Titel: | Ueber die Zusammensetzung des käuflichen Benzols; von Professor Dr. August Vogel jun. |
Fundstelle: | Band 148, Jahrgang 1858, Nr. XVIII., S. 69 |
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XVIII.
Ueber die Zusammensetzung des käuflichen Benzols;
von Professor Dr. August
Vogel
jun.
Vogel, über die Zusammensetzung des käuflichen Benzols.
Unter dem Namen Benzol oder Benzin hat man in neuerer Zeit ein fabrikmäßig aus dem
Gastheer erzeugtes flüchtiges Liquidum in den Handel gebracht, das eine ausgedehnte
technische Anwendung verspricht.
Namentlich lieferte in den letzten Jahren Collas in Paris
ein solches Product; ein ähnliches ging zunächst aus den Fabriken in Glasgow und
Manchester hervor, welchen sich in jüngster Zeit mehrere inländische Etablissements
anschlossen. Aus einem derselben, der Fabrik des Dr. Aufschläger in München, ist das Material bezogen, welches
zu den im Folgenden mitzutheilenden Versuchen verwendet wurde.
Der chemisch reine Stoff, dessen Name insofern nicht mit Unrecht auf diese Präparate
im Allgemeinen übertragen wurde, als sie wirklich die technisch wichtigen
Eigenschaften mit demselben theilen, war schon viel früher in der Wissenschaft
bekannt. Faraday und Mitscherlich haben demselben ein besonderes Studium gewidmet; ersterer
wies dessen Auftreten unter den Destillations-Producten organischer Stoffe
nach, letzterer lehrte ihn durch Destillation mit Kalkhydrat auf eine leichte Weise
und im reinen Zustande gewinnen. Beide gelehrte Forscher stellten, wie auch Muspratt, seine Zusammensetzung nach der Formel C₁₂ H₆
fest. Andere Chemiker wollen dieselbe jedoch nach dem Schema (C₁₂ H₅) H betrachtet wissen, d.h. als die Wasserstoffverbindung
eines eigenthümlichen Radicals, C₁₂ H₅, des Phenyls, aus dem Grunde, weil das sechste
Aequivalent Wasserstoff beim Behandeln des Benzols mit rauchender Salpetersäure
durch NO₄ ersetzt wird, wodurch dann Nitrobenzin
entsteht, – dieser in der Parfümerie bereits vielfach angewendete ölartige
Körper von eigenthümlichem, dem Bittermandelöl ähnlichem Geruche, welcher für diesen
Zweck aus dem unreinen Gastheerbenzol bereits im Großen dargestellt wird. Diese
Verwendung bildet mit der Auflösungsfähigkeit für Fette, Harze u.s.w. und mit der
Eigenschaft, dem Leuchtgase beim Hindurchleiten eine außerordentlich gesteigerte
Leuchtkraft zu verleihen, die eigenthümliche Trias der hervorragenden technischen
Brauchbarkeit dieses Stoffes. Letztere Eigenschaft ist so ausgezeichnet, daß sogar
ein durch Benzol geleiteter Luftstrom mit dem Gase desselben so geschwängert wird,
daß er nunmehr mit hellleuchtender Flamme brennt. In England wurde auf dieses
Verhalten ein Patent gewonnen, nämlich das Benzol als Ersatzmittel des Leuchtgases
überhaupt zu verwenden. Hierauf beruht auch der bekannte Vorlesungsversuch, das an
und für sich nicht leuchtende Wasserstoffgas stark leuchtend zu machen; man leitet
hiezu Wasserstoffgas aus einem Gasometer durch ein mit Benzol gefülltes Gefäß
hindurch, oder noch einfacher, man setzt der Mischung zur Wasserstoffgasentwicklung
aus Zink, Salzsäure und Wasser, ein paar Tropfen Benzol hinzu und verschließt
hierauf die Flasche mit einer zur Spitze ausgezogenen Röhre, wo dann das an der
Mündung des Rohres entzündete Gas mit hellleuchtender Flamme brennt.
Im Allgemeinen werden die hieher gehörenden im Großen erzeugten Producte durch eine
wiederholte fractionirte Destillation des Gastheers und Behandeln der Destillate mit
Schwefelsäure und Kali erhalten, wobei jedesmal nur diejenigen Theile aufgefangen
werden, welche bei einer den Siedepunkt des reinen Benzols nicht allzuweit hinter
sich lassenden Temperatur übergehen.
Mansfield benützt zur Abscheidung eines reinen Productes
die merkwürdige Eigenschaft des Benzols, im reinen Zustande bei 0° C. zu
erstarren, und kühlt daher das Destillat auf – 12° C. ab. Dabei
krystallisirt das Benzol
und läßt sich dann durch Filtriren unter erhöhtem Druck von den nicht gefrierbaren
Oelen trennen. Dieses Verfahren scheint jedoch nicht das allgemein gebräuchliche zu
seyn, obgleich es zur Erzeugung eines sehr leichtflüssigen, an reinem Benzol reichen
Productes sehr wohl dienen könnte. Bei den meisten technischen Anwendungen wäre
indeß eine allzugroße Flüchtigkeit eher ein Hinderniß, als ein Vortheil. Daher haben
auch die meisten Handelsproducte dieser Art einen weit höheren Siedepunkt, als das
reine Benzol. Während letzteres bei 80° C., nach Mitscherlich bei 86° C. siedet, fand ich den Siedepunkt eines
Benzols aus der Fabrik von Collas vor einigen Jahren zu
123° C. Diese so bedeutende Abweichung des Siedepunktes mußte natürlich auch
auf eine Zusammensetzung schließen lassen, welche sich von derjenigen des reinen
Benzols bedeutend entfernt.
Zu den vergleichenden Bestimmungen benützte ich, wie oben erwähnt, das von der Fabrik
des Dr. Aufschläger in
München in den Handel gebrachte Product. Die Elementaranalyse mußte mir zunächst als
das einfachste und am schnellsten zum Ziel führende Mittel erscheinen, einen
Anhaltspunkt für den Vergleich zwischen dem chemisch reinen und dem käuflichen
Benzol zu gewinnen.
Die Elementaranalyse lieferte, nach der bekannten Methode des Verbrennens mit
Kupferoxyd ausgeführt, folgende Werthe:
Käufliches
Benzol
234
Kohlensäure
682
Wasser
190
Daraus ergibt sich die Zusammensetzung in 100 Theilen zu:
Kohlenstoff
79,49
Wasserstoff
9,02
Sauerstoff
11,49
––––––
100,00
Vergleicht man hiemit die procentige Zusammensetzung des chemisch reinen Benzols, so
stellt sich sofort die außerordentliche Abweichung des käuflichen von demselben
heraus.
Das chemisch reine Benzol hat bekanntlich folgende Zusammensetzung:
C₁₂
72
Kohlenstoff
92,31
H₆
6
Wasserstoff
7,69
–––
––––––
78
100,00
Vor Allem muß hier der beträchtliche Sauerstoffgehalt des käuflichen Benzols
auffallen, während das chemisch reine ganz frei von demselben ist. Das käufliche
Benzol nähert sich dadurch offenbar sehr den sauerstoffhaltigen flüchtigen Oelen, unter denen
sich bekanntlich einige finden, deren Zusammensetzung mit dem von mir analysirten
Körper nahezu übereinkommt. Dennoch bleibt der so bedeutende Sauerstoffgehalt immer
bemerkenswerth; ich will daher noch anführen, daß ich den bei der Elementaranalyse
flüchtiger Körper sehr häufigen Fehler einer theilweisen Condensation in der
ausgezogenen Spitze des Verbrennungsrohres, welcher Verlust später als Sauerstoff in
Rechnung gebracht wird, durch besondere Aufmerksamkeit vermieden habe. Außerdem
haben wiederholte Analysen desselben Stoffes stets ein gleiches Resultat
ergeben.
Nach diesen Daten ist es augenscheinlich, daß man es bei dem käuflichen Benzol mit
einem von dem chemisch reinen wesentlich verschiedenen Körper zu thun hat. Die
nächste Frage mußte jedoch seyn, ob man das käufliche Benzol denn als etwas an sich
Selbstständiges oder als ein Gemisch heterogener Substanzen zu betrachten habe. Nach
der Art der Erzeugung dürfte letztere Annahme als die wahrscheinliche betrachtet
werden.
Zur definitiven Entscheidung dieser Frage stellte ich noch einige Versuche mit
fractionirter Destillation an, indem ich hiebei den Siedepunkt der Flüssigkeit
beobachtete und das specifische Gewicht des Destillates am Anfange und am Schlusse
der Operation bestimmte.
Zur Ermittelung des Siedepunktes wurde das käufliche Benzol in einer tubulirten
Retorte, durch deren Tubulus das Thermometer eingefügt war, allmählich erhitzt. Bei
102° C. begann die Flüssigkeit zu sieden, zeigte aber keinen constanten
Siedepunkt, sondern derselbe steigerte sich gleichmäßig, bis er für die letzten
Antheile 170° C. erreichte. Hiernach ist es einleuchtend, daß das käufliche
Benzol als ein Gemisch verschiedener flüchtiger Körper betrachtet werden müsse. Dieß
beweisen auch die folgenden Bestimmungen des specifischen Gewichtes des
Anfangs- und Schlußdestillates. Da aber die Temperatur des Siedens sich sehr
gleichmäßig erhöhte, so dürfte man auch wenig Hoffnung haben, durch fractionirte
Destillation allein die Sonderung eines flüchtigeren Productes fabrikmäßig
bewerkstelligen zu können.
An die Bestimmung des Siedepunktes schließt sich der Einfluß künstlicher Abkühlung
natürlich an und ich will daher hier nicht unbemerkt lassen, daß auch in dieser
Hinsicht das käufliche Benzol sich von dem chemisch reinen wesentlich unterscheidet.
Während nämlich, wie schon erwähnt, das chemisch reine Benzol bereits bei 0°
C. in den festen Zustand übergeht, worauf ja Mansfield
seine Trennung gründete, zeigte das von mir analysirte käufliche Material, auch
während längerer Zeit einer Temperatur von – 21° C. ausgesetzt,
durchaus keine Erstarrung, noch Spuren einer krystallinischen Aussonderung. Es
entstand zwar eine leichte Trübung der Flüssigkeit schon bei – 12° C., sie vermehrte sich
jedoch nicht und rührte offenbar von Spuren zuvor gelösten Wassers her. Diese
Trübung fand daher auch nicht in dem am spätesten übergegangenen Antheile der
fractionirten Destillation statt. Wenn man nun aus der Nichtaussonderung von Benzol
bei dieser weit unter seinen Erstarrungspunkt herabgesunkenen künstlichen Abkühlung
nicht unbedingt auf dessen gänzliche Abwesenheit in dem untersuchten käuflichen
Benzol schließen kann, so liegt darin doch wieder ein Fingerzeig, daß die Quantität
des chemisch reinen Benzols nicht gerade außerordentlich beträchtlich seyn kann.
Zu einem gleichen Resultate führten die Bestimmungen des specifischen Gewichtes der
von der fractionirten Destillation herrührenden Destillate. Das specifische Gewicht
ergab sich für den zuerst übergegangenen Antheil in den von mir beschriebenen
flachen KölbchenPolytechn. Journal Bd. CXLIV S.
178. bei + 4,5° C. bestimmt und auf ein gleiches Volumen Wasser von
derselben Temperatur bezogen, zu: 0,8872 und für den am Schlusse der Destillation
übergegangenen Antheil zu: 0,8942. Die beiden durch den Versuch gefundenen
specifischen Gewichte übertreffen dasjenige des chemisch reinen Benzols, dessen
specifisches Gewicht bekanntlich 0,85 ist, nicht unbeträchtlich; ihre Abweichung
unter einander zeigt indeß wieder auf das deutlichste, daß das käufliche Benzol ein
Gemisch verschieden flüchtiger Bestandtheile ist. Bei der ersteren dieser beiden
specifischen Gewichtsbestimmungen trat bei der Abkühlung auf + 4° C. die
zuvor erwähnte Trübung durch gelöstes Wasser ein. Diese Trübung fand nicht statt bei
dem am Ende der fractionirten Destillation übergegangenen Antheile, worin abermals
ein Beweis liegt, daß sie nur von dem bei gewöhnlicher Temperatur gelösten Wasser
herrühre, welches natürlich schon bei dem niedrigen Temperaturgrade im Anfange der
Operation mit überdestilliren mußte. Als Rückstand von diesen Destillationen
größerer Mengen Benzols aus der Aufschläger'schen Fabrik
blieb nur ein äußerst schwacher harziger Anflug; hiedurch ist die technische
Brauchbarkeit des in geeigneter Weise dargestellten Productes verbürgt.
Im Zusammenhange mit diesen Resultaten mußte auch offenbar die Dampfdichte des
käuflichen Benzols von derjenigen des chemisch reinen bedeutend abweichen. Ich füge
der Vollständigkeit wegen auch diese Bestimmung noch bei. Sie wurde nach der
üblichen Methode, den Dampf im zugeschmolzenen Glaskolben zu wägen, ausgeführt, und
lieferte folgende Werthe:
Ballon (Tara)
21740
Milligramme.
Temperatur
18°
C.
Barometerhöhe
739
Millimeter.
Zuschmelzungstemperatur
170°
C.
Capacität des Ballons
158
Kubikcentimeter.
Es ergibt sich aus diesen Daten die Dampfdichte des käuflichen Benzols zu:
3,63
während diejenige des chemisch reinen Benzols nur 2,77
beträgt. Auch hierin findet also ein sehr beträchtlicher Unterschied zwischen beiden
Substanzen statt.
Ich glaube durch diese Versuchsreihe einem erst in jüngster Zeit in den Handel
eingeführten Artikel auch von wissenschaftlicher Seite die gebührende Aufmerksamkeit
zugewendet zu haben. Dieß schien mir um so mehr wünschenswerth, als dem käuflichen
Benzol durch seine eigenthümlichen Eigenschaften, so wie durch die Möglichkeit der
reichlichsten Darstellung aus an sich nur wenig werthvollen Materialien eine
ausgedehnte technische und wissenschaftliche Anwendung in Aussicht gestellt ist. Ich
erinnere zunächst hier nur an die von mir mittelst käuflichen Benzols in Anwendung
gebrachte neue Methode der Gewinnung des Caffeins in ausgezeichneten Krystallen aus
Kaffeebohnen.Polytechn. Journal Bd. CXLVII S.
395. Namentlich mußte mich der Umstand, daß die hieher gehörenden Substanzen
bereits durch den Gebrauch die Träger des Namens eines wissenschaftlich völlig
abgegränzten Körpers geworden sind, zu einer näheren Bearbeitung auffordern. Zufolge
dieser Untersuchung dürfte es sich jedoch herausstellen, daß diese Körper jenen
Namen nur sehr uneigentlich zu führen berechtigt sind, wenngleich sie in ihrer
technischen Anwendbarkeit mit dem wahren Benzol erfolgreich wetteifern können und
dasselbe, was den Kostenpunkt anlangt, natürlich von aller Concurrenz
ausschließen.
Noch möchte ich auf die Verwendung des Benzols als Beleuchtungsmittel in
Camphinlampen aufmerksam machen und über die Löslichkeit desselben in Weingeist
einige Daten beibringen. Dieselbe ergab sich durch eine directe Bestimmung, wobei
ich eine gewogene Menge Weingeist mit käuflichem Benzol bis zur beginnenden Trübung
versetzte, in der Weise, daß 1 Thl. Weingeist, dessen Gehalt an absolutem Alkohol 85
Gewichtsprocente betrug, bei mittlerer Temperatur 2 21 Thle. Benzol zu lösen vermag.
Ein vergleichender Versuch mit rectificirtem Terpenthinöl ergab dessen Löslichkeit in Alkohol um
das Zehnfache geringer. Wie alle sogenannten Camphinlösungen brennt diese
alkoholische Benzollösung mit stark rußender Flamme, gibt jedoch in gut construirten
Camphinlampen ein ausgezeichnetes Licht und dürfte vor ähnlichen häufig gebrauchten
Mischungen den Vortheil der fast völligen Geruchlosigkeit haben, ohne dieselben im
Preise zu übertreffen.
Der Preis des käuflichen Benzols ist durch seine Darstellung im Großen in neuerer
Zeit sehr bedeutend ermäßigt worden. Während früher die aus Paris bezogenen
Originalflaschen zu 3 1/2 Unzen 36 kr. das Stück kosteten, also das Pfund 2 fl. 44
kr., so ist gegenwärtig das käufliche Benzol aus der Aufschläger'schen Fabrik zu 24 kr. per Pfund
zu beziehen; es unterscheidet sich daher im Preise nur wenig vom Terpenthinöl.