Titel: | Neue Art, eine rotirende Bewegung fortzupflanzen; von den HHrn. Claparède, Leloup-Ruel und Delisle. |
Fundstelle: | Band 146, Jahrgang 1857, Nr. XXXVIII., S. 161 |
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XXXVIII.
Neue Art, eine rotirende Bewegung fortzupflanzen;
von den HHrn. Claparède,
Leloup-Ruel und Delisle.
Aus Armengaud's Génie industriel, September 1857, S.
135.
Mit Abbildungen auf Tab.
III.
Neue Art, eine rotirende Bewegung fortzupflanzen.
Dieser Mechanismus hat den Zweck, zwei parallele Achsen, welche sich in
entgegengesetzten Richtungen drehen sollen, mit einander zu verbinden, weßhalb seine
Anwendung in der Industrie voraussichtlich eine vielfache seyn wird; namentlich hat
man ihn bereits zum Kuppeln der beiden Treibachsen von
Schiffen mit zwei archimedischen Schrauben benutzt.
Es ist bekannt, daß bei dieser Art von Schiffen, welche besonders zum Befahren der
Flüsse bestimmt sind, die Treibschrauben nicht vollständig untergetaucht seyn
können, wie dieß bei Seeschiffen mit einer einzigen Schraube der Fall ist, und daß
man genöthigt ist, die zwei Schrauben sich in entgegengesetzten Richtungen drehen zu
lassen, um die Seitenwirkungen aufzuheben, welche das Schiff von seinem Lauf
abzulenken streben; selbstverständlich sind auch die beiden Schrauben in
entgegengesetzten Richtungen gewunden.
Als Ersatzmittel des Rädersystemes, welches in diesem Falle gewöhnlich angewandt
wird, hat man vorgeschlagen, jede der beiden parallelen Achsen mit einem Krummzapfen
zu versehen, und die Warzen derselben durch eine starke, hinreichend steife
Zugstange zu verbinden, deren Länge der Achsenentfernung gleichkommt; dieß ist
offenbar selbst dann noch thunlich, wenn sich die beiden Kurbeln oder Krummzapfen in
entgegengesetzter Richtung drehen.
Hierbei hat man zu berücksichtigen, daß beim Uebergang über die todten Punkte, das
heißt wenn die Zug- oder Verbindungsstange in der Ebene der beiden Achsen
liegt, sie sich nicht parallel mit sich selbst bewegt, wie dieß bei der gewöhnlichen
Zugstangenkuppelung der Fall ist, sondern sich förmlich wie ein um seine Achse
schwingender Balancier verhält, so daß das eine Zugstangenende aufwärts geht,
während das andere sich ebenso abwärts bewegt. Diese Schwingung ist in der Nähe der todten Punkte der
Balancierbewegung am ähnlichsten; weicht aber am meisten davon ab, wenn die
Zugstange rechtwinkelig zu den Kurbeln steht, also wenn die ganze Kraftrichtung mit
der Zugstangenrichtung zusammenfällt und die Wendepunkte der Schwingung eingetreten
sind.
In Folge dessen ist es bei der praktischen Ausführung unumgänglich nöthig, der
Zugstange ungefähr in der Mitte ihrer Länge einen Stützpunkt zu geben. Da aber der
Mittelpunkt der Zugstange eine Lemniscate (eine der Ziffer 8 ähnliche Curve)
beschreibt und es keinen festen Punkt gibt, durch welchen die Achse der Zugstange in
allen ihren Lagen geht, so mußte man natürlich den Stütz- oder Drehungspunkt
der Zugstange beweglich oder verschiebbar machen.
Nachdem nun das Princip des neuen Mechanismus erklärt ist, sollen mit Hülfe der Figuren
7–9 die Hauptanordnungen beschrieben werden, welche eine praktische
Anwendung ermöglichen, in der Voraussetzung daß man die Verbindung von zwei
Schraubenpropellern beabsichtigt.
Fig. 7 ist
eine graphische Darstellung der Bewegungen der einzelnen Theile; Fig. 8 ist eine
Seitenansicht und Fig. 9 ein horizontaler Durchschnitt des vollständigen Mechanismus.
A und B bezeichnen die
Achsen der Treibschrauben, welche sich in entgegengesetzten Richtungen bewegen, wie
dieß die Pfeile in Fig. 7 anzeigen. C und D sind Kurbeln, welche auf die Achsenenden aufgekeilt oder gleich aus
einem Stücke mit denselben geschmiedet sind, und deren Warzen durch die Zugstange
E verbunden werden. Diese Zugstange geht frei durch
eine Hülse F, und ist deßhalb auf dem größten Theile
ihrer Länge vollkommen cylindrisch, um sich in der Hülse leicht verschieben zu
können. Diese letztere schwingt um eine Achse G, welche
durch eine Art von Halsband H mit der Mitte der Hülse
verbunden ist. Die Achse G demnach ist es, welche der
schwingenden Zugstange als Stützpunkt dient, nur kann dieser Stützpunkt keine feste
Lage haben.
Verbindet man die Punkte 1, 1', 2, 2', 3, 3' etc. durch gerade Linien, wodurch man
die einzelnen Lagen der Zugstange erhält, und bestimmt auf jeder dieser Linien die
Mitte, so bekommt man eine Reihe von Punkten a, b, c, d
etc., welche in einer Lemniscate liegen, die von der Mitte der Zugstange beschrieben
wird, während deren beide Enden in Kreisen geführt werden.
Man bemerkt hiebei, daß die geraden Linien 1, 1', 2, 2', 3, 3' etc. die Horizontale
A B nicht in einem einzigen Punkte schneiden,
sondern daß im Gegentheil die Schnittpunkte der Zugstangenachse mit der Linie A B an verschiedene Stellen kommen. Es ist deßhalb
unumgänglich nöthig, daß
die Achse G sich während der Drehung der Kurbeln um eben
so viel auf der Linie A B verschiebt, damit die
Verlängerung dieser Achse und die Achse der Zugstange sich beständig schneiden. Zu
diesem Zweck liegt die Achse G in Schiebern I, J, und diese selbst gleiten in den doppelten
Schieberbahnen K, K'. Da wegen der Zerlegung der Kräfte
die Bewegung der Zugstange nicht hinreichen würde, um die Schieber K, K' gehörig zu verschieben, so kam man auf den
Gedanken, die Achse G durch ein Excentricum L zu bewegen, welches auf eine der Achsen A, B aufgesteckt ist.
Die Achsen A, B erhalten ihre Bewegung durch irgend einen
Motor, z.B. durch die beiden Kolben einer Dampfmaschine, welche so angeordnet ist,
daß während der eine Kolben auf halbem Hube steht, der andere seinen Hub vollendet
hat. Auch ein einzelner Cylinder, welcher eine Achse treibt, würde hinreichen, da
letztere durch die Zugstange ihre Bewegung auch der zweiten Achse mittheilt.
Das eben beschriebene, in der verschiebbaren Achse bestehende Mittel ist nicht das
einzige, welches bei dem neuen Transmissionssysteme anwendbar ist; es ist
einleuchtend, daß sich durch andere mechanische Anordnungen dasselbe Resultat
erreichen ließe; man könnte z.B. die Schieber vertical, statt horizontal gehen
lassen, und das Excentricum könnte dann durch einen Winkelhebel die Schieber
bewegen.