Titel: | Anwendung eines Dampfmantels bei Locomotiv-Cylindern; von dem Maschinenbauer A. Köchlin zu Mülhausen im Elsaß. |
Fundstelle: | Band 147, Jahrgang 1858, Nr. II., S. 4 |
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II.
Anwendung eines Dampfmantels bei
Locomotiv-Cylindern; von dem Maschinenbauer A. Köchlin
zu Mülhausen im Elsaß.
Aus Armengaud's
Génie industriel, Oct. 1857, S. 169.
Mit Abbildungen auf Tab.
I.
Köchlin's Anwendung eines Dampfmantels bei
Locomotiv-Cylindern.
Bei den Locomotiven sowohl mit innerhalb, als auch mit außerhalb der Räder liegenden
Cylindern, sind die letztern, wegen ihrer Berührung mit der Luft, einer schnellen
Abkühlung unterworfen, welche durch die große Geschwindigkeit der Maschine noch
gesteigert wird. Der Dampf verliert daher unmittelbar nach seinem Einströmen in die
Cylinder einen sehr bedeutenden Theil seiner Spannung und gelangt nicht mit der
ganzen erforderlichen Trockenheit an den Ort wo er wirken soll, sondern reißt
Wasserkügelchen mit sich, welche er in den Cylindern absetzt, wodurch sehr
nachtheilige Folgen entstehen, wie Brüche der Kolben, der kleinen Köpfe der
Lenkstangen, sogar der gekröpften Achsen, abgesehen von den Lösungen der Kolben von
ihren Stangen, der Cylinderdeckel etc. Um diese zahlreichen Nachtheile zu
verhindern, hat man bisher trockene Dämpfe dadurch zu erlangen gesucht, daß man
entweder die Räumlichkeit der Kessel vergrößerte, oder besondere Vorrichtungen zum
Auffangen des Dampfes anwandte, man erzielte jedoch nie genügende Resultate.
Der Erfinder ist dadurch zur Vermeidung der erwähnten Nachtheile gelangt, daß er die
Cylinder außerhalb mit einem Mantel umgab und den Zwischenraum mit Dampf aus dem
Kessel, vor dessen Einströmen in die Vertheilungsbüchse, füllt.
Nöthigenfalls kann man die Mäntel ununterbrochen vom Wasser befreien und auch den
Dampf und das durch dessen Kondensation entstandene Wasser benutzen, indem man
alsdann die Abblasehähne, welche an den Cylindermänteln angebracht sind, mit dem
Tender in Verbindung setzt; es wird hierdurch eine Ersparung an Dampf und an
Schmiere erzielt.
Wenn man sich jetzt der Abblasehähne bedient, was sehr häufig der Fall ist, so läßt
man den Dampf auf die Schienen ausströmen; dadurch geht er nicht allein verloren,
sondern treibt auch Staub und Sand von der Bahn auf, welche leicht bis zu den
verschiedenen Maschinentheilen gelangen und folglich Ritzen an den Gleitbacken und
Gleitfalzen, sowie an den Gliedern der Lenkstangen veranlassen können.
Bei dem gegenwärtigen Verfahren entweicht auch ein Theil des Schmieröls durch die
Abblasehähne. Dagegen gehen hier Dampf und Condensationswasser in den Tender zurück,
und das Oel kommt mit denselben gar nicht in Berührung.
Wird im Kessel zuviel Dampf entwickelt, so kann er, statt als reiner Verlust in die
Atmosphäre zu entweichen, aus dem Mantel durch die Abblasehähne zum Tender geschafft
werden.
Ein wesentlicher Vortheil der Cylindermäntel besteht auch darin, daß während der
Dampfvertheilung eine gewisse Wärmemenge an den in den Dampfcanälen befindlichen
Dampf abgegeben wird, so daß dieser nicht nur trocken in den Schieberkasten gelangt,
sondern auch während der Vertheilung kein Condensationswasser absetzen kann.
Endlich gestattet der Dampfmantel auch die Expansion möglichst weit zu treiben, ohne
befürchten zu müssen, daß die niedrige Temperatur des aus den Cylindern austretenden
expandirten Dampfes den Effect dadurch beeinträchtigt, daß dieser unter den Kolben
oder in der Esse sich verdichtet und dadurch dem Zuge schadet.
Man muß übrigens den Dampfmantel noch mit einem aus Filz, Holz und Blech
zusammengesetzten Mantel umgeben, damit er selbst gegen die äußere Abkühlung
geschützt ist.
Die Vortheile der Dampfmäntel an Locomotivcylindern sind hiernach: 1)
Brennmaterialersparung; 2) Erhöhung der Geschwindigkeit und des Effects bei gleichem
Dampfverbrauch; 3) längere Dauer der bewegten Maschinentheile.
Die verschiedenen Anordnungen, durch welche man die erwähnten Resultate erlangt, sind
in den Figuren
11–13 abgebildet.
Fig. 11 ist
ein Längendurchschnitt durch die Achse des Kessels;
Fig. 12 ist
ein Querdurchschnitt durch die Achse der Ausblaserohre;
Fig. 13 ein
horizontaler Durchschnitt und Grundriß der Cylinder und ihres Mantels.
In diesen Figuren bezeichnen C, C die beiden Cylinder.
E, E, E ist der metallene Mantel derselben,
bestehend aus zwei Seitenplatten e, e, einer
horizontalen Bodenplatte e¹, einer obern
Deckplatte e² und zwei Verschlußplatten e³, welche Boden und Deckel der Cylinder bilden; alle diese aus
Gußeisen bestehenden Theile des Mantels werden unter einander und mit den an den
Cylindern angegossenen Rändern und Leisten verbunden, wie man aus den Abbildungen
deutlich ersehen kann.
Der im Kessel entwickelte Dampf gelangt in den Mantel E,
E mittelst der Röhren p, p und die einströmende
Menge wird wie gewöhnlich durch einen Regulator R
beschränkt, der die bekannte Einrichtung hat. Der Mantel ist mittelst eines innern
Scheiders E in zwei Theile getheilt. Außer dem Regulator
R am vordern Ende der Dampfröhre gestatten auch die
beiden Regulatoren r, r die Admission des Dampfes in die
Abtheilungen. Diese beiden Regulatoren werden mittelst der Welle a und einer Stange t bewegt,
welche der Locomotivführer handhaben kann. Durch die Oeffnungen O, O stehen die verschiedenen Theile des Mantels mit
einander in Verbindung und gestatten auf diese Weise das Einströmen des Dampfes in
die mit den Schiebern T, T versehenen
Vertheilungsbüchsen; der Austritt des Dampfes, nachdem er gewirkt hat, erfolgt durch
die Röhren s, s.
Die Abblasehähne P, P gestatten den Dampf und das
Condensationswasser aus dem Mantel nach dem Tender gelangen zu lassen. Ein dritter
Abblasehahn P¹ dient zum Probiren.