Titel: | Ueber das Wesen der Wärme; von Prof. G. Decher. |
Autor: | Georg Decher [GND] |
Fundstelle: | Band 148, Jahrgang 1858, Nr. XIX., S. 81 |
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XIX.
Ueber das Wesen der Wärme; von Prof. G. Decher.
(Fortsetzung von S. 10 des vorhergehenden Heftes.
Decher, über das Wesen der Wärme.
III.
Vergleichung eines warmen Körpers mit einem
tönenden.
Ueberhaupt ist es unbegreiflich, wie man an der Vorstellung von einer schwingenden
Bewegung der materiellen Körpertheilchen zur Erklärung der
Wärme-Erscheinungen in den Körpern selbst festhalten konnte, während doch mit
derselben nicht nur keine dieser Erscheinungen, sondern sie selbst nicht einmal
erklärt werden kann. Denn zu einer schwingenden Bewegung gehört eine gewisse
Gleichgewichtslage der schwingenden Theilchen und eine mit ihrer Entfernung aus der
Gleichgewichtslage hervortretende Kraft, welche sie in die Gleichgewichtslage
zurückzuführen strebt. Ein solcher Zustand kann aber in einem System von materiellen
Punkten, zwischen denen bloß anziehende Kräfte wirksam sind, namentlich wenn dieses
System noch dazu einem von allen Seiten wirkenden äußern Druck unterworfen ist, auf
die Dauer nicht statthaben; es müssen nothwendig auch abstoßende Kräfte zwischen den
einzelnen Punkten vorhanden seyn, welche sich mit den anziehenden Kräften und dem
äußern Druck oder mit dem letztern allein ins Gleichgewicht setzen, und so die
Gleichgewichtslage der einzelnen Punkte vermitteln. Wir sehen daher auch bei den uns
ziemlich genau bekannten akustischen Schwingungen der Körper die abstoßende Wirkung
der Wärme eine Hauptrolle spielen, wie bei der Elasticität, da jene Schwingungen
eine nothwendige Folge dieser Eigenschaft sind und ohne diese gar nicht stattfinden
können. Auch dem im endlosen Raume sich ausbreitenden Aether muß eine zwischen
seinen Theilchen thätige abstoßende Kraft und eine mit der Verrückung der
Aethertheilchen aus ihrer Gleichgewichtslage wachsende Spannung beigelegt werden, um
die Fortpflanzung der Lichtschwingungen erklären zu können. Es muß also auch eine
für die Möglichkeit der Wärme-Schwingungen nothwendige abstoßende Kraft
zwischen den Schwerstoff-Molecülen angenommen werden, und diese könnte dann
keine andere seyn, als die gegenseitige abstoßende Kraft der diese Molecüle
umschließenden Aetherhüllen, und diese rührt vielleicht selbst wieder von einer oscillirenden
Bewegung der Aethertheilchen her? Um also die zu den akustischen Schwingungen
nothwendige abstoßende Kraft der Wärme zu erklären, brauchen wir noch viel kleinere
Schwingungen, welche wir nur durch das Gefühl als Wärme wahrnehmen, und um die
Möglichkeit dieser Schwingungen zu erklären, haben wir eine neue abstoßende Wirkung
nöthig u.s.f. Sieht das nicht den Epicykeln des Ptolomäus so ähnlich wie ein Ei dem
andern?
Doch sehen wir, was sich mit der Annahme von Wärmeschwingungen der
Schwerstoff-Molecüle erklären läßt.
Wenn das Warmseyn eines Körpers in einer oscillirenden Bewegung der materiellen Atome
oder Molecüle besteht, so muß sich zwischen einem warmen
Körper und einem tönenden, ich will nicht sagen die
größte, aber doch eine sehr große Uebereinstimmung kund geben; denn das Tönen besteht, wie wir sicher wissen, in einer
schwingenden Bewegung der materiellen Theilchen, und eine Verschiedenheit zwischen
Wärme- und Tonschwingungen könnte nur in der Geschwindigkeit, Amplitude und Dauer der
Schwingungen stattfinden; die Art der Schwingungen, ob longitudinal, ob transversal,
ob kreisförmig, ob elliptisch, kann nicht in Betrachtung kommen, da ein Körper durch
alle diese Arten von Schwingungen zum Tönen gebracht werden kann. Von einer solchen
Uebereinstimmung ist aber nicht nur keine Spur zu entdecken, es herrscht vielmehr
zwischen beiden Zuständen in jeder Hinsicht die größte Verschiedenheit.
1) Ein tönender Körper hat Knotenpunkte, Knotenlinien und selbst Knotenflächen, Orte,
an welchen keine schwingende Bewegung stattfindet, und muß sie haben, weil sich um
diese nicht schwingenden Theilchen die augenblicklichen Bewegungsgrößen der
schwingenden Theilchen das Gleichgewicht halten müssen, wenn der ganze Körper keine
fortschreitende oder drehende Bewegung annehmen soll. Es müßte daher aus demselben
Grunde auch in einem warmen Körper solche bewegungslose, also absolut wärmelose Orte geben und von einer Gleichheit der Temperatur und
Dichte durch den ganzen Körper könnte keine Rede seyn.
2) Der Bewegungszustand eines tönenden Körpers ist in seiner Anordnung willkürlich;
es kann sich für gleiche Veranlassung der Bewegung je nach zufälligen äußern
Umständen eine größere oder geringere Anzahl von KnotenlinienKartenlinien bilden und der Körper einen höhern oder tiefern Ton geben, also
Schwingungen von kürzerer oder längerer Dauer machen. Auch davon ist bei einem
warmen Körper nicht die geringste Analogie wahrzunehmen; er müßte in Folge ähnlicher
Zustände, mit welchen jedenfalls eine Verschiedenheit der Amplitude der Schwingungen
verbunden wäre, eine verschiedene Volumenausdehnung und verschiedene Temperaturen
etc. annehmen können und zwar durch dieselbe Wärmemenge, welche ihm zugeführt
wird.
3) Ein tönender Körper scheint ein größeres Volumen einzunehmen als das ist, welches
er im Zustande der Ruhe besitzt; seine Längenausdehnung ist aber nicht nach allen
Richtungen hin gleich, und kann es nicht seyn, weil die Schwingungen seiner
Theilchen nicht nach allen Richtungen hin bunt durcheinander gehen können, und daher
nach verschiedenen Richtungen verschiedene relative Ausdehnungen statthaben müssen.
Eine deutlich ausgesprochene, durch Tonschwingungen veranlaßte Volumenänderung,
welche wenigstens dem äußern Ansehen nach gleichmäßig auf den ganzen Körper
vertheilt scheint, findet man übrigens nur bei den Longitudinal-Schwingungen
eines Stabes; und diese muß nach der Theorie in der Richtung der Länge eine
wesentlich andere seyn, als senkrecht dazu; denn wenn der Stab in der Verlängerung
begriffen ist, so wird er dünner und zwar in demselben Verhältnisse, als wenn er
durch eine in der Richtung der Länge wirkende Kraft gestreckt wird, d.h. es beträgt
die relative Verminderung seiner Dicke 1/4 bis 1/3 von der relativen Verlängerung,
und in demselben Verhältnisse steht die relative Vermehrung der Dicke zu der
relativen Verkürzung. Die schnelle Aufeinanderfolge dieser Veränderungen wird zwar
nach allen Seiten eine scheinbare Vergrößerung oder Ausdehnung bewirken; allein
diese wird immer in der Richtung der Länge drei- bis viermal so groß seyn,
als in den dazu senkrechten Richtungen. Dasselbe müßte denn auch bei den
Wärmeschwingungen fester Stoffe der Fall seyn; auch diese Wärmeschwingungen können
nicht nach allen Richtungen hin durcheinandergehen; es könnte also durch die
Wärmeschwingungen keine gleichmäßige Ausdehnung der Körper
nach jeder Richtung hin bewirkt werden. Aber auch abgesehen von dieser
Unmöglichkeit, die gleichmäßige Ausdehnung durch Schwingungen zu erklären, hat die
Annahme, daß die Ausdehnung überhaupt, welche sich bei der Erwärmung der Körper kund
gibt, die Folge von Schwingungen der Molecüle sey, schon wegen ihrer Größe wenig
Wahrscheinlichkeit für sich, wenn man erwägt, wie gering die Verlängerung eines
longitudinal schwingenden Stabes und wie groß die Amplitude dieser
Ton-Schwingungen ist im Vergleich zu der Amplitude, welche man bei den
Wärmeschwingungen zulassen dürfte. Es kann also nicht einmal diese erste und
einfachste Wirkung der Wärme, die gleichmäßige Ausdehnung der Körper, durch die
Annahme von Wärmeschwingungen genügend erklärt werden.
4) Diese Ausdehnung wächst bei allen festen und flüssigen Stoffen in einem größern
Verhältniß, als die Temperatur-Aenderung, oder mit andern Worten, die
relative Ausdehnung für die Einheit der Temperatur-Aenderung, der Ausdehnungscoefficient, wächst mit der
thermometrischen Temperatur. Darnach und weil die theoretische Temperatur von der
thermometrischen in der Nähe des Gefrier- und Siedepunktes nicht verschieden
seyn kann, müßte die Amplitude der Wärmeschwingungen in einem größern Verhältnisse
zunehmen, als die Vibrationsgeschwindigkeit, oder selbst als das Quadrat dieser
letztern, und dieß könnte nur der Fall seyn, wenn die
Schwingungsdauer mit wachsender Temperatur zunähme. Eine solche Zunahme der
Schwingungsdauer oder Abnahme der Zahl der Schwingungen in der Zeiteinheit wird aber
gewiß kein Anhänger der Wärmeschwingungen zugeben wollen; es ist also auch hier die
Theorie mit den Thatsachen im Widerspruch.
5) Die Ton-Schwingungen pflanzen sich in sehr kurzer Zeit durch den ganzen
Körper fort; bei den Wärmeschwingungen müßte man die gerade entgegengesetzte
Eigenschaft voraussetzen. Nehmen wir z.B. einen Stab von Glas oder Metall, und
bringen ihn, indem er in der Mitte gehalten und an dem einen Ende gerieben wird, zum
Tönen, so wird er durch das Reiben auch wärmer werden. Die Tonschwingungen werden
sich sehr schnell in dem Stab fortpflanzen und nach einer sehr kurzen Zeit werden
beide Enden desselben in vollkommen gleicher Weise schwingen. Warm wird er dagegen
merklich nur da, wo er gerieben wird, und diese Wärme verschwindet ganz allmählich
wieder, ohne sich im Stab viel weiter verbreitet zu haben.
6) Die Dauer der schwingenden Bewegungen nach Entfernung der erregenden Ursache ist
durchaus eine sehr kurze, und um so kürzer, je kleiner die Schwingungsdauer ist; die
hohen Töne verklingen viel schneller als die tiefen, und die Lichtschwingungen des
Aethers verschwinden augenblicklich nach dem Erlöschen des erregenden leuchtenden
Punktes. Jenes rasche Nachlassen der Tonschwingungen kann nicht auf Rechnung äußerer
Umstände gesetzt werden; eine Glocke tönt unter dem Recipienten der Luftpumpe, in
ihrem Scheitel möglichst befestigt, nicht wahrnehmbar länger fort als in der Luft,
und an einem Faden aufgehängt. Es ist ein offenbarer Mangel unserer analytischen
Schwingungsgesetze, wenn diese eine unbegränzte Fortdauer der einmal erregten
schwingenden Bewegung in einem festen oder flüssigen Stoffe zulassen, wenn sie die
wichtigen Erscheinungen nicht darzustellen vermögen, daß auf einem Seil oder einer
Claviersaite, welche an einem Ende angeschlagen werden, eine Halb-Welle
hin- und herläuft, die in jedem Augenblick an einer andern bestimmten Stelle
erscheint, während der
ganze übrige Theil des Seiles und der Saite in der Gleichgewichtslage bleibt, daß
der durch einen Stein erregte Wasserspiegel sich an der getroffenen Stelle bald
wieder ebnet, und sich von da nur wenig kreisförmige Wellen ausbreiten, und daß
ebenso die Tonschwingungen der Luft und noch mehr die Lichtschwingungen des so
außerordentlich elastischen Aethers augenblicklich an der Erregungsstelle erlöschen,
wenn die erregende Ursache verschwunden ist. – Und die Wärmeschwingungen,
denen doch gewiß keine größere Schwingungsdauer beigelegt werden könnte als den
Tonschwingungen, sollen allein eine Ausnahme machen, diese Schwingungen allein
sollen ohne erregende Ursache immer oder doch wenigens sehr lange fortdauern
können?!
7) Die Tonschwingungen können in großen Massen ohne viel mehr Arbeit erregt werden,
als in kleinen, und ein tönender Körper kann elastischen Massen seine Bewegung
mittheilen, ohne selbst merklich an Intensität zu verlieren; dagegen mit nicht
elastischen, nicht tonfähigen Körpern in Berührung gebracht, verliert er seine
Bewegung augenblicklich, und in inniger Berührung mit denselben kann er gar nicht
zum Tönen gebracht werden. Der warme Körper zeigt von allen diesen Erscheinungen das
gerade Gegentheil. Er kann seinen Zustand keinem andern Körper mittheilen, ohne
seinen eigenen zu schwächen, und er erwärmt sich um so mehr, und behält seine Wärme
um so länger, je mehr er von Körpern umgeben ist, welche die Wärme schwer annehmen.
Soll dieses etwa dadurch erklärt werden, daß die Wärmeschwingungen an jenen schlecht
leitenden Stoffen wie an unbeweglichen und elastischen Wänden in den warmen Körper
zurückreflectirt werden? Wo ist auch nur die entfernteste Analogie für eine solche
Erklärung?
8) Und endlich woher soll die verschiedene specifische Wärme der Stoffe kommen, wenn
die Wärmemenge, welche einem Körper zugeführt wird, in der Vermehrung der lebendigen
Kraft seiner schwingenden Bewegung besteht? Muß dann nicht die Gewichtseinheit jedes
Stoffes bei gleicher Temperatur gleiche lebendige Kraft besitzen, also auch bei
gleicher Aenderung der Temperatur gleichen Zuwachs an lebendiger Kraft erhalten,
namentlich wenn die Ausdehnung und damit auch der nach der Annahme von der
Aequivalenz der Wärme und Arbeit mit der Ausdehnung verbundene Verbrauch an Wärme
verhindert wird? Müßten dann nicht die Wärmecapacitäten der Gase bei constantem Volumen für die Gewichtseinheit gleich seyn, während die Erfahrung zeigt, daß deren
Wärmecapacitäten bei constantem Druck für die Gewichtseinheit sehr verschieden sind,
und das angenommene fast constante Verhältniß beider Wärmecapacitäten auch zur
Annahme sehr verschiedener Wärmecapacitäten bei constantem Volumen für die
Gewichtseinheit der Gase zwingt?
Mit einem Worte, die Annahme von Wärmeschwingungen der
Schwerstofftheilchen steht im directen Widerspruch mit allen Erscheinungen,
welche von der Wärme in den Körpern selbst hervorgerufen werden.
Der Annahme von Schwingungen der Aetherhüllen können nicht ganz dieselben Vorwürfe
gemacht werden, indem namentlich in Betreff des letzten, unter 8) aufgeführten, die
in der Gewichtseinheit eines Stoffes enthaltene Aethermenge wohl verschieden seyn
kann, und wenn man mit Redtenbacher
(Dynamiden-System, S. 24) radiale
Wärmeschwingungen der Aetherhüllen annimmt, so kann man auch die gleichmäßige
Ausdehnung der Körper erklären. Allein abgesehen von der Schwierigkeit, sich die
Entstehung und Mittheilung solcher Schwingungen zu erklären, da die Mittheilung nur
von einer Seite kommen kann, und daher angenommen werden muß, daß eine solche Hülle
wie eine angestoßene Kugel schwingt, so daß dieselbe, ursprünglich auch als Kugel
gedacht, abwechselnd bald ein abgeplattetes, bald ein spindelförmiges Ellipsoid
wird, dürfte es auch bei dieser Annahme schwer seyn, die mit der Temperatur
wachsende Ausdehnung der festen und flüssigen Stoffe, die schwerfällige
Fortpflanzung und lange Dauer der erregten Wärmeschwingungen ungezwungen zu
erklären.
Dazu kommt nun aber noch ein Hauptgrund, welcher der Annahme von Wärmeschwingungen
und überhaupt der Annahme, daß die Wärme, das Warmseyn, in einer Bewegung bestehe, entgegen ist, und welcher aus der Erscheinung der Wärmeabsorption hervorgeht.
Es ist eine bekannte Thatsache, daß nicht nur sehr viele Flüssigkeiten, sondern
selbst Stoffe der festen Aggregatform, wie Eis, Jod, Kampher etc., selbst bei sehr
niederer Temperatur und unter dem atmosphärischen Drucke das Bestreben haben, Wärme
aufzunehmen, um in die Dampf- oder Gasform überzugehen, und bei manchen jener
Flüssigkeiten ist die Begierde nach Wärme so groß, und die in die Gasform
übertretenden Theilchen entziehen ihrer eigenen Flüssigkeit und den sie zunächst
umgebenden Stoffen die Wärme mit solcher Heftigkeit, daß die Temperatur dieser
letztern um viele Grade unter die Temperatur der umgebenden Luft herabsinkt,
namentlich wenn noch der Druck auf die Flüssigkeit vermindert wird. Hier sehen wir
also einen Vorgang im Innern der Flüssigkeit ohne andere äußere Veranlassung, als
daß derselben Raum gegeben wird, sich in der Dampfform auszubreiten; es ist hier
keine äußere Wärmequelle, welche, wie wir es uns beim Sieden gewöhnlich vorstellen,
der Flüssigkeit die Wärme aufdringt und dadurch die Cohäsion und den auf der
Flüssigkeit ruhenden
Druck überwältigt, diesen sogar selbst verstärkt und dabei die Aenderung des
Aggregatzustandes bewirkt; die Flüssigkeit, die sie einschließenden festen Körper
und die umgebende Luft haben gleiche Temperatur, und doch erfolgen alle diese
Wirkungen in derselben Weise, wie dort. Sind wir darnach nicht im Recht, zu
schließen, daß ohne den atmosphärischen Druck alle Flüssigkeiten dem Erdkörper die
erforderliche Wärme entziehen würden, um in die Gasform überzugehen, und daß der
Vorgang beim Sieden und Schmelzen ein ganz gleicher ist? Daß auch hier den
Schwerstoff-Molecülen die Wärme nicht aufgezwungen wird, sondern daß sie die
in ihrer Nähe befindliche Wärme zu absorbiren suchen, um die gemeinschaftliche
Wirkung der Cohäsion und des äußeren Druckes zu überwältigen, und daß sie nur dann
wieder in die flüssige oder feste Form zurückkehren, wenn ihnen von andern kälteren
Körpern, als sie selbst sind, die Wärme entzogen wird, welche sie befähigt, jenen
Kräften Widerstand zu leisten?
Und wie will man nun diese Erscheinung vom Standpunkt der Bewegungstheorie erklären?
Es sind dazu nur zwei Annahmen möglich: entweder muß man zugeben, daß in einem
System von Schwerstoff- oder Aethertheilchen, welche alle in einem gleichen
Bewegungszustand begriffen sind, der eine Theil sich seiner lebendigen Kraft,
wenigstens theilweise, freiwillig entäußern kann, um
diese auf den andern Theil zu übertragen, oder man muß annehmen, daß der eine Theil
dieser Punkte dem andern die Bewegung entziehen kann, um sie
sich anzueignen. Beide Annahmen wären widersinnigHr. Clausius freilich läßt ohne viel Bedenken
seine Flüssigkeitstheilchen nach allen Richtungen durcheinander schwingen,
und wenn es dabei einem oder dem andern zu eng wird, so schnellt es
ungeachtet seiner Schwere und des auf der Flüssigkeit lastenden Druckes über
die Spiegelfläche der Flüssigkeit hinaus, und schwirrt nun, zum
Dampf- oder Gasmolecül avancirt, sich seiner Freiheit freuend, mit
den Luftmolecülen um die Wette. (Vergl. Poggendorff's Annalen Bd. C S.
360.), und eben so widersinnig ist es demnach, anzunehmen, daß das Warmseyn in einer Bewegung, das Wärmerwerden in einer
Vermehrung der Bewegung oder der lebendigen Kraft, sey es von
Schwerstoff- oder Aethertheilchen, bestehe.
IV.
Wärmestrahlung.
Ich wage zu hoffen, daß durch die vorhergehenden Erörterungen und namentlich den
letzten Schluß der Speculation in Bewegungstheorien der Wärme, ein Ziel gesetzt ist;
ich finde es daher nicht für nöthig, auch die Aenderung des Aggregatzustandes und die bei den chemischen
Processen sich kundgebenden Wärmeerscheinungen näher zu besprechen und auch an
diesen zu zeigen, daß jene Theorien keine dieser Erscheinungen genügend erklären
können, und zwar um so weniger nöthig, als mir kein ernstlicher Versuch einer
solchen Erklärung bekannt ist. Denn die heitern Einfälle von Krönig und Clausius über den Aggregatzustand
kann man wahrlich nicht als solche ernsthafte Versuche betrachten, und selbst Redtenbacher, der in seinem Dynamidensystem die Begriffe: Temperatur, Wärmecapacität u.s.f. der von
ihm zu Grunde gelegten Hypothese entsprechend bestimmt erklärt, läßt sich über den
Vorgang bei der Aenderung des Aggregatzustandes und über die Ursache der
Verschiedenheit der äußern Erscheinung eines Stoffes je nach seinem Aggregatzustand
mit keinem Worte aus; er kommt nur zu dem sonderbaren Ergebniß, welches übrigens
eine nothwendige Folge seiner Definition von Wärmecapacität ist„Die wahre, rationelle Wärmecapacität eines Stoffes ist die Anzahl
der Aetheratome, welche in der Gewichtseinheit des Stoffes enthalten
ist.“ (Dynamidensystem, S. 30.) Später (S. 42 daselbst) wird
bewiesen, daß diese wahre Wärmecapacität bei den Gasen (also auch bei
flüssigen und festen Stoffen) mit der empirischen Wärmecapacität bei constantem Volumen übereinstimmt, also mit einer
Größe, welche nicht einmal für die Luft durch directe Versuche ermittelt
ist, und die für flüssige oder feste Stoffe zu kennen wir weit entfernt
sind. Trotzdem bestimmt Hr. Redtenbacher auf S.
31 u. f. die Aethermenge eines Stoffes, wie in dem oben angeführten Beispiel
vom Wasser und Wasserdampf, nach den bekannten Wärmecapacitäten bei
constantem Druck. Wo es sich bei Gasen nur um Verhältnißzahlen handelt (was
übrigens bei dem vorhergenannten Beispiel nicht der Fall ist), da könnte man
noch zugeben, daß wegen der angenommenen Unveränderlichkeit des
Verhältnisses der beiden Capacitäten, die eine für die andere gesetzt werden
dürfe; soll dieses Verhältniß aber auch bei festen und flüssigen Stoffen
constant seyn?, daß bei der Aenderung des Aggregatzustandes Aether aus den Stoffen
ausgeschieden werde, daß z.B. die Gewichtseinheit Wasserdampf um 52 1/2 Proc. oder
gar um 69 1/2 Proc. (!) (Dynamidensystem S. 32 und S. 51) weniger Aether enthalte
als die Gewichtseinheit Wasser, ungeachtet des 1000fachen Rauminhaltes und der weit
größern zwischen den Dampftheilchen vorherrschenden Repulsionskraft. Fast eben so
viel Aether müßte dann aber auch bei dem Uebergang des Wassers in den festen Zustand
ausgeschieden werden, da die Wärmecapacität des Eises nach Regnault der des Wasserdampfes nahe gleich istPolytechn. Journal Bd. CXXVIII S.
296., ungeachtet hier die Aenderung des Aggregatzustandes im entgegengesetzten
Sinne stattfindet. Doch wer bei solchen Ergebnissen einer Theorie nicht selbst Grund
zu Bedenken findet, den bekehren auch meine „ungeachtet“
nicht.
In Betreff der chemischen Processe finde ich nur die oberflächliche Vermuthung
ausgesprochen, daß die ursprüngliche chemische Verbindung zweier oder mehrerer
Stoffe durch die stärkeren Wärmeschwingungen gelockert, und die Atome dadurch befähigt
werden, neue Verbindungen einzugehen. Ich dächte man müsse annehmen, daß bei einer
chemischen Verbindung die Atome der sich verbindenden
Stoffe sich zu Molecülen gruppiren, und daß diese Molecüle die Wärmeschwingungen
machen, oder daß diese eine gemeinsame Aetherhülle besitzen, in welcher die
Wärmeschwingungen vor sich gehen; ich wüßte sonst nicht, wie sich eine chemische Verbindung von einem Gemenge unterscheiden sollte. Ich sehe dann aber auch nicht ein, wie eine
solche gemeinschaftliche Bewegung, oder die Bewegung einer gemeinsamen Aetherhülle
die Lockerung der Verbindung bewirken soll, und sehr begierig wäre ich, eine
Erklärung dafür zu lesen, wie solche in stärkerer Bewegung begriffene, oder mit
stärker bewegten Aetherhüllen umgebene Atome mit andern auch in Bewegung begriffenen
oder mit oscillirenden Aetherhüllen umgebenen Atomen neue chemische Verbindungen
eingehen und dabei ihre eigene oder ihrer Aetherhülle schwingende Bewegung zu einem
weit höhern Grade steigern können. Daß übrigens die Wärme nicht bloß durch die
Lockerung der ursprünglichen chemischen Verbindungen und durch die Aenderung des
Aggregatzustandes das Eingehen neuer Verbindungen fördert, zeigt am deutlichsten das
Knallgas; hier bleiben zwei Stoffe, welche eine sehr
energische chemische Affinität besitzen, in dem günstigsten Aggregationszustand der
Gasform vollkommen gemengt, selbst unter einem nicht unbedeutenden Drucke ganz
indifferent nebeneinander, bis die Temperatur einiger weniger Theilchen des Gemenges
fast die Glühhitze erreicht hat; nun aber tritt eine plötzliche Vereinigung ein und
eine solche Entwickelung von Wärme, wie sie durch keine andere Verbindung mehr
erhalten werden kann. Wo ist da auch von weitem nur ein Grund dafür denkbar, daß
diese Gase, deren Molecüle selbst oder deren Aetherhüllen nach der beliebten
Hypothese bei der gewöhnlichen Temperatur doch auch schon in Bewegung sind, sich
lieber verbinden, wenn diese Molecüle oder Aetherhüllen in eine noch viel heftigere
Bewegung gesetzt und die Molecüle selbst noch weiter von einander entfernt werden,
und daß durch diese Vereinigung eine solche enorme
Steigerung jener Bewegung hervorgerufen werden kann?
Lassen wir also den nicht zu bekehrenden Vertheidigern jener Hypothese das Vergnügen,
Gründe dafür aufzufinden, und wenden wir uns zu einer andern Classe von
Wärme-Erscheinungen, welche die wichtigste Stütze der mechanischen
Wärme-Theorie bilden, nämlich zu den Erscheinungen der Wärme-Strahlung.
Nachdem Fresnel die Licht-Emissionstheorie
siegreich bekämpft und den Lichtstoff aus der Physik
eliminirt hatte, war man schnell bereit, dem Lichtstoff auch den Wärmestoff
nachzusenden, da die innige Verbindung von Licht und Wärme, und die übereinstimmenden Gesetze der
Fortpflanzung, Reflexion und Brechung des Lichtes und der strahlenden Wärme, welche
später noch durch Melloni's Entdeckungen der Wärmefarben
und der Polarisation der Wärmestrahlen vermehrt wurden, keinen andern Schluß übrig
ließen, als daß die Wärmestrahlung wie das Licht in einer
oscillirenden Bewegung des Aethers bestehen muß. Dieser Schluß dürfte denn
auch bei der festen Begründung der Undulationstheorie des Lichtes als unumstößlich
zu betrachten seyn; ob aber das, was man daraus weiter gefolgert hat, ebenso richtig
ist, ebenso nothwendig daraus gefolgert werden muß, ist eine andere Frage, da man
dabei zwei wesentliche Unterschiede zwischen den Wirkungen der Wärmestrahlung und
denen der Licht- und Schallstrahlung unbeachtet gelassen zu haben
scheint.
1) Der tönende Körper erregt nur die oscillirende Bewegung
der Luft, der leuchtende die des Aethers, ohne dadurch
selbst an Bewegung zu verlieren; der tönende Körper
verliert seinen Ton nicht schneller, wenn er ihn durch die ruhige Luft der stillen
Nacht hinsendet, als wenn derselbe sich im Geräusch des Tages verliert oder mit
vielen andern Tönen in demselben Raum zu einem Concert zusammenwirkt, und der
leuchtende Körper sendet nicht mehr Licht aus, wenn er in die Finsterniß strahlt,
als wenn er in der Tageshelle leuchtet. Ganz anders der warme Körper; dieser strahlt seine Wärme aus, von
sich weg, er wird durch das Ausstrahlen kälter;
er verliert seine Wärme um so schneller, je kälter der Raum ist, gegen den er
ausstrahlt, und je leichter die ihn umgebenden durchstrahlbaren Mittel die
Wärmestrahlen durchlassen, und deßhalb am schnellsten im leeren Raum. Ist es bei
Erwägung dieser bekannten Erscheinung noch möglich, zu verkennen, daß das Warmseyn doch noch etwas anderes seyn muß, als ein Bewegungszustand, ähnlich dem Licht und Schall
erzeugenden? Es muß nach den oben angeführten Erscheinungen zugegeben werden, daß
der warme Körper, indem er seine Wärme ausstrahlt, eine den Licht-Vibrationen
ähnliche Bewegung im Aether erzeugt, oder weil wir keine unmittelbare Lichtquelle
kennen, die nicht auch Wärmequelle ist, vielleicht richtiger ausgedrückt, daß er eine vibrirende Bewegung des Aethers erzeugt, welche
bei einer gewissen Schwingungsdauer die Eigenschaft besitzt, die Empfindung des
Lichtes in unserm Sehorgan zu erregen; aber es ist nicht nothwendig, daß
seine Theilchen oder deren Aetherhüllen deßhalb auch eine solche Bewegung besitzen
müssen; im Gegentheil kann das, was er bei seinem
Ausstrahlen verliert, nicht Bewegung seyn, da es abermals
widersinnig wäre, anzunehmen, daß die Bewegung um so
schneller abnehme, je weniger Widerstand sie findet; das, was der warme Körper
beim Ausstrahlen der Wärme verliert, kann nur Bewegtes seyn.
2) Man stellt kurzweg die Behauptung auf, daß der von Wärmestrahlen getroffene Körper
von dieser auch in eine schwingende Bewegung versetzt, und dadurch warm werde, und daß wenn die Wärmeschwingungen des Aethers die
Eigenschaft der Lichterregung besitzen, ein kleiner Theil an der Oberfläche des
getroffenen Körpers als Licht reflectirt, der andere aber für die Erwärmung
absorbirt werde. Darnach sollte man doch annehmen dürfen, daß der von dem
oscillirenden Aether getroffene Körper unter allen Umständen in Bewegung gesetzt
werden müsse und daß er um so Heller werden müsse, je weniger Wärme oder Bewegung er
absorbirt, und umgekehrt, um so dunkler, je wärmer er wird; wenigstens sollte ich
meinen, das müsse nothwendig aus der Bewegungstheorie und den damit
zusammenhängenden neuen physikalischen Dogmen von der Unzerstörbarkeit und der Aequivalenz der
Wirkungen geschlossen werden. Die Erfahrung spricht aber ganz anders. Wir
sehen, daß sich die Körper in den Sonnenstrahlen um so weniger erwärmen, je dünner
die sie umgebende Lufthülle ist, und wir sind demnachdennoch berechtigt, zu schließen, daß ein Körper ohne Gashülle im vollkommen
luft- und dampfleeren Raum durch die Sonnenstrahlen gar nicht erwärmt würde,
während bekanntlich ein Körper in einem von allen Seiten geschlossenen Glaskasten
den Sonnenstrahlen ausgesetzt, eine sehr hohe Temperatur annimmt, obgleich in diesem
Falle noch ein Theil der Wärmestrahlen durch das Glas absorbirt wird. Daraus geht
doch offenbar hervor, daß die Bewegung des Aethers nicht an und für sich den Körper
warm machen kann, sondern daß noch eine Hülle dazu gehört, welche die Sonnenstrahlen
durchläßt und durch welche erst die Wärme erregende Eigenschaft derselben in dem
Körper wirksam wird?
Im leeren Raum verhält sich ein Körper in gleicher Weise gegen die Wärmestrahlen, wie
gegen die Lichtstrahlen, beide werden an demselben diffus reflectirt, und man wird
wohl kaum annehmen können, daß er deßhalb im leeren Raum Heller beleuchtet
erscheine. Dagegen von Luft umgeben ist sein Verhalten gegen beide sehr verschieden;
die Lichtstrahlen werden wie dort zerstreut reflectirt, die Wärmestrahlen werden,
wie man sich ausdrückt, absorbirt, der Körper wird erwärmt und ausgedehnt, ohne daß
diese in dem Körper hervorgerufene Wirkung oder geleistete Arbeit auf Kosten der
Lichtreflexion stattfände und der Körper dunkler würde.
Woher diese Unterschiede, wenn die Erwärmung darin bestände, daß der bewegte Aether
eine ähnliche Bewegung in dem Körper hervorruft? Warum kann er diese Bewegung nicht
in dem im leeren Raume sich befindenden Körper erzeugen, aber in dem von Luft umgebenen?
Will man darauf antworten, daß dort die Wärmebewegung eben so schnell wieder
ausgestrahlt werde, als sie erregt worden, so sagt man doch damit nichts anderes,
als daß es zu keiner Erregung kommt; man kann nicht Etwas weggeben, was man nicht
zuvor empfangen hat.
Es gehört selbst die bekannte Erscheinung hieher, daß stark bewegte kalte Luft die
Wärmestrahlen der Sonne fast ganz unwirksam macht. Man wird darauf freilich auch
entgegnen, die kalte Luft kühle den Körper ab und entziehe ihm die von der Sonne
mitgetheilte Wärme wieder, indem man sich dabei recht bequem ein Nacheinander der
Wirkungen denkt, erst die Sonne erwärmen und dann die Luft vorbeistreichen läßt,
oder umgekehrt. So ist es aber nicht; die kalte Luft kann dem Körper nicht nehmen,
was er nicht besessen hat; beide Wirkungen müßten gleichzeitig eintreten, wie im
leeren Raum; aber ein gleichzeitiges Aufnehmen und Abgeben von Wärme ist ein Unsinn.
Die bewegte kalte Luft nimmt die Bedingung weg, unter
welcher die Wärmestrahlen wirksam seyn können, nicht Wärme, welche gar nicht
erzeugt worden. Wir nehmen diesen Unterschied auch durch unser Gefühl wahr.
Bei ruhiger Luft empfinden wir augenblicklich, sowie wir aus dem Schatten in die
Sonne treten, die bald angenehme, bald stechende Wirkung der Sonnenstrahlen, während
bei bewegter kühler Luft diese Wirkung sehr unmerklich ist, und jeder Unbefangene
wird zugeben, daß diese Wahrnehmung vielmehr für die Ansicht spricht, es werde die
von der Sonne kommende Wärme durch die bewegte Luft vornweg genommen, ehe sie noch
wirksam werden konnte, als dafür, daß die von der Sonne dem Körper mitgetheilte
Wärme diesem durch die bewegte Luft wieder entzogen werde. Die Lichtstrahlen werden
durch diesen Vorgang nicht im geringsten berührt, die Beleuchtung eines Körpers
bleibt dieselbe, ob er in ruhiger Luft sich befindet, oder einem heftigen, kalten
oder warmen Winde ausgesetzt ist. Die Aetherbewegung selbst wird also durch die
bewegte Luft nicht gestört, der Körper wird voll den Aetherwellen getroffen, wie
wenn er von ruhiger Luft umgeben ist; warum wird er also nicht wie da auch in
Bewegung gesetzt?
Die Beantwortung dieser Frage steht allerdings in innigem Zusammenhang mit der
Erklärung der Wärmeausstrahlung; es sind aber beide Erscheinungen, die der
Wärme-Ausstrahlung und der Wärme-Absorption nichts weniger als Beweise
für die Grundlage der Bewegungs-Wärmetheorie; es können
vielmehr selbst diese Erscheinungen nicht entfernt durch eine Bewegung der
Körpermolecüle oder ihrer Aetherhüllen erklärt werden. Von der ganzen
neuere Wärmetheorie
bleibt demnach nichts übrig, als der oben zugegebene Satz, daß die Wärme durch eine
schwingende Bewegung des Aethers fortgepflanzt und übertragen wird, daß ein warmer
Körper den Aether in eine solche Bewegung versetzt, und daß diese Bewegung unter günstigen Umständen einen kältern Körper erwärmt.
Auf welche Weise das geschieht oder geschehen kann, muß einstweilen dahingestellt
bleiben.
(Die Fortsetzung folgt im nächsten Heft.)