Titel: | Ueber analytische Gewichte; von Dr. Mohr. |
Autor: | Dr. Karl Friedrich Mohr [GND] |
Fundstelle: | Band 147, Jahrgang 1858, Nr. CVII., S. 363 |
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CVII.
Ueber analytische Gewichte; von Dr. Mohr.
Mit Abbildungen auf Tab.
VI.
Mohr, über analytische Gewichte.
Die zum Behufe der analytischen Chemiker bestimmten Gewichte haben in den besten
Werkstätten eine ziemlich übereinstimmende stereotype Form angenommen, und sich als
solche einen europäischen Ruf unter dem Namen der Berliner Gewichte erworben, weil
sie von dort aus in großen Mengen und ausgezeichneter Güte verbreitet werden. Die
Gewichte von Oertling, Kleimer, Reymann und Anderen
lassen in Betreff der Richtigkeit nichts zu wünschen übrig, jedoch in Betreff der
Form und des Materials sehr vieles. Ein solcher Gewichtssatz stellt im Ganzen 100
Gramme vor, indem er mit 50 Grm. anfangend, 20 Grm., 2 Stück zu 10 Grm., 5 Grm., 2
Grm. und 3 Stück zu 1 Grm. enthält. Diese machen zusammen 100 Grm., indem das dritte
einzelne Gramm, welches nicht im System liegt, an der Stelle der kleineren Gewichte
genommen wird, die ebenfalls zusammen 1 Grm. ausmachen.
Die Gewichte bis zu 1 Grm. abwärts sind cylindrische Körper mit einem dünnen Halse
zum Ausheben; die unter 1 Grm. sind von Platinblech gemacht, viereckig mit einigen
aufgebogenen Ecken zum Anfassen.
Da das Wägen eine so häufig wiederkehrende Arbeit ist, so muß Alles, was dasselbe
erleichtert, als ein wahrer Gewinn angesehen werden; da aber die Mechaniker selbst
nicht wägen, so erfahren sie eigentlich nicht die Mängel ihrer Gewichte, und da die
Chemiker die Gewichte nicht machen, sondern fertig kaufen, so können sie die Mängel
nicht verbessern.
Die bisherigen Gewichtsätze sind zu verbessern, was ihre Substanz, ihre Gestalt und
ihre Anordnung betrifft. Ich muß also zuerst ihre Mängel bezeichnen.
1) Substanz. Die größeren Gewichte von 50 bis 1 Grm.
bestehen aus Messing. Dieses ist ein zu leicht oxydables Metall, um, außer bei der
größten Sorgfalt, seine ursprüngliche Schönheit und Politur zu behalten. Firnissen
hilft etwas, aber nicht lange. Die messingenen Gewichte bekommen leicht schwarze
Flecken, und wenn auch gut gehaltene Gewichte trotz ihres schlechten Aussehens lange
richtig bleiben, so ist doch diese Veränderung im äußern Ansehen keine Empfehlung,
und es ist eine bloße Gefälligkeit, wenn Abnutzung und Oxydation sich so lange das
Gleichgewicht halten.
Das Platin, woraus die kleineren Gewichte von 0,5 Grm. an bestehen, hat den großen
Fehler des zu hohen specifischen Gewichtes. Die 10 und 20 Milligrammstücke sind so
klein, daß man sie kaum bequem anfassen kann. Zweierlei Metalle sind a priori tadelnswerth.
2) Gestalt. Die Cylinderform der größeren Gewichte hat den
Nachtheil, daß man jedes Stück mit großer Sorgfalt in seine Oeffnung setzen muß,
weil es am Fuße eben so dick ist, als das Loch weit; beim Aus- und Einsetzen
findet eine Seitenreibung statt. Diese cylindrische Gestalt hat keinen andern Grund,
als daß man in die hölzernen Etuis nicht gut andere als cylindrische Löcher bohren
kann, und da über diese Gestalt noch nicht geklagt worden ist, so haben die
Mechaniker keine Veranlassung, den wohlfeilen Centerbohrer, den man in jeder
Eisenhandlung für einige Groschen kauft, gegen einen conischen Fräsenbohrer zu
vertauschen.
An den kleineren Gewichten ist die viereckige Gestalt und das Anfassen an der Ecke zu
tadeln. Beim Zurückbringen des Gewichtes in den Satz muß man dasselbe genau so
fassen, daß es in die viereckige Vertiefung hineingeht, sonst bleibt es darauf
liegen. Diese Operation jedesmal mit 5 bis 6 Stücken zu machen, ist sehr
zeitraubend.
Das Anfassen an der Ecke ist das schlimmste. Jeder wird finden, daß die schief
aufgebogene Ecke bei gerader Stellung des Etuis ihm nicht für die Pincette zur Hand
steht. Legt man das Gewicht auf die Schale, und dreht sich diese nur ein wenig, so
kommt das Stückchen aus der Lage, in welcher man es überhaupt mit der Pincette
fassen kann, und man muß die Schale zurückschwingen lassen, oder absichtlich drehen,
ehe man des Gewichtes bequem habhaft werden kann. Die kleineren Gewichte von 50
Milligrammen sind überhaupt gar nicht mehr in dieser Form zu fassen, ohne daß man
jedesmal einen stillen Aerger darüber verdauen muß.
3) Anordnung. Die Anordnung ist nicht übersichtlich und
nicht mit unserm Zahlensystem übereinstimmend, wornach die großen Werthe links, die
kleineren rechts stehen. Die Glasdeckel auf den kleineren Gewichten sind eine
Belästigung, ein Zeitverlust und geradezu überflüssig.
Nachdem wir nun die Fehler der Gewichte hervorgehoben, müssen wir ans Bessermachen
gehen. Dieß ist vollkommen gelungen, wie ich mich aus dem Gebrauch eines nach dem
neuen System gemachten Gewichtssatzes überzeugt habe. Es sind also nicht bloß
Vorschlage, die mitgetheilt werden, sondern feststehende Erfahrungen. Wir gehen nun
wieder die drei Gesichtspunkte durch.
1) Substanz. Für alle Gewichte habe ich Argentan gewählt.
Es ist sehr hart, nimmt eine glänzende Politur an, bedarf keines Firnisses und behält seinen Glanz
sehr lang, wenn man es nicht gerade mit chemischen Flüssigkeiten bespritzt. Das
Argentan ist dem Silber bei weitem vorzuziehen, welches viel weicher und
empfindlicher gegen Schwefelwasserstoff ist.
Zwei einzelne Gramme, eines von Silber, das andere von Argentan, wurden lange in
derselben Waage gebraucht; das silberne Gewicht war vollkommen schwarz, als das
neusilberne noch glänzend war. Das specifische Gewicht des Argentans von etwas über
8, ist fast 1/3 von dem des Platins; es können deßhalb die kleineren Gewichte fast
dreimal so viel Volum und Größe haben, als die aus Platin.
Vom Neusilber sagt Otto in seinem vortrefflichen Lehrbuche
(Bd. II, dritte Abtheil., S. 266): „Gutes Neusilber ist zäher und härter
als Messing, und daher für viele Artikel eine unschätzbare Legirung. Vor dem
Silber hat es den Vorzug, daß es weit wohlfeiler ist und weniger leicht
anläuft.“
Ich habe Argentangewichte schon über sechs Jahre im Gebrauch, und sie äußerlich fast
unverändert und von ganz gleichbleibendem Gewichte befunden.
Vielleicht dürfte es aus gleichen Gründen zweckmäßig seyn, die ganz kleinen Gewichte
von 50 Milligrammen an aus Aluminium darzustellen.
2) Gestalt. Die größeren Gewichte bis zu 1 Grm. incl. sind aus einem Stücke mit dem Knopf rund gedreht,
nach unten bedeutend abgespitzt. Die Löcher im Etui sind conisch, nach oben
erweitert. Beim Herausnehmen des Gewichtes ist es bei der ersten leichten Hebung
sogleich von der ganzen Wand entfernt, reibt sich also nicht an dieser. Beim
Einsetzen kommt der untere spitze Theil zuerst in die oben viel weitere Oeffnung und
fällt also fast von selbst in sein Lager. Alle Kanten sind abgerundet und nirgendwo
ein scharfer einspringender Winkel, wie bei den Verbindungsstellen der Hälse auf dem
flachen Cylinder der alten Gewichte vorhanden. Es kann sich kein Staub dort sammeln,
wodurch das Gewicht schwerer und beschmutzt wird. Es wird auf kein Gewicht das Wort
„Gramm“ geschlagen, sondern nur die Zahl seines Werthes.
Das Wort „Gramm“ befindet sich nebst anderen nöthigen Angaben
in einer Etiquette im Innern des Deckels.
Die kleineren Gewichte von 0,5 Gramm abwärts sind runde Scheibchen mit einem
Drahtstift in der Mitte. Ihr Lager im Etui ist ein rundes, nach unten enger
werdendes flaches Loch. Der Boden des Loches ist so weit, daß das Scheibchen bequem
hineingeht ohne sich zu klemmen. Auf dem Boden aller Löcher sind runde Scheibchen
von weißem Papier eingeklebt, welches die Ziffer des Werthes gedruckt enthält. Die
herausgenommenen Gewichte kann man im Etui sehr leicht ablesen, weil nur deren Zahlenwerth sichtbar
ist, indem jener der anderen bedeckt ist. Die Stifte sind so hoch wie die Tiefe des
Loches; beim Zuschlagen des Deckels werden die Stifte von diesem leicht berührt und
die Gewichte festgehalten. Beim Anfassen der Gewichte greift man mit der Pincette
nach der Mitte des Loches, wo unter allen Umständen der Griff sich befindet; beim
Zurückbringen fällt das Gewicht immer passend in die oben erweiterte Vertiefung.
Beim Wägen mag die Schale sich wie immer drehen, so ist das Gewicht gleich bequem an
seinem Stifte zu fassen.
3) Anordnung. Wenn die Gewichte übersichtlich stehen
sollen, so müssen sie in der Rangordnung ähnlich den Werthen in unserm Zahlensystem
stehen, nämlich die größten am weitesten links in einer Linie gerade herab auf den
Wägenden zu. Es kommen alsdann die Zehner zuerst, und zwar das größte Stück, die 50
Grm. in die obere linke Ecke, darunter (nicht daneben) 20, 10 und 10 Grm.; in der
zweiten senkrechten Linie 5, 2, 1 und 1 Grm.; jetzt folgt im Etui eine mit Holz
eingelegte senkrechte schwarze Linie, welche die Ganzen von den Decimalen abtrennt.
In dieser Linie steht der dritte einzelne Gramm, welcher zur Ergänzung der 100
nothwendig ist, selbst aber beim Wägen niemals gebraucht wird. Auch kann auf dieser
ein sichtbares Komma angebracht seyn, um die Stelle anzudeuten, wo das Komma beim
Zusammenzählen der Gewichte hingesetzt werden muß. Rechts von dieser markirten
Linie, ebenfalls in senkrechten Reihen, kommen die runden scheibenförmigen Gewichte
0,5, 0,2, 0,1 und 0,1 Grm., und in der vierten Reihe 0,05, 0,02, 0,01 u. 0,01 Grm.
Dann in einer Vertiefung auf Sammet liegen 3 bis 4 Centigrammhäkchen aus weichem
Drahte, weil die aus hartgezogenem Drahte zu leicht wegspritzen.
Fig. 24
stellt das 50 Gramm-Stück in natürlicher Größe dar mit seinem Lager;
Fig. 25
stellt das 0,5 Gramm-Stück von oben gesehen dar;
Fig. 26
dasselbe von der Seite im Durchschnitte gesehen über seiner Oeffnung schwebend.
Fig. 27 zeigt
das ganze Etui aufgeschlagen in halber natürlicher Größe.
Fig. 28 zeigt
einen Durchschnitt des Etuis ohne Deckel durch die obere Reihe der Fünfer.
Hr. Ludwig Reymann in Berlin, Oranienstraße Nr. 104, hat
sehr bereitwillig alle diese Anordnungen nach meinen Angaben übernommen. Es wurden
mehrere Systeme ausgeführt, bis wir zuletzt bei dem oben beschriebenen stehen
blieben. Der neue Gewichtssatz läßt in Ausführung, Genauigkeit und Bequemlichkeit der Handhabung
nichts zu wünschen übrig.
Bei dieser Gelegenheit dürfte es erlaubt seyn, den Mechanikern einige Andeutungen
über die Construction der analytischen Waagen zu geben, wie sich solche, als im
Interesse der Chemiker, als wünschenswerth herausgestellt hat.
Das beste Material für die Balken ist ebenfalls Argentan, wegen seiner
Widerstandsfestigkeit, Leichtigkeit und Haltbarkeit in der Luft. Die Balten müssen
nach dem Gießen scharf gehämmert werden. Bei gleicher Stärke sind sie leichter als
Balken von Messing. Die obere Linie des Balkens, worauf die Häkchen zu hangen
kommen, soll möglichst in der Geraden zwischen den Endschneiden liegen. Die
Einschnitte auf dem Balken müssen tiefer in den Balken eingehen, einen scharfen
Winkel haben, und die Ecken an den Einschnitten sanft abgerundet seyn. Es dürfte
deßhalb zweckmäßig seyn, den Balken oben in eine Schneide, statt in eine Ebene
ausgehen zu lassen.
Bei den Gehängen der Schalen ist. darauf zu sehen, daß die Schalen nicht im Kreise
herumfahren können, was das Wägen sehr erschwert. Es dürfen deßhalb nicht Ringe in
Ringe greifen, welche zuweilen zwei ganze Umdrehungen gestatten. Hängt die Schale in
einem Stahlring, als der leichtesten Form der Schneide, so muß der in den Ring
greifende Haken aus dickem Stahle bestehen. Alle anderen Ringe müssen aus flachen
Bändern gemacht seyn, daß sie gar keine Drehung mehr gestatten. Die Schale soll nur
in der Richtung des Balkens schwingen können.
Das Aufhängen der Schalen an Schnüren oder Ketten aus Platindraht ist ein Uebelstand,
weil man mit den Pincetten zu leicht daran hängen bleibt. Man kann die Schalen sehr
gut an einem gekröpften und flachgeschlagenen Argentandraht aufhängen, welcher nicht
viel schwerer ist als die drei Ketten, an die Schale gelöthet oder genietet ist, und
immer hinten hängt. Dadurch ist die Schale ganz frei zugänglich. Alle Gegenstände
werden mitten auf die Schale gestellt, wodurch diese immer senkrecht unter der
Aufhängung stehen bleibt.
Eine nicht ausgeführte Idee, die ich den Mechanikern zur Beachtung empfehle, ist die,
die mittlere Schneide nach oben zu richten und an einem polirten Magnete
aufzuhängen. Je schwerer die Waage belastet wird, desto kleiner wird die Reibung an
der Aufhängungsstelle. An Magneten aufgehängte Pendel gingen doppelt so lange, als
auf Schneiden sich bewegende.
Ein Magnet der 1/2 Pfd. oder 500 Grm. zieht, ist nach Logeman's Verfahren ein sehr kleines Stück Stahl. Der Magnet hat seine nach unten gerichteten
Füße etwas ausgehöhlt und glänzend polirt. Der Balken kann dadurch niemals derangirt
werden, was bei den auf ebenen Flächen sich bewegenden sehr leicht geschieht. Die
Stahlschneide der Waage kann messerscharf seyn, da sie nicht aufliegt, sondern nur
hängt. Gegen ein zufälliges Abreißen kann ein Parachut angebracht werden. Man ist
sicher die Waage niemals überlasten zu können, weil sie sonst abreist.
Soll die Waage nur 100 Grm. auf einer Schale tragen, so ist es hinreichend, wenn die
Schneide als Anker genommen mit etwa 250 Grm. Belastung abgerissen wird. Es ist
besser den Balken abzureißen, als ihn durch Ueberlastung zu biegen, oder die
Schneiden dauernd zu verletzen.