Titel: | Ueber Weinbereitung mit Zusatz von Zucker und Wasser; von Hrn. Abel Petiot, Weingutsbesitzer zu Chamirey in Burgund. |
Fundstelle: | Band 147, Jahrgang 1858, Nr. XX., S. 61 |
Download: | XML |
XX.
Ueber Weinbereitung mit Zusatz von Zucker und
Wasser; von Hrn. Abel Petiot, Weingutsbesitzer zu Chamirey in
Burgund.
Aus dem Bulletin de la
Société d'Encouragement, August 1857, S. 559.
Petiot, über Weinbereitung mit Zusatz von Zucker und
Wasser.
Der durch die Traubenkrankheit und regnerische Sommer herbeigeführte Mangel an Weinen
und ihr außerordentlich gestiegener Preis waren die natürliche Veranlassung, daß von
vielen Seiten Versuche gemacht wurden, eine größere Menge Wein aus den Trauben zu
gewinnen. Die Einen setzten dem Most bloß Wasser zu und benachtheiligten so die Güte
zu Gunsten der Menge des Products; Andere erzeugten, indem sie den ausgepreßten
Trestern Wasser beimischten, Nach- oder Tresterwein (Lauer); wieder Andere
gingen so weit, den Wein mit anderen Substanzen als der Traube nachzuahmen, und
machten Wein aus Runkelrüben etc.
Da aber nur die Traube allein die Bestandtheile einer Flüssigkeit liefern kann,
welche den Namen Wein verdient, so beschränkte ich meine Versuche auf diese, als ich
mir die Aufgabe stellte, eine dem auf gewöhnliche Weise gewonnenen Wein in jeder
Hinsicht ähnliche Flüssigkeit zu erhalten, wobei ich meinen Zweck nur insofern für
erreicht hielt, als diese Flüssigkeit ganz dieselben Eigenschaften und dasselbe
Bouquet besaß, sich auch ebenso gut aufbewahren ließ und durch das Alter sich zu
verbessern vermochte.
Ich begann damit, den Traubensaft zu analysiren. Er enthält gewöhnlich in 100
Gewichtstheilen 88 bis 90 Theile Wasser, 9 bis 11 Theile Zucker, und nur einen Theil
Weinstein, Gerbstoff, Farbstoff, Harz oder wesentliches Oel, und andere Substanzen
in so geringer Menge, daß sie, wie gesagt, zusammen nur ungefähr 1 Procent des
Gewichts betragen.
Das Wasser und der Zucker machen also 99 Procent des Traubensafts aus; die
Substanzen, welche ihm die Farbe, den eigenthümlichen Geschmack, das Bouquet oder
besondere Aroma jedes Gewächses geben, sind im Wein nur zu 1 Procent vorhanden.
Gerade dieses eine Procent ist es aber, was den Wein ausmacht, ihn von anderen
Flüssigkeiten unterscheidet und ihm hauptsächlich die verschiedenen Eigenschaften
ertheilt, welche seinen Preis bestimmen.
Um Wein zu bereiten, ist es daher leicht, jene 99 Procent seiner Bestandtheile
herzustellen, denn das destillirte Wasser ist überall dasselbe und der Rüben-
oder Rohrzucker verwandeln sich bekanntlich durch Gährung und Berührung mit Säuren
in Traubenzucker.
Es wären sonach dem Wasser und Zucker nur mehr diejenigen Substanzen zuzusetzen,
welche in jenem Procent enthalten sind, das die Farbe, den Geschmack und das Bouquet
liefert; diese schätzbaren und charakteristischen Stoffe sind jedoch nur in der
Traube zu finden, wo die Natur sie in Verhältnissen und in Zuständen vereinigt hat,
welche die Kunst nicht nachzuahmen im Stande ist.
Ich stellte mir nun die Frage, ob der nach dem gewöhnlichen Verfahren ausgepreßte
Traubensaft alles in sich aufgenommen hat, was die Traube an färbenden und
aromatischen Stoffen enthält, ob in dem festen Rückstand, dem Marke, den Kernen, den
Kämmen, was man zusammen unter den Trestern begreift, nicht noch viel davon zurück
bleibt; endlich, ob das darin Zurückbleibende nicht noch ausgezogen und verwendet
werden kann, um weiterm Wasser und Zucker den Geschmack, das Aroma und die anderen
Eigenschaften des Traubensafts zu ertheilen.
Bei der betreffenden Untersuchung fand ich, daß diese Stoffe, und namentlich der
schätzbarste, das Harz, durch das gewöhnliche Verfahren nur zu einem sehr kleinen
Theil aufgelöst und nutzbar gemacht werden. Der Farbstoff ist in Jahrgängen, wo die
Traube während der Trockenheit und unter den brennenden Sonnenstrahlen zur Reife kam
(wie während des Septembers 1855), in sehr großer Menge vorhanden und bildet an dem
Häutchen der Beeren eine sehr dicke Schicht, die sich durch eine einzige Gährung nur
zum Theil auflöst. Der Weinstein wird am leichtesten weggeschafft; Gerbstoff ist in
beträchtlichem Verhältniß in den Bälgen, Kernen und Kämmen enthalten. Diese beiden
letzteren Substanzen sind meistens im Ueberschuß im Wein und benachtheiligen seine
Annehmlichkeit sehr. Das zweckmäßigste Mengenverhältniß des Weinsteins ist 3 bis 4
Tausendtheile.
Ueberzeugt, daß ein beträchtlicher Theil dieser Substanzen in den Trestern
zurückbleibt, zweifelte ich nicht an der Möglichkeit, sie neuerdings zu benutzen,
indem man das Wasser und den Zucker, welche aus den Trauben, in Form von Saft,
ausgezogen wurden, durch eine beiläufig gleiche Menge dieser Substanzen ersetzt und
eine neue Gährung einleitet. Daß der Zucker durch die Gährung mit den Trestern sich
zersetzt und in Alkohol umwandelt, war für mich, nach früheren Erfahrungen bei der
Champagner-Fabrication, eine ausgemachte Thatsache.
Zur Zeit der Weinlese im Jahr 1854 war ich völlig überzeugt, daß ich die Quantität
des Weins wenigstens werde verdoppeln können, indem ich eine dem Traubensafte
gleiche Menge Zuckerwasser entweder dem Moste oder den Trestern zusetze.
Auch war ich überzeugt, daß dieses verdoppelte Product sich gut aufbewahren lassen
müsse, weil es alle zur Conservirung des gewöhnlichen Weins dienlichen Substanzen in
hinlänglicher Menge, diejenigen aber, welche die Ursache seines Verderbens und
seiner Krankheiten sind, in einem geringern Mengenverhältniß enthalten würde. Ich
will mich näher erklären.
Der gewöhnliche Wein enthält Ferment in großem Ueberschuß und ein Ferment von
schleimiger Beschaffenheit, welches in der Nähe der Kerne seinen Sitz hat; die
Krankheiten der Weine haben ihren Ursprung gewöhnlich in diesem Uebermaaß von
Ferment, das (besonders in den letztern Jahren) viel Aepfelsäure von eiweißartiger
Natur enthält, die in der Flüssigkeit sich schwebend erhält und durch das Klären und
Abziehen nur unvollkommen beseitigt wird. Da der Wein immer ein wenig Zucker
enthält, so versetzt ihn das Ferment, wenn er der Wärme ausgesetzt wird, neuerdings
in Gährung, und diese ist eben eine unzeitige, sehr schwierig zu bemeisternde, weil in diesem
Falle die Hausenblase nicht mehr wirkt; der Wein geht auch unter diesen Umständen
rasch in Verderben über und er zersetzt sich endlich in Folge einer schwachen
essig- oder milchsauren Gährung.
Der über den Trestern mit Zuckerwasser bereitete Wein mußte hingegen nur wenig
Ferment enthalten, und hauptsächlich ein trocknes, großentheils von den
Traubenbälgen herrührendes Ferment, welches sich durch das Klären noch entfernen
läßt und bei jedem Klaren in zu geringem Verhältniß zurückbleibt, als daß es eine
neue Gährung hervorbringen könnte.
Von der Theorie zum Experiment übergehend, machte ich mich im Jahr 1854 aus Werk, und
das Resultat übertraf meine Erwartungen.
Mit einer Quantität von der schwarzen Auvergner Traube (pineau), welche nach dem gewöhnlichen Verfahren 60 Hektoliter Wein gegeben
hätte, machte ich 285 Hektoliter, also beinahe das Fünffache, indem ich folgendermaßen verfuhr:
Sobald die Trauben zerdrückt waren und ehe noch Gährung eintrat, nahm ich alle
Flüssigkeit, welche austreten konnte, aus der Kufe; so erhielt ich einen weißen,
etwas gefärbten, sehr feinen und sehr guten Wein. Ich bekam davon 45 Hektoliter
(drei Viertheile von dem was ich erhalten hätte, wenn ich die Trestern abgepreßt
hätte).
Ich wog den Saft an der Mostwaage; er zeigte 12°. Um Zuckerwasser auf dieselbe
Dichtigkeit zu bringen, waren 19 Kilogr. Zucker per
Hektoliter Wasser erforderlich.Man kann weniger Zucker nehmen, je nach dem Alkoholgrad, den man dem Wein
geben will, und je nach der Dichtigkeit und dem Alkoholgrad des Weins, womit
man es zu thun hat. Um z.B. einen angenehmen Nachwein zu erhalten, der viel
alkoholreicher ist als der gewöhnliche Tresterwein und sich sehr vollkommen
conservirt, sind 5–6 Kilogr. Zucker per
Hektoliter Wasser mehr als hinreichend, besonders wenn man nur 2–3
mal so viel Wein erhalten will, als man gewöhnlich bekommt, und wenn man bei
dem ersten oder zweiten Mischen abpreßt.
Ich ersetzte hernach in der Kufe die 45 Hektoliter reinen Traubensafts durch 50
Hektoliter Zuckerwasser, mit 18 Kilogr. raffinirten Zuckers per Hektoliter Wasser dargestellt. Ich ließ gähren und zog drei Tage
darauf, als die Gährung beendigt war, 50 Hektoliter rothen Wein von schöner Farbe
aus dieser Kufe ab.
Diesen Versuch wiederholte ich mehrmals.
Beim zweiten Versuche ersetzte ich die 50 Hektoliter Zuckerwasser durch 55
Hektoliter, mit 22 Kilogr. Zucker per Hektoliter Wasser
dargestellt gestellt, und
zog nach der in zwei Tagen beendigten Gährung eben so viel Wein ab.
Beim dritten Versuche wandte ich 55 Hektoliter Zuckerwasser an, mit 25 Kilogr. Zucker
per Hektoliter Wasser dargestellt; die Gährung
dauerte wieder etwas weniger als zwei Tage, alsdann preßte ich die Trestern ab und
erhielt 60 Hektoliter Flüssigkeit.
Anstatt diese Trestern nun wegzuwerfen, brachte ich sie wieder in die Kufe zurück mit
36 Hektoliter Zuckerwasser, ließ gähren und bekam noch 30 Hektol. Flüssigkeit.
Endlich wurde der natürliche, nicht über den Trestern stehen gebliebene, weiße Wein
in bloß zur Hälfte damit gefüllte Fässer gebracht, die man 12 Stunden später mit
Zuckerwasser auffüllte, welches mit 18 Kilogr. Zucker per Hektoliter Wasser dargestellt war.
Diese verschiedenen Flüssigkeiten lieferten folgende Resultate:
Gährung. – Bei den vier Operationen mit
Zuckerwasser war die Gährung sehr stark. Die erste dauerte am längsten, die dritte
am kürzesten.
Farbe. – Von den vier Kufen
Zuckerwasser-Wein hatte der dritte am meisten Farbe und der vierte, der von
abgepreßten Trestern, am wenigsten; der Wein in der dritten Kufe war mehr gefärbt
als der nach dem gewöhnlichen Verfahren bereitete Wein.
Alkohol. – Ich bemerkte oben, daß der Traubensaft
an der Mostwaage 18° zeigte, und daß man, um 1 Hektoliter Wasser auf dieselbe
Dichtigkeit zu bringen, 19 Kilogr. (raffinirten) Zucker darin auflösen muß; ich habe
mich überzeugt, daß dieses Zuckerwasser, bei demselben Grade, einen alkoholreicheren
Wein gab, als der Most, was ich dem Umstande zuschreibe, daß letzterer Salze
enthielt. Der natürliche Wein ergab nämlich 12 Procent Alkohol; der mit Zuckerwasser
à 18 Kilogr. dargestellte Wein enthielt 13
Proc. Alkohol; der mit Zuckerwasser à 22 Kil.
dargestellte 15 Proc. und der mit Zuckerwasser à
25 Kil. gewonnene 17 Proc. Alkohol.
Geschmack und Blume (Bouquet).
– Der Zuckerwasser-Wein ist weniger sauer, geistiger und lieblicher,
angenehmer zu trinken und hat mehr Blume als der natürliche Wein; er ist unbedingt
besser.
Haltbarkeit. – Meine oben ansgesprochene
Erwartung, daß der Zuckerwasser-Wein sich nicht nur ebenso gut, sondern
besser als der natürliche Wein conserviren werde, hat die Erfahrung vollkommen
bestätigt. Dieser Wein zeichnet sich in der That durch eine ungewöhnliche
Haltbarkeit aus; ich zog von demselben im Monat Juni in Flaschen ab und ließ einige dieser Flaschen
drei Monate lang im Zimmer bei warmer Witterung aufrecht stehend; mehrere derselben
blieben entkorkt, und wurden allmählich in kleinen Portionen entleert, um den Wein
täglich kosten zu lassen, ohne daß er verdarb; der Wein blieb bis zum letzten
Tropfen klar und schmeckte gar nicht nach Essigbildung. Ich schickte davon nach
Neu-Orleans, wo er ganz wohlbehalten ankam und sehr gut befunden wurde.
Obwohl dieser Wein wahrscheinlich eine größere Menge nicht in Alkohol verwandelten
Zuckers enthält, was ihm einen angenehmem Geschmack ertheilt, so geht er doch nicht
in Gährung über, weil er hierzu nicht genug Ferment enthält; er braucht, wie die
weißen Weine, etwas länger um sich abzuklären, weil das Ferment hinreicht, um auch
die letzten Zuckertheilchen rasch in Alkohol umzuwandeln; ist er aber einmal ganz
klar, so trübt er sich nicht mehr.
Da der Weinstein und der Gerbstoff das schnelle Klären der Weine begünstigen, so
könnte man glauben, daß ein Zusatz dieser Substanzen bei meinem Weine erforderlich
sey. Ich bin aber nicht dieser Meinung, denn beim gewöhnlichen Wein besteht der
Nutzen dieser Substanzen darin, daß sie die im reinen Traubensaft enthaltene große
Masse von Ferment niederschlagen, daher sie bei dem wenig Ferment enthaltenden
Zuckerwasser-Wein entbehrlich sind.
Die auf einem zu fruchtbaren Erdreich oder aus zu jungen Stöcken gezogenen Weine
können sich nicht conserviren, weil der eine zu große Menge Stickstoff enthaltende
Boden eine Traube liefert, die viel zu viel Ferment oder Stickstoff, und namentlich
Ferment der schlechtesten Art enthält. Ich bin überzeugt, daß wenn man diesen
Ueberschuß an Ferment mit einem Zusatz von viel Zuckerwasser benutzen würde, der
Wein verbessert und haltbar würde.
Im Herbst 1855 wiederholte ich meine Versuche, jedoch in viel größerm Maaßstabe.
Statt 285 Hektoliter machte ich deren 3000. Ich änderte das Verfahren ab und
erneuerte bei einigen Kufen den Zusatz von Zuckerwasseracht- bis neunmal. Ich
machte nämlich zwei Operationen mit weißem Wein vor eingetretener Gährung; zwei mit
rothem gegohrenen Wein; und vier oder fünf Operationen mit weißen, mehr oder weniger
gefärbten Weinen. Das Ferment war immer ausreichend, um das Zuckerwasser, welches an
der Mostwaage 10° zeigte, schnell auf 0° fallen zu machen. In letzterm
Falle ist aller Zucker in Alkohol verwandelt und man muß zum Abziehen schreiten.
Die HHrn. Thenard, Vater und Sohn, haben nach meinem
Verfahren ebenfalls 2000 Hektoliter Zuckerwasser-Wein dargestellt, und waren
mit den Resultaten ganz zufrieden. Hr. Thenard, Vater,
der berühmte Chemiker,
versicherte mir, daß der nach meinem Verfahren im Auxerrois erzeugte Wein besser
war, als der mit Trauben bereitete.
Der gute Erfolg meines Verfahrens ist jetzt im Saône-Loire- und
im Goldküste-Departement erprobt. Gerade bei den Weinen besten Gewächses kann
meine Methode mit dem größten Vortheil angewendet werden; denn was sich bis zuletzt
am besten conservirt, ist das Bouquet, das eigenthümliche Aroma, durch welches jedes
Gewächs sich auszeichnet und das seinen Werth bestimmt.
Ich habe Wein unter dem Siegel des Zollamts nach Australien gesendet und bin seiner
Rückkunft gewärtig, um dadurch zu constatiren, daß der Zuckerwasser-Wein den
weitesten Transport und die höchsten Temperaturen der Atmosphäre ertragen kann, ohne
zu verderben, vielmehr sich dabei verbessert.
Die ökonomischen Resultate, welche die Verbreitung dieses Verfahrens liefern würde,
leuchten von selbst ein. Der Gewinn bei dem für solchen Wein erzielbaren Preise wäre
um so größer, je bester das verwendete Gewächs ist, da die Herstellungskosten immer
ziemlich gleich bleiben; die Kosten des Zuckers, von welchem man bei Anwendung eines
bessern Gewächses mehr zusetzt, sind nämlich im Vergleich mit dem Handelswerth des
Weines unbedeutend. Mein Chamirey-Wein von 1853, mit Zuckerwasser gemacht,
kam mir auf beiläufig den dritten Theil des Handelswerthes des natürlichen Weins aus
diesem berühmten Gewächse zu stehen, von dem er nicht unterschieden werden
konnte.
Die Ausfuhr guter Weine könnte dadurch in Frankreich ungemein erhöht werden, und in
schlechten Jahrgängen wäre man nicht gezwungen solche einzuführen. Seit zwei Jahren
war diese Einfuhr sehr bedeutend, sie betrug in einem einzigen Jahr 400,000
Hektoliter, welche, zu 40 Frcs. gerechnet, 16 Millionen kosteten; die Einfuhr von
Alkohol betrug 200,000 Hektoliter, welche, zu 120 Frcs. das Hektoliter gerechnet, 24
Millionen kosteten.
Nachtrag.
Bekanntlich haben schon die alten Griechen dem Most Zucker (in
Form von Honig) zugesetzt. In Frankreich machte zuerst Maupin (1775), dann Macqueur (1776) auf den
Nutzen aufmerksam, den ein Zusatz von Zucker zur Verbesserung des geringen Mostes
gewähre. Boullion empfahl um dieselbe Zeit Rohrzucker (20
Pfd. auf das Muid), Rozier Honig (1 Proc. vom Gewicht des
Mostes). Chaptal empfahl 1800 und 1819 in seinem Werke
über Weinbereitung diese Verbesserung, sowie die Bereitung von Wein aus den Traubentrestern durch
Zusatz von Wasser und Zucker oder Honig. Aber der Zusatz von Zucker zum Most machte
den Wein nur alkoholreicher, so daß ein saurer Most mit diesem Mittel wohl einen
stärkern, immer aber noch einen sauren und herben Wein lieferte. Man empfahl nun die
überschüssige Säure mit Alkalien zu sättigen, wobei sie zum Theil als Weinstein
niederfiel.
Beide Mittel wurden lange Zeit und vielfach angewandt, ohne daß
Jemand auf die ungleich zweckmäßigere Verfahrungsart verfiel, welche zuerst Hr. Dr. Ludwig Gall in Trier
(1851) eindringlich empfahl, und die man daher mit dem Namen Gallisiren bezeichnet hat. Diese VerbesserungWir verweisen bezüglich derselben auf die Abhandlung von Prof. Siemens, mitgetheilt im polytechn. Journal Bd.
CXXXIV S. 146; ferner auf die früheren Mittheilungen in Bd. CXXIII S. 166,
Bd. CXXX S. 158 und 438. – Hr. Dr.
Gall hat sein Verfahren in folgenden Schriften
veröffentlicht:Ueber Darstellung sehr guter Mittelweine selbst aus unreifen Trauben, und
höchste Veredlung schon vergohrener geringer Weine, durch nochmalige
Gährung, allenthalben und zu jeder Jahreszeit. Trier, bei F. A. Gall. Istes Heft 1851. IItes Heft 1852.Derselbe: Praktische Anleitung, allenthalben und
zu jeder Jahreszeit auch die geringsten ältern Weine durch erneuerte Gährung
in vorzügliche Mittelweine von fast unbegränzter Haltbarkeit umzubilden, und
zugleich deren Quantität beträchtlich zu vermehren. Nebst einer
ausführlichen Darstellung des Petiot'schen, von
dem Verfasser erprobten Verfahrens, um auch in den günstigsten Jahren die
Quantität selbst der edelsten Weine wenigstens zu verdoppeln. Dritte,
gänzlich umgearbeitete Auflage mit mehreren Abbildungen etc. Preis 20
Thlr. besteht darin, den sauren Most mit so
viel Wasser zu verdünnen, daß er in 100 Maaß nicht mehr Säure enthält, als
der Most der besten Jahre (1/4 Proc.) und dann so viel Zucker zuzugeben, daß sein
Zuckergehalt dem des Mostes der besten Jahre (24 Proc.) gleichkommt.
Nothwendigerweise muß man dann selbst aus dem Moste der sauersten Trauben noch einen
guten Wein erhalten, und man hat überdieß die Menge desselben wenigstens verdoppelt.
Dieses Mittel gibt daher nicht allein guten, sondern auch wohlfeilen Wein, und fand
rasche Verbreitung an der Mosel, in der Pfalz und am Rhein.
Kunstwein von Leuchs (sogenannter Wein aus Wasser, nämlich Wein ohne Trauben dargestellt). – Hr.
Johann Carl Leuchs in Nürnberg sprach zuerst öffentlich
(im J. 1855) den Gedanken aus, die Bestandtheile, welche den Traubenmost bilden, auf
andere Art wohlfeiler zu beschaffen, und stellte in den Jahren 1855–1857 Wein
ohne allen Zusatz von Most, Trauben oder andern Früchten dar, welcher – nach
von ihm veröffentlichten Zeugnissen von Kennern – den Geschmack, das Bouquet
und die Eigenschaften des Naturweins hatte. „Dieser Erfolg, sagt Leuchs, wurde hauptsächlich durch eine Entdeckung
über die Gährung erreicht, welche zeigte, daß das Aroma, das man bisher (?) sich als von wohlriechenden Theilen der
Trauben abstammend dachte, erst durch eine entsprechend geleitete Gährung oder
vielmehr durch die Einwirkung des Alkohols und der Säuren auf gewisse Stoffe
gebildet wird. Hierdurch wurde es möglich, den Oenanthäther oder das Weinbeeröl
für sehr geringe Kosten zu erzeugen (nämlich in der gegohrenen Flüssigkeit)Der in allen Weinen als Product der
Zuckergährung vorkommende Oenanthäther,
welcher im J. 1836 von Liebig und Pelouze entdeckt wurde (und im isolirten
Zustande wie das Fuselöl aus Kornbranntwein stinkt), ist bekanntlich
nicht die Ursache des eigenthümlichen Aromas
(Blume, Bouquet), welches die einzelnen Weinsorten von einander
unterscheidet, sondern ist der Körper, welcher (in Vermischung mit
Alkohol) dem Wein den eigenthümlichen Weingeruch und Geschmack ertheilt, den man namentlich dann
bemerkt, wenn man eine Flasche, in welcher sich Wein befand, mit Wasser
füllt, und dieses Wasser kostet. Hierüber, so wie über die Natur und
Entstehung der wohlriechenden Stoffe, welche
mit Oenanthäther verbunden in den wohlriechenden Weinen enthalten sind,
verweisen wir auf Prof. Mulder's Chemie des
Weines (deutsch von K. Arenz,
Leipzig bei J. J. Weber, 1856).;
es wurde ferner
dadurch erreicht, daß man dem Kunstmost auch die erheiternde, leichtes Blut
gebende Eigenschaft ertheilte, welche unsere leichten Weine vor den anderen
geistigen Getränken so vortheilhaft auszeichnet.“ Hinsichtlich der
künftigen Bestimmung des Weinbaues in unsern nördlichen Ländern bemerkt dann Hr. Leuchs: „Wenn man aber den Hauptbestandtheil
des Mostes, den Zucker, auf eine andere Art ungleich billiger als in der Traube
erzeugen kann (nämlich mittelst Kartoffelstärkmehl und aus Runkelrüben), so
dient die Traube nur zur Herbeischaffung der Säure und einiger anderen
Bestandtheile, und in dieser Hinsicht hat die saure,
unreife, denselben Werth als die reife, und können eben so die Schößlinge, Stengel, Ranken, Blätter benutzt werden.
Mithin erhält der Weinstock, selbst in den Jahren, wo er
keine zuckerreichen Trauben trägt, einen großen Werth, und aus dem
Zucker- oder Weinbau, der in sieben Jahren nur einmal lohnend ausfällt,
kann ein Säurebau werden, der alle Jahre Ertrag
gibt.“
Durch welche Zuthaten und Behandlungsweise Hr. Leuchs mittelst Traubenzucker die den verschiedenen
Naturweinen entsprechenden Kunstweine darstellt, ist zur Zeit ein Geheimniß. Er
beabsichtigt seine Erfindung im Großen mittelst eines „Actienvereins für Weinveredlung“
auszubeuten, und hat in diesem Betreff eine Schrift veröffentlicht, welcher wir
Vorstehendes entnahmen; sie führt den Titel: „Der Wein aus Wasser; von
Joh. Carl Leuchs, Oberleiter der Privatvereine für
Weinveredlung. Nürnberg, 1857. Verlag von C. Leuchs
und Comp.“
Aus dieser Druckschrift theilen wir schließlich die Beitritts-Erklärung des Hrn. Dr.
Gall zu erwähntem Vereine mit; sie lautet:
„Die ersten Fingerzeige zur Aufbesserung des Mostes von nicht vollkommen
reifen Trauben durch einen entsprechenden Zusatz von Zucker und Wasser, fand ich vor 30 Jahren in dem Werke: „Vollständige Weinkünde“ von J. C. Leuchs. Der Erfolg meiner Versuche, bei welchen ich
den Zuckerwasser-Zusatz, je nach dem Säuregehalt des Mostes, bis zu 200
Proc. (später bei der Tresternwein-Erzeugung sogar bis zu 400 Proc)
steigerte, mußte mich bald die Weinsäure der Trauben als
das werthvollste Product unserer Weinberge erkennen lassen. Von dieser
Erkenutniß zu Versuchen: Wein ohne Trauben
darzustellen, war es natürlich nur ein Schritt. Die Weine, die ich damals ohne Trauben erlangte, waren nach 1 1/2 jährigem
Lagern von den 1828er rheinischen besseren Tischweinen selbst für wirkliche
Kenner nicht zu unterscheiden; im J. 1836, wo ich nach Ungarn ging und jene
Weine mehreren Weinkennern zum letztenmal zu einer vergleichenden Prüfung
vorsetzte, übertrafen dieselben an Feuer und Lieblichkeit und namentlich an
Feine alle 1828er Naturweine aus geringen und mittleren Lagen, welche als
Gegenproben aufgestellt wurden. Wenn ich trotzdem, nachdem ich Ende 1849 aus
Ungarn zurückgekehrt war, im August 1850, wo keine
Hoffnung auch nur auf einen erträglichen Herbst mehr übrig blieb, mich darauf
beschränkte, durch die „Trier'sche Zeitung“ mein Verfahren:
sehr gute Mittelweine selbst aus dem Saft ganz
unreifer
(noch harter) Trauben
darzustellen, zu veröffentlichen, während ich, bei dem damals schon
empfindlichen Mangel an gutem und zugleich billigem Tischwein, theils durch
Selbstausbeutung dieses Verfahrens, noch mehr aber durch Ausbeutung meiner
Entdeckung, noch bessern Wein ohne Trauben zu erzeugen, in kurzer Zeit Reichthümer hätte erwerben
können: so bestimmte mich dazu die namenlose Noth von kleinen Winzern an der
Mosel, die ich täglich unter Augen hatte, und welchen, durch die Concurrenz der
wissenschaftlichen Weinerzeugung, selbst die sie noch aufrecht erhaltende Hoffnung besserer Zeiten geraubt worden wäre. Zu
diesem Beweggrunde trat später noch die Rücksicht auf das von einigen großen Weinfabrikanten (welche öffentlich nur als große
Weinproducenten und Weinhändler auftreten) gegen jede, wenn auch noch so
naturgemäße Weinverbesserung geweckte und genährte Vorurtheil; mit diesen Leuten
durfte ich den Kampf nicht auch noch für den Wein ohne
Trauben aufnehmen, den Hr. J. C. Leuchs
schon vor drei Jahren ankündigte.“
„Heute aber, nachdem eine französische Aktiengesellschaft ein dem Chemiker
Magonty in Bordeaux
patentirtes Verfahren Wein ohne Trauben zu erzeugen, mit einer gleich baar
erlegten Prämie von 200,000 Fr. und einer Leibrente von 5000 Fr. jährlich
bezahlt hat und es nicht bezweifelt werden kann, daß diese Gesellschaft ihr
Geheimniß auch in größtem Maaßstabe ausbeuten wird, wo wir daher bedroht sind,
mit wohlfeilem französischem Kunstwein überschwemmt zu
werden: heute würden den Interessen ganz Deutschlands, wenn es nöthig wäre, selbst die Interessen unseres
Weinbaues unbedenklich aufgeopfert werden müssen. Dieses ist aber
glücklicherweise nicht bloß nicht nöthig, sondern, da
jetzt die rationelle Weinbereitung ein neuer, reiche
Früchte verheißender, allenthalben gedeihender Industriezweig werden wird, so
wird auch der Traubenbau, der jedenfalls eines der
wesentlichsten Erfordernisse zur Weinerzeugung ohne Trauben liefern
kann, lohnender werden, als der s. g. Weinbau es jemals gewesen, noch jemals werden könnte.“
„Ich habe daher Hrn. J. C. Leuchs die ganze
Summe meiner Erfahrungen auf dem Gebiete der rationellen Weinbereitung zur Verfügung gestellt, so wie auch im Interesse des von
demselben vorgeschlagenen Actienvereins für Weinveredlung meine persönliche technische Mitwirkung zugesagt, und empfehle dieses
Unternehmen allen meinen Freunden bestens. Dr.
Ludwig Gall. Stuttgart, den 28. Februar
1857.“
Die Redact d. p. J.