Titel: | Ueber die allgemeinsten Bedingungen des Pflanzenlebens und über das Verhalten der Ackererde zu den Hauptnahrungsstoffen unserer Culturgewächse; von Justus v. Liebig. |
Fundstelle: | Band 147, Jahrgang 1858, Nr. CXI., S. 376 |
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CXI.
Ueber die allgemeinsten Bedingungen des
Pflanzenlebens und über das Verhalten der Ackererde zu den Hauptnahrungsstoffen unserer
Culturgewächse; von Justus v. Liebig.Aus dessen „Chemischen Briefen“, neue Reihe, in der
Allgemeinen Zeitung vom 24. Junius 1857, Nr. 175, Beilage.
Liebig, über die allgemeinsten Bedingungen des Pflanzenlebens
etc.
Die Pflanzen enthalten verbrennliche und unverbrennliche Bestandtheile. Die letzteren
sind die Bestandtheile der Asche, welche alle Pflanzentheile nach dem Verbrennen
hinterlassen; die wesentlichsten unserer Culturpflanzen sind Phosphorsäure, Kali, Kieselsäure, Schwefelsäure, Kalk, Bittererde, Eisen,
Kochsalz.
Es wird jetzt als eine unbestreitbare Thatsache angesehen, daß die Bestandtheile der
Pflanzenaschen Nahrungsmittel, und demgemäß zur Bildung des Pflanzenkörpers und
seiner Theile unentbehrlich sind. Aus Kohlensäure, Wasser,
Ammoniak entstehen ihre verbrennlichen Elemente, sie sind als
Nahrungsmittel gleich unentbehrlich.
In dem Lebensprocesse der Pflanzen bildet sich aus diesen Stoffen der Pflanzenleib,
wenn die Atmosphäre und der Boden die ebengenannten Bedingungen in der angemessenen
Menge und im richtigen Verhältniß gleichzeitig darzubieten vermögen.
Die atmosphärischen Elemente ernähren nicht ohne gleichzeitige Mitwirkung der
Bodenbestandtheile, und die letzteren sind wirkungslos, wenn es an den ersteren
fehlt; beide müssen immer zusammen seyn, wenn die Pflanze wachsen soll.
Es versteht sich hienach von selbst, daß kein einzelner der genannten
Pflanzennahrungsstoffe einen Werth vorzugsweise vor dem andern hat, sie sind für das
Pflanzenleben gleichwerthig. Für den Landwirth, welcher
zur Erreichung seiner Zwecke dafür sorgen muß, daß seine Felder alle diese Stoffe in
gehöriger Menge enthalten, sind sie hingegen ungleichwerthig, denn in dem Fall, wo einer davon im Boden fehlt, kann er
nur dann auf eine Ernte rechnen, wenn er diesen fehlenden Bestandtheil dem Felde
gibt; der fehlende oder mangelnde gewinnt dann einen Werth vorzugsweise, d.h. in Beziehung zu den andern, die sein Feld (wie z.B. der
Kalt im Kalkboden) in größter Menge enthält.
Alle Nahrungsmittel der Gewächse gehören dem Mineralreich an, die luftförmigen werden von den Blättern, die feuerbeständigen von den Wurzeln aufgenommen; die
ersteren sind häufig Bestandtheile des Bodens, und verhalten sich dann zu den
Wurzelfasern ähnlich wie zu den Blättern, d.h. sie können auch durch die Wurzeln in
die Pflanze gelangen. Die luftförmigen sind ihrer Natur nach beweglich, die feuerbeständigen sind unbeweglich, und können den Ort, wo sie sich befinden, nicht von selbst
verlassen.
Es wachsen Pflanzen in Südamerika, in Gegenden, wo es oft in vielen Jahren nicht
regnet, und sie empfangen dort ihre verbrennlichen Bestandtheile unmittelbar aus der
Luft und durch den Thau; dieß ist wohl ein hinlänglicher Beweis, daß die Luft genug
davon zu ihrer vollständigen Entwickelung enthält.
Die Menge der in der Luft enthaltenen Nahrungsstoffe ist, verglichen mit der
Luftmasse, sehr gering.
Wenn man alle Kohlensäure und Ammoniaktheilchen die in der Luft zerstreut oder
vertheilt enthalten sind, sich in einer Schicht rings um die Erde herum gesammelt
denkt, so würden diese Gase, wenn sie dieselbe Dichte wie an der Meeresfläche
hätten, die Kohlensäure etwas mehr als acht Fuß, das Ammoniakgas kaum zwei Linien
Höhe haben; beide werden beim Wachsen der Pflanze der Luft entzogen, und die
Atmosphäre wird natürlich ärmer daran.
Wäre die ganze Oberfläche der Erde eine zusammenhängende Wiese, von welcher jährlich
auf einem Hectare 100 Centner Heu geerntet werden könnten, so würde in 21 bis 22
Jahren die Atmosphäre von aller darin vorhandenen Kohlensäure durch die
Wiesenpflanzen beraubt seyn, und alles Leben würde damit ein Ende haben; die Luft
würde aufhören für die Pflanzen fruchtbar zu seyn, d.h.
eine unentbehrliche Lebensbedingung für ihre Entwickelung darzubieten.
Wir wissen, daß für die ewige Dauer des organischen Lebens gesorgt ist; der Mensch
und die Thiere leben von dem Pflanzenleib; alle organischen Wesen haben nur ein
vorübergehendes, verhältnißmäßig kurzes Bestehen; in dem Lebensproceß der Thiere
verwandelt sich die Nahrung die ihn unterhält, in das was sie ursprünglich war; eine
ganz gleiche Veränderung wie die Nahrung erleiden die Leiber aller Thiere und
Pflanzen nach ihrem Tode; ihre verbrennlichen Elemente werden in Kohlensäure und
Ammoniak zurückgeführt; beide sind ihrer Natur nach gasförmig, und kehren in das
Luftmeer zurück, wo sie zur Bildung und Entwickelung eines neuen Geschlechtes
dienen.
Die Dauer des organischen Lebens ist, wie man sieht, in Beziehung auf die
verbrennlichen Elemente, aus denen der Pflanzen- und Thierleib sich bildet,
auf das engste geknüpft an die Wiederkehr dieser Bedingungen; für diese hat der
Schöpfer einen großen Kreislauf eingerichtet, an welchem der Mensch sich betheiligen
kann, der aber ohne sein Zuthun sich erhält.
Da wo die Nahrung in der Form von Korn und Feldfrüchten auf dem Boden sich anhäuft
und wächst, sind nahe dabei Menschen und Thiere die sie verzehren, und welche durch
das zwingende Naturgesetz ihrer eigenen Erhaltung diese Nahrung immer wieder zurück
in die ursprünglichen Nahrungselemente verwandeln. Die Luft ruht nie, sie ist immer,
auch wenn nicht der leiseste Wind weht, auf- oder absteigend in Bewegung; was
sie an Pflanzennahrungsstoff verlor, empfängt sie sogleich an einem andern Ort aus
immerfließenden Quellen wieder.
Aus diesen thatsächlichen Verhältnissen ergibt sich, daß der Landwirth nur selten in
die Lage kommen kann, für die Herbeischaffung der atmosphärischen Nahrungsmittel
seiner Culturpflanzen Sorge tragen zu müssen, weil ein großes Naturgesetz dafür
gesorgt hat, und weil dieses Gesetz dafür sorgt, auch wenn er, wie der Forstwirth,
auf dessen Feldern sich eben so viel, oft weit mehr, an verbrennlichen
Pflanzenstoffen jährlich anhäuft, als wie der Landwirth auf gleicher Bodenfläche
erntet, sich nicht im mindesten darum den Kopf zerbricht.
Wenn der Landwirth demnach wahrnimmt, daß sein Korn, seine Rüben nicht gedeihen
wollen, so muß er zunächst den Grund seiner geringen Ernte nicht in dem Mangel an
Kohlensäure und Ammoniak suchen, und den Beweis, daß es daran nicht gefehlt hat,
findet er leicht, wenn er nur den guten Willen hat ihn aufzusuchen, denn ein Blick
auf die nächsten Felder zeigt ihm, daß dort der Klee z.B. recht gut gedeiht, was er
nicht könnte wenn er nicht hinreichende Nahrung fände; es ist nun unmöglich
vorauszusetzen, daß die über dem Korn- und Kleefeld schwebende Luftsäule dem
Klee mehr Kohlensäure und Ammoniak darbieten könne als der Kornpflanze, und ganz
dasselbe findet für den Boden statt; auf dem nämlichen Boden, auf welchem er einen
sehr geringen Ertrag an kohlenstoff- und stickstoffreichen Stoffen in Korn
und Stroh hatte, erntet er, ohne ihm etwas zu geben, wenn er eine Futterpflanze
darauf baut, das Vier- und Sechsfache an diesen Bestandtheilen.
Die Quelle, welche diese Elemente geliefert hat, war demnach für beide
Pflanzengattungen offen, und floß; das Nichtgedeihen der Kornpflanzen liegt also
nicht an einem Mangel an atmosphärischen Nahrungsstoffen;
es war im Gegentheil so viel davon vorhanden, daß die Kornpflanze vier- und sechsmal mehr
hätte aufnehmen können, aber dieser Ueberschuß war wirkungslos für sie.
Ein Nahrungsstoff ist wirkungslos, wenn ein einziger der andern Nahrungsstoffe fehlt,
welche Bedingungen seiner Wirksamkeit sind. Es fehlte nicht an atmosphärischen
Nahrungsstoffen, und es muß demnach der Grund des Nichtgedeihens der Kornpflanze in
etwas anderm liegen, und das nächste ist, denselben im Boden zu suchen. Die
Futtergewächse und die Kornpflanzen bedürfen zu ihrer Entwickelung die nämlichen
Bodenbestandtheile, aber in sehr ungleichen Verhältnissen. Das Gedeihen der
Futterpflanze beweist, daß sie in der Luft und im Boden ein für ihre Ernährung
entsprechendes Verhältniß von atmosphärischen Nahrungsstoffen und
Bodenbestandtheilen vorgefunden hat. Das Nichtgedeihen der Kornpflanze weist darauf
hin daß für sie im Boden etwas gefehlt hat. In allen Fällen des Nichtgedeihens einer
Kulturpflanze muß hiernach der nächste Grund im Boden, und nicht in einem Mangel an
atmosphärischen Nahrungsstoffen gesucht werden.
Wie wirkt nun der Boden, und in welcher Weise nehmen seine Bestandtheile Theil an der
Vegetation?
Wir wollen diese Frage jetzt einer näheren Untersuchung unterziehen.
Der Ernährungsproceß ist ein Aneignungsproceß der Nahrung; eine Pflanze wächst, indem
sie an Masse zunimmt, und ihre Masse vermehrt sich, indem die Bestandtheile der
Nahrung zu Bestandtheilen des Pflanzenkörpers werden. Aus der Kohlensäure entsteht
z.B. der Zucker, die Kieselsäure wird zu einem Bestandtheil des Stengels, das Kali
ist im Saft, die Phosphorsäure, Kali, Kalt, Bittererde werden zu Bestandtheilen des
Samens.
In der Wirkung eines Nahrungsstoffes hat man zu unterscheiden die Raschheit, oder Schnelligkeit, von der Dauer seiner Wirkung.
Im Allgemeinen hängt die Wirkung ab von der Summe der vorhandenen wirkenden Theile,
entsprechend der Menge, welche überhaupt von der Pflanze in einer Vegetationsperiode
aufnehmbar ist, und aufgenommen wird; ein Mangel vermindert die Ernte, aber ein
Ueberschuß erhöht sie nicht über eine gewisse Gränze hinaus. Der Ueberschuß wirkt in
der nächsten Vegetationsperiode; die Dauer der Ernten richtet sich nach dem Rest der
nach jeder Vegetationsperiode im Boden bleibt; ist der Rest zehnmal größer als eine
volle Ernte bedarf, so reicht er aus für zehn volle Ernten in zehn Jahren.
Ein Körper, z.B. ein Stück Zucker, löst sich um so rascher
in einer Flüssigkeit, je feiner es gepulvert ist: durch
das Pulvern wird seine Oberfläche, und damit die Anzahl der Theilchen vergrößert,
die in
einer gegebenen Zeit mit der Flüssigkeit in Berührung
kommen, die sie auflöst; in allen chemischen Actionen dieser Art geht die Wirkung
von der Oberfläche aus; ein Nahrungsmittel, welches sich im Boden befindet, wirkt
durch seine Oberfläche, was unterhalb der Oberfläche liegt, ist wirkungslos, weil es
nicht auflöslich ist; je mehr in einer gegebenen Zeit von der Pflanze davon
aufgenommen wird, desto wirksamer ist es in dieser Zeit. Fünfzig Pfund Knochen
können je nach dem Grad ihrer Zertheilung so viel in einem Jahr wirken, wie hundert,
zweihundert oder dreihundert Pfund in grobem Pulver, das letztere ist nie
wirkungslos, aber um zu wirken, das ist um sich aufzulösen, braucht es längere Zeit;
die Wirkung ist geringer, hält aber länger an.
Um die Wirkung des Bodens und seiner Bestandtheile auf die Vegetation richtig zu
verstehen, muß man fest im Auge behalten, daß die darin enthaltenen Nahrungsmittel
immer wirkungsfähig, wiewohl nicht immer wirksam sind: sie sind immer bereit in den
Kreislauf zu treten, wie ein Mädchen zum Tanz, aber es gehört ein Tänzer dazu.
Acht Stoffe hat der Landwirth im Boden nöthig, wenn alle seine Pflanzen gedeihen,
wenn seine Felder die höchsten Erträge liefern sollen. Manche davon, aber nicht
alle, sind stets und in Menge darin vorräthig, drei sind den meisten Feldern nur
geliehen. Um sein Korn zu ziehen, hat er sieben, für sein Futter acht gesunde
kräftige Pferde nöthig; drei davon sind Vorspann, nur die andern bleiben sein; ist
nur eins davon schwach und krank, so bleiben sie auf halbem Wege stecken; wenn eins
fehlt, so machen sie keinen Schritt. Acht Ringe hat die Kette um sein Rad; ist einer
davon schwach, so reißt die Kette bald, der fehlende ist immer der Hauptring, ohne
den das Rad die Maschine nicht bewegt. Die Stärke der Kette bedingt der schwächste
von den Ringen.
Wir haben geglaubt, daß die Pflanzen ihre Nahrung aus einer Lösung empfangen; daß die
Schnelligkeit ihrer Wirkung mit ihrer Löslichkeit in nächster Beziehung stehe. Durch
das Regenwasser im Verein mit der Kohlensäure würden die wirksamen Bestandtheile
derselben den Pflanzenwurzeln zugeführt. Die Pflanze sey wie ein Schwamm, der zur
Hälfte in der Luft, zur Hälfte im feuchten Boden stehe; was der Schwamm durch die
Verdunstung in der Luft verliere, sauge er unaufhörlich wieder aus dem Boden auf.
Aus den Blättern verdunstete das durch die Wurzeln aufgenommene Wasser, die Wurzeln
empfingen das verlorne Wasser aus dem Boden wieder; was in dem Wasser gelöst sey,
gehe mit den Wassertheilchen in die Wurzeln über; die Pflanze eigne sich das Gelöste
im Ernährungsproceß an, der Boden und die Pflanze seyen beide passiv.
Wir haben gelehrt, daß ein Nahrungsmittel in dem Boden, entfernt von jeder
Wurzelfaser, die Pflanze ernähren könne, wenn sich zwischen der Faser und dem
Nahrungsstoff Wassertheilchen befänden, die denselben aufzulösen vermögen. In Folge
der Verdunstung durch die Blätter saugen die Wurzeln die Wassertheilchen auf, die in
dieser Weise alle zusammen eine Bewegung nach der Wurzelfaser hin empfangen; mit den
Wassertheilchen bewege sich der gelöste Stoff. Das Wasser, so glaubten wir, ist der
Karren der die entfernten Bodenbestandtheile in die Nähe, und in unmittelbare
Berührung mit der Pflanze bringt.
Wenn 4000 Pfd. Körner und 10,000 Pfd. Stroh 100 Pfd. Kali und 50 Pfd. Phosphorsäure
zu ihrer Entwickelung bedürfen, und ein Hectare Feld diese 100 Pfd. Kali und 50 Pfd.
Phosphorsäure in löslichem aufnehmbarem Zustande enthält, so reichen diese Mengen zu
diesem Ernteertrag hin; enthält das Feld doppelt oder hundertmal so viel, so
erwarten wir zwei oder hundert Ernten, so haben wir gelehrt.
Alles dieß ist ein großer unheilvoller Irrthum
gewesen.
Wir haben aus der Wirkung, welche das Wasser und die Kohlensäure auf das Gestein
ausüben, auf die Wirkung beider auf die Ackererde geschlossen, aber dieser Schluß ist falsch.
Es gibt in der Chemie keine wunderbarere Erscheinung, keine welche alle menschliche
Weisheit so sehr verstummen macht, wie die, welche das Verhalten eines für den
Pflanzenwuchs geeigneten Acker- oder Gartenbodens darbietet.
Durch die einfachsten Versuche kann sich jeder überzeugen, daß beim Durchfiltriren
von Regenwasser durch Ackererde oder Gartenerde dieses Wasser keine Spur von Kali, von Kieselsäure, von Ammoniak, von Phosphorsäure
auflöst, daß die Erde von allen den Pflanzennahrungsstoffen, die sie enthält, kein
Theilchen an das Wasser abgibt, daß das Wasser nichts davon hinwegnimmt. Der
anhaltendste Regen vermag dem Felde, außer durch mechanisches Hinwegschwemmen, keine
von den Hauptbedingungen seiner Fruchtbarkeit zu entziehen.
Die Ackerkrume hält aber nicht nur fest was von Pflanzennahrungsstoffen einmal in ihr
ist, sondern ihr Vermögen den Pflanzen zu erhalten was diese bedürfen, reicht noch
viel weiter. Wenn Regen- oder ein anderes Wasser, welches Ammoniak, Kali, Phosphorsäure, Kieselsäure in aufgelöstem
Zustand enthält, mit Ackererde zusammengebracht wird, so verschwinden diese Stoffe
beinahe augenblicklich aus der Lösung; die Ackererde entzieht sie dem Wasser. Und
nur solche Stoffe werden dem Wasser von der Ackererde vollständig entzogen, welche
unentbehrliche Nahrungsmittel für die Pflanzen sind, die
andern bleiben ganz oder zum größten Theil gelöst.
Füllt man einen Trichter mit Ackererde, und gießt auf diese Erde eine Auflösung von
kieselsaurem Kali (Kaliwasserglas), so läßt sich in dem abfließenden Wasser keine
Spur von Kali und nur unter gewissen Umständen Kieselsäure entdecken.
Löst man frisch gefällten phosphorsauren Kalk oder phosphorsaure Bittererde in Wasser, welches mit Kohlensäure gesättigt ist, und läßt diese Lösungen in
gleicher Weise durch Ackererde durchfiltriren, so enthält das abfließende Wasser
keine Spur von Phosphorsäure. Eine Auflösung von
phosphorsaurem Kalk in verdünnter Schwefelsäure oder von
phosphorsaurem Bittererde-Ammoniak in
kohlensaurem Wasser verhält sich auf gleiche Weist. Die Phosphorsäure des
phosphorsauren Kalks, die Phosphorsäure und das Ammoniak des Bittererdesalzes
bleiben in der Erde zurück.
Die Kohle verhält sich gegen manche lösliche Salze ähnlich; sie nimmt Farbstoffe und
Salze aus Flüssigkeiten in sich auf, es liegt nahe, den Grund der Wirkung beider in
einerlei Ursache zu suchen; bei der Kohle ist es eine chemische Anziehung, die von
der Oberfläche ausgeht, aber bei der Ackererde nehmen ihre Bestandtheile an ihrer
Wirkung Theil, und sie ist deßhalb in vielen Fällen eine ganz andere.
Kali und Natron stehen sich bekanntlich in ihrem chemischen Verhalten ganz
außerordentlich nahe, und auch ihre Salze haben viele Eigenschaften mit einander
gemein. Chlorkalium z.B. hat dieselbe Krystallgestalt wie Kochsalz, in Geschmack und
Löslichkeit sind sie wenig verschieden. Ein Ungeübter unterscheidet beide kaum, aber
die Ackerkrume unterscheidet sie vollkommen.
Wenn man Kochsalz durch Ackererde filtriren läßt, so läuft eben so viel Chlornatrium
ab als man aufgegossen hat, aber eine Chlorkaliumlösung wird zersetzt, das Kalium
bleibt in der Erde, das Chlor fließt als Chlorcalcium hindurch. Bei dem Kalium fand
mithin ein Austausch statt, bei dem Natrium nicht. Das Kali ist ein Bestandtheil
aller unserer Landpflanzen, das Natron findet sich nur ausnahmsweise in den Aschen.
Bei schwefelsaurem und salpetersaurem Natron werden von dem Natron nur Spuren
zurückgehalten, bei schwefelsaurem und salpetersaurem Kali bleibt alles Kali in der
Erde zurück. Besonders zu diesem Zweck angestellte Versuche haben gezeigt, daß 1
Liter = 1000 Kubik-Centimeter Gartenerde (reich an Kalk) das Kali aus 2025
Kubikcentimeter kieselsaurer Kalilösung aufnehmen, welche auf 1000 Kub. Cent. 2,78
Gramme Kieselsäure und 1,166 Gramme Kali enthielt, und es berechnet sich hieraus, daß 1 Hectare Feld
von derselben Beschaffenheit auf 1/4 Meter (= 10 Zoll) Tiefe einer gleichen Lösung
über 10,000 Pfd. Kali entziehen und für den Bedarf der Pflanzen festhalten würde.
Ein in gleicher Weise angestellter Versuch mit einer Auflösung von phosphorsaurem Bittererde-Ammoniak in kohlensaurem
Wasser zeigte, daß ein Hectare Feld 5000 Pfd. von diesem Salz einer solchen Lösung
entziehen würde. Ein Lehmboden (arm an Kalk) verhielt sich auf gleiche Weise.
Dieß gibt einen Begriff von der mächtigen Wirkung der Ackererde, von der Stärke ihrer
Anziehung gegen drei Hauptnahrungsstoffe unserer Kulturpflanzen, die für sich bei
seiner großen Löslichkeit in reinem und kohlensaurem Wasser, besäße die Ackererde
diese Eigenschaft nicht, im Boden nicht erhalten werden könnten.Diese Versuche sind so einfach und leicht auszuführen, daß sie sich zu
Collegienversuchen eignen. Zu beachten dabei ist, daß sich beim
Durchfiltriren leicht Canäle bilden, durch welche die vollständige Berührung
der Flüssigkeit mit der Erde verhindert wird; es ist deßhalb nöthig sehr
verdünnte Auflösungen zu nehmen, von dem kieselsauren Kali, Chlorkalium etc.
1 Theil Substanz auf 500 Wasser. Die anderen, wie phosphorsaurer Kalk in
kohlensaurem Wasser, können in gesättigter Lösung verwendet werden. Meistens
zeigt in dem ersten Filtrat bei letzteren Salzen die Molybdänsäureprobe
schon keine Phosphorsäure mehr an; beim einfachen Mischen von einer
Bodenart, mit einer auf Curcuma deutlich alkalisch reagirenden Lösung von
kieselsaurem Kali, verliert dieselbe augenblicklich diese Reaction. Was die
Thatsachen selbst betrifft, so wurde das Absorptionsvermögen der Ackererde
für Ammoniak von Thomson, das für einige Kalisalze von Way bereits beobachtet; die anderen Thatsachen sind Resultate
einer in der letzten Zeit erst beendigten Untersuchung. L. (Der Verfasser
hat diese Untersuchung im Januarheft 1858 seiner Annalen der Chemie und
Pharmacie Bd. CV S. 109 veröffentlicht.)
Aus gefaultem Harn, Mistjauche mit vielem Wasser verdünnt,
oder Gülle, oder aus einer Auflösung von Guano in Wasser nimmt Ackererde alles darin enthaltene Ammoniak, alles Kali und
alle Phosphorsäure auf, und wenn die Menge der Erde
genügte, so enthält das abfließende Wasser keine Spuren mehr davon.
Die Eigenschaft der Ackerkrume Ammoniak, Kali, Phosphorsäure, Kieselsäure ihren
Auflösungen zu entziehen, ist begränzt; jede Bodenart besitzt dafür eine eigene
Capacität; bringt man diese Lösungen damit in Berührung, so sättigt sich die Erde
mit dem gelösten Stoff, ein Ueberschuß desselben bleibt alsdann in Lösung, und kann
mit den gewöhnlichen Reagentien nachgewiesen werden. Der Sandboden absorbirt bei
gleichem Volum weniger als der Mergelboden, dieser weniger als Thonboden. Die
Abweichungen in der absorbirten Menge sind aber eben so groß wie die
Verschiedenheiten der Bodensorten selbst. Man weiß, daß keiner dem andern gleich ist; es ist nicht
unwahrscheinlich, daß gewisse Eigenthümlichkeiten in der landwirthschaftlichen
Cultur mit dem ungleichen Absorptionsvermögen der verschiedenen Bodenarten für einen
der genannten Stoffe in einer bestimmten Beziehung stehen, und es ist nicht
unmöglich, daß wir durch die nähere Ermittelung derselben ganz neue und unerwartete
Anhaltspunkte zur Beurtheilung des landwirthschaftlichen Werthes oder der Güte der
Felder gewinnen.
Bemerkenswerth ist die Wirkung einer Erde auf diese Lösungen, welche reich an
organischen Materien ist. Ein an organischen Materien armer Thon- oder
Kalkboden entzieht der Lösung von kieselsaurem Kali alles Kali und alle Kieselsäure;
der an organischen Materien, an sogenanntem Humus, reiche entzieht das Kali, aber
die Kieselsäure bleibt in der Flüssigkeit gelöst zurück. Dieses Verhalten erinnert unwillkürlich an die
Wirkung, welche verwesende Pflanzenüberreste im Boden auf die Entwickelung der
Pflanzen ausüben, die große Mengen von Kieselsäure bedürfen, wie die Halmgewächse,
Schilf und Schachtelhalm, welche letzteren in sogenanntem saurem Moor- und
Wiesenboden vorherrschen; wird dieser Boden gekalkt, so verschwinden bekanntlich
diese Pflanzen und machen den besseren Futtergewachsen Platz.
Der Versuch zeigt, daß die nämliche an humosen Stoffen reiche Garten- und
Walderde, welche der Lösung des kieselsauren Kali keine Kieselsäure entzogen hat,
diese Eigenschaft augenblicklich gewinnt, wenn man sie vor dem Zusammenbringen mit
dem Silicat mit etwas gelöschtem Kalk mischt; es bleiben alsdann beide
Bestandtheile, Kieselsäure und Kali, in der Erde zurück.
Wenn aber die Ackererde das Ammoniak, das Kali, die Phosphorsäure, die
Kieselsäure ihren Lösungen in Wasser entzieht, so ist es
unmöglich, daß das Regenwasser, welches auf die Erde fällt, der Ackererde diese Stoffe entziehen kann. Der Boden enthält
diese Stoffe in unlöslichem, aber in einem für die Aufnahme durch die Wurzeln
geeigneten Zustand; die Wurzelfasern greifen den Stein direct an, durch sie
empfangen die in der Ackerkrume vorhandenen Nahrungsstoffe die ihnen fehlende
Löslichkeit und Uebergangsfähigkeit in die Pflanze.
In diesen Thatsachen erkennen wir eines der merkwürdigsten Naturgesetze. An der äußersten Erdkruste soll sich das organische Leben
entwickeln, und die weiseste Einrichtung gibt ihren Trümmern das Vermögen, alle
diejenigen Nahrungsstoffe aufzusammeln und festzuhalten, welche Bedingungen
desselben sind. Dieses Vermögen bewahrt auch in den scheinbar ungünstigsten
Verhältnissen dem fruchtbaren Boden die darin enthaltenen oder gegebenen Bedingungen seiner
Fruchtbarkeit. In der Umgebung von München z.B. haben Tausende von Tagwerken eine
nur 6 Zoll hohe Ackerkrume auf einem Untergrund von Rollsteinen, der das Wasser
gleich einem Siebe durchläßt. Wären seine oder die Bestandtheile des Düngers die ihm
gegeben worden, löslich in Regenwasser, so würde längst keine Spur mehr darin zu
finden seyn; ohne dieß Vermögen würden dessen Bestandtheile für sich unfähig seyn,
der auflösenden Kraft der Atmosphäre und des Regens zu widerstehen.
Empfiengen die Pflanzen ihre Nahrung aus einer Lösung, so würden sie in Folge der
Verdunstung durch die Blätter aufnehmen müssen, nicht was sie bedürfen, sondern was
die Lösung enthält und ihnen zuführt; ihre Ernährung wäre gänzlich abhängig von
äußeren Ursachen. Es ist jetzt mehr als wahrscheinlich, daß die große Mehrzahl der
Culturpflanzen darauf angewiesen ist, ihre Nahrung direct von den Theilen der
Ackerkrume zu empfangen, welche mit den aufsaugenden Wurzeln sich in Berührung
befinden, und daß sie absterben, wenn ihnen die Nahrung in einer Lösung zugeführt
wird. Die Wirkung concentrirter Dungmittel, durch welche,
wie der Landwirth sagt, die Saat verbrennt, scheint damit
in Beziehung zu stehen.
Aus dem Verhalten der Ackerkrume geht hervor, daß die Pflanze in der Aufnahme ihrer
Nahrung selbst eine Rolle spielen muß; die Verdunstung durch die Blätter wirkt
unzweifelhaft mit, aber in dem Boden besteht eine Polizei, welche die Pflanze vor
einer schädlichen Zufuhr schützt. Was der Boden darbietet, kann nur in die Pflanze
übergehen, wenn eine innere in der Wurzel thätige Ursache mitwirkt, an das Wasser allein gibt der Boden nichts ab; welches
die Ursache und die Art ihrer Wirkung ist, muß noch näher ermittelt werden; hierüber
angestellte Versuche zeigen, daß Gemüsepflanzen mit ihren Wurzeln so viel als
möglich ohne Beschädigung derselben aus dem Boden genommen, welche man in neutraler
blauer Lackmustinctur vegetiren läßt, diese Flüssigkeit roth färben; die Wurzeln
scheiden hienach eine Säure aus; beim Kochen wird die geröthete Tinctur wieder blau,
diese Säure ist demnach Kohlensäure.