Titel: | Miscellen. |
Fundstelle: | Band 147, Jahrgang 1858, Nr. , S. 150 |
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Miscellen.
Miscellen.
Die Isarbrücke bei Großhesselohe.
Die Eisenbahn von München nach Rosenheim überschreitet in einer dritthalbstündigen Entfernung von München
das Thal der Isar, in einer Höhe von 106 1/2. Fuß über dem niedrigsten
Wasserspiegel. Der Thalgrund ist daselbst 820 Fuß breit, und in dieser Breite
bewegten sich ehedem die Hochfluthen der Isar, welche, nach Art aller ungeregelten
Gebirgsströme, bald da, bald dort ihr Rinnsal eingrub. Der Bau der
München-Rosenheimer Bahn wurde bekanntlich anfänglich von einem
Eisenbahnverein in Angriff genommen, und es beschränkte sich die Thätigkeit dieses
Vereins auf den Beginn der Fundation der Brücke. Oekonomische Gründe veranlaßten den
Verein, die Brücke auf drei Oeffnungen und eine gesammte lichte Weite von 300 Fuß zu
beschränken; aus Sparsamkeit unterließ man es auch den Fluß auf eine genügende Länge
von oben herab gerade auf die Brücke zu leiten. Unsere Gebirgsschöne ließ sich aber
die angelegte Einengung nicht gefallen. Bei dem Hochwasser vom Juni 1853 bewirkte
die durch einen Aufstau von drei Fuß hervorgerufene heftige Strömung in schräger
Richtung gegen die Brücke, daß ein Pfeiler unterspült wurde, und abgetragen werden
mußte.
Dieser Unfall veranlaßte die k. Baubehörde, in deren Hände nach Auflösung des Vereins
der Bahnbau gelangte, den Hochwassern der Isar eine Abflußbreite von 544 Fuß zu
geben, und den Lauf derselben, schon von 3500 Fuß oberhalb der Brücke an, durch
solide Steinbauten zu reguliren. Den Rest der Thalbreite nehmen die Pfeiler und
Widerlager, dann eine Dammschüttung ein. Dem Sachverständigen mag es wohl auffallen,
daß man die Oeffnungen so ungleich vertheilte; denn 92 1/4 Fuß ist die Weite der
beiden Seitenöffnungen, und 180 Fuß jene der beiden Mittelöffnungen, deren eine den
gewöhnlichen Flußlauf einnimmt. Es geschah dieses um die noch unversehrten Theile
der frühern Anlage thunlichst zu benützen.
In der Stadt München pflegt man bei massiven Brücken das Flußbett auf seine ganze Breite mit Spundwänden zu durchziehen, und in die
Oeffnung gut verwahrte Gießbette einzulegen. Daß diese Regel in Großhesselohe nicht
befolgt wurde, hat viele Wohlmeinende beunruhigt, zumal da schon ein Unfall
vorausgegangen war. Welchen Motiven das in ziemlich regelmäßigen Perioden
wiederkehrende Gerücht, ein Pfeiler sey gesunken, entsprungen seyn mag, wollen wir
ununtersucht lassen. Es genügt uns anzuführen, daß die Pfeiler und Widerlager
unversehrt stehen, ungeachtet nur drei Oeffnungen sorgfältig mit Spundwänden durchzogen und verwahrt
sind; die vierte, die Floßfahrtöffnung, aber gar nicht. Die Gründung hat schon öfter
ziemlich bedeutende Hochwasser, namentlich jenes vom 12 August 1855, unversehrt
ausgehalten, und zwar aus leicht erklärlichen Ursachen. Es haben nämlich die an
Geschiebe reichen Gebirgsströme die Eigenschaft, ihr Bett mit steigendem Wasser und
zunehmender Geschwindigkeit zu vertiefen, und die entstandene Vertiefung bei
fallendem Wasser wieder auszufüllen. Diesem Naturgesetz ist Raum gelassen in der
einen nicht durchspundeten Oeffnung. Nach den auf Beobachtungen gestützten
Berechnungen würde die Isar in dieser Oeffnung während des höchsten bekannten
Wasserstandes eine Tiefe von neun Fuß unter dem niedrigsten Wasserstande annehmen.
Die Gründung der Pfeiler reicht aber bis 7 1/2 Fuß unter den niedrigsten
Wasserstand, und ist nach den besten Regeln der Baukunst durch Einfassung mit
Spundwänden und große Steine verwahrt. Diese Oeffnung, welche dem Auswühlen je nach
dem Bedürfniß preisgegeben ist, bildet einen Ableiter der Gefahr für alle andern,
ähnlich wie die Blitzableiter und Brenndrähte an den Telegraphenleitungen, oder wie
die absichtlich schwachen Röhren bei Dampfleitungen mit starkem Druck. Entstehen
aber an einer Brücke, deren Oeffnungen alle gleichmäßig verwahrt sind, Stauungen, so
ist die Gefahr überall gleich groß; es ergeben sich alsdann zuweilen Beschädigungen
an Stellen, wo man es am wenigsten erwartet hatte.
Zu dem Bau der Pfeiler und Widerlager der Bürcke wurden Nagelfluhquader und
ausgesucht gute Backsteine aus der Ziegelei bei Solln verwendet. Um dem ungleichen
Setzen und den Trennungen vorzubeugen, welche so leicht dann entstehen, wenn
einzelne Theile, z.B. die Kanten, mit Quadern, das übrige aber mit Backsteinen
ausgemauert wird (bei dem sogenannten gemischten Mauerwerk), wurde hier das
Backsteinmauerwerk, welches selbstverständlich nur über dem höchsten Wasser beginnt,
in Abständen von 13 Fuß Höhe mit einer vollen Lage von Quader durchzogen und wieder
verbunden, und auf diesem Wege ein solides, compactes Ganze erzielt. Daß in einer
Hohlkehle aus Nagelfluhe gearbeitete Gesims krönt, wenn auch mit wenig Zierlichkeit,
einfach und ernst das hohe Gemäuer. Die Thürme an unserer Frauenkirche bestehen auch
aus Nagelfluhquader und Backsteinen. Möge das Mauerwerk dieser Brücke nur gleich
unversehrt dasselbe Alter erreichen!
Von unten aufsteigend gelangen wir nun zu der eisernen Fahrbahn. Die Thätigkeit,
welche den Sommer über bei Herstellung dieses Theils der Brücke auf der Baustelle
herrschte, die fast von Tag zu Tag sichtlichen Fortschritte, und endlich die
Belastungsproben gewährten den Tausenden von Besuchern eine angenehme Unterhaltung,
und erregten die Aufmerksamkeit um so mehr, als die hier gewählte Construction
außerhalb Bayern und bei bedeutenden Eisenbahnbrücken noch nie angewendet worden
ist. Daß diese Construction großes Tragvermögen mit geringem Materialaufwand
verbindet, dürften die folgenden Angaben nachweisen; die überdieß von dem Publicum
allgemein gepriesene Eleganz läßt sich nach den Photographien beurtheilen.
Die Spannweiten dieser Brücke gehören theilweise nicht mehr zu den alltäglich
vorkommenden; denn 185 Fuß bayerisch ist die Weite von Mauer zu Mauer in den beiden
mittleren Oeffnungen, und 97 1/4 Fuß in den beiden äußern Oeffnungen, oben wo die
von unten getragene Fahrbahn liegt. Die Auflagerstellen der Eisenconstruction haben
bei erstern einen Abstand von 189,75 Fuß, bei letztern einen solchen von 102 Fuß.
indessen die Pfeiler 10 Fuß in der Dicke messen. Alle Dimensionen der Brücke sind
für die Aufnahme zweier Eisenbahngleise berechnet. Sie hat daher, einschließlich von
zwei auf beiden Seiten angebrachten Fußwegen, eine Breite von 34 Fuß Gegenwärtig ist
die Brücke in ihrer Mitte mit einem Eisenbahngeleis belegt, indem die ganze Bahn von
München nach Rosenheim nur einspurig ist. Auf jeder Seite dieses einen Geleises ist
ein Fahrweg für Landstraßenfuhrwerk belassen. Werden einstens zwei Bahngeleise
nothwendig, so treten diese an die Stelle der Fahrwege, und die ohnedieß
wahrscheinlich sehr geringe Frequenz des Landfuhrwerks muß sich alsdann mit dem Raum
in der Mitte, an der Stelle des gegenwärtigen einfachen Eisenbahngeleises
begnügen.
Die Längenbalken des Eisenbahngeleises, wie der Fahr- und Fußwege, ruhen auf
eisernen Querträgern, und diese, in Entfernungen von 4,₈₄ Fuß von
einander, auf vier Langenträgern, welche in Längenabständen von je
14,₅₂ Fuß auf den senkrechten Säulen oder Pfosten der vier Tragwände
aufruhen. Die vier Tragwände haben unter sich einen Abstand von 6, Fuß, so daß
sowohl das gegenwärtige, wie jedes der beiden zukünftigen Geleise, gleich genau über den Längenträgern
ruht. Zu beiden Seiten der äußern Tragwände ragen die Querträger 7,₃ Fuß
balconartig vor, und tragen die Fußwege und theilweise die Fuhrwerkswege.
Das Neue und Eigenthümliche an diesem von dem Director v. Pauli entworfenen BrückensystemDerselbe ist in mehreren Staaten dafür privilegirt. besteht lediglich in der Construction der Tragwände. Während nämlich bei den
sonst üblichen Blechbalken oder den Gitterbrücken die Tragwände ununterbrochen über
alle Oeffnungen sich ausdehnen ist hier die Ueberspannung jeder einzelnen Oeffnung
ein abgeschlossenes Ganze; indessen bei erstern die Wände eine gleiche Höhe
behaupten, wird bei letztern die Last mittelst der Säulen, auf welchen, wie oben
erwähnt die Längenträger ruhen, auf einen aufwärts und einen abwärts gekrümmten
eisernen Bogen übertragen, welche beide gleichmäßig durch die Last in Anspruch
genommen werden, und als eine solidarische Verbindung eines Gewölbe- und
eines Kettenbogens von gleicher Bogenform gedacht werden können. Die Bogenform ist
überdieß so berechnet, daß sowohl der Gewölbe- wie der Kettenbogen, jeder auf
seine ganze Längenausdehnung, um den Gebrauchsanforderungen zu entsprechen, gleichen Querschnitt haben kann und muß, wodurch die
Ausführung ungewöhnlich vereinfacht und erleichtert wurde. Jede Tragwand besteht
sonach im wesentlichen aus den Säulen zum Uebertragen der senkrechten Last: aus
einem Gewölbebogen, aus einem Kettenbogen und endlich aus diagonalen Zugbändern
zwischen den obern und den untern Knotenpunkten, um der Deformation bei der
ungleichen Belastung zu begegnen. Wir sagen im wesentlichen; denn hätte man die
Säulen so dicht an einander gestellt wie die Querträger, so hätte es der
Längenträger nicht bedurft, da diese nur von einer Säule zu der andern reichen.
Der Gewölbebogen und der Kettenbogen sind an ihren Enden auf das solideste mit
einander verbunden. Da beide gleiche Bogenform haben, so wird der horizontale Schub
des Gewölbes von dem horizontalen Zug der Kette absolut aufgehoben, und an den
Auflagerpunkten äußert sich nur senkrechter Druck.
Durch diese Erläuterung dürfte sich auch die mehrfach ausgesprochene Besorgniß heben,
als seyen die hohen Pfeiler zu schwach, um den Schub der noch überdieß ungleichen
Bögen auszuhalten. Die auf mächtigen Granitwerkstücken ruhenden Auflagerstühle in
den Pfeilern und Widerlagern sind so construirt, daß sie den Längenveränderungen der
Brücke in Folge des Temperaturwechsels, sowie den schwachen senkrechten
Oscillationen bei dem Befahren, entsprechenden Spielraum geben. Selbstverständlich
sind die vier Tragwände durch senkrechte und horizontale Querdiagonalen unter
einander verbunden, wie dieses bei Blechbalken- und Gitterwerksbrücken auch
zu geschehen pflegt. Da die Neuheit des Systems nur in der Construction der
Tragwände besteht, so ist es einleuchtend, daß dasselbe, ganz gleich wie die
Tragwände aus Blech oder aus Gitterwerk, auch auf solche Fälle anwendbar ist, wo die
Fahrbahn in der halben Höhe oder wegen mangelnder Lichthöhe der Brücke über dem
Wasser, unten angebracht werden muß.
Jedem Sachverständigen ist es erklärlich, daß bei dem an der besprochenen Brücke
angewendeten System jede transversale Inanspruchnahme des Eisens vermieden ist, und
letzteres nur entweder gedrückt oder gespannt, ein und dasselbe Stück aber nie
alternativ bald gedrückt bald gespannt wird, was ziemlich allgemein als eine
Hauptursache der Veränderung im Aggregatzustand des Eisens angesehen wird. Da sich
nun bei der Einfachheit des Systems mit genügender Schärfe die Größe der in jedem
Stück im äußersten Fall thätigen Kraft berechnen läßt, so war man in der Lage, nicht
nur alle Theile diesen Kräften entsprechend zu proportioniren, sondern auch die
Eisengattungen genau zu wählen. Es wurden darum die verschiedenen Eisensorten
namentlich auf ihre Elasticität und Cohäsion geprüft, sowie endlich jedes einzelne Stück, welches Spannung auszuhalten hat,
vor der Verarbeitung mit einer Kraft von 200 Zollcentner per Quadratdecimalzoll
bayerisch unter Prellung mit Hammerschlägen, spannend geprobtDie dazu verwendete Maschine ist jene, für welche Hr. Werder, der technische Director von Klett u. Comp., bei der deutschen
Industrie-Ausstellung 1854 die große Medaille erhielt. (Dieselbe
Maschine wurde früher von Hrn. v. Pauli beim Bau
einer hölzernen Eisenbahndrücke nach Have'schem
System
zur Ermittelung der Elasticität und der absoluten
Festigkeit von runden Schraubenbolzen aus gehämmertem
Holzkohlen-Eisen benützt; wir verweisen auf seine
betreffende schätzbare Abhandlung „Beitrag zur Kenntniß des
bayerischen Eisens“ im polytechn Journal Bd. CXXVIII. S. 19.
Die Redaction.), indessen bei der Bemessung der Dimensionen nur auf eine äußerste Anspannung
mit 100 Centner gerechnet war. Um dem Rosten des Eisens vorzubeugen, wurde alles
Schmiedeisen zuerst mit Säure von allem Zunder befreit, hierauf in Leinöl gesotten,
dann, wie alles Gußeisen, mit Mennigfarbe, und zuletzt zweimal mit der definitiven
Oelfarbe angestrichen.
Nachdem auf solchen Grundlagen die Baudispositionen getroffen und etwa 2000 Ctr.
Eisen aus dem Platz waren, begann am 20 Mai die Thätigkeit des Etablissements Klett
u. Comp. aus Nürnberg, unter fortwährender persönlicher Leitung ihres technischen
Direktors Werder. Die Leitung der Arbeiten durch diesen
erfahrenen Mechaniker, welcher durch den Bau der Schrannenhalle, des k.
Wintergartens und des Glaspalastes zu München, dann des Daches der Einsteighalle zu
Würzburg sein eminentes Organisationstalent durch rasche und solide Arbeit glänzend
bewährt hatte, ließ für jeden Sachkundigen einen großen Genuß erwarten; und diese
Erwartung wurde in nichts getäuscht.
Zuvörderst wurde alles Flach- und Winkeleisen mittelst einer Reihe sehr
sinnreicher Vorrichtungen gerade gerichtet. Wie in einer wohlorganisirten Fabrik
giengen die Stücke aus einer Hand in die andere. Auf das Geraderichten folgte das
Recken und Proben der Flacheisen; hierauf das Abbeizen und Abscheuren des
Eisenzunders, das Abwaschen, und endlich das Sieden in Leinöl. Nachdem in dieser
Weise eine entsprechende Quantität Eisen vorbereitet war, wurde am 3. Juli das
Zusammensetzen der Spann- oder Kettenbögen in der ersten Oeffnung angefangen.
Am 9. Juli begann die gleiche Arbeit in der zweiten, am 18. in der dritten, und am
1. August in der vierten Oeffnung. Die einzelnen Stücke Flacheisen, aus denen diese
Spannbögen bestehen, wurden nicht zusammengeschweißt, wie dieß oft bei Gitterbrücken
geschieht, sondern in mehreren, bei den großen Oeffnungen in acht Lagen über
einander, und mit wechselndem Stoßort stumpf aneinander gestoßen. Werder gieng dabei nach seiner Erfahrung von der Ansicht
aus, daß das Eisen in seinen innern Eigenschaften am gleichförmigsten sey, wie es
aus dem Flammofen des Walzwerks hervorgeht; jede örtliche Erhitzung behufs des
Zusammenschweißens störe dagegen die Homogeneität. Es wurde darum bei diesem
Brückenbau sorgfältig vermieden, irgendein wesentliches Stück warm zu behandeln, sey
es um dasselbe in der entsprechenden Form abzuschneiden, oder etwa anzustücken. Eine
weitere Eigenthümlichkeit in der Verbindung ist, daß, einige ganz untergeordnete
Stellen ausgenommen, Werder nirgends Nieten anbrachte.
Kaltes Nieten erzeugt einen schlechten, bruchigen Nietkopf; ein warm eingetriebener
Nietnagel kann dagegen nach dem Erkalten die Oeffnungen nie vollkommen ausfüllen.
Director Werder ließ daher alle Stücke, nachdem sie an
ihrer definitiven Stelle zusammengebracht waren, bohren, dann mit einer Reibahle
schwach conisch ausreiben, bis Bolzen, die nach demselben Durchmesser und Conus
abgedreht waren, streng hineinpaßten. Daß diese Bolzen genau die Löcher ausfüllten,
davon konnte man sich bei dem Herausnehmen derselben überzeugen, indem die
Oeffnungen durch das feste Hineinpressen des Conus ganz glatt geworden waren.
So waren denn kaum die Spannbögen an ihrem Ort, als eine Anzahl Arbeiter, immer je
drei, im Accord die Löcher bohrten, und die Lagen zusammenbolzten. Nach den von dem
Unternehmer hergestellten, höchst interessanten Werkplanen war die Stelle jedes
Bolzenlochs in der vortheilhaftesten Lage genau bestimmt. Für einzelne Theile, z.B.
für die Querträger, waren eigene Rahmen mit bereits befestigten Schraubenkörnern
hergestellt, so daß ein Stück genau wie das andere wurde, und die mit dem Bohren
beschäftigte Mannschaft nicht fehlen konnte, sobald der Vorarbeiter auf dem Stück
selbst plangemäß die Lochstellen angegeben hatte. Bei diesem Geschäft leisteten
besonders die Brauknechte treffliche Dienste, kräftige Menschen, welche auch der
Quelle zu neuen Kräften fleißig zusprachen.
Der Fortgang der Arbeit wurde bedeutend aufgehalten durch die verspätete Ankunft des
Eisens, namentlich des in England bestellten. So geschah es, daß erst zu Ende
Augusts sämmtliche Tragwände der ersten Oeffnung mit den Längenträgern und Traversen eingebracht waren,
und die Bögen zum Freihängen gebracht werden konnten. Wie man bei jedem Gewölbe aus
Stein die Lehrbögen beseitigt und den Bogen sich setzen läßt, ehe man weiter mauert,
so brachte man auch hier jede einzelne Tragwand zum Freischweben und Setzen unter
der ständigen Gesammtlast. bevor man die Querträger und die Diagonalen definitiv
bohrte und mit Bolzen befestigte. Nachdem endlich alle Diagonalverbindungen
angebracht und auch theilweise die Geländer aufgesetzt waren, begannen am 25.
September die Belastungsproben, und zwar mit der vierten Oeffnung.
Es war, wie Eingangs erwähnt, noch nie eine Eisenbahnbrücke nach diesem System und in
dieser Verbindungsweise zur Ausführung gekommen. Deßwegen galt es, hier beides
ernstlich und mit der größten Aufmerksamkeit zu proben. Gewöhnlich wird als Probe
festgesetzt, daß die Brücke mit Lokomotiven der schwersten Art in beliebiger
Stellung belastet und mit verschiedener Geschwindigkeit befahren werde. Das Gewicht
von Locomotiven mit Tender beläuft sich bei uns auf 19,50 Zollcentner per laufenden Fuß. Auch in Preußen hat man für die
Weichselbrücke bei Dirschau und die Nogatbrücke bei Marienburg, beide mit einem Geleis. 2128 Pfd. per
laufenden Fuß, oder 18,51 Zollcentner per laufenden Fuß
bayerisch festgesetzt. Allein es war sowohl Director v. Pauli bezüglich der Zweckmäßigkeit des Entwurfs und der Nachhaltigkeit
seiner Berechnung, als auch von Cramer-Klett
hinsichtlich der Qualität des Eisens, wie der Tüchtigkeit der Ausführung durch sein
Etablissement so sicher, daß beide keinen Anstand nahmen, jedes Geleis mit 30
Zollcentner per laufenden Fuß, oder 60 Zollcentner per laufenden Fuß Brücke in beliebiger Weise probiren zu
lassen. Diese Probelast überstieg sonach jene der genannten preußischen Brücken um
62 Proc. Da diese Last nicht auf die Brücke zu bringen war, selbst wenn man zwei
Reihen von Locomotiven ohne Tender aneinander gestellt hätte, so erübrigte nur, dazu
Schienen zu verwenden Dieses hatte aber eine weitere harte Probe für die
Construction im Gefolge. Es mußten nämlich auf eine der kleinen Oeffnungen etwa
6000, und auf eine der großen nahe 12,000 Ctr. Schienen niedergelegt, und, nach
vorgenommener Prüfung der Brücke in allen ihren Theilen und angestellten Messung der
Einsenkung, wieder entfernt werden. Diese Overation dauerte immer fünf bis sechs
Tage, zumal da gegen das Ende des Ausbringens fast kein Raum für die Bewegung der
Mannschaft mehr blieb. Diese lange Dauer der enormen Belastung war eine weitere
Probe, welche jeder Sachkundige nicht gering anschlagen wird. Endlich ist noch
bezüglich der Belastungsweise zu erwähnen, daß die Belastungsschienen nicht
gleichförmig über die ganze Brücke vertheilt wurden, bis das gewünschte Gewicht von
60 Ctr. per laufenden Fuß darauf ruhte; vielmehr wurde
zuerst der Raum eines Geleises, und dann erst der des
andern in der Weise belastet, daß man auf eine Schienenlänge stets volle 20 Ctr. per laufenden Fuß auflegte, ehe eine zweite
Längenabtheilung begonnen wurde. Sobald abtheilungsweise die eine Brückenseite mit
20 Ctr. belastet war, erfolgte das Auflegen der übrigen 10 Ctr. per laufenden Fuß in gleichmäßiger Vertheilung. Durch
diese Anordnung wurde das Auffahren eines Zuges nachgeahmt, mit der Zuthat von 50
Procent an Gewicht und der vielfach vergrößerten Zeitdauer.
Mit der Vornahme dieser Belastungsproben wurden die Oberingenieure und Ingenieure der
Bau- und der Betriebsverwaltung betraut. Die dabei theils durch Nivelliren,
theils dadurch gewonnenen Resultate, daß man an den einzelnen Knotenpunkten auf
fixen Messingplättchen die Brücke ihre Bewegungen selbst niederschreiben ließ, sind
äußerst interessant, überschreiten aber die Gränzen gegenwärtiger Mittheilung.
Nachdem eine große und eine kleine Oeffnung mit 60 Ctr. per laufenden Fuß Brückenbahn belastet und die Construction in allen
Theilen unversehrt gefunden worden war, entschloß man sich, zur Abkürzung der Zeit,
die beiden übrigen Oeffnungen nur mit 40 Ctr. per
laufenden Fuß zu belasten, und dieselben für tüchtig anzuerkennen, wenn die
elastischen Einbiegungen mit der der beiden ersterprobten unter der gleichen Last
correspondiren würden. Dieses geschah am 10. bis 19. Oct. Am 21. endlich wurde die
Brücke mit Locomotiven befahren. Auch hiebei bewährte sich die Brücke ganz zur
Zufriedenheit der Betriebsbeamten. Die dabei stattgehabten Einsenkungen und
Schwankungen, wie sie nachstehende Tabelle zeigt, sind von den Messingplättchen
entnommen, auf welchen der Schreibapparat dieselben eingegraben hatte.
Textabbildung Bd. 147, S. 155
Zusammenstellung der
Bersuchsresultate; Gewicht in Centnern; Schnelligkeit in Fuß. p. Secunde;
Verticale Einbiegung; Größte horizontale Abweichung von der verticalen; A.
Ruhige Lasten; 1) Bleibende Einsenkung bei 40 Centnern; 3) Elastische Einbiegung
bei 40; B. Locomotiv-Probezüge; 1) Eine Maschine mit Tender und
Torfwagen; 2) Zwei Maschinen mit Tender und Torfwagen; 3) Drei Maschinen, davon
eine mit Tender verkehrt stehend, die beiden andern mit Tender u. Torfwagen; 4)
Wie bei Nr. 3; 5) Dieselben langsam einfahrend und über jeder Oeffnung stehen
bleibend; Bemerkung. 40 Cntr. per laufenden Fuß
betragen bei 97,25 Fuß Lichtweite 3890 Cntr., bei 185 Fuß Lichtweite 5835
Zollcentner; 60 Cntr. dagegen 5835 Cntr. und beziehungsweise 11,100 Cntr.
– Die Maaße der Seitenschwankungen sind bei allen vier Oeffnungen, an
einer mittlern Tragrippe beobachtet; die an den Seitenrippen stimmen damit bis
auf 1/10 Linie überein. Die Schwankungen der Druckbögen sind um 1/10 Linie
geringer als die hier gegebenen der Spannbögen
Wir entnehmen den während der Dauer der Probebelastung der Brücke geführten
Protokollen vorstehende Daten in tabellarischer Form, bemerkend, daß die
Einbiegungseinheiten bayerische Decimallinien (1/100 Fuß) sind, daß die gegebenen
Ziffern sich aus die Knotenpunkte zunächst der Mitte jeder Oeffnung beziehen, daß
endlich die Beobachtungen von jedem der Ingenieure, des Baues und des Betriebs,
gemacht wurden.
Eine nähere Prüfung vorstehender Zahlengrößen wird jeden Sachverständigen von der
Vorzüglichkeit der Arbeit, und davon überzeugen, daß diese Brücke für den
Eisenbahnbetrieb tragfähig und steif genug ist. Was insbesondere die Größe der
elastischen Einbiegungen anbelangt, so hängt diese bekanntlich bei gleicher
Querschnittsfläche der Gewölb- und der Kettenbögen, von der Pfeilhöhe
derselben und von der natürlichen Elasticität des Eisens ab. Hier ist in beiderlei
Oeffnungen die Pfeilhöhe, oder der größte Abstand der Schwerpunkte in den
Querschnittflächen der Druck- und Spannbögen, 20 Fuß bayerisch. Die
Eisenqualität anbelangend, so wurde zu den Ketten- oder Spannbögen
Holzkohleneisen aus der Maxhütte bei Burglengenfeld in Bayern gewählt, weil dieses
bei dem Zerreißen sich reiner zeigte als selbst englisches Kroneisen, und weit
elastischer als dieses, oder als man sonst anzunehmen pflegt, und darum sich ganz
vorzugsweise zum Brückenbau eignet; denn je elastischer das Eisen, desto sicherer
ist es bei plötzlichen Stößen.
Was nun endlich das Gewicht und die Kosten der Eisenconstruction dieser Brücke
betrifft, so kann darüber Nachstehendes mitgetheilt werden.
Der laufende Fuß Brückenconstruction bis einschließlich der Querträger, sonach mit
Ausschluß der Geländer, wiegt, bei einer Oeffnung von 185 Fuß Lichtweite, 21,41
Zollcentner, und bei einer Oeffnung von 97,25 Fuß Lichtweite, 12,74 Zollcentner. Die
Brücke bei Großhesselohe hat durchlaufende eiserne Gesimse, elegant gehaltene
eiserne Geländer, nach außen sowie zwischen den Fahr- und Fußwegen eiserne
Wasserrinnen, eiserne Radstößer längs den Fahrwegen u.s.f. Alle diese Theile
eingeschlossen, kostet der laufende Fuß bei einer großen Oeffnung 677 fl. 53 kr.,
und bei einer kleinen 407 fl. 33 kr. rh. Die ganze Brücke ist, von Widerlager zu
Widerlager, d.h. einschließlich der Pfeiler, 594,5 Fuß lang. Nach dieser Länge
berechnet sich der laufende Fuß, mit Einschluß aller der genannten Nebentheile, im
Durchschnitt auf 555 fl. 14 kr. Es dürfte nicht leicht seyn, um den gleichen Preis
nach einem andern System Brücken auszuführen, welche die gleiche sichere
Tragfähigkeit erweisen, wie die Brücke bei Großhesselohe. (Aus der Beilage zu Nr.
328 und 329 der Allgemeinen Zeitung, November 1857.)
Das Tau zur telegraphischen Verbindung zwischen Europa und
Amerika.
Nach dem Scheitern der Expedition, worüber im polytechnischen Journal Bd. CXLVI S.
104 berichtet wurde, kehrten die Schiffe nach England zurück, und man fand es
gerathen, die Legung für das verflossene Jahr aufzugeben, weil einerseits zu
bezweifeln war, ob die noch vorhandene Taulänge ausreichen würde, andererseits die
stürmische Jahreszeit zu nahe bevorstand. Das Tau wurde demnach aus dem
„Agamemnon“ und „Niagara“ wieder
ausgeschifft; zur Aufbewahrung desselben dient in den Docks von Plymouth eine große
gedeckte Bucht von 120 Fuß Länge auf 50 Fuß Breite, welche in vier ganz dichte
Becken getheilt ist. die sich nach Belieben mit Meerwasser füllen lassen. Auf diese
Weise kann man von Zeit zu Zeit die Leitfähigkeit des ungeheuren Conductors
erproben, den Einfluß des Wassercontactes auf die Beförderung der Depeschen
bestimmen, sowie die Einflüsse einer Erhöhung oder Erniedrigung der Temperatur, des
elektrischen Zustandes der Atmosphäre etc. ermitteln. Diese Versuche, welche unter
der Leitung des Hrn Whitehouse während des Winters oft
wiederholt werden sollen, müssen zu schätzbaren Resultaten führen; es dürfte sich
nicht bald wieder einem Physiker Gelegenheit darbieten, wie hier, mit einem mit
Gutta-percha überzogenen metallenen Conductor von 3000 Kilometer Länge zu
operiren, welcher abwechselnd in die Luft, und in das Wasser als Medium versetzt
werden kann.
Die neue Einsenkung des Taues wird in den ersten Tagen des Monats Julius statt
finden, damit man, im Fall des Mißlingens, die Operation im September wieder beginnen kann. Die
Construction der Maschinen, welche das Abwickeln des Taues zu reguliren und seine
Versenkung im Meer zu bewerkstelligen haben, soll unterdessen wiederholt geprüft und
nöthigenfalls verbessert werden.
Bei dieser Gelegenheit wollen wir einen allgemein verbreiteten Irrthum berichtigen.
Man behauptete nämlich, daß die Leitfähigkeit des transatlantischen Taues in dem
Maaße abnahm, als ein größerer Theil seiner Länge im Wasser versenkt wurde, so daß
es kurze Zeit vor dem Abreißen desselben fast unmöglich geworden sey. von dem das
Tau führenden Schiff mit der auf der irländischen Küste errichteten Station zu
communiciren. Später hat aber die Vergleichung der Papierstreifen und Protokolle
ausgewiesen, daß die Telegraphisten in Valencia bloß eine Zeit lang nicht auf die
vom Schiffe kommenden Rufe achteten, und die Beantwortung derselben verabsäumten.
(Cosmos, Revue encyclopédique, t. XI. p. 561.)
Ueber Teleskop-Spiegel von versilbertem Glas.
Die im Februar v. J. in den Comptes rendus erschienene
Notiz über Foucault's Teleskop von versilbertem Glas
(polytechn. Journal Bd. CXLVI S. 152). veranlaßt Hrn. Conservator Dr. C. A. v. Steinheil in
München, die französische Akademie der Wissenschaften auf die früher von ihm
erlangten Resultate aufmerksam zu machen, welche in der Allgemeinen Zeitung vom 24.
März 1856 veröffentlicht wurden.
Der erwähnte Artikel der Allgemeinen Zeitung bespricht die Eröffnung von Steinheil's optischer und astronomischer Werkstätte in
München, und enthält über fraglichen Gegenstand Folgendes:
„Eine für die Astronomie interessante Novität bilden auch die neuen
Teleskop-Spiegel von Glas. Durch Anwendung der Methode von Liebig, Spiegelgläser zu versilbern, gelingt es, so
schöne Metallflächen aus Glas herzustellen, daß auch die Rückseite der
Versilberung einen vollkommenen Spiegel bildet, oder leicht durch Anwendung
geeigneter Polirmittel dazu gemacht werden kann. Wenn also ein gewöhnliches Glas
nur auf einer Seite mit genauer Gestalt sphärisch hohl geschliffen wird, so
entsteht durch Versilberung derselben ein Teleskop-Spiegel, der, wenn er
mit der Zeit auch anlaufen sollte, leicht durch einige Züge (mit einer
Sammetbürste) wieder herzustellen ist, da die genaue Gestalt durch das Glas
erhalten wird. Wir haben durch ein Teleskop dieser Art gesehen, welches vier
Zoll Oeffnung hat und bei 100maliger Vergrößerung ein wundervoll reines helles
Bild zeigte. So kann begreiflicherweise die Herstellung mächtiger Teleskope sehr
leicht und wohlfeil werden.“
Verfahren, Lichtbilder auf Email darzustellen; von J. Glover und J. Bold in
Liverpool.
Das Email oder Schmelzglas, z.B. ein Zifferblatt, wird zuerst mit Flußsäure
gewaschen, um den Glanz zu zerstören und die Oberfläche schwach porös und
durchdringlich zu machen; nachdem der Oberfläche auf diese Weise ihr Glanz gänzlich
benommen worden ist, wascht man sie mit Wasser ab Man kann nun die gebräuchliche
Colodium- oder Eiweißschicht darauf anbringen und sie hernach in einem Bad
von salpetersaurem Silber empfindlich machen, um hierauf das Lichtbild in der camera obscura oder durch den Contact eines negativen
Bildes zu erzeugen, es endlich zu entwickeln und zu fixiren. Das Bild kann dann noch
mit Wasserfarben oder Oelfarben bemalt werden. Schließlich überzieht man dasselbe
mit einem aus Schellack und Alkohol bestehenden Firniß. – Patentirt in
England am 20. Februar 1857. (London Journal of arts,
Nov. 1857, S. 293.)
Verfahren, die durch salpetersaures Silber hervorgebrachten
Flecken zu vertilgen; von Hrn. Lacombe.
Hiezu kann man statt des bisher benutzten Cyankaliums eine auf folgende Weise
bereitete Flüssigkeit anwenden: Man löst in destillirtem Wasser 10 Proc. Salmiak auf
und fügt hernach 10 Proc. Quecksilberchlorid (Sublimat) hinzu. Diese Flüssigkeit
läßt sich in einem Fläschchen mit eingeriebenem Glasstöpsel beliebig lange
aufbewahren) sie wirkt innerlich giftig, ist aber äußerlich unschädlich, da sie
nicht, wie das Cyankalium, durch Absorption wirkt.
Man kann mit derselben Silberflecken aus Wäsche und Kleidungsstücken, mögen diese von
Leinwand, Baumwolle oder Wolle seyn, vollständig vertilgen. Wenn der Zeug vorher mit
Lauge gewaschen wurde, wirkt sie aber weniger vollständig. – Mit dieser
Flüssigkeit kann man auch Silberstecken an den Händen beseitigen, welche vollständig
verschwinden, wenn das salpetersaure Silber mit keiner andern Substanz vermischt
war, und wenn man die Hände wascht, bevor die Haut angegriffen wurde. Wenn die
Flecken von salpetersaurem Silber in Verbindung mit Gallus- oder
Pyrogallussäure herrühren, so gehen sie nicht so vollständig weg, wie es auch bei
Anwendung des Cyankaliums der Fall ist. (Cosmos, Revue
encyclopédique, t. XI p. 626.)
Sicheres Mittel, den schwefelsauren Baryt (das sogenannte Blanc fixe) filtrirbar zu machen; von Dr.
Wittstein.
Bekanntlich erhält man den schwefelsauren Baryt nicht selten in einem Zustande, wo es
nur unter Beobachtung gewisser Vorsichtsmaßregeln gelingt, ihn von der anhängenden
Flüssigkeit rein abzufiltriren und auszuwaschen.
Die Ursache dieses Uebelstandes liegt in der physikalischen Beschaffenheit des
Niederschlags; fällt er nämlich amorph nieder, und kommt in diesem Zustande auf ein
Filter, so geht er unter hundert Malen neun und neunzigmal durch dasselbe hindurch.
Um dieß zu verhüten, hat man verschiedene Hülfsmittel, wie: vollständiges
Absetzenlassen, Erhitzen, Ansäuern der Flüssigkeit, vorgeschlagen; aber sie haben
nicht immer die gewünschte Wirkung, welche darin bestehen soll, den schwefelsauren
Baryt aus dem amorphen Zustande in den krystallinischen überzuführen.
Amorph fällt der schwefelsaure Baryt in der Regel aus neutralen Flüssigkeiten nieder, und vor allem ist es der essigsaure Baryt,
welcher einen solchen Niederschlag erzeugt. Wenn nun die Umstände es nicht
gestatten, das Ganze anzusäuern, so muß man, am besten in der Wärme, absetzen
lassen, und den Absatz erst zuletzt auf das Filter bringen; dessenungeachtet zeigt
er aber doch zuweilen Neigung, durch das Filter zu gehen.
Meistens steht jedoch, beim Fällen des schwefelsauren Baryts, dem Ansäuern der Flüssigkeit kein Hinderniß entgegen, und man
macht daher auch, wo es nur angeht, immer davon Gebrauch.
Man kann sich dazu zweier Säuren bedienen, der Salzsäure oder der Salpetersäure. Fast
immer wird die Salzsäure dazu genommen, aber sie leistet nicht allemal den
erwarteten Dienst, und um den Niederschlag auf dem Filter zurückzuhalten, muß das
Waschwasser stets sehr stark angesäuert werden.
Von unzweifelhaft günstiger Wirkung dagegen ist die Salpetersäure; man setzt sie vor dem Fällen der
Barytsalzlösung zu, und darf dann sicher seyn, jedesmal einen krystallinischen
Niederschlag zu bekommen, der sich schnell absetzt und auf dem Filter ungefährdet
mit reinem Wasser ausgewaschen werden kann. (Aus des Verfassers
Vierteljahresschrift, Bd. VI S. 586.)
Darstellung einer Auflösung von Gutta-percha und
verschiedene Anwendungen derselben; von Hrn. Rousseau zu
Paris.
Man gibt die Gutta-percha in ein Gefäß von beliebiger Form, das über freiem
Feuer erhitzt wird, und in welches man Leinöl gießt; bei geeignetem Erhitzen erfolgt
die Schmelzung und Auflösung der Gutta-percha. Diese Auflösung kann mehr oder
weniger Gutta-percha enthalten, beiläufig enthält sie davon ein Zehntel.
Taucht man in dieselbe einen weißen Kattun, so tränkt er sich damit, und nach dem
Erkalten ist er dann gelblich durchscheinend und sehr weich; man kann ihn hernach
mit Farben bedrucken.
Dieselbe Auflösung kann zu ihrer Verwendung durch Beimischen von Kienruß,
Schlämmkreide, Ocker etc. gefärbt oder verdickt werden. – Durch diese
Zubereitung verliert die Gutta-percha ihren eigenthümlichen Geruch und wird
ganz geruchlos.
Will man mit dieser Gutta-percha-Lösung Leder lackiren, Taft oder Gaze
überziehen, so vermischt man sie vorher mit Copalfirniß, welchem sie ihre
Elasticität und ihre Weichheit mittheilt. – Da die Gutta-percha keinen
Einfluß auf die Oelfarben hat, so kann man obige Auflösung derselben mit allen
Substanzen mischen, welche man zum Färben der Firnisse anwendet. – In
Frankreich erloschenes Patent. (Brevets d'invention, t.
XXIV.)
Behandlung der Florettseide und Schwarzfärben derselben, von
J. H. Johnson.
Der Genannte ließ sich als Mittheilung am 3. April 1857 für England eine Behandlung
der Florettseide patentiren, wodurch deren Textur und Eigenschaften, im rohen oder
gesponnenen Zustande, sehr verbessert werden. Zu diesem Zweck benutzt er eine
Auflösung von 28 1/4 Drachmen Aetznatron, Aetzkali oder Aetzammoniak in 22 Pfd.
destillirtem (oder kalkfreiem) Wasser. Nachdem diese Auflösung auf 80° C.
(64° R.) erwärmt worden ist, bringt man die Florettseide hinein und läßt sie
hinreichend lange darin verweilen; die geeignete Zeitdauer läßt sich mit bloßem Auge
leicht beurtheilen. Die Seide wird dann herausgezogen und in reinem Wasser gut
gewaschen. Soll sie schwarz gefärbt werden, so bringt man sie nun in eine Auflösung
von schwefel-salpetersaurem Eisenoxyd (Eisenvitriollösung welche mittelst
Salpetersäure oxydirt worden ist); dann wird sie gewaschen und hernach in eine
Auflösung von Aetzkali, Aetznatron oder Ammoniak, ähnlich der vorher erwähnten,
getaucht. Durch diesen Proceß wird das in der Seide enthaltene Eisensalz in
Eisenoxyd umgewandelt. Die Seide wird dann gewaschen, hernach in eine angesäuerte
Auflösung von Blutlaugensalz getaucht und wieder gewaschen. Nach dieser Operation
wird die Seide „gallirt,“ indem man sie in einem
Kastanienholz-Extract einweicht; hierauf wird sie wieder gewaschen, und
braucht dann nur noch getrocknet zu werden. (London Journal
of arts, December 1857, S. 351.)
Darstellung des Krappextracts, von Hrn. Köchlin in Mülhausen.
Um ein von Holzstoff ganz freies Krappextract zu erhalten, welches beim Färben eben
so lebhafte und ächte Nuancen gibt wie der Krapp selbst, behandelt Hr. Köchlin den gemahlenen Krapp oder den durch Gährung
gereinigten Krapp (die sogenannten Krappblumen) mit Holzgeist (Methyloxydhydrat)
oder auch mit Aceton, welche er für sich allein oder mit Alkohol gemischt anwendet.
Die auflösende Flüssigkeit wird durch Maceriren und Auspressen gesättigt.
Aus der gesättigten Lösung wird der Farbstoff durch einen hinreichenden Zusatz von
Wasser gefällt. Der Niederschlag bildet nach dem Filtriren und Trocknen das sogenannte Krappextract,
welches also ohne Beihülfe der Wärme dargestellt wurde. Wenn man die Bildung des
Niederschlags beschleunigen will, so macht man das Wasser mit Schwefelsäure schwach
sauer; alsdann muß man aber den Niederschlag gut mit Wasser auswaschen. (Brevets d'invention, t. XXIV.)
Nach diesem in Frankreich erloschenen Patent wurde das sogenannte Krappextract bisher
bereitet; die vortheilhaftere neue Darstellungsweise desselben wurde im polytechn.
Journal Bd. CXLVI S. 217 mitgetheilt.
Ueber die Nachweisung einer Verfälschung des Leberthrans mit
Harz; von Prof. Böttger.
Der Leberthran kommt in neuerer Zeit sehr häufig mit Colophonium verfälscht im Handel vor. Da nun, meinen Beobachtungen
zufolge, reiner Berger Leberthran, hellgelber sowohl wie
bräunlich gelber, bei einer Temperatur von + 14° R.,
genau 15 Volumen reinsten Essigäthers von 0,₈₉₀ spec. Gewicht zu seiner vollkommenen Lösung bedarf,
dagegen ein absichtlich mit Colophonium versetzter Essigäther ein weit größeres Lösungsvermögen für Leberthran besitzt, so zwar,
daß ein solcher Essigäther willkürlich große Mengen Leberthran
aufzunehmen vermag, ohne im mindesten getrübt zu werden, so erschien mir
reiner, zweimal rectificirter Essigäther von obigem spec. Gewicht als das
geeignetste Mitel, um eine Beimischung von Colophonium im Leberthran mit
Leichtigkeit zu entdecken. Zu dem Ende hat man sich nur mit einer genau
eingetheilten, circa 1/2 Zoll weiten und 1 Fuß langen
gläsernen Meßröhre zu versehen und dann folgendermaßen zu verfahren: Man nimmt zu
einem Versuche ungefähr 1/4 Kubikzoll von dem zu prüfenden Thran, setzt dazu 15
gleiche Raumtheile reinen Essigäther von 0,890 spec. Gewicht, verschließt die
Meßröhre mit dem Daumen, schüttelt tüchtig um, prüft mittelst eines Thermometers, ob
der Inhalt der Meßröhre genau die Temperatur von + 14° R. zeigt (wo nicht, so
sucht man durch geeignete Mittel diese Temperatur hervorzubringen), und läßt das
Ganze etwa 1 Minute lang ruhig stehen. Erscheint der Inhalt der Meßröhre nach dieser
Zeit vollkommen wasserklar und ungetrübt, so war der
untersuchte Thran rein; hätte man dagegen nur etwa 12
Volume Essigäther nöthig gehabt, um den Thran zu einer wasserhellen, ungetrübten
Flüssigkeit zu lösen, so wäre dieß ein Beweis, daß er eine gewisse Menge Harz
enthalte. Je geringer nämlich die Menge des Essigäthers ist, welche man bedarf, um
den Thran zu einer vollkommen klaren und ungetrübten Flüssigkeit zu lösen, desto
größer ist sein Harzgehalt.
Durch vergleichende Versuche habe ich ermittelt, daß ziemlich genau – jedes Volumen Aether –, welches man weniger als 15
Volume nöthig hat, um 1 Volumen Thran zu einer Wasserhellen Flüssigkeit zu
lösen, – einem Gehalte an Harz von 5 Procent – entspricht.
Hätte man also z.B. nur 12 Volume Aether nöthig gehabt, um bei der Vermischung mit
Thran eine völlig ungetrübte Flüssigkeit zu erhalten, so wäre auf einen Gehalt von
15 Procent Harz darin zu schließen u.s.w. (Böttger's polytechnisches Notizblatt,
1858 Nr. 1.)