Titel: Schenkl's Patent-Büchse; von G. E. Habich in Roxbury.
Fundstelle: Band 147, Jahrgang 1858, Nr. XCVII., S. 330
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XCVII. Schenkl's Patent-Büchse; von G. E. Habich in Roxbury. Mit Abbildungen auf Tab. VI. Habich, über Schenkl's Patent-Büchse. Mit der Einführung der Zündnadelgewehre in der preußischen Armee beginnt eine neue Epoche in der Geschichte der Schußwaffen. Die Nordamerikaner ließen sich die Fortentwickelung des Systems der von hinten zu ladenden Gewehre (breech-loading rifles) besonders angelegen seyn. Es sind bis jetzt mehr als dreißig Patente darauf ertheilt. Das Vollendetste aber, was darin geleistet ist, entsprang dem erfinderischen Kopfe eines in Boston etablirten deutschen Büchsenmachers, Schenkl. Seine Patentbüchse ist ein wahres Meisterstück der Gewehrconstruction. Ich will versuchen, dem Leser zu einem Verständniß derselben zu verhelfen, ohne den einfachen Mechanismus derselben zu entdecken, da das Eigenthum des Erfinders geschützt bleiben muß, bis er seinen Plan, in allen europäischen Staaten Patente zu lösen, ausgeführt hat. Die großen Vortheile, welche das System, Gewehre von hinten zu laden, bietet, sind überhaupt folgende: 1) Die außerordentliche Schnelligkeit, mit welcher das Laden geschieht, gestattet die Möglichkeit einer großen Anzahl von Schüssen in der kürzesten Zeit. 2) Die Leichtigkeit, ein derartiges Gewehr zu reinigen, und – im Falle der Schuß versagt – den Lauf von der alten Ladung zu befreien, ist im Gefecht nicht hoch genug anzuschlagen. 3) Das Gewehr wird dadurch auch für den Cavalleristen zugänglicher. Während ein gewöhnliches Gewehr für diesen nur in ruhiger Haltung und dennoch schwierig zu laden ist, kann diese Operation bei einem der bessern Gewehre des breech loading-Systems selbst im raschen Trabe vollzogen werden. Betrachten wir dagegen die Nachtheile, mit welchen alle bisherigen Waffen dieses Systems behaftet sind, so ist der erste und wesentlichste Vorwurf, welcher mit vollem Rechte gemacht wurde, daß alle breech-loading-Gewehre am Boden des Laufs nicht hermetisch schließen, weil der Lauf ausweichen muß. Folge davon muß seyn, daß ein solches Gewehr bei gleich starker Ladung weniger Gase zum Forttreiben der Kugel disponibel hat, als ein Gewehr alter Construction, – die Kugel wird nicht so weit fortgetragen. Der zweite Nachtheil beruht in dem Umstande, daß die breech-loading-Gewehre besondere Patronen, überhaupt eigenthümliche Munitionsvorrichtungen, erfordern, wodurch die Waffe vollkommen unnütz wird, sobald dem Schützen die Munition ausgegangen ist. Dieser Uebelstand hat sich bei dem preußischen Zündnadelgewehr bekanntlich mehrmals fühlbar gemacht. Hieran reihen sich nun noch die Gebrechen, an denen die einzelnen Constructionen nach diesem System leiden, als da sind: complicirter und leicht unbrauchbar werdender Mechanismus, Schwerfälligkeit der Waffe, hoher Preis des Gewehrs oder der erforderlichen Patronen, Außenliegen des Mechanismus (wodurch die Waffe bei feuchtem Wetter sehr leidet). Unter den in Nordamerika construirten Gewehren dieser Art sind wohl 20, welche diese letzteren Fehler nicht haben und eine tüchtige Waffe bieten, – sie laboriren aber alle an den oben erwähnten beiden Hauptnachtheilen. Diese letzteren beseitigt zu haben, ist nun das Verdienst unseres genialen Landsmannes Schenkl. Im Aeußern unterscheidet sich das Schenkl'sche Gewehr ganz und gar nicht von einem gewöhnlichen Gewehre, so gut ist es dem Erfinder gelungen, den höchst einfachen Mechanismus zu verdecken. Dieser Mechanismus, welcher durch das Seitwärtsziehen des beweglichen Bügels in Thätigkeit tritt, liegt unter dem untern Stück des Laufs, so weit derselbe vom Schaft getragen wird, und ist vollkommen in diesem kleinen Raume verborgen. Vermittelst desselben wird das Gewehr nun in folgender Weise benutzt. Fig. 13 zeigt das Gewehr mit aufgezogenem Hahn und zum Abschießen fertig. Ist die Entladung geschehen, so zieht der Schütze den Bügel 2 seitwärts, wobei der Lauf die in Fig. 14 gezeichnete Stellung annimmt und der Hahn gleichzeitig gespannt wird. Die Patrone wird dem hintern Theil des Laufes einverleibt, der Bügel wiederum in die alte Lage gebracht (Fig. 13), und das Feuer kann wieder beginnen. Man sieht, daß das Schenkl'sche Gewehr alle bisherigen derartigen Waffen in Schnelligkeit des Ladens übertrifft, – das preußische Zündnadelgewehr ist umständlicher zu handthieren, und nur das Patentgewehr des Amerikaners Morse kommt ihm nahe, obwohl es immer noch einen Griff mehr erfordert als das Schenkl'sche. Das Gewehr ist auch außerordentlich leicht auseinander zu nehmen, um es zu reinigen. Man zieht den Bolzen 4 heraus und hat damit den Lauf vom Schaft getrennt (Fig. 15). In diesen Figuren bezeichnet 1 den Drücker, 2 den Bügel, 3 den Hahn (unter welchem ein verschließbarer Piston zum allenfallsigen Auffetzen von Zündhütchen befindlich ist) und 4 den erwähnten Bolzen. Sehen wir uns zunächst die Schenkl'sche Patrone an. Sie ist ein sehr einfaches Ding, – Minié's Kugel, in welche am hintern Ende ein gewöhnliches Zündhütchen eingesetzt ist, und die nöthige Quantität Pulver in einer Kapsel von leicht verbrennlichem Papier, bilden sie. Die Entzündung der Patrone geschieht durch eine Nadel, welche genau im Centrum des Laufs die Pulvermasse durchschnellt, jenes Zündhütchen in der Kugel explosiv macht und dadurch die Verbrennung des Pulvers von vorn nach hinten herbeiführt. Es ist ein wesentlicher Vorzug der Schenkl'schen Patrone, daß bei der rückschreitenden Verbrennung keine unverbrannten Pulverkörner aus dem Laufe geschleudert werden können. Was nun die Zündnadel anbelangt, so hat sie Schenkl von den Mängeln erlöst, mit welchen sie bei den preußischen Gewehren behaftet ist. Die preußische Zündnadel ist lang, dünn und leicht zerbrechlich, – die Schenkl'sche dagegen kurz und dick, und deßhalb äußerst dauerhaft. Sollte aber trotz alledem der Zufall sein böses Spiel treiben und die Nadel einmal untauglich werden, oder sollten dem Schützen in der Hitze des Gefechtes die regelrechten Patronen ausgegangen seyn; nun, so hat Schenkl dafür gesorgt, daß jede anderweitige Munition, welche noch aufzutreiben ist, benutzt werden kann. Es wird dann die neben der Nadel vorhandene und bisher abgesperrte gewöhnliche Percussion in Thätigkeit gesetzt. So läßt das Schenkl'sche Gewehr den Schützen nicht im Stich, so lange er noch einen Schuß Pulver und eine Kugel im Sack hat, – während das preußische Zündnadelgewehr mit dem Invalidwerden der Nadel als Schußwaffe keinen Werth mehr hat. Auch der Umstand, daß die Zündnadel in das Centrum der Kugel eingetrieben wird, verdient Beachtung. Es ist bekannt, wie sehr es darauf ankommt, daß sich die Spitze der Kugel genau im Centrum des Laufs befindet, – die geringste Abweichung macht den Schuß unsicher. Das Vordringen der Nadel regulirt etwaige Abweichungen von dieser Richtung der Kugel, indem sie dieselbe auf den richtigen Weg treibt. Auch die Praxis hat dem Schenkl'schen Gewehr bereits die größte Sicherheit im Schuß vindicirt. Endlich ist auch der Hauptmangel aller breech-loading-Gewehre – der undichte Verschluß am hintern Ende – so vollständig als möglich beseitigt. Die Praxis hat erwiesen, daß auch nach längerm Gebrauche des Gewehres nicht der geringste Schmutz an den Schlußflächen zu bemerken ist, was doch stattfinden müßte, wenn zwischen denselben Pulverdämpfe hindurch passirt wären. Das Mittel, wodurch Schenkl dieses erreicht hat, liegt in seinem Mechanismus, der eben Gegenstand seiner Patente für Europa seyn wird, über welches ich also zur Zeit keine weiteren Mittheilungen machen darf. Eine directe Folge dieses höchst vollkommenen Verschlusses ist denn auch die Reduction des erforderlichen Pulverquantums auf ein Minimum, weil ja die producirten Gase ohne Verlust zur Verwendung kommen. Der durch den undichten Verschluß am Schwanze des Gewehres herbeigeführte Kraftverlust scheint in der That bedeutender zu seyn, als man erwarten sollte. Es wurden vergleichende Versuche angestellt mit Schenkl's Gewehr und anderen der bestconstruirten nordamerikanischen Gewehre dieses Systems. Diese Versuche – basirt auf das Durchschlagen der Kugeln gleichen Kalibers durch eine größere oder geringere Anzahl von Bretern – erwiesen, daß die Wirkung des Schenkl'schen Gewehres bei 45 Gran Pulverladung äquivalent den Wirkungen der übrigen bei 60 bis 90 Gran ist. Dieß Factum ist interessant genug, um zu weiteren Forschungen anzuregen. Offenbar entspricht die Differenz nicht dem Quantum der entwichenen Gase. Was also kann der Grund derselben seyn? – Vielleicht bin ich nicht auf dem falschen Wege, wenn ich mir den Fall folgendermaßen zu erklären suche. Der einfache Umstand, daß bei dem gewöhnlichen Gewehr niemals alle Pulverkörner zur Entzündung gelangen (ein Schuß über eine Schneefläche zeigt's ja), zwingt uns die ganze Explosion in Zeitintervalle zu theilen. Denken wir uns nun, daß beim Beginn der Explosion für die entwickelten Gase Gelegenheit zum Entweichen gegeben sey, so wird dadurch offenbar die Temperatur in der Pulverkammer herabgesetzt und es wird noch weniger Pulver zur Explosion kommen. Es würde also wesentlich darauf ankommen, beim Beginn der Entzündung jedes Entweichen, ja sogar jede Ausdehnung der Gast im Lauf, zu vermeiden, um die Entzündungstemperatur vollkommen zu erreichen. Das enorm verschiedene Resultat beim Abschießen eines Gewehres mit glattem oder mit gezogenem Lauf – wo bei dem erstern stets eine viel größere Menge Pulverkörnchen fortgeschleudert werden – scheint lediglich auf dem Umstande zu beruhen, daß der Widerstand im Lauf geringer oder größer, und in Folge dessen die Entzündungstemperatur ungenügend oder ausreichend war. Versuche mögen darüber entscheiden, ob dem so ist. Resumiren wir nun die unbestreitbaren Vortheile, welche Schenkl's Gewehr vor den besseren desselben Systems voraus hat, so stellt sich die Sache folgendermaßen: 1) Die Nachtheile, welche der mangelhafte Verschluß am Schwanze der breech-loading-Gewehre mit sich führt, hat Schenkl's Construction im geringsten Maaß, und alle anderen Gewehre, von dem preußischen Zündnadelgewehr bis zur weltberühmten Büchse Sharp's, sind mit diesem Fehler gesegnet. 2) Der Mechanismus desselben ist dauerhaft, was bei allen anderen Gewehren dieses Systems nicht der Fall ist. 3) Der Mechanismus ist vor den nachtheiligen Einflüssen der Witterung geschützt, was bei den meisten anderen Gewehren ein Mangel ist. 4) Das Schenkl'sche Gewehr hat selbst für den kaum denkbaren Fall, daß der Mechanismus verunglücken oder die regelrechte Patrone verbraucht seyn sollte, einen Rückhalt in der Reserve-Percussion, – welche wiederum kein anderes Gewehr bietet. 5) Die gewöhnliche Patrone, welche der Schenkl'sche Nadelmechanismus erheischt, ist leicht von Jedermann herzustellen, – während die anderen Gewehre nicht allein schwierig darstellbare, sondern auch kostspielige Patronen bedürfen. So z.B. verlangt das bekannte Gewehr Morse's metallene Kapseln zu den Patronen, was den Gebrauch der Waffe erklecklich vertheuert. Auf eine andere, für den Seekrieg wichtige Erfindung Schenkl's, eine breech-loading-Kanone, komme ich später zurück. Sie theilt mit allen Schußwaffen dieses Systems den Vorzug, daß der Rückstoß beim Abfeuern geringer ist, als bei den Geschützen mit enger Pulverkammer.

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