünne isolirte Kupferdraht, welcher die inducirte Magnetelektricität fortleitet, ist
Nr. 25, und obgleich viele Meilen desselben um den Elektromagneten gewickelt sind,
so ist doch die Zahl der Umwickelungen im Verhältniß zu der Strecke nicht so groß,
wie bei der Ruhmkorff'schen Inductionsspirale. Der
Apparat zur Herstellung und Unterbrechung des Contactes ist eine gewichtige
Maschine, die von dem kleinen Schlüssel des Morse'schen
Apparates allerdings sehr verschieden ist. Diese vergrößerte Dimension wurde in
Anbetracht der bei Anwendung obiger Zellen sich entwickelnden Hitze für nothwendig
befunden; denn ein gewöhnlicher Apparat würde bei Herstellung der Berührung
geschmolzen seyn.
Whitehouse's Versuchsapparat zeigte genau die zur
Transmission eines elektrischen Stroms durch 1000 Meilen Drahtlänge des atlantischen
Taues erforderliche Zeit. Ein Streifen Papier wurde durch das Uhrwerk eines
Instrumentes bewegt, welches drei Spitzen enthielt, deren jede durch einen besondern
elektrischen Strom bewegt wurde. Einer dieser Ströme wurde durch ein Secundenpendel
in Thätigkeit gesetzt, so daß, wenn der Papierstreifen durch das Instrument gezogen
wurde, abwechselnd Striche und helle Zwischenräume, jeder ungefähr 1/2 Zoll lang,
hervorgebracht wurden. Diese Striche zeigten auf dem Papier Secunden an, und dienten
zur Angabe, wie viele Striche per Secunde durch die
beiden anderen Stifte, welche mit den tausend Meilen Draht und einer Kette von nur
wenigen Yards verbunden waren, gemacht wurden.
Textabbildung Bd. 146, S. 107
In der vorstehenden, von einem der Versuchsstreifen copirten Skizze zeigen die
Striche in der obern Reihe die Secunden an. Die Striche der mittleren Reihe wurden durch
das Instrument markirt, nachdem der Strom 1000 Meilen Drahtlänge zurückgelegt hatte,
und die Striche der untern Reihe sind in den nämlichen Zeitintervallen, jedoch nur
durch eine kurze Kette entstanden.
Man bemerkt in obiger Skizze die höchst interessante Thatsache, daß die Striche der
mittleren Reihe ungefähr um 2/3 Secunden hinter denen der untern zurückstehen,
obgleich die Signale in beiden gleichzeitig erfolgten. Dieser Unterschied bezeichnet
daher die bei der Transmission des elektrischen Stromes durch 1000 Meilen Draht
verflossene Zeit.
Hr. Reid zu Gresham-House hat dem Vernehmen nach
eine Entdeckung gemacht, durch welche die Kosten der telegraphischen Communication
mit entfernten Stationen außerordentlich vermindert werden. Die transatlantische
Telegraphencompagnie hat zu Greenwich eine Riesenbatterie construirt, bestehend aus
40 Paaren platinirter Silberplatten und Zinkplatten, welche der elektromotorischen
Flüssigkeit eine ungeheure Oberfläche darbieten, und 2500 Pfd. Sterl. kosten. Aus
einer Reihe von Versuchen des Hrn. Reid geht aber hervor,
daß ein einziges Plattenpaar das Nämliche leistet, indem er mit seiner einfachen
Batterie durch 1250 Meilen des Telegraphentaues zu Birkenhead elektrische Ströme
gehen ließ. Die Kosten dieser Batterie belaufen sich auf 3 Pence, ein wunderbarer
Contrast mit dem Apparate der Gesellschaft. Eine Batterie von 504 Platten war zur
Untersuchung des Taues in beständiger Thätigkeit gewesen; das Ganze erwies sich als
vollkommen. Hr. Reid aber war begierig, einige weitere
Versuche anzustellen, um die Kraft verschiedener Batterien zu prüfen. Sein Assistent
steckte eine Platin- und eine Zinkplatte, jede 3/16 Quadratzoll groß, in den
Mund, und als der dadurch erzeugte Strom die 1250 Meilen des Telegraphentaues
durchlief, wurde das Galvanometer um 8° abgelenkt. Dieser Versuch wurde oft
wiederholt und immer zeigte sich das gleiche Resultat.