Titel: | W. O. Watson's Nähmaschine. |
Fundstelle: | Band 147, Jahrgang 1858, Nr. CXVI., S. 406 |
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CXVI.
W. O. Watson's
Nähmaschine.
Mit Abbildungen auf Tab.
VII.
Watson's Nähmaschine.
Seit etwa sechs Jahren haben die Nähmaschinen angefangen in den Vereinigten Staaten
Aufsehen zu machen, und sie sind unterdeß auch in England und Frankreich (weniger in
Deutschland) in ziemlicher Ausdehnung in Gebrauch gekommen. Damals glaubte man
allgemein, durch diese Maschinen werden die Schneider und namentlich die Näherinnen
Noth leiden; es hat sich jedoch letzten Winter
gezeigt, daß diese Classe von Arbeitern in der Stadt New-York nicht
abgenommen hat, indem die Anzahl der durch die Geldkrise außer Arbeit gekommenen
Schneider männlichen und weiblichen Geschlechts auf 10 bis 20,000 geschätzt wurde.
Und dieß trotz dem, daß derjenige Mann allein, welcher am meisten zur Einführung der
Nähmaschinen beitrug (sein Name ist Singer), in
gewöhnlicher Zeit bis zu 120 Menschen in seiner Werkstätte beschäftigt, wo nichts
als Nähmaschinen gebaut werden, und außerdem hat es in der Stadt New-York und in andern
Städten noch viele größere und kleinere Werkstätten, worin solche Maschinen von den
verschiedensten Arten, gemacht werden.
Die Nähmaschinen zerfallen in zwei große Hauptclassen; erstens solche, die mit zwei
Fäden arbeiten, und zweitens solche, die mit einem Faden arbeiten. Die Nadeln sind
bei allen bis jetzt in einiger Ausdehnung eingeführten Maschinen gerade oder
gebogene, vorne zu einer scharfen Spitze auslaufende Stücke Stahldrahtes, nicht
unähnlich den gewöhnlichen Nadeln; nur befindet sich das Oehr nahe an der Spitze.
Die Nadel wird nicht wie beim Nähen von Hand ganz durch den Zeug durchgezogen,
sondern sie geht bloß ein Stück weit durch den Zeug, der auf einem kleinen Tische
ruht, hindurch, wobei der in dem nahe an der Spitze befindlichen Oehr gehaltene
Faden ebenfalls eine Strecke weit durch den Zeug durchgeführt wird. Wenn nun die
Nadel wieder zurückgeht, so wird der unterhalb befindliche Theil des Fadens von dem
Zeug etwas zurückgehalten, und es bildet sich eine Schleife. Bei Maschinen, die mit
2 Fäden arbeiten, wird durch diese Schleife im geeigneten Augenblick ein anderer
Faden durchgeführt, und dann die Nadel vollends in die Höhe gezogen, wobei sich
Stiche verschiedener Art bilden, je nach der Art und Weise, wie dieser zweite Faden
durch die Schleife (Schlinge) des ersten Fadens durchgeführt wird.
Bei Maschinen mit einem Faden dagegen wird diese Schleife unter dem Zeuge gehalten,
während dieser etwas vorgeschoben wird und der zum zweitenmal herabsteigenden Nadel
eine andere Stelle zum Durchgang darbietet, und zwar geschieht dieß auf eine solche
Weise, daß die Nadel durch die unterhalb des Zeuges gehaltene Schleife durchgeht.
Der hier gebildete Stich ist der „Kettenstich“, zwar zu starken
Nähereien nicht geeignet, aber dennoch zu vielen Zwecken hinreichend stark
genug.
Die im Folgenden beschriebene Maschine ist eine solche der zweiten Gattung, und es
wird vielleicht später Gelegenheit geben, auch eine der zusammengesetzteren ersten
Gattung mit zwei Fäden zu beschreiben.
Die Hauptsache worauf es bei diesen Maschinen ankommt, ist das richtige
Vorwärtsschieben des Zeuges (die Speisevorrichtung) und das gehörige Halten der
Schleife, so daß die Nadel nie verfehlt durch die Schleife zu gehen und dennoch der
gemachte Stich beim darauffolgenden Herabsteigen der Nadel vollständig angezogen
wird.
Die Zeichnung stellt in natürlicher Größe in der Fig. 10 eine
Seitenansicht der Maschine, theilweise im Durchschnitt vor; Fig. 11 ist eine untere
Ansicht des Tisches mit der Vorrichtung, die Schleife zu halten; Fig. 12 und 13 stellen
verschiedene Stellungen dieser Vorrichtung vor.
Ein hübsch geformtes Gestell C trägt mittelst der Füße
B den Tisch A, auf
welchem der Zeug in besonderen Linien dargestellt ist. Auf dem hintern Ende des
Gestelles C erhebt sich ein Ständer D, von welchem sich ein Arm E' nach vorne zu erstreckt. Dieser Arm trägt den Fuß r', welcher dazu dient, den Zeug gegen den Tisch
anzudrücken, ohne jedoch zu verhindern, daß der Zeug nach einer Richtung hin auf dem
Tisch verschoben werden kann. Ein zweiter Arm E ist um
einen Stift a am Ständer D
drehbar, und dieser Arm trägt am hintern Ende die Fadenrolle T und am vordern Ende ist mittelst einer Schraube n* die Nadel e darin befestigt.
Der untere Theil des Armes E ist abwärts gebogen, und
endet in einem länglichen Ringe g*, welcher eine auf der
Hauptachse F aufgesteckte excentrische Scheibe G umspannt. Auf der Achse F
stecken zwei weitere Scheiben H und I. Die Scheibe H bewegt
einen Hebel H*, welche sich in einer passend
angebrachten Gabel y dreht, und mit der
Speisevorrichtung j in Verbindung steht. Zum Speisen
oder Vorschieben des Zeuges dient ein gezacktes Rad j,
welches in der Zeichnung theilweise im Durchschnitt dargestellt ist. In der
Vertiefung dieses Rades und auf derselben Achse steckt ein kleines Sperrrad, welches
fest mit dem Speiserad j verbunden ist, und worin ein am
vorderen Ende des Hebels H* angebrachter Sperrhaken
greift. Eine Feder drückt das vordere Ende dieses Hebels abwärts und hält den
Sperrhafen in Eingriff mit dem Sperrrade. Das hintere Ende des Hebels H* steht gegen eine von oben herabkommende Schraube g' an, und durch diese Schraube wird die Speisung und
damit die Länge des Stiches regulirt. Das Speiserad j
steht durch eine im Tische A angebrachte Oeffnung weit
genug über die Oberfläche dieses letztern hervor, um eine sichere Wirkung auf den
Zeug auszuüben.
Die zweite Scheibe I, welche auf der Hauptachse F steckt, ist herzförmig ausgeschnitten und ein Haken
i wird vermöge einer Feder b gegen dieselbe angedrückt. Das obere Ende dieses Hakens läuft unter dem
Tische hin, und wird durch ein Lager k und eine in einem
Schlitz l laufende Schraube m geführt. Ein Hebelarm i¹ ist mittelst
einer Schraube i² an den Haken i, Fig. 11 angeschraubt, so
daß er sich leicht drehen kann und ein kleiner Hebel f',
welcher sich um einen Stift h dreht, ist durch einen
Stift j mit dem vordern Ende des Hakens i in Verbindung gesetzt. Ein ähnlicher Hebel g' ist durch einen in einem schrägen Schlitz p' laufenden Stift p mit dem
Arm i' in Verbindung gesetzt, und wird durch die in dem
Schlitz n' laufende Schraube n geführt, und mittelst einer gegen einen vorstehenden Stift q wirkenden Feder nach hinten gedrückt. Die beiden Hebel f' und g' sind an den Enden
mit kleinen Haken fund g versehen.
Die Operation geschieht folgendermaßen:
Der Faden wird von der Rolle T durch eine Oeffnung im
obern Ende des Armes E und von dort durch das Oehr der
Nadel c gezogen und das Ende mit der einen Hand
gehalten. Der Zeug wird aufgelegt und die Maschine in Bewegung gesetzt. Die
excentrische Scheibe G* drückt den Ring G abwärts, und bringt die Nadel mit dem Faden herab.
Während des Herabgehens liegt der Faden genau an der Nadel an, sobald aber die Nadel
durch weiteres Drehen der Scheibe G* anfängt
zurückzugehen, bildet der Faden eine Schleife, Fig. 10. In diesem
Augenblick fängt die herzförmige Scheibe I an den Haken
i vorwärts zu schieben in der Richtung des Pfeiles
5, und die Haken g und f
bewegen sich dadurch in der Richtung der Pfeile 6 und 7 und des Pfeiles 4. Sie
kommen in die Stellung Fig. 13 und greifen
während dieser Bewegung in die Schleife des Fadens und halten diese in der Stellung
wie Fig. 13
zeigt. Unterdeß ist die Nadel ganz hinaufgegangen, die Scheibe H hat den Speiseapparat bewegt und die Nadel kommt
wieder herab, während die Haken f und g die Schleife so lange halten, bis die Nadel in
dieselbe eingedrungen ist. Erst dann erreicht die Scheibe I eine solche Stellung, daß die Haken f und
g vermöge der Federn b
und c in die ursprüngliche Lage Fig. 12 zurückkehren. Die
Nadel geht dann vollends herab und zieht die Schleife fest um sich herum. Es bildet
sich eine zweite Schleife, welche auf gleiche Weise von den Haken f und g gefaßt und gehalten
wird, wobei zugleich der vorhergehende Stich fest angezogen wird, und wenn mit der
Operation fortgefahren wird, so bildet sich der unter dem Namen
„Kettenstich“ bekannte Stich, wobei der Faden oberhalb auf
dem Zeug in geraden gleichförmigen Stichen, unterhalb in kleinen, kettenförmigen
Gliedern erscheint.
Die hier gegebene Maschine hat den Vorzug, daß sie wohlfeil hergestellt werden kann,
und daß durch die Wirkung der Haken f und g die Stiche regelmäßig und dicht werden, ohne dabei den
Faden über Gebühr anzustrengen. Sie ist die Erfindung von W. C. Watson und wurde im December 1857 für die Vereinigten
Staaten patentirt.
New-York, im Januar 1858.
W. Hauff.