Titel: | Ueber eine neue Wirkung des Lichtes; von Hrn. Niepce aus Saint-Victor. |
Fundstelle: | Band 147, Jahrgang 1858, Nr. XVI., S. 51 |
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XVI.
Ueber eine neue Wirkung des Lichtes; von Hrn. Niepce aus Saint-Victor.
Aus dem Cosmos, Revue
encyclopédique, Novbr. 1857, Bd. XI S. 568.
Niepce, über eine neue Wirkung des Lichtes.
„Nachdem ein Körper vom Licht getroffen oder der Belichtung ausgesetzt
worden ist, behält er dann in der Dunkelheit noch einen Eindruck dieses
Lichtes?“
Dieses Problem habe ich mittelst der Photographie zu lösen gesucht. Die
Phosphorescenz und die Fluorescenz der Körper sind bekannt; die Versuche, welche ich
nun beschreiben will, sind aber, meines Wissens, vor mir niemals gemacht worden.
Man setzt einen Kupferstich, welcher mehrere Tage in der Dunkelheit gehalten wurde,
und dessen eine Hälfte man dann mit einem undurchsichtigen Schirm bedeckt hat, den
directen Sonnenstrahlen aus, wenigstens eine Viertelstunde lang; hierauf bringt man
diesen Kupferstich auf einem sehr empfindlichen photographischen Papier an; nachdem
er mit demselben 24 Stunden lang in der Dunkelheit in Berührung war, erhält man in
Schwarz eine Copie der Lichter desjenigen Theils des Kupferstichs, welcher während
der früheren Belichtung von dem Schirm nicht bedeckt war.
Wenn ein Kupferstich mehrere Tage in der tiefsten Dunkelheit geblieben ist, und man
ihn dann auf dem empfindlichen Papier anbringt ohne ihn dem Licht auszusetzen, so
reproducirt er sich nicht.
Manche Kupferstiche reproduciren sich, nachdem sie dem Licht ausgesetzt worden sind,
besser als andere, was von der Beschaffenheit des Papiers abhängt; aber alle
Papiere, selbst das Berzelius'sche Filtrirpapier, sie
mögen mit Lichtbildern oder anderen Bildern versehen seyn oder nicht, reproduciren
sich mehr oder weniger, nachdem man sie vorher dem Licht exponirt hat.
Das Holz, das Elfenbein, die Goldschlägerhaut, das Pergament, selbst die lebende Haut
reproduciren sich unter denselben Umständen vollkommen; aber die Metalle, das Glas,
das Email reproduciren sich nicht.
Wenn man einen Kupferstich sehr lange den Sonnenstrahlen ausgesetzt läßt, so wird er
sich mit Licht sättigen, wenn ich mich so ausdrücken darf.
In diesem Falle wird er auf das empfindliche Papier die größte Wirkung hervorbringen,
vorausgesetzt daß man ihn lange genug, nämlich zwei oder drei Tage, mit demselben in
Berührung läßt. Ich habe auf diese Weise so intensive Copien erhalten, daß sie zu
der Hoffnung berechtigen, man werde (indem man sehr empfindliches Papier anwendet,
wie das mit Jodsilber präparirte, oder statt desselben eine Schicht von trocknem
Collodium oder von Albumin, und indem man das Bild mit Gallussäure oder
Pyrogallussäure entwickelt) hinreichend kräftige Copien erzielen, um davon eine
zweite Copie machen zu können; dieß wäre ein neues Verfahren zum Reproduciren der
Kupferstiche.
Ich nehme die Reihe meiner Versuche wieder auf. Wenn man zwischen den Kupferstich und
das empfindliche Papier eine Glastafel einschaltet, so machen die Lichter des
Kupferstichs auf dem empfindlichen Papier keinen Abdruck mehr. Dasselbe ist der
Fall, wenn man eine Glimmer- oder Bergkrystallplatte, oder eine mit Uranoxyd
gefärbte gelbe Glastafel einschaltet.
Ein Kupferstich welcher mit einer Collodium- oder Leimschicht überzogen ist,
reproducirt sich; ist er aber mit Gemäldefirniß oder Gummi überzogen, so reproducirt
er sich nicht.
Ein Kupferstich welcher in drei Millimeter Entfernung vom empfindlichen Papier
angebracht ist, reproducirt sich sehr gut; und wenn er eine Zeichnung in groben
Strichen darstellt, reproducirt er sich noch bei einem Centimeter Entfernung. Die
erzeugte Copie ist daher nicht das Resultat einer Contactwirkung oder einer
chemischen Wirkung.
Ein in mehreren Farben colorirter Kupferstich reproducirt sich sehr ungleich, d.h.
die Farben erzeugen ihr Bild mit verschiedener Intensität, je nach ihrer chemischen
Natur. Einige hinterlassen einen sehr sichtbaren Eindruck, während andere das
empfindliche Papier kaum oder gar nicht färben. – Die fette
Buchdruckerschwärze, sowie die mit Galläpfelabsud und Eisenvitriol bereitete
gewöhnliche Schreibtinte, geben kein Bild; dagegen geben gewisse englische Schwärzen
sehr scharfe Bilder.
Verglaste Schriftzüge auf glasirter oder emaillirter Porzellanplatte bilden sich auf
dem empfindlichen Papier ab, ohne daß das Porzellan selbst eine Spur seiner
Gegenwart hinterläßt; aber ein nicht glasirtes oder emaillirtes Porzellan, wie das
Biscuit oder die Kaolinmasse, erzeugt einen schwachen Abdruck.
Wenn man einen Kupferstich, nachdem man ihn eine Stunde lang dem Licht ausgesetzt
hat, auf einen weißen Pappdeckel legt, welcher einige Tage in der Dunkelheit
geblieben ist; wenn man dann, nachdem der Kupferstich wenigstens 24 Stunden mit dem
Pappdeckel in Berührung geblieben ist, den Pappdeckel seinerseits mit einem Blatt
empfindlichen Papiers in Contact bringt, so wird man, nach 24 Stunden dieses neuen
Contacts, eine Copie
des Kupferstichs haben, welche zwar etwas weniger sichtbar ist, als wenn der
Kupferstich direct auf dem empfindlichen Papier angebracht worden wäre, jedoch noch
deutlich ist. – Wenn ein mit weißen Flecken besäetes Täfelchen von schwarzem
Marmor dem Licht ausgesetzt, und hernach auf dem empfindlichen Papier angebracht
wird, so drucken sich nur die weißen Theile des Marmors auf dem Papier ab. Unter
denselben Umständen hinterläßt ein Täfelchen von weißer Kreide auch einen Abdruck,
während ein Täfelchen von Holzkohle keine merkliche Wirkung hervorbringt.
Wenn man eine Feder, welche schwarz und weiß ist, der Sonne ausgesetzt und hernach in
der Dunkelheit auf einem empfindlichen Papier angebracht hat, so drucken ebenfalls
nur die Lichter ihr Bild ab.
Eine Papageifeder, roth, grün, blau und schwarz, lieferte fast gar keinen Abdruck,
wie wenn die ganze Feder schwarz gewesen wäre. Gewisse Farben hatten jedoch Spuren
einer sehr schwachen Wirkung hinterlassen.
Ich habe einige Versuche mit Zeugen von verschiedenen Farben gemacht, welche folgende
Resultate gaben:
Weißer Kattun gab auf dem empfindlichen Papier einen
Abdruck.
Brauner Kattun, mit Krapp und Thonerde gefärbt, gab
nichts.
Violetter Kattun, mit Krapp, Thonerde und Eisensalz
gefärbt, gab fast nichts.
Rother Kattun, mit Cochenille gefärbt, gab nichts.
Türkischrother Kattun, mit Krapp und Alaun gefärbt, gab
nichts.
Blauer Kattun, nämlich ein Muster in Berlinerblau auf
Weißboden: das Blau copirte sich vorzugsweise.
Blauer Kattun, in der Indigoküpe gefärbt, gab nichts.
Rostgelber Kattun, mit Eisenoxyd gefärbt, gab einen
Abdruck.
Seidene und wollene Zeuge geben ebenfalls verschiedene Abdrücke, je nach der
chemischen Natur der Farbe.
Folgender Versuch scheint mir besonders beachtenswerth zu seyn: Man verschafft sich
ein Rohr von Weißblech oder überhaupt einer undurchsichtigen Substanz, welches an
einem seiner Enden geschlossen und dessen Inneres mit weißem Papier oder Pappdeckel
überzogen ist; dasselbe setzt man, die Oeffnung vorwärts, den directen
Sonnenstrahlen beiläufig eine Stunde lang aus; nach der Belichtung bringt man jene
Oeffnung auf einem empfindlichen Papier an: so wird man nach 24 Stunden finden, daß
der Umkreis des Rohrs dessen Bild gezeichnet hat. Noch mehr, wenn man einen
Kupferstich auf chinesischem Papier, zwischen dem Rohr und dem empfindlichen Papier
einschaltet, so wird er selbst reproducirt.
Wenn man das Rohr, sobald man aufhörte es dem Licht auszusetzen, hermetisch schließt,
so wird es unbestimmte Zeit lang das Strahlungsvermögen behalten, welches ihm die
Belichtung ertheilt hat; denn wenn man von demselben den Deckel abnimmt, welcher es
verschloß, so wird es einen Abdruck erzeugen.
Ich habe mit den in der camera obscura hergestellten
leuchtenden Bildern die Versuche wiederholt, welche ich anfangs am directen Licht
gemacht hatte. Man nimmt einen weißen Pappdeckel aus der Dunkelheit, um ihn
beiläufig drei Stunden lang in die camera obscura zu
stellen, wo er ein von der Sonne lebhaft beleuchtetes Bild auffangt; man bringt
hernach den Pappdeckel auf einem Blatt empfindlichen Papiers an, und erhält nach
24stündigem Contact eine ziemlich sichtbare Copie des ursprünglichen Bildes der camera obscura.
Es ist eine lange Exposition erforderlich, um ein bemerkbares Resultat zu erhalten,
und dieß ist ohne Zweifel der Grund weßhalb ich nichts erhielt, als ich bloß
anderthalb Stunden lang das Bild des Sonnenspectrums auf einem Blatt weißen
Pappdeckels auffieng; ich bin jetzt vollkommen überzeugt, daß eine mehrstündige
Exposition mit einem Blatt sehr absorbirenden Papiers oder Pappdeckels einen Abdruck
des Spectrums geben würde.
Ich beabsichtige auch bald mit dem Licht der elektrischen Lampe und des elektrischen
Eies zu experimentiren.
Bei einigen, noch wenig zahlreichen Versuchen glaubte ich zu bemerken, daß das in
einem Gefäß absorbirte und conservirte Licht auch eine Wirkung auf die Pflanzen
ausübt, unter anderen auf die Blumen, welche sich am Tage öffnen und des Nachts
schließen.
Ich habe nun noch von den Versuchen zu sprechen, welche ich mit fluorescirenden und phosphorescirenden Körpern
anstellte.
Wenn man eine Zeichnung, welche auf einem Blatt weißen Papiers mit einer Auflösung
von schwefelsaurem Chinin (einem vorzugsweise fluorescirenden Körper) gemacht wurde,
der Sonne exponirt und sie dann auf empfindlichem Papier anbringt, so reproducirt
sie sich in viel intensiverem Schwarz als das weiße Papier, welches den Grund der
Zeichnung bildet. Eine zwischen die Zeichnung und das Papier gelegte Glastafel
verhindert jeden Abdruck. Eine gelbe Glastafel, mit Uranoxyd gefärbt, bringt
dieselbe Wirkung hervor.
Wenn die mit schwefelsaurem Chinin gemachte Zeichnung dem Licht nicht exponirt worden
ist, so entsteht nichts auf dem empfindlichen Papier.
Eine mit Phosphor auf einem Blatt weißen Papiers gemachte leuchtende Zeichnung wird,
ohne vorher dem Licht ausgesetzt worden zu seyn, auf dem empfindlichen Papier
sehr rasch einen Abdruck erzeugen; schaltet man aber eine Glastafel ein, so hört
jede Wirkung auf.
Dieselben Resultate liefert Flußspath, welcher durch Erwärmen phosphorescirend
gemacht worden ist.