Titel: | Ueber das transatlantische Telegraphentau. |
Fundstelle: | Band 146, Jahrgang 1857, Nr. XXV., S. 108 |
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XXV.
Ueber das transatlantische
Telegraphentau.
Aus dem Cosmos, Revue encyclopédique, August 1857,
t. XI p. 170.
Ueber das transatlantische Telegraphentau.
Das Mechanics' Magazine vom 8. August, Nr. 1774, bringt
uns sehr interessante Details bezüglich der Einsenkung des transatlantischen
Telegraphentaues.
Am 30. Juli vereinigte sich die ganze Flottille, bestehend aus dem Niagara, dem Susquehana, dem
Agamemnon, dem Cyclope und
dem Leopard in dem Hafen von Queenstown (Irland), 17
französische Meilen von Dublin. Der Agamemnon war erst am Morgen angekommen, weil
er, von Greenwich absegelnd, den Auftrag erhalten hatte, sich durch praktische
Versuche unter der Leitung des Hrn. Bright von dem guten
Zustande der zur Einsenkung des Taues dienlichen Maschinen und Apparate zu
überzeugen. Man setzte mittelst der kleinen an Bord befindlichen Dampfmaschine die
Rollen und Winden in Thätigkeit, mit deren Hülfe das Tau aus dem Schiffe geleitet
und ins Meer versenkt wird. Die Einsenkung geschah, nachdem man an dem Tauende eine
schwere Kugel befestiget hatte, während zugleich das Schiff 2, 3, 4 bis 6 Knoten in
der halben Stunde zurücklegte. Alle Bewegungen waren so regelmäßig, daß man kaum ein
leichtes Geräusch an Bord hörte. Nachdem die Maschine in dem zum Entrollen des Taues
nöthigen Sinne längere Zeit gearbeitet hatte, gab man ihr die entgegengesetzte
Bewegung, um das Tau wieder aufzuwinden. Auch diese Operation ging eben so glücklich
wie die erste von statten, und eine nähere Beaugenscheinigung des aus dem Wasser
gezogenen Taues ergab, daß dasselbe den Boden erreicht und sich auf dem Sande
ausgebreitet habe.
Während dieser Zeit machte Hr. Charles Bright mit dem
besten Erfolg einen Versuch mit dem elektrischen Log, einem von ihm erfundenen
Apparat, um mittelst der Elektricität sehr genau die Geschwindigkeit von Schiffen zu
messen. Das von dem Hintertheil des Schiffes an einer Schnur herabhängende Log
nimmt, indem es in das Wasser herabgelassen wird, einen mit Gutta-percha
überzogenen doppelten Leitungsdraht auf, welcher mit einer galvanischen Batterie und
einem Elektromagneten in Verbindung steht. Letzterer bildet einen Theil eines
zweiten Apparates, welcher auf der Brücke angeordnet ist, und Indicator genannt wird. Das Log ist mit einem Rad versehen, dessen
Umdrehungen der Geschwindigkeit des Schiffs proportional sind. Bei jeder Umdrehung
wird die galvanische Kette unterbrochen, und diese Unterbrechung läßt einen durch
den Elektromagneten bewegten Zeiger um einen Grad weiter rücken. Dieser Zeiger
registrirt demnach die Anzahl der Umdrehungen und zugleich die von dem Schiff
zurückgelegte Strecke, sowie die Geschwindigkeit, womit dieselbe durchlaufen
wurde.
Freitag den 30. Juli legte sich der Agamemnon in der Nähe von ungefähr 500 Meter
neben dem Niagara vor Anker. Gegen Mittag sandte er an Bord des Niagara eines der
Enden seines Taues, während der Niagara ihm ein Ende des seinigen schickte. Die
Enden der beiden Taue wurden auf dem Niagara vereinigt, so daß man ein 2500 engl. Meilen (4000
Kilometer) langes Ganze hatte, dessen freie Enden sich an Bord des Agamemnon
befanden. Das eine dieser Enden wurde mit dem den elektrischen Strom erzeugenden
Apparat, das andere Ende mit einem sehr empfindlichen Galvanometer in Verbindung
gesetzt) in dem Augenblick wo die Kette geschlossen wurde, erfolgte eine Ablenkung
des Galvanometers. Die Leitungsfähigkeit und Isolirung des Taues ließen demnach
nichts zu wünschen übrig. Am Magneto-Elektrometer des Hrn. Whitehouse gemessen, wurde die an dem zweiten Ende des
Taues ausgeübte elektrische Wirkung durch die Anziehung oder das Heben eines
Gewichtes von 25 Grains (1,625 Grm.) repräsentirt. Da nun eine Anziehung von 3
Grains (0,2 Grm.) hinreicht, um ein deutliches Signal am empfangenden Apparat
hervorzubringen, so war der Beweis geliefert, daß der Strom selbst nach dem
Durchlaufen dieser ungeheuren Strecke eine noch weit größere Intensität haben wird,
als für eine telegraphische Korrespondenz nothwendig ist.
Am andern Morgen setzte man die beiden Taue durch eines ihrer Enden mit der Erde in
Verbindung, während von den beiden anderen Enden das eine mit einem zeichengebenden,
das andere mit einem zeichenempfangenden Apparat verbunden wurde, und gab dann
Signale wie auf einer gewöhnlichen Telegraphenlinie. Alsbald bemerkte man, daß eine
gewisse, verhältnismäßig ziemlich lange Zeit verfloß, nämlich 1 3/4 Secunden, bevor
der Strom von dem einen Ende bis zum andern gelangte. Man überzeugte sich jedoch
bald, daß man dennoch drei vollkommen verständliche Signale in 2 Secunden befördern
konnte, was für die Bedürfnisse einer täglichen und regelmäßigen Korrespondenz gewiß
hinreicht. Hr. Whitehouse hat bei seinen Versuchen die
von ihm bereits auf kürzeren Linien beobachtete wichtige Thatsache bestätigt
gefunden, daß in einer sehr langen ununterbrochenen und vollständig isolirten Kette
mehrere elektrische Wellen gleichzeitig existiren können, und daß jede dieser Wellen
an den Ort ihrer Bestimmung gelangen und ein vollkommen deutliches Signal
hervorbringen kann.
Die von Hrn. Whitehouse angewandte Batterie besteht aus 40
Elementen nach Smee'schem System, d.h. jedes Element
besteht aus einer Zinkplatte und einer verplatinirten Silberplatte, jede von
ungefähr 20 Quadratcentimeter Oberfläche. Die erregende Flüssigkeit ist verdünnte
Schwefelsäure. Die directe Wirkung dieser Batterie war stark genug, um in wenigen
Minuten ein 7 bis 8 Centimeter langes und 1 Centimeter dickes Eisenstäbchen, welches
zwischen beide Pole gebracht wurde, zu schmelzen und zu verbrennen.
Der Batteriestrom wird übrigens nicht unmittelbar zur Erzeugung der Signale
angewandt; man bedient sich desselben nur, um durch Vermittelung eines
magnet-elektrischen Apparates oder dicker Inductionsspulen einen Strom von
hoher Spannung zu erzeugen, der sich zur Ueberwältigung so großer Entfernungen weit
besser eignet.
Der zeichenempfangende Apparat wird abgeändert werden müssen, um ihn diesem ganz
neuen Dienste anzupassen. Seither hat man sich zu diesem Zwecke eines dem Morse'schen ziemlich ähnlichen Apparates bedient.
Nachtrag.
Hinsichtlich des Verlaufes der Fahrt der Flottille und des Unfalles welcher dieses mal das Unternehmen vereitelte, theilen wir aus
dem Mechanics' Magazine vom 29. August (Nr. 1777) den
Bericht mit, welchen Hr. C. T. Bright, Ingenieur der
Compagnie, deren Directoren erstattete:
„Nachdem wir am 7. August Abends Valencia verlassen hatten, ging das
Abwickeln und Versenken des Taues von dem Niagara aus
höchst genügend von Statten; aber in acht (englischen) Meilen Entfernung von der
Abfahrtstelle verwickelte sich das dicke Ende des Taues mit der Maschinerie und
brach an dieser Stelle; die Ausbesserung oder Wiedervereinigung desselben wurde
jedoch mit bestem Erfolg bewerkstelligt. Bis 4 Uhr Morgens am 8ten hatte sich
das Auslaufen des Taues von selbst hinreichend verzögert durch die Kraft welche
erforderlich war, um die Abwickelungs-Maschinerie in etwas schnellerer
Bewegung zu erhalten, als die Geschwindigkeit des Schiffes betrug; als aber das
Wasser tiefer wurde, war eine weitere Bremsung des Taues nothwendig, weßhalb man
auf die mit den Nuthen der Taurolle verbundenen Frictionstrommeln einen Druck
ausübte, welcher von Zeit zu Zeit allmählich und vorsichtig vergrößert wurde,
wie es die Geschwindigkeit des Taues, verglichen mit derjenigen des Schiffes und
der Tiefe der Sondirungen, erforderlich zeigte. Um 4 Uhr Morgens am 10ten stieg
die Tiefe des Wassers rasch von 550 Fäden auf 1750 innerhalb einer Entfernung
von acht Meilen. Bis zu dieser Zeit waren 7 Centner Bremsung hinreichend
gewesen, um die Geschwindigkeit des Taues derjenigen des Schiffes nahe genug zu
erhalten; als aber das Wasser tiefer wurde, nahm die verhältnißmäßige
Geschwindigkeit des Taues zu, und man mußte den Druck stufenweise erhöhen, bis
bei der Tiefe von 1700 Fäden der Indicator eine Bremsung von 15 Centnern zeigte,
während das Tau und Schiff respective 5 1/2 und 5 Knoten zurücklegten.
Mittags am 10ten trat ein zunehmendes Aufwallen der See ein, worauf später am
Tage ein starker Wind erfolgte. Wir hatten nun 2000 Fäden Wassertiefe erreicht
und mußten die Bremsung auf 20 Centn. steigern, wodurch die Geschwindigkeit des
Taues in geeignetem Verhältniß zu derjenigen des Schiffes erhalten wurde. Um 6 Uhr Abends
entstand eine Schwierigkeit dadurch, daß das Tau aus den Rinnen oder Nuthen der
Rolle trat, weil der Theer und das Pech in denselben erhärtet und ein großer
Spalt auf denselben entstanden war; diesem Umstand half man dadurch ab, daß man
noch mehr Leitkränze befestigte und den Theer mit Oel erweichte. Man mußte
hierzu das Schiff vor Anker legen und dann das Tau durch Stopper halten, bis es
wieder gehörig um die Rolle angeordnet war. Dieser Vorfall ist beachtenswerth,
denn er zeigt die Möglichkeit, bei tiefem Wasser vor Anker zu liegen, ohne daß
man das Ablaufen des Taues fortsetzt – ein Punkt, welcher häufig
bezweifelt worden ist. Bald nachher wurde die Geschwindigkeit des Taues
beträchtlich größer als diejenige des Schiffes, und um 9 Uhr Abends lief das Tau
mit 5 1/2 bis 5 3/4 Knoten per Stunde ab, während
die Geschwindigkeit des Schiffes nach dem Log beiläufig 3 Knoten betrug. Die
Bremsung wurde dann auf 25 Centn. erhöht; als aber der Wind stärker wurde, die
See höher ging und gleichzeitig eine Strömung das Tau von der directen Linie des
Schifflaufes unter einem Winkel ablenkte, fand man jene Bremsung unzureichend,
weil das Tau um Mitternacht 2 1/2 Knoten mehr zurücklegte als das Schiff. Um die
Abwickelung des Taues zu verzögern, verstärkte man daher um 2 Uhr Morgens die
Bremsung auf 30 Centn., und nachher, da seine Geschwindigkeit fortwährend größer
blieb als man sie zulässig erachtete, auf 35 Ctnr. Dadurch wurde die
Geschwindigkeit des Taues auf nahezu 5 Knoten gebracht, und dieselbe dauerte
stätig fort bis um 3 Uhr 45 Minuten (Morgens am 11. August), wo das Tau zerriß, von welchem in diesem Zeitpunkt
335 engl. Meilen Länge abgelaufen waren. Ich hatte bis dahin die Regulirung der
Bremsen persönlich überwacht, da ich aber fand, daß Alles in Ordnung verlief und
ich es für nothwendig erachtete mich zeitweise von dem
Abwickelungs-Mechanismus zu entfernen, um die Geschwindigkeit des
Schiffes zu ermitteln und auch den die elektrischen Apparate beaufsichtigenden
Mechaniker zu besuchen, so überließ ich die Ueberwachung jenes Mechanismus in so
lange einem Arbeiter, welcher schon bei der Ausführung und Aufstellung der
Maschinerie verwendet worden und daher mit ihrer Behandlung bekannt war. Ich
schritt dem Vordertheil des Schiffes zu, als ich gewahr wurde, daß die
Maschinerie still stand; ich rief sogleich dem Arbeiter zu, die Bremsen zu lösen
und der Dampfmaschine des Schiffes die entgegengesetzte Bewegung zu geben; als
ich aber den Platz erreichte, war das Tau abgerissen. Bei der Untersuchung der
Maschinerie, welche übrigens in vollkommener Ordnung war, fand ich, daß die
Bremsen nicht nachgelassen worden waren, und diesem Umstande oder demjenigen,
daß das Handrad der Bremsen in unrechtem Sinne gedreht wurde, dürfte der
Stillstand der Maschinerie und der nachfolgende Bruch des Taues zuzuschreiben
seyn. Ich sehe wohl ein, daß ich bei der nächsten Gelegenheit mich mit einem
zahlreicheren Personal versehen muß, damit das verwendete bei eintretender
Erschöpfung sogleich durch die Reservemannschaft abgelöst werden kann, und daß
zur Ueberwachung der Bremsen ein intelligenterer Mechaniker angestellt werden
muß. Die Veranlassung des Unfalls war ohne Zweifel die eingetretene zu starke
Bremsung des Taues; wäre aber die Maschinerie damals gehörig behandelt worden,
so hätte derselbe unmöglich stattfinden können. Es wurde mehrseitig die Ansicht
geäußert, daß die Abwickelungs-Maschinerie zu massiv und gewichtig sey.
Die Erfahrung, welche ich mit derselben machte, widerlegt dieses aber
hinreichend; in den drei Tagen, wo sowohl seichtes als tiefes Wasser
durchgeschifft wurde, auch ein rascher Uebergang von dem einen in das andere
stattfand, hätte die Leistung der Maschinerie nicht vollkommener seyn können; da
sie ihre Arbeit so sanft und wirksam bei den kleineren Tiefen verrichtete, wo
die Reibung und der Widerstand des Taues durch dessen Gewicht weniger überwunden werden konnten,
so kann man kaum sagen, daß sie für tiefes Wasser zu schwer ist, wo man wegen
des vergrößerten Gewichts des Taues dessen rasche Bewegung mittelst
beträchtlicher Vermehrung seiner Reibung zu beschränken genöthigt ist. Ich gebe
zu, daß die Maschinerie verbessert werden kann durch eine zweckmäßigere Form der
Rinne oder Nuth in der Rolle, durch einen vollkommeneren Mechanismus zum
Adjustiren der Bremsen und andere kleine Abänderungen; ich bin aber überzeugt,
daß bei gehöriger Behandlung der Maschinerie, ohne alle Abänderung derselben,
die ganze Länge des Taues sicher hätte gelegt werden können. Nachdem der Unfall
eingetreten war, unternahm Lieutenant Dayman
Sondirungen, und fand die Tiefe zu 2000 Fäden (12000 Fuß). Ich sehe in unserer
gegenwärtigen Lage keinen Grund zur Entmuthigung, sondern habe im Gegentheil ein
größeres Vertrauen als je zu dem Unternehmen. Es hat sich als unzweifelhaft
herausgestellt, daß unserm endlichen Erfolg kein Hinderniß im Wege steht. Die
Construction des Taues hat allen meinen Erwartungen entsprochen, und ich könnte
keine Abänderung desselben empfehlen, da es sich den Anforderungen ganz
entsprechend erwies.“