Titel: | Ueber eine neue elektrische Uhr; von Hrn. L. Breguet. |
Fundstelle: | Band 147, Jahrgang 1858, Nr. LXVI., S. 246 |
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LXVI.
Ueber eine neue elektrische Uhr; von Hrn. L. Breguet.
Aus den Comptes
rendus, November 1857, Nr. 21.
Breguet, über eine neue elektrische Uhr.
Seit Wheatstone die Elektricität zur Transmission von
Signalen in die Entfernung anwendete, lag der Gedanke nahe, dieselbe auch zum
Signalisiren der Zeit zu verwenden. Wheatstone war der
erste, welcher elektrische Uhren construirte. Die ersten Versuche wurden im Jahr
1840 gemacht, und seit dieser Zeit haben Viele, die sich mit den Anwendungen der
Elektricität beschäftigten, ein System von elektrischen Uhren erfunden. Aber erst
seit drei oder vier Jahren ist diese neue Anwendung in Gebrauch gekommen. Die
Möglichkeit, die Zeit nach mehreren Punkten zugleich zu signalisiren, hat in der
That etwas, das der Erfindungskraft schmeichelt; untersucht man jedoch das Problem
näher, so stößt man auf größere Schwierigkeiten, als man anfangs dachte, und zwar
aus folgenden Gründen.
Ein System elektrischer Uhren besteht, außer den Zifferblättern, welche an den
verschiedenen Stellen die Zeit angeben:
1) aus einer Batterie, als Quelle der Elektricität;
2) aus einem isolirten metallenen Leiter, welcher sämmtliche Uhren mit der Batterie
in Verbindung setzt;
3) aus einem Regulator, welcher die Bestimmung hat, den elektrischen Strom in
regelmäßigen Zeiträumen dem Leitungsdrahte und den verschiedenen Uhrwerken
mitzutheilen.
Diese drei Elemente sind zahlreichen Störungen unterworfen, deren jede für sich die
Ursache einer allgemeinen oder mindestens partiellen Unordnung im Gang der Uhren
seyn kann. Seit vielen Jahren habe ich mich fortwährend mit dieser Anwendung der
Elektricität beschäftigt, und nachdem ich den Mechanismus dazu von allen Seiten
studirt habe, glaube ich auf eine sehr befriedigende mechanische Anordnung gekommen
zu seyn, welche Einfachheit mit Sicherheit der Wirkung vereinigt.
Zwei Elektromagnete werden mit den Polen einander gegenüber gestellt und befestigt.
Beide werden von dem nämlichen Strom umkreist, und die Drähte sind so gewunden, daß
die ungleichnamigen Pole einander gegenüberstehen. Zwischen diesen Polen ist in
perpendiculärer Lage als Armatur ein Stahlmagnet angeordnet, welcher um eine Achse oscillirt. Jede Minute
wird der Strom in beide Elektromagnete geleitet; die Armatur wird von dem einen
angezogen und von dem andern abgestoßen, verändert also ihre Lage. Diese periodische
Oscillation, deren Amplitude zwischen zwei Stellschrauben die erforderliche
Regulirung findet, wird durch einen Mechanismus, das sogenannte Minutenwerk,
mittelst zweier Sperrkegel, wovon der eine während einer halben, der andere während
der folgenden halben Oscillation thätig ist, auf die Zeiger fortgepflanzt. Der Strom
hält eine ganze Minute an, die Attraction ist kräftig und der Effect sehr
sicher.
Dieses System versagt nie seinen Dienst, so lange die Batterie, der Regulator oder
der Leitungsdraht in Ordnung sind. Aber die Erfahrung zeigt zur Genüge, daß diese
Bedingung nicht lange erfüllt bleibt. Einen Monat, sechs Wochen und selbst zwei
Monate lang geht alles regelmäßig, dann treten auf einmal Störungen ein, deren
Ursache man immer leicht findet; bald war die Batterie nicht sorgfältig unterhalten,
bald waren an den Berührungsstellen, welche den Strom in dem Regulator herstellen,
Veränderungen vor sich gegangen, bald war die Leitung beschädigt. Der Mechanismus
der Uhren kann also an sich untadelhaft seyn, ohne daß man deßhalb die vollkommene
Regelmäßigkeit ihres Ganges garantiren kann.
Ich habe daher nach einem System geforscht, bei welchem, unter steter Anwendung der
Elektricität, die angedeuteten Uebelstände nicht stattfinden können. Ich kam auf den
Gedanken, die elektrischen Uhren, deren Gang durch den Durchgang des Stromes bedingt
ist, durch gewöhnliche Pendeluhren oder Unruhuhren zu ersetzen, welche ohne Beihülfe
irgend einer fremden Kraft allein gehen können; die Rolle der Elektricität
beschränkt sich alsdann lediglich auf die periodische Regulirung des Pendels. Ein
Hülfsmechanismus, welcher mit einer besonderen bewegenden Kraft ausgestattet ist,
wird durch einen Elektromagneten in Ruhe gehalten; sobald aber der Strom diesen
Elektromagneten umkreist, zieht der letztere die Armatur an, und der Mechanismus
kommt in Bewegung, und wenn in einem bestimmten Momente die Zeiger differiren
würden, so würde man sie alsbald sich bewegen und von selbst auf die richtige Zeit
sich stellen sehen. Diese Operation findet zu Mittag oder Mitternacht statt.
Man begreift sogleich den Vortheil dieses Systems, dem alten gegenüber; denn
angenommen, die Elektricität habe aus irgend einer Ursache nicht gewirkt, so würde
dieß zur Folge haben, daß die Uhren fortwährend gingen, daß nichts angehalten würde,
und daß es höchstens vorkommen könnte, daß sie 1 oder 2 Minuten vor- oder
nachgingen, und daß man nie sämmtliche Uhren auf einmal außer Gang oder in Unordnung
fände. Da die Uhren
übrigens wie gewöhnlich regulirt sind, so könnte die Elektricität nicht zwei oder
drei Tage lang ihren Dienst versehen, ohne daß eine ernstliche Störung eingetreten
wäre.
Folgendes sind die mechanischen Anordnungen, deren ich mich zur Erreichung dieses
Zweckes bedient habe. An dem Rad, dessen Achse den Minutenzeiger trägt, und unter
dem Zifferblatte, ist ein Arm oder Hebel befestigt, welcher sich mit jenem Zeiger
dreht. Dieser Hebel wird auf 6 Uhr gerichtet, wenn der Zeiger auf 12 Uhr steht. Zwei
in einander greifende Räder, welche mit einem von irgend einer Triebkraft abhängigen
Räderwerk in Verbindung stehen, enthalten jedes zwei Zapfen, welche so angeordnet
sind, daß sie sich nicht drehen können, ohne daß der eine oder der andere dem Hebel
begegnet, wenn dieser gerade mehr oder weniger aus der verticalen Lage abweicht. Es
muß also alsdann der Hebel seine verticale Lage wieder einnehmen, wodurch die Zeiger
auf die richtige Stunde gestellt werden. Das Ende der Armatur des Elektromagneten
trägt einen Finger, welcher in einen an dem Umfange eines Rades angebrachten
Einschnitt tritt. So lange der Strom unwirksam ist, wird die Armatur nicht angezogen
und der Finger bleibt im Einschnitte, sobald aber der Strom den Elektromagneten
umkreist, wird die Armatur angezogen, der Finger verläßt den Einschnitt und das Rad
dreht sich gleichzeitig mit obigen zwei Rädern. Nach einem Umlauf des erwähnten
Rades befindet sich der Einschnitt desselben wieder dem Finger gegenüber; dieser
legt sich hinein und das Rad steht still, weil in diesem Augenblick der Strom
unterbrochen wird; die Armatur kann daher wieder ihre Ruhelage einnehmen. Damit
diese Function mit Sicherheit vor sich gehe, muß der Strom etwas weniger lang
anhalten, als das Räderwerk Zeit braucht, um die Zeiger auf die Stunde zu
stellen.
Dieses System bietet, wie man sieht, den Vortheil dar, nach dem man schon lange
getrachtet hat, die Zeit mit Sicherheit in die Entfernung zu signalisiren. Für große
Entfernungen konnte man das alte System gar nicht anwenden, weil die Uhren in jedem
Augenblicke durch die atmosphärische Elektricität in Unordnung gerathen konnten.
Auch konnte man bei demselben keine großen Zeiger anwenden, während man jetzt
Zifferblätter von beliebigen Dimensionen anwenden kann, welche durch die
Elektricität regulirt werden, weil die Uhr nur mit einem den Dimensionen der Zeiger
proportionalen Räderwerk gehen wird.