Titel: | Zur Theorie der Bierbrauerei; von G. E. Habich, Techniker und Brauereibesitzer in Roxbury bei Boston. |
Autor: | G. E. Habich |
Fundstelle: | Band 147, Jahrgang 1858, Nr. LXI., S. 218 |
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LXI.
Zur Theorie der Bierbrauerei; von G. E. Habich, Techniker und Brauereibesitzer in Roxbury bei
Boston.
Habich, zur Theorie der Bierbrauerei.
Sieht man sich in der technischen Literatur um nach den chemischen Grundlagen der
Malzbereitung,
so stößt man aller Orten auf Widersprüche. Man kann nicht
umhin, eine Reihe von Fragen aufzuwerfen, deren Beantwortung für die chemischen
Vorgänge der Bierwürze-Bereitung nothwendig ist. Es ist nicht möglich, aus
den schätzbaren Werken von Balling Otto, Ure u.a. das
Material so vollständig und unbestritten zu schöpfen, wie es die bündige Beantwortung dieser Fragen
erheischt.
Das hat mich denn angetrieben, durch eigene Versuche die Lücken zu ergänzen. Ist das
Resultat meiner Arbeiten auch noch nicht allen Anforderungen genügend, so wird man
es wenigstens als einen Beitrag zur Fortentwickelung der Theorie der Bierbrauerei
gelten lassen müssen. Daß ich mich lediglich an qualitative Feststellungen hielt, möge man mit der Mangelhaftigkeit des
mir zu Gebote stehenden Apparates, der hier – in dem
„Athen“ der nordamerikanischen Freistaaten – nicht
besser zu bekommen war, entschuldigen. Andere und bessere Kräfte werden, wie ich
wohl hoffen darf, den Faden da aufnehmen, wo ich ihn abreißen mußte.
Bekanntlich fehlt es uns namentlich an vergleichenden quantitativen Analysen von
rohem und gemalztem Getreide, um aus deren Ergebniß die durch das Malzen
hervorgerufene Umwandlung zu entziffern. Alles, was uns darin zu Gebote steht,
beschränkt sich auf die Arbeit Saussure's, der den Weizen
vor und nach dem Malzen untersuchte. Er fand, daß durch das Malzen der Gehalt an
Zucker und Gummi gesteigert, dagegen die Stärkmehl- und Kleber-Mengen
vermindert waren. Daß man das Auftreten des Diastas mit der Abnahme des
Klebergehalts in Verbindung gebracht hat, war natürlich. Aber welcher Bestandtheil des Klebers war es denn, der hierzu geopfert wurde?
So mußte ich mich fragen, da doch der alte Begriff „Kleber“ gar
zu elastisch war, um hier noch benutzt werden zu können. War also der Pflanzenleim oder das Pflanzenfibrin verloren gegangen?
Um darüber ins Klare zu kommen, habe ich mich kurzer Hand an die ungehopften Würzen gehalten. Bierwürzen enthalten
bekanntlich freie Phosphorsäure, und in dieser Säure ist sowohl das Fibrin als der
Leim auflöslich. Waren also beide Kleberbestandtheile noch vorhanden, so konnte man
mit Sicherheit annehmen, beide auch in der Würze wieder zu finden. Eine solche Würze
nun verhält sich folgendermaßen.
Die glanzhelle Würze trübt sich beim Erkalten. Tröpfelt man ein wenig Aetzammoniak hinzu, so ist die Trübung sofort bedeutend und es setzt
sich nach einigen Minuten ein schwerer lilafarbiger Niederschlag zu Boden, über
welchem die Flüssigkeit krystallklar, aber mit etwas erhöhter Farbe erscheint. An
den Wandungen des Glases setzt sich der krystallinische Niederschlag an den Stellen
ab, welche ihm durch Reiben mit einem Glasstab angewiesen werden – eine
Eigenthümlichkeit des phosphorsauren
Talkerde-Ammoniaks. Ward das Ammoniak im Ueberschuß angewendet, so löst sich der färbende Bestandtheil auf und es
lagert sich das obenerwähnte Doppelsalz als weißes krystallinisches Pulver am Boden
ab.
Nimmt man statt des Aetzammoniaks eine Lösung von zweifachkohlensaurem Natron, so
entsteht ebenfalls eine Trübung; die Ausscheidung des lilafarbnen Niederschlags
erfolgt aber langsamer, derselbe bleibt stockig und besteht aus phosphorsaurer
Talkerde und dem unbekannten färbenden Bestandtheil.
Wird der mit Ammoniak erhaltene Niederschlag ausgewaschen und mit Weingeist in der Kälte behandelt, so löst sich ein großer
Theil desselben (Pflanzenleim) und es bleibt
phosphorsaures Talkerde-Ammoniak, gemengt mit wenig Pflanzenfibrin, im Rückstande. Die weitaus überwiegende Quantität von Pflanzenleim weist zur Genüge darauf hin, daß es das Pflanzenfibrin war, welches beim Keimproceß den
Stoff zur Bildung des Diastas lieferte. Die Zusammensetzung des
Pflanzenfibrins, welches Phosphor als wesentlichen
Bestandtheil enthält, erklärt dann auch das Auftreten freier
Phosphorsäure im gekeimten Korn und in Folge
dessen in den Malzwürzen.
Die in dem Malze enthaltene freie Phosphorsäure reicht aber nicht aus zur Lösung des
vorhandenen Pflanzenleims. Ein großer Theil desselben
löst sich in dem heißen Wasser, – und zwar um so mehr, je höher die Temperatur beim Abläutern ist.
Diese Mengen scheiden sich beim Erkalten aus und
veranlassen die bedeutende Trübung selbst der glanzhellen Würzen. Ich komme auf
dieses Capitel weiter unten zurück.
Welches nun der chemische Proceß ist, durch den sich die Bestandtheile des
Pflanzenfibrins zu Diastas gruppiren, das würde der würdige Gegenstand einer mit
mancherlei Schwierigkeiten verknüpften Arbeit seyn, zu der ich gern anregen möchte.
Es würde dadurch eine sehr fühlbare Lücke der Gährungschemie ausgefüllt werden.
Heutzutage begegnen wir in den dahin gehörigen wissenschaftlichen Werken sogar über
die qualitative Zusammensetzung des Diastas noch
Widersprüchen, – im „technischen Wörterbuche von Karmarsch und Heeren“ wird dasselbe ausdrücklich eine stickstofffreie Substanz genannt (Bd. I S. 542), während es doch im
Allgemeinen als stickstoffhaltig gilt!
Die augenfällige Veränderung, welche das Korn durch das Keimen erleidet, findet in
dem Verschwinden des Pflanzenfibrins ihre Begründung. Der feste Zusammenhang des
ungemalzten Gerstenkorns, gegenüber dem kreideartigen Malzkorn, beruht in dem Gehalt
an Pflanzenfibrin.
Ich will bei der Gelegenheit auf eine höchst interessante Thatsache hinweisen, die
mir durch einen Artikel (des Dr. James Stark in Edinburgh) in der Encyclopaedia
britannica bekannt wurde. Man malzt in Schottland bekanntlich bei sehr
niedriger Temperatur und läßt den Blattkeim bis nahe zum andern Ende des Korns
fortschreiten, ehe das Wachsen unterbrochen wird. Die Temperatur der Malzhaufen wird
auf 55º Fahr. (10 1/4º R.) gehalten, und so dauert der Keimproceß 16
bis 20 Tage! Hat der Blattkeim die erwähnte Länge erreicht, so ist das Korn so
aufgelockert, daß es beim Druck zwischen den Fingern zu Mehl zerbröckelt, –
man hat diese Probe in Schottland „the
free“ genannt. Bemerkenswerth ist es nun, daß derselbe Zustand
des Korns auch schon am 9ten oder 10ten Tage, nachdem es die Weiche verlassen hat,
vorkommt, – man nennt das „the first
free.“ Unterbricht man das Wachsen in diesem Stadium, so
liefert das erhaltene Malz ebenwohl ein gutes Bier. Läßt man aber den Keimproceß fortschreiten, so wird das Korn alsbald wieder hart, und das in diesem Zustande getrocknete Malz würde
zur Brauerei weniger gut seyn. Erst bei weiter
fortgesetztem Keimen stellt sich abermals „the
free“ ein (the second free) und
bezeichnet den Schluß der Operation. – So viel mir bekannt, hat man in
Deutschland ähnliche Beobachtungen noch nicht gemacht. Jedenfalls verdient der
chemische Proceß in den verschiedenen Stadien eine genauere Untersuchung, zu welcher
mir die Zeit noch nicht vergönnt war.
Wenden wir uns ferner zur
Würzebereitung,
so begegnen wir einigen sehr wichtigen Irrthümern. Da hat man
z.B. den Unterschied zwischen den sogenannten trockenen
und den vollmundigen (substantiösen) Bieren durch einen
geringern oder größern Gehalt an Dextringummi begründen
wollen. Man hat namentlich die Ansicht aufgestellt, als führe das Dickmaischkochen
deßhalb zu vollmundigeren Bieren, weil ein großer Theil des Diastas zerstört werde und die Verzuckerung also nur eine unvollständige seyn könne. Oder man hat gesagt, es sey
ein Rückstand von zwar gährungsfähigem, aber noch unvergohrenem Malzextract, was manchen Bieren diesen
„substantiösen“ Charakter aufpräge.
Meine Erfahrungen haben mich zu einer andern Ansicht über den Grund dieses
wesentlichen Unterschiedes der Biere gedrängt. Jedermann wird sich leicht
überzeugen, daß der Gehalt an Pflanzenleim in den Bieren,
je nach der befolgten Methode der Würzebereitung,
außerordentlich verschieden ist. Es ist mir noch kein
Bier vorgekommen, welches – auch im vorgerücktesten
Vergährungsgrade – frei von Pflanzenleim
gewesen wäre, – eine Gerbsäure-Auflösung ist dabei der sicherste
Wegweiser, nachdem man sich durch Jodtinctur von der Abwesenheit des (durch
Gerbsäure ebenwohl fällbaren) Dextrins überzeugt hat. Man wird bei solchen
Untersuchungen alsbald die Ueberzeugung gewinnen, daß die
zunehmende Vollmundigkeit der Biere gleichen Schritt hält mit dem zunehmenden
Gehalt an Pflanzenleim. Man wird sich ferner überzeugen, daß der Gehalt an
Dextrin und Dextringummi bei einer regelrecht bereiteten Würze fast stets = 0 ist,
und daß die Biere trotz alledem so substantiös seyn können, wie irgend eines. Man
wird endlich auch sich der praktischen Consequenz nicht
erwehren können, daß man durch sorgsames Reguliren des
Pflanzenleim-Gehaltes im Stande seyn wird, allen Anforderungen der souveränen
Biertrinker, welche in letzter Instanz doch allein
maaßgebend sind für den Bierbrauer, Genüge zu leisten.
Wodurch nun soll dieses Reguliren bewerkstelligt werden?
– Da kommen wir denn zu den verschiedenen Ansichten
über die Wirkung des Hopfens.
Wollen wir uns hierüber in diversen technischen Werken Raths erholen, so erhalten wir
folgendes Resumé.
Balling führt uns als wesentliche Bestandtheile des Hopfens auf: Hopfenöl, Hopfenbitter und
Hopfenharz, – erst bei einer andern Gelegenheit (Bd. II S. 144 s.
Gährungschemie) erwähnt er auch des Gerbsäure-Gehalts, welcher aber (S. 149 und 150) möglicherweise schädlich werden könne.
Erwägt man nun, daß beim gewöhnlichen Kesselbrauen sämmtliches Hopfenöl verjagt werden muß, und daß das Hopfenöl dem Biere nach der
Hauptgährung zugesetzt, nur die Nachgährung verzögert (nach meinen Erfahrungen
Wochenlang!), – erwägt man ferner, daß das Hopfenöl eine ungemein zersetzbare
Substanz ist, welche nach der Destillation im Großen (als Hopfenwasser) nicht 24
Stunden lang das ursprüngliche Aroma des Hopfens bewahrt und dem Biere einen ganz
fremdartigen Charakter aufstempelt: so dürfen wir getrost das Hopfenöl den in technischer Beziehung minder
wichtigen Bestandtheilen zurechnen.
Ziehen wir das Hopfenbitter in Betracht, so ist das
natürlich reine Geschmackssache der Consumenten, welche in der Regel ein zu bitteres
Bier nicht lieben. Zudem steht es dahin, ob man nicht angenehmere Bitterstoffe
wählen könnte.
Das Hopfenharz anlangend, so habe ich gefunden, daß es von
den Würzen auch ohne die Vermittelung des Hopfenöls
aufgenommen wird,
– während Balling dem Hopfenöl einige Nützlichkeit
als Harzlösungsmittel vindiciren will. In meinem neu construirten Dampfbrauapparat
lasse ich den Hopfen so lange von Wasserdämpfen durchströmen, bis das Wasser geruchlos abfließt. Ich benutze das erhaltene aromatische
Hopfenwasser nicht, aber ich befolge diese Praxis, weil die Würzedämpfe zum
Einmaischen direct benutzt werden und eine entwaige Beimengung von Hopfenöl die
Verzuckerung beim Einmaischen zu verzögern scheint
– Gewißheit habe ich darüber noch nicht. Der so durch Dämpfe aufgeschlossene,
ölfreie Hopfen wird nun von einer siedendheißen Würze durchströmt und wie Thee
extrahirt. Die in den Kessel abziehende Würze enthält stets eine große Menge
Hopfenharz gelöst, welches sich bei der Kräusengährung ausscheidet. Daß nicht
rückständige Hopfenölmengen die Lösung des Harzes herbeigeführt haben konnten, geht
wohl aus einem Versuche hervor, wobei die gehopste Würze bei einem Ueberdruck von
1/5 Atmosphäre vier Stunden lang im Sieden erhalten, dann auf ein Kühlschiff
gebracht und bei 8º R. ganz hell in die Gährbütte abgelassen wurde, –
dennoch fehlte den Kräusen die dunkle Harzkrone nicht. So mag denn dem Hopfenharze
eine Einwirkung auf den Gährungsproceß nicht abgesprochen werden, – ist es ja
doch für diese Operation nicht gleichgültig, ob sie bei Gegenwart von Weinsäure,
Aepfelsäure, Milchsäure oder Essigsäure in Scene gesetzt wird. Warum soll nicht auch
das Harz influiren können?
Den Gerbsäure-Gehalt des Hopfens hat Balling offenbar unterschätzt.
Zumal ist an ein Umschlagen derselben in Gallussäure beim fertigen Biere gar nicht
zu denken (a. a. O. S. 150). Auch stark gehopste Würzen
enthalten keine freie Gerbsäure, was eine einfache
Reaction mit Eisensalzen nachweist. Alle Gerbsäure wird
im Gegentheil zum Ausscheiden von Pflanzenleim verwendet. Aber – –
dieser Gerbsäure-Gehalt ist bei weitem nicht
ausreichend zur vollständigern Ausscheidung des Pflanzenleims bei
beabsichtigter Darstellung eines feinen trocknen Bieres!
Wir kommen darauf zurück.
Otto und Siemens in ihrem
„Lehrbuch der rationellen Praxis etc.“ sind hiebei
wesentlich den Ansichten Balling's gefolgt. Den Gerbstoff
aber respectiren sie (Seite 24) anscheinend mehr, weil er das Dextrin und das Mucin
ausscheidet. Bedenkt man aber, daß eine gut bereitete Würze nie Dextrin enthält (ich
suche täglich vergebens darnach), und daß das Mucin als ein ausgezeichneter
Gährungsbeförderer (?) betrachtet wird, so sind wir auch hier um keinen Schritt
weiter gekommen.
Von andern noch weniger bestimmt formulirten Ansichten
können wir ganz abstrahiren. Es ist viel Wirrwarr darin und klingt doch z.B. wahrlich wunderbar, wenn
der Londoner Professor der Braukunde Tizard, der
bekanntlich die stickstoffhaltigen Bestandtheile der Würze möglichst erhalten will (für die Hefenbildung), den Hopfen bloß
theeartig extrahirt, um die (so leicht lösliche!) Gerbsäure ja nicht in den Kreis
der Bewegung zu ziehen!
Blicken wir noch einmal zurück auf die mitgetheilten Erfahrungen, so stellen sich
folgende Consequenzen heraus. Für die trockenen Biere ist die Gerbsäure des Hopfens
unzureichend, wenn nicht zugleich der bittere
Geschmack derselben zu intensiv werden soll. Man wird also in diesem Falle die Gerbsäure aus anderm Material
herbei holen müssen!
Erfahrung hat mich gelehrt, daß die weniger Pflanzenleim enthaltenden Würzen eine
äußerst feste weiße Unterhefe geben und die Jungbiere
sich rascher klären.
Daß die flüssige Ausscheidung der Verbindung von Gerbsäure und Leim im Braukessel
zugleich Klärmittel ist für andere trübende Substanzen in
der Würze, setze ich als bekannt voraus. Enthält der Hopfen nun keine Gerbsäure
mehr, ist dieselbe – wie beim alten Hopfen
– in Gallussäure übergegangen, so bekommt man eine trübere und gallussaure
Würze. Und so bringt alter Hopfen nicht nur keinen
Nutzen, sondern unter allen Umständen Schaden.
Nach diesen Erläuterungen wird man fragen, ob denn eine vollständige Ausscheidung des Pflanzenleims erforderlich sey, um gutes Bier zu produciren. Die Praxis liefert darauf
folgende Antwort.
Wenn ein Bier seine Vergährungsstadien ganz durchlaufen hat und in jener unliebsamen
Periode des Matronenalters angelangt ist, so beginnt auch sofort eine Zersetzung des
bis dahin unveränderten Pflanzenleims.
Wollte man nun aber diesen Leim gänzlich beseitigen, so
würde das durch Gerbsäure nicht zu ermöglichen seyn, weil der in Phosphorsäure
gelöste Leim durch Gerbsäure nur zum Theil zersetzt wird. Die mit einem Uebermaaß
von Gerbsäure versetzte Auflösung von Pflanzenleim in Phosphorsäure filtrirt und mit
ein wenig Alkali versetzt, läßt wieder jenen lilafarbigen Niederschlag fallen.
Mit der so weit fortschreitenden Beseitigung des Pflanzenleims aber verliert das
Endproduct immer mehr den Bier charakter, und es ist der
Getränkefabrication damit ein ungeheures Feld geöffnet zum versuchsweisen
Recognosciren. Die Resultate, welche ich bereits erhalten habe, sind außerordentlich
befriedigend, und meine Praxis ist dermalen die, daß keine Würze mit dem Quantum
Pflanzenleim, welches von den Braumaterialien geliefert wurde, in die Gährbottiche kommt, – alle
werden zuvor stark entleimt.
Wenden wir uns nun zu der
Gährung,
so documentirt sich der größere oder geringere Gehalt an
Pflanzenleim in den Würzen hauptsächlich durch die langsamere oder schnellere
Klärung der Biere auf den Lagerfässern. Der Pflanzenleim kann in dem Bier in zwei
Formen enthalten seyn, einmal als phosphorsaurer Leim gelöst, und dann als im Wasser aufgequollene Substanz suspendirt. Die letztere Form ist es nun, welche die
Klärung der Biere so häufig erschwert, indem die gelinde Gasentwickelung bei der
fortwährenden Gährung auf den Lagerfässern diese Leimpartikelchen schwebend erhält
oder beim Anzapfen eines gespundeten Fasses wieder empor treibt. Diesem gefährlichen
Umhertreiben des Pflanzenleims kann nur auf zwei Wegen vorgebeugt werden: –
entweder man läßt die Würzen sehr gut auf dem Kühlschiffe ablagern und vermeidet
beim Ablassen jedes Aufrühren des Kühlgelägers (welches neben geronnenem Eiweißstoff
und gerbsaurem Pflanzenleim auch unsern aufgequollenen Leim enthält), oder aber man
schreitet zu einer Filtration. Letzteres ist bei
Anwendung von Refrigeratoren (für den Betrieb im Sommer) ganz unvermeidlich und kann
mit einer Eiskühlung verbunden werden, wenn es die Temperatur des Gährkellers
erheischt.
Was den phosphorsauren Pflanzenleim anlangt, so darf ich nach meinen Erfahrungen
nicht annehmen, daß er zur Hefenbildung irgend etwas beitrage, – wenigstens
erforderten die klare Bierwürze und das filtrirte Bier nach der Hauptgährung nahezu dieselben Volumina einer Gerbsäurelösung zur
vollständigen Ausfällung.
Da nun von den übrigen stickstoffhaltigen Malzbestandtheilen auch der Eiweißstoff
vollständig ausgeschieden ist (zumal in meinem Apparat, wo die Würzen unter Druck,
also bei höherer Temperatur, sieden), so kann nur das durch das Sieden veränderte
Diastas den Stoff zur Bildung
neuer Hefe liefern. Dadurch erklärt sich denn auch die bekannte Thatsache,
daß ein Zusatz von Malzmehl oder ein kalter Malzauszug die Vergährungsfähigkeit
einer Würze bedeutend steigern, was eine äquivalente Vermehrung der Hefe im Gefolge
hat. Weder Leim noch Eiweißzusatz bewirken ein Gleiches.
Ob, bei Mitanwendung rohen Getreides, das in demselben enthaltene Mucin zur Hefenbildung etwas beitragen könne, will ich
derzeit dahin gestellt
seyn lassen. Die Resultate der vorhandenen Versuche sind noch nicht bündig genug, um
die Sache zu entscheiden. Zieht man aber in Erwägung, daß Biere aus Gerstenmalz und
Gerste (also derselben Getreideart) stets einen geringern Vergährungsgrad zeigen, als reine
Gerstenmalzbiere, so erscheint die Mitwirkung des Mucins sehr zweifelhaft.
Schließlich muß ich auch noch über die herrschende Ansicht, nach welcher die
gegohrenen Getränte Alkohol im freien Zustande enthalten sollen, Einiges erwähnen. Gegen diese Ansicht
sprechen folgende Thatsachen.
Nehmen wir ein Bier von 3 Proc. Alkoholgehalt und bringen dasselbe durch Zusatz vom
reinsten Alkohol auf 4 Proc. Nehmen wir ferner eine Bierwürze von etwa 14 Proc.
Extractgehalt und lassen sie vergähren und lagern, bis die Attenuation ebenfalls
einem Alkoholgehalt von 4 Proc. entspricht. Zwischen beiden Producten ist und bleibt
ein so himmelweiter Unterschied (der sich wesentlich durch den Geruch und Geschmack
des freien Alkohols herausstellt), daß man sich doch wohl
genöthigt sehen wird, die erwähnte Ansicht zu quittiren.
Ferner erscheint es wohl als ein ziemlich entscheidender Umstand, daß ein Bier und
eine Alkohol haltende Flüssigkeit von gleichem spirituosem Gehalt sich sehr
verschieden zeigen in ihrem Verhalten zum Dextringummi. Bier (Wein etc.) lösen es in
großer Menge, – verdünnter Branntwein dagegen nimmt nur geringe Quantitäten
auf.
Die Ansicht, daß der Alkohol in den gegohrenen Getränken mit einer stickstoffhaltigen
Substanz verbunden sey, ist bekanntlich schon vor etwa 30 Jahren von Meißner aufgestellt und durch gute Gründe gestützt
worden. Es fehlte nur der Nachweis eines constanten
Verhältnisses zwischen dem Stickstoffgehalt und dem Alkoholgehalt eines
Gährungsproductes, welches frei ist von Pflanzenleim, Eiweißstoff etc. Zu dieser für
die gesammte Gährungschemie höchst wichtigen Arbeit habe ich meinen Freund Dr. Dornbach, Assistent am
chemischen Laboratorium in Cambridge, veranlaßt, nachdem es gelungen war, ein zu
solchen Feststellungen geeignetes Gährungsproduct herzustellen.
Döbereiner hat längst die Ammoniakentwickelung beim
Kochen von gegohrenen Flüssigkeiten mit Aetzkali beobachtet. Daß solches als Ammoniak darin enthalten gewesen sey (wie Döbereiner glaubt), geht daraus natürlich nicht hervor.
Es erscheint diese Annahme sogar durchaus unzulässig, wenn man die freie
Phosphorsäure der Biere in Erwägung zieht. Konnte sich
irgendwie ein Ammoniaksalz bilden, so war es phosphorsaures Ammoniak, entstand
dieses aber wirklich, so schied es sich ohne Zweifel mit der phosphorsauren Talkerde aus und
die Flüssigkeit mußte wieder frei von Ammoniak seyn. Dr. Dornbach's Arbeit wird alle diese offenen
Fragen ins Klare bringen und seiner Zeit im „polytechnischen
Journal“ publicirt werden.