Titel: | Ueber die chemische Constitution des Stahls, von Hrn. Lohage. |
Fundstelle: | Band 147, Jahrgang 1858, Nr. XIV., S. 37 |
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XIV.
Ueber die chemische Constitution des Stahls, von
Hrn. Lohage.
Nach einem Vortrage desselben bearbeitet von W.
Sudhaus. – Aus der Zeitschrift des Vereins
deutscher Ingenieure, 1857 S. 268.
Mit einer Abbildung.
Lohage, über die chemische Constitution des Stahls.
Das Studium der Kohle-Eisen-Verbindungen ist für die Erklärung der
Erscheinungen bei der Eisenbereitung und bei der Umänderung einer Eisenart in die
andere von der höchsten Bedeutung. Seitdem Bergmann
zuerst auf die Rolle, welche die Kohle bei der Bildung der verschiedenen Eisensorten
spielt, aufmerksam machte, hat der rasche Fortschritt der chemischen Wissenschaft
uns hierüber manche werthvolle Aufklärung verschafft, ohne jedoch die Frage nach dem
Wesen dieser Verbindungen ganz zu lösen. Die Resultate, welche Karsten aus seinen Untersuchungen und denen seiner Vorgänger schöpfte,
sind auch heute noch die Grundlagen unseres Wissens in diesem Zweige der
Metallurgie, obgleich jeder denkende Metallurg den Mangel einer wissenschaftlichen
Begründung dieser Erfahrungssätze schmerzlich fühlt. Indem wir nun in dem Nachfolgenden den
Versuch einer wissenschaftlichen Begründung dieser Sätze mitzutheilen beabsichtigen,
sehen wir uns genöthigt, zuerst diese Sätze selbst, sowie einige spätere Arbeiten
dieser Art dem Leser vorzuführen. Karsten's Ansichten
sind im Wesentlichen folgende:
1) Die im Großen gewonnenen Eisensorten erhalten ihre
charakteristischen Eigenschaften hauptsächlich durch ihren Gehalt an Kohle und
durch den Verbindungszustand der Kohle mit dem Eisen.
2) Da Roheisen und Rohstahl sowohl chemisch gebundenen als auch
mechanisch beigemengten Kohlenstoff enthalten, so kann der procentische Gehalt
an Kohle nur annähernd zur Aufstellung scharfer Gränzen zwischen Roheisen, Stahl
und Stabeisen dienen.
3) Eisen, welches 5,25 bis 5,75 Proc. Kohle aufgenommen hat, ist
damit vollkommen gesättigt und erstarrt unter geeigneten Verhältnissen als
vollkommen reines Spiegeleisen. Die übrigen Roheisensorten können sehr
wechselnde Mengen von Kohle enthalten, doch nimmt im Allgemeinen der Gehalt an
chemisch gebundener Kohle ab, wenn der Gehalt an mechanisch beigemengter Kohle
zunimmt, und umgekehrt.
4) Es kann der chemisch gebundene Kohlenstoff in mechanisch
gemengten und der mechanisch gemengte in chemisch gebundenen Kohlenstoff
verwandelt, und dadurch eine Umänderung des weißen Roheisens in graues und des
grauen in weißes erzielt werden.
5) Eisen mit einem Gehalt von 2,30 bis 5,75 Proc. Kohle nennen
wir Roheisen; Eisen mit einem Gehalt von 0,65 bis 2,30 Procent Kohle nennen wir
Stahl, und Eisen bis zu einem Kohlegehalt von 0,65 Proc. nennen wir
Stabeisen.
Aus dieser Zusammenstellung ergibt sich, daß nur das Spiegeleisen mit einer
bestimmten, unveränderlichen Menge Kohlenstoff auftritt, und daß es also, da es
außerdem noch die Fähigkeit zu krystallisiren zeigt, als ein chemisches Ganzes
betrachtet werden muß. Man hat dieser Verbindung die Formel Fe₄ C₁
gegeben und gefunden, daß dieser bestimmten Zusammensetzung eben so bestimmt
charakterisirte Eigenschaften entsprechen, welche es leicht machen, das Spiegeleisen
von den übrigen Eisensorten zu unterscheiden. Scheerer
nimmt hiervon Veranlassung, das Spiegeleisen ganz von den anderen Roheisensorten zu
trennen, während wir später zeigen werden, daß das Spiegeleisen der Repräsentant
einer ganzen Reihe von ähnlich constituirten Körpern ist.
Zur Unterscheidung der übrigen Eisensorten reicht, wie wir gesehen haben, die
Kenntniß ihres Kohlegehaltes nicht aus, man ist vielmehr übereingekommen, den
Unterschied zwischen Schmiedeeisen und Stahl durch den Härtegrad des in Wasser
abgelöschten Eisens, und den Unterschied zwischen Roheisen und Stahl durch die
Undehnbarkeit des ersteren in der Kälte und durch das Ausscheiden von Graphit bei
langsamem Erkalten zu bestimmen.
Dennoch wäre es gewagt, diesen Eisensorten die Fähigkeit zu krystallisiren absprechen
zu wollen, vielmehr deuten viele Erscheinungen darauf hin, und Männer wie Mitscherlich und Schafhäutl
stimmen für diese Ansicht, daß sowohl das gewöhnliche weiße als auch das graue
Roheisen deutliche und bestimmbare Krystalle zeigen kann. Freilich ist noch nicht
bestimmt, ob diese Krystalle dieselbe Zusammensetzung haben wie die umgebende
Eisenmasse, oder ob gewisse Verunreinigungen des Eisens bei diesen Bildungen
mitwirkend sind. Schafhäutl ist überhaupt geneigt,
gewissen Verunreinigungen des Eisens einen Einfluß auf die Eigenschaften desselben
zuzuschreiben, der sie vollständig in die Reihe der nothwendigen Beimengungen
verweist; namentlich sucht er zu zeigen, daß das Silicium ein fast eben so
nothwendiger Bestandtheil eines guten Stahls sey als der Kohlenstoff.
Es ist hierdurch eine gewisse Verwirrung in den Ansichten über die nothwendigen
Bestandtheile eines guten Eisens oder Stahls entstanden, welche noch dadurch
vermehrt wurde, daß Malberg durch seine Versuche über die
Regeneration des Stahls zu zeigen schien, es sey nicht einmal der Kohlenstoff ein
nothwendiger Bestandtheil des Stahls. Malberg suchte
nämlich darzuthun, daß verbrannter Stahl alle seine ursprünglichen Eigenschaften in
vollem Maaße wiedererhalten könne, ohne daß ihm dem Anscheine nach Kohle zugeführt
wird. Fuchs in MünchenPolytechn. Journal Bd. CXXIV S. 346. schien dieser Ansicht beizustimmen, indem er die verschiedenen Eigenschaften
des Roheisens, Stahls und Stabeisens durch eine Umsetzung der Krystalle des
rhombischen Systems in Würfel zu erklären suchte, da nach ihm das Roheisen ein
Aggregat von rhombischen Krystallen ist, während das Stabeisen aus Würfeln gebildet
wird, welche, wenn sie sich aneinander reihen, die Fasern desselben bilden. Stahl
würde die Mitte zwischen beiden innehalten, und durch das Härten ein Theil der
Würfel in Rhomboëder umgewandelt werden, während ein langsames Abkühlen des
gehärteten Stahls das Entgegengesetzte bewirkt.
Aus dem Vorstehenden geht nun zur Genüge hervor, daß die Frage über das Wesen der
Kohle-Eisen-Verbindungen noch lange nicht zum Abschluß gekommen ist,
und daß es deßhalb jeden denkenden Fachmann interessiren muß, wenn dieselbe ihrer
Lösung näher gebracht wird.
Indem wir deßhalb den Lesern dieser Zeitschrift die Ansichten des Hrn. Lohage mittheilen, sind wir von vornherein überzeugt, daß
sie auch in weiteren Kreisen anregend wirken werden; einestheils weil sie durchaus
neu und durchgreifend sind, anderntheils weil sie von einem Manne herrühren, der
schon als Erfinder des Puddelstahls sich verdient und bekannt gemacht hat.
––––––––––
Wir haben weiter oben erwähnt, daß wir den unermüdlichen Forschungen des Hrn. Karsten die genauere Kenntniß von der Constitution des
Spiegeleisens verdanken, und daß die von ihm aufgestellte Formel Fe₄
C₁ unbedingt als richtig anerkannt werden muß, da die Fähigkeit zu
krystallisiren das Spiegeleisen als ein absolut für sich bestehendes chemisches
Ganzes charakterisirt. Dieser bestimmten Zusammensetzung entsprechen nun auch eben
so bestimmt ausgeprägte Eigenschaften desselben, so daß bei der Wahrscheinlichkeit,
daß noch andere Verbindungen zwischen Kohle und Eisen als die obengenannte
existiren, die Ansicht nahe lag, die abweichenden Eigenschaften der übrigen
Eisensorten durch die Anwesenheit solcher abweichenden Verbindungen zu erklären.
Hr. Lohage stellte sich nun zunächst die Aufgabe, die
Existenz dieser Verbindungen nachzuweisen. Gestützt auf theoretische Betrachtungen,
welche später mitgetheilt werden, wurde folgender Versuch angestellt:
Wenn man reines Spiegeleisen und möglichst reines Stabeisen zu gleichen Theilen
zusammenschmilzt, das geschmolzene Product in Stangen gießt und sodann diese Stangen
während 4 bis 8 Stunden durch vorsichtiges Glühen in basisch feuerfestem Thon
adoucirt, so erhält man zuweilen ein Product, welches sich in der Rothglühhitze
schmieden und strecken läßt, es läßt sich schleifen, zu Messern und Scheren
verarbeiten, kurz es zeigt alle Eigenschaften des besten Gußstahls, aber es ändert
seine Härte nicht, wenn es im glühenden Zustande in Wasser abgelöscht wird. Seine
natürliche Härte und Festigkeit übertrifft aber die des besten Gußstahls, so daß
sich letzterer mit Werkzeugen, aus diesem Product dargestellt, bequem bearbeiten
läßt.
Hr. E. Riepe in London erhielt ein Messer und einen Meißel
aus diesem Product, welche wahrscheinlich noch in seinem Besitze sind; beide zeigten
sich von unverwüstbarer Güte.
Der Kohlegehalt dieses Products beträgt 2,70 Proc., und da es ähnlich wie das
Spiegeleisen mit ganz entschieden hervortretenden Eigenschaften begabt ist, so muß es mit vieler
Wahrscheinlichkeit der dem Kohlegehalte von 2,70 Proc. entsprechenden Formel
Fe₈ C₁ gemäß constituirt seyn.
Hr. Lohage nennt diese Verbindung einen mit Kohle
gesättigten Stahl, in ähnlicher Weise wie Hr. Karsten das
Spiegeleisen ein mit Kohle gesättigtes Eisen nennt.
Es entsteht jetzt die Frage: welche Wahrscheinlichkeitsgründe sind noch für die
Existenz dieser Verbindung anzuführen?
Um diese Frage zu beantworten, sehen wir uns genöthigt, etwas weiter auszuholen.
Durch die Forschungen der neueren Chemie ist fast unzweifelhaft festgestellt, daß die
Theilbarkeit der Körper eine begränzte seyn muß. Das Resultat der letztdenkbaren
Theilung hat man Atom oder Molecül genannt, und wenn auch die Ansichten über
Molecularform der Körper noch sehr getheilt sind, so wird doch allseitig
zugestanden, daß im Allgemeinen den Molecülen eine bestimmte Gestalt zuerkannt
werden muß. Da nämlich die chemische Verbindung zweier Körper nicht als eine
Durchdringung der Atome angesehen werden kann, so bleibt nur übrig, sich dieselbe
als das Resultat einer Flächenanziehung zu denken, welche aber offenbar nur in der
Weise statthaben kann, daß wir uns die krystallographisch gleichwertigen Flächen
auch als chemisch gleichwertig denken. Wird dieser Grundsatz als richtig angenommen,
so haben wir für viele Erscheinungen der Chemie einen einfachen Erklärungsgrund
gefunden, selbst die verwickelten Erscheinungen der Dimorphie und Trimorphie lassen
sich durch die Annahme ungleichwerthiger Molecularflächen leicht erklären.
Bei einer chemischen Verbindung zweier Körper werden also die chemischen Kräfte im
Gleichgewicht seyn, wenn den gleichwertigen Flächen Gelegenheit geboten wird,
gleiche Bedingungen zu erfüllen.
Aus diesen Betrachtungen läßt sich nun ohne weiteres folgender Grundsatz
ableiten:
Die Konstitution aller chemischen Verbindungen ist abhängig von der Molecularform des
einen Factors der Verbindung und zwar jedenfalls desjenigen, der mit der geringeren
Anzahl Molecüle in die Verbindung eingeht.
Von diesem Grundsatz geleitet, wollen wir nun die vorhin besprochene
Kohle-Eisen-Verbindung näher betrachten.
Es fällt zunächst in die Augen, daß die Constitution sämmtlicher
Kohle-Eisen-Verbindungen von der Molecularform des Kohlenstoffs
abhängig seyn muß. Der Kohlenstoff erscheint uns aber im verdichteten, chemisch
reinen Zustande, im Diament, als Octaeder, und es ist deßhalb aus krystallographischen Gründen
mit einiger Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß die Molecularform des Kohlenstoffs
ebenfalls ein Octaeder sey. Da nun die Flächen eines regulären Octaeders sämmtlich
gleichwertig sind, so würde bei einer Verbindung zwischen Kohle und Eisen
Gleichgewicht entstehen, wenn jede Octaederfläche des Kohlemolecüls sich mit einem
Eisenmolecüle verbände, d.h. wenn sich die Verbindung Fe₈ C₁
bildete.
Es wird aber auch ein chemisches Gleichgewicht entstehen, wenn sich jede
Octaederfläche eines Kohlemolecüls mit 2, 3, 4 u.s.w. Eisenmolecülen verbindet, so
daß wir also die Existenz einer ganzen Reihe von
Kohle-Eisen-Verbindungen anerkennen müssen, welche sich alle nach
demselben Gesetze gebildet haben.
Diese Verbindungsreihe würde sich durch nachfolgende Formeln ausdrücken lassen:
Fe₈ C₁
entsprechend
einem
Kohlegehalt
von
2,70 Proc.
Fe₁₆ C₁
„
„
„
„
1,37 „
Fe₂₄ C₁
„
„
„
„
0,917 „
Fe₃₂ C₁
„
„
„
„
0,689 „
Fe₄₀ C₁
„
„
„
„
0,556 „
Fe₄₈ C₁
„
„
„
„
0,460 „
:
:
:
:
:
Diese Verbindungen werden sich ohne Zweifel bis in das Schmiedeeisen fortsetzen, da Eisen ohne Kohle kein Schmiedeeisen ist.
Wären wir im Stande, die den Formeln entsprechenden Verbindungen herzustellen, so
würden sie sämmtlich mit bestimmten, wahrscheinlich analogen Eigenschaften
auftreten. Sie würden alle, eine jede für sich, eine bestimmte Härte, Politur und
Festigkeit zeigen, und würde die Härte einer jeden Verbindung
von der Quantität der Kohle abhängig seyn. Alle diese Verbindungen würden sich
aber nicht Härten lassen, so wenig wie die Verbindung Fe₈
C₁.
Es ist aber bei der Verbindung zwischen Kohle und Eisen noch eine zweite Art des
Gleichgewichts denkbar. Dieses Gleichgewicht würde analog der Bildung der Tetraeder
entstehen, wenn sich die abwechselnden Flächen des Kohlenoctaeders mit einem
Eisenmolecüle verbänden. Diese Verbindung würde die Formel Fe₄ C₁
erhalten, d.h. Spiegeleisen seyn, und würde die Formel Fe₈ C₁ den
stabilen, die Formel Fe₄ C₁ den labilen Gleichgewichtszustand
repräsentiren, d.h. die letztere Verbindung wird zu einer Umsetzung der Molecüle
geneigt seyn.
Eine werthvolle Stütze für diese Ansicht von der Molecularform des Spiegeleisens
sehen wir in der Krystallform desselben, welche bekanntlich die des
Rhomboëders ist.
Setzt man nämlich auf die abwechselnden Flächen eines Octaeders abcdef die Hälften der Tetraeder abge, cdeh, abkf und cdif,
so erhält man eine rhombische Säule albnmcod, so
daß also die Molecularform des Eisens die Hälfte eines Tetraeders d.h. eine schiefe
Pyramide wäre.
Textabbildung Bd. 147, S. 43
Es ist nun wahrscheinlich, daß sich nach dem Bildungsgesetz des Spiegeleisens
ebenfalls eine ganze Reihe von Körpern constituiren kann. Alle diese Körper werden
die charakteristischen Eigenschaften des Spiegeleisens, Härte und Sprödigkeit in
gewissem Maaße besitzen, und wird der Grad derselben von ihrem
Gehalt an Kohlenstoff abhängig seyn.
Diese zweite Verbindungsreihe würde sich durch nachfolgende Formeln ausdrücken
lassen:
Fe₄ C₁
mit
einem
Kohlegehalt
von
5,263 Proc.
Fe₁₂ C₁
„
„
„
„
1,818 „
Fe₂₀ C₁
„
„
„
„
1,098 „
Fe₂₈ C₁
„
„
„
„
0,787 „
Fe₃₆ C₁
„
„
„
„
0,613 „
:
:
:
:
Roheisen und Rohstahl bilden nun, besonders im überhitzt geschmolzenen Zustande,
Gemische dieser und der vorigen Reihe. Beim allmählichen Erkalten suchen sich
dieselben insoweit ins Gleichgewicht zu setzen, als es die Cohäsionskraft
zuläßt.
Gesetzt ein Roheisen bestände im Moment der Schmelzung aus:
18 Fe₄ C₁ + 4 Fe₈ C₁ + 2
Fe₁₂ C₁ + Fe₁₆ C₁,
so würde sich dieses Gemisch bei allmählichem Erkalten
umsetzen können in:
18 Fe₈ C₁ + 7 C,
um als ein chemisches Ganzes aufzutreten, und würde dann, bei
einem Gehalt von 4 Proc. Kohle, als weißes Roheisen auftreten. Zersetzte sich aber
dasselbe Gemisch in:
12 Fe₁₂ C₁ + 13 C,
so würde das Resultat ein graues Roheisen seyn.
Gesetzt ein Rohstahl bestände im Moment der Schmelzung aus:
2 [Fe₄ C₁ + Fe₈ C₁ +
Fe₁₂ C + Fe₁₆ C₁ + Fe₂₀ C₁ +
Fe₂₄ C₁],
so würde sich ein solcher durch das Raffiniren umwandeln
lassen in:
7 Fe₂₄ C₁ + 5 C
und dann einen Kohlegehalt von 1,5 Proc. haben.
Wir sehen aus diesen Beispielen zunächst, daß in dem Maaße wie die chemisch gebundene
Kohle im Roheisen abnimmt, die mechanisch gemengte zunehmen muß – ein
Resultat, welches alle Analysen bestätigen. Sodann muß auch die Verbindung, welche
die Grundmasse des weißen Roheisens bildet, eine andere Zusammensetzung haben, als
die, welche die Grundlage des grauen Roheisens bildet. Dabei darf jedoch nicht außer
Acht gelassen werden, daß in dem Gemenge, aus welchem wir nach dem Erkalten das
strengflüssige graue Roheisen erhalten, möglicherweise andere Verbindungen
vorherrschend seyn können, als in dem Gemenge, welches als weißes Roheisen erkaltet,
da erstens bei einer bei weitem höheren Temperatur erzeugt wird.
Das Härten des Stahls, sowie die Umwandlung des grauen Roheisens in weißes würde nur
darin bestehen, daß durch ein rasches Erkalten dem Zersetzen der härteren
Verbindungen vorgebeugt wird.
Der Cementationsproceß besteht in einer fortdauernden Zersetzung von höher gekohlten
Verbindungen in minder gekohlte, wobei die Kohle von Außen nach Innen vorschreitet.
Angenommen es bilde sich auf der Oberfläche des zu cementirenden Eisens die
Verbindung Fe₈ C₁, so kann dieselbe durch das zunächst liegende Eisen
in Fe₄₀ C₁ umgewandelt werden. Da nun hierbei das Stahlmolecül
sich nothwendig vergrößert, und wir uns das Kohlenmolecül stets in der Mitte der
Verbindung denken, so muß die Kohle bei dieser Umsetzung nothwendig sich nach Innen
bewegen. Auf die äußeren Theile wirkt jetzt von Neuem Kohlenstoff ein und erzeugt
wiederum die Verbindung Fe₈ C₁, welche sodann auf dieselbe Weise
wieder in Fe₄₀ C₁ verwandelt wird, bis alles Eisen endlich sich
mit einer hinreichenden Menge Kohle verbunden hat, um Cementstahl zu bilden.
Es leuchtet ein, daß sich auf diese Weise kein homogenes Product bilden kann, weßhalb
auch aller Cementstahl raffinirt oder durch Umschmelzen egalisirt werden muß.
Beim Adouciren findet ganz derselbe Proceß, nur in entgegengesetzter Weise statt, so
daß sich die Kohle hierbei von Innen nach Außen fortbewegen muß.
Aus dem Gesagten geht zur Genüge hervor, daß die bisher entwickelten Ansichten sich
in schönster Uebereinstimmung befinden mit den Erscheinungen bei der Darstellung des
Eisens und bei der Umwandlung einer Eisenart in die andere. Freilich ist die
Bestätigung jeder einzelnen Behauptung durch die Schritt vor Schritt folgende
Analyse bis jetzt noch nicht möglich gewesen, aber dafür ruht der speculative Theil
auf streng wissenschaftlicher Basis, und ist die Schlußfolgerung so überzeugend, daß
wohl Niemand die innere Wahrscheinlichkeit des Vorstehenden bestreiten wird.
Außer den bisher betrachteten Verbindungen zwischen Kohle und Eisen gibt es noch
zwei, von denen die erste Fe C₂ durch Zersetzung des Ferrocyankaliums
gebildet wird, während die andere Fe C₃ ebenfalls ein Product unserer Hohöfen
ist. Die erste Verbindung kann hier füglich übergangen werden, während die zweite
als eine Verunreinigung des Eisens betrachtet werden muß. Ueber die Bildung dieses
Körpers und den Einfluß, den er durch seine Unschmelzbarkeit auf den Schmelzproceß
ausübt, später ein Mehreres; hier genügte es uns, die Grundzüge der Ansichten des
Hrn. Lohage unsern Fachgenossen vorzuführen und dadurch
möglicherweise den Anstoß zu weiteren Forschungen zu geben.