Titel: | Die Gruel'sche Leuchtgas Accord-Harmonika. |
Autor: | Sch. |
Fundstelle: | Band 148, Jahrgang 1858, Nr. LXIII., S. 290 |
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LXIII.
Die Gruel'sche
Leuchtgas Accord-Harmonika.
Ueber Gruel's Leuchtgas Accord-Harmonika.
Aus der bekannten physikalischen Werkstatt des Hrn. Gruel
in Berlin ist das oben bezeichnete und in einer Versammlung der polytechnischen
Gesellschaft daselbst mit vielem Beifall aufgenommene Instrument hervorgegangen,
welches die überraschenden akustischen Versuche des Grafen Schaffgotsch
Poggendorff's Annalen der Physik und Chemie, 1857, Bd. CI S. 471. mit Leichtigkeit zu wiederholen gestattet.
Dasselbe verdient für den physikalischen Unterricht eine besondere Empfehlung, wenn
gleichzeitig mehrere Röhren und wie hier in der wohlklingenden Consonanz des Accords
vereinigt sind. Eine Wasserstoff- oder Leuchtgasflamme von bestimmter Größe
innerhalb einer Passenden Röhre brennend, bringt die Luftsäule in der letzteren sehr
leicht in tönende Schwingungen. Man kann jedoch die Flamme in einem Zustande des
Gleichgewichts erhalten, bei welchem sie ohne zu tönen in der Röhre brennt. Dieses
Gleichgewicht kann nun aufgehoben werden, indem man einen Ton singt oder auf irgend
einem musikalischen Instrument spielt, unisono mit
demjenigen, den die Luftsäule der Röhre für sich nach Maaßgabe ihrer Länge zu geben
im Stande ist; alsdann fängt sympathetisch das Flämmchen in der Röhre mit an zu tönen oder aber es
verlöscht, wenn man dieß beabsichtigt hatte.
Der Unkundige ist geneigt, die auffallende Erscheinung des Ansingens oder Auslöschens
einfach der Lufterschütterung zuzuschreiben. Hat man indessen mehrere Röhren zur
Verfügung, so sieht derselbe sogleich, daß der außerhalb der Röhren erzeugte Ton
immer nur auf eine bestimmte Röhre einzuwirken vermag. Das Instrument ist bezüglich
der Capacität der Ausströmungen und der Beschaffenheit der langen Röhren sorgsam
adjustirt. Letztere sind mit Correctionsansätzen versehen, auch hat jede Ausströmung
ihre besondere Flammenregulirung durch die Stellung eines Hahns. Diese verschiedenen
Hülfsmittel gestatten es, zu zeigen, daß der Ton abhängig ist von der Länge der
schwingenden Luftsäule, die nach dem Gesetze der beiderseits offenen Orgelflöten und
longitudinal schwingt; ferner von der Temperatur der Luft. Eine etwas größere Flamme
erwärmt die Luft der Röhre stärker und man vernimmt daher eine Steigerung der
Tonhöhe.
Die Gasflamme selbst nimmt Theil an den Schwingungen der Luft und zeigt dadurch eine
auffallend in die Länge gestreckte Gestalt, weil das Auge die allzu rasch auf
einander folgenden Oscillationen vermöge der Vermischung des Gesichtseindruckes nur
in der Gesammtheit zu erkennen vermag. Betrachtet man jedoch dieß verlängerte
Flammenbild in einem kleinen Spiegel, den man in die Nähe der Flamme bringt, und in
seiner Ebene rasch hin- und herbewegt, so ist man im Stande, die Flamme in
ihren verschiedenen Phasen als einen sägenförmig ausgezackt sich darstellenden
Lichtstreifen zu erkennen – eine hübsche Erscheinung, die sich sofort zu
einer glatten und nicht gezackten Lichtlinie gestaltet, sobald die Flamme durch
irgend eine Ursache am Tönen verhindert wird.
Zwei der Harmonika-Röhren sind so gemacht, daß man sie genau oder beinahe unisono stimmen kann. In letzterem Fall kann man die
entstehenden Schwebungen in rascher oder langsamer Folge nicht nur dem Ohr sondern
auch dem Auge bemerklich machen. Der Accord läßt sich bis zur größten Reinheit
abstimmen, besonders wenn man die Fähigkeit besitzt, die entstehenden
Combinationstöne und Schwebungen zu unterscheiden und zu benutzen; er klingt dann
wie von einem Flötenwerk der Orgel. Als tonerregendes Mittel ist die menschliche
Stimme schon ganz geeignet. Nach der Angabe des Hrn. Gruel wirkt dieselbe ungemein kräftig, wenn man den Ton in ein etwas
weites Glas hineinsingt, welches solche Dimensionen besitzt, daß die darin
vorhandene Luftsäule gerade mit diesem Ton unisono
schwingt, und unter dieser Voraussetzung stets eine bedeutende Resonanz, somit größere Schallwellen in
der Luft erzeugt. Hiermit übereinstimmend fand ich auch bestätigt, daß die Stimme
bei geöffnetem Munde weniger kräftig einwirkt, als wenn man den Ton mit etwas
zugespitztem Munde und zwar auf den Vocal U laut
heraussingt. Stimmgabeln mit Resonanzkasten, oder durch Wasser abgestimmte
Medicingläser die man nach Art der Papagenoflöte anbläst, erweisen sich dazu
ebenfalls sehr dienlich. Der Versuch, einen Gasstrom durch einen richtig gesungenen
Ton plötzlich zu entzünden, erfordert eine besondere Vorrichtung mit zwei separaten
Gaszuleitungen; er ist vielleicht der überraschendste und gelingt ohne besondere
Schwierigkeit.
Die angegebenen Experimente beruhen schließlich auf der Resonanz der Röhren, und auf
einer richtig gestellten Flammengröße, welche letztere man so einrichten kann, daß
die Röhre nicht freiwillig, sondern nur durch eine von Außen gegebene Veranlassung
zu tönen beginnt und nun je nach der Stelle, welche die Flamme in der Röhre
einnimmt, entweder tönen und weiter brennen wird, oder durch eine zu große
Schwingungsbewegung der Luft nur einen Moment erklingt, dann aber von ihrer
Ausströmung abgerissen, verlöscht. Es ist begreiflich, daß diese stärkere
Schwingungsbewegung im ersten und dritten Viertheil der Röhrenlänge stattfinden muß.
Der Apparat empfiehlt sich auch durch ein gefälliges Aeußere und dürfte in allen
physikalischen Sammlungen, wo Leuchtgas zur Verfügung steht, willkommen seyn.
Sch.