Titel: | Neue Thatsachen, betreffend den Werth des Sorghum saccharatum als Zuckerpflanze; von G. E. Habich in Roxbury, Massachussets. |
Fundstelle: | Band 148, Jahrgang 1858, Nr. LXVII., S. 302 |
Download: | XML |
LXVII.
Neue Thatsachen, betreffend den Werth des Sorghum saccharatum als Zuckerpflanze; von G. E. Habich in Roxbury, Massachussets.
Habich, über den Werth des Sorghum
saccharatum als Zuckerpflanze.
Man wird sich erinnern, daß vor etwa fünf Jahren zuerst in Frankreich, dann in
einigen Gegenden Deutschlands, der Anbau einer neuen Zuckerpflanze, die der
Zuckerrübe Concurrenz machen sollte, versucht wurde. Das Gewächs stammte aus China
und war eine Grasart, Sorghum saccharatum (Holcus saccharatus). Die Berichte über den Zuckergehalt
der hie und da stattgefundenen Versuchspflanzungen gingen aber sehr auseinander, und
binnen Kurzem waren alle Hoffnungen, die man an diese Zuckerpflanze geknüpft hatte, soweit zusammengeschrumpft, daß nur noch der
allenfallsige Trost eines neuen Branntweinmaterials übrig
blieb.
Die ersten Nachrichten kamen aus Frankreich und waren viel verheißend. Vilmorin hatte auf der Hektare 30,000 Kilogr. Saft von
10,8 Proc. Zuckergehalt bekommen, was auf den preußischen Morgen etwa 16 Zollcentner
Zucker ergibt. Vilmorin hatte übrigens hauptsächlich die
Alkoholgewinnung im Auge. Die Pflanzen hatten reifen Samen
gebracht.
A. Reihlen in Stuttgart versuchte die Anwendung zur Zuckerproduction, indessen ohne allen Erfolg; es war kein festes Zuckerkorn zu gewinnen. Dr. Fehling wies mit dem
Polarisationsapparat nach, daß der Saft der von Reihlen
cultivirten Pflanzen nur 4 Proc. Rohrzucker, dagegen aber 10 Proc. Schleimzucker
enthielt. Für die Branntweinbrennerei macht dieser Umstand natürlich kein Hinderniß,
und da kommt's bloß auf die Zuckermenge, die auf dem Morgen wächst, an. Reihlen's Versuche gaben in dieser Hinsicht ausgezeichnete Resultate, – es lassen sich nämlich
aus seinen Angaben 3360 Pfd. Zucker per Morgen
herausrechnen. Die Pflanzen hatten durch Frost gelitten und waren nicht alle vollkommen reif geworden.
Dr. Lüdersdorff fand den
Zuckergehalt des Saftes (nur 7,5 Proc.) aus gleichen Theilen Rohrzucker und
Fruchtzucker bestehend. Seine Pflanzen waren nicht reif
geworden.
Prof. Bergemann untersuchte ebenwohl unreife Pflanzen und fand im Safte gar keinen
Rohrzucker, sondern bloß Fruchtzucker und zwar 11,3 Proc.
Diese auffallenden Differenzen hatten Dr. Gall zu der Vermuthung gebracht, daß die mehr oder
weniger südliche Lage der Gegenden, wo die Anbauversuche stattfanden, einen großen
Einfluß auf die Ausbildung des Zuckers in der Pflanze gehabt haben möchte (s. dessen
praktische Mittheilungen Bd. I S. 56).
Wir werden indessen weiter unten den Schlüssel zu diesen Erscheinungen einfach in dem
mehr oder minder vorgeschrittenen Reifezustand der
Pflanze finden.
Die Frage, ob das „chinesische Zuckerrohr“ krystallisirbaren
Zucker enthalte, war nun für die Vereinigten Staaten Nordamerika's von ganz
besonderem Interesse, – sie wurde hier zu Lande einigermaßen eine politische Frage. Alle Welt kennt den schroffen Gegensatz
zwischen dem republikanischen Norden und dem demokratischen Süden, – ein
Gegensatz, der in der Sklavenzüchterei des letztern seinen Grund findet. Der
steigende Zucker-Consum im Lande hat die Zuckerplantagen im Staate Louisiana
hervorgerufen und der Sklavenarbeit neue Aufgaben gestellt. Die Zuckerproduction ist
im fortwährenden Steigen, mit ihr hält natürlich auch die Zunahme der Sklavenarbeit gleichen Schritt, – weil das gewöhnliche
Zuckerrohr nur bis zur Spitze des Missisippi-Delta's gedeiht. Das Klima des Nordens hatte bislang nur die unbedeutende Ahornzucker-Gewinnung erlaubt. Man kann sich die
Hast denken, mit welcher die Gegner der Sklavenarbeit nach einer Zuckerpflanze
griffen, welche sich auch im nordischen Klima rasch entwickeln und ihnen also das
peinigende Gefühl
ersparen sollte, durch die Steigerung ihres Zuckerconsums Förderer der Sklaverei zu werden.
Nach vielen mißlungenen Versuchen, die sich nicht über die Syrup-Production
hinaus erhoben, scheint man der Sache jetzt Herr geworden zu seyn. Man hat Resultate
erhalten, die den gehegten Erwartungen entsprachen. Ich bin in der Lage, darüber
ziemlich detaillirte Mittheilungen machen zu können. Insbesondere muß ich es dem Dr. Jackson in Boston
(Staatschemiker und Geologe von Massachussets) Dank wissen, daß er mir den Bericht
über seine Untersuchungen, die er im Auftrage des Departements des Ackerbaues bei
der Patent-Office in Washington vorgenommen hatte, aufs freundlichste zur
Benützung mittheilte. Ich gebe denselben hier im Auszuge.
Das erwähnte Departement der Patent-Office hatte dem Dr. Jackson Pflanzen des Sorghum, die in
Washington (38° 53' nördl. Br.) gebaut waren, zugesandt. Zugleich wurden
dergleichen von Branniton und Newton Center in Massachussets (42° 20' n. Br.
untersucht. Der Einfluß klimatischer Unterschiede mußte da also an den Tag
kommen.
Die zu den einzelnen Analysen verwendeten Pflanzen befanden sich in verschiedenen Stadien der Entwickelung, – vom
jungen Stengel im Milchsaft bis zur Samenreife. Wir werden alsbald sehen, welche
bedeutende Differenzen dabei vorkommen.
Der technisch-analytische Weg, welchen Dr. Jackson einschlug, ist kurz folgender.
Die Pflanzenstengel wurden mit einer Schraubenpresse ausgepreßt und das abfließende
Saftquantum bestimmt. Dann wurde das specifische Gewicht des filtrirten Saftes
ermittelt und darnach zunächst der entsprechende ZuckergehaltDa nach Balling Malzextract-Lösungen bei
gleichem Gehalte dieselben specifischen Gewichte haben wie Zuckerlösungen,
und da im vorliegenden Falle der Saft stets noch Dextrin enthält, so wollen
wir diese Bestimmung auf „Extract“ beziehen. (nach Balling's Tabelle) notirt. Der
Controleversuch bestand nun darin, daß der mit Kalk versetzte und filtrirte Saft
eingedickt und mit Alkohol extrahirt wurde, wobei Stärke und Dextrin zurückblieben.
Die alkoholische Lösung wurde verdampft und die Krystalle gewogen, – es liegt
auf der Hand, daß die auf diesem Wege ausgeschiedenen
Zuckermengen hinter den aus dem specifischen Gewicht des Saftes berechneten zurückbleiben müssen. Uebrigens geschahen
diese letzteren Bestimmungen nur in einzelnen Fällen.
Die Resultate dieser Versuche sind in der nachfolgenden Tabelle zusammengestellt. Und
es ergibt sich aus derselben die wichtige Thatsache, daß in
den ersten Lebensstadien der Pflanze aller Zucker als Traubenzucker vorhanden
ist, neben Stärkmehl, – während mit Vollendung der Reife der Rohrzucker
das Feld behauptet und alles Stärkmehl verschwunden ist.
Uebersicht der Untersuchungen des Sorghum- und Imphee-Zuckerrohrs
durch Dr. Ch. T. Jackson in
Boston.
Textabbildung Bd. 148, S. 305
Name der Pflanze; Wo angebaut?; Wie
viel zur Untersuchung verwendet; Spec. Gew. des Saftes; Extractmenge; Berechnet;
Gefunden; Zuckermenge; Art des Zuckers; Zustand der Pflanze; Bemerkungen;
Chinesische Varietät des Sorghum; Imphee; Chinesisches Sorghum; Braniton in
Massachussets; Newton Centre in Massachus.; Washington.; Traubenzucker (kein
Rohrz.); Rohrzucker; Traubenzucker; Nach d. Blüthe noch nicht aufgebrochen; In
der Blüthe begriffen; Beinahe reif.; Frühes Milchstadium; Fast reif.; Sehr reif;
Der Saft ließ viel Stärkmehl fallen; Ebenfalls viel
Stärkmehl; Etwas Stärkmehl; Hielt Stärkmehl; Enthielt gar kein Stärkmehl; Der
Vers. 1 gab 31,25 Proc., – der Vers. 6 aber 53,1 Proc. Saft; Die
Extractmenge ist nicht immer vollständig genug ausgetrocknet gewesen, wie die
Versuche 6 und 7 am besten ausweisen; Imphee ist eine frühere, in kürzerer Zeit
reifende und deßhalb für nördlichere Gegenden passendere Varietät des Sorghum.
Etwas Samen davon habe ich dem Verein zur Beförderung des Gartenbaues in Cassel
übersendet, von welchem s. Z. Proben zu beziehen seyn werden
Der Saft junger und unreifer Pflanzen ist stets sauer, der
der reifen Pflanzen nicht. Die Gegenwart der Säure läßt
also die Constituirung von Rohrzucker nicht aufkommen. Mit dem Verschwinden der Säure steht
derselben kein Hinderniß mehr im Wege. (Bei der Runkelrübe scheint der Rohrzucker
neben der Säure existiren zu können – wie hängt das zusammen?)
Das Stärkmehl zeigte sich unter dem Mikroskop ganz gleich dem aus unreifen
Maisstengeln geschiedenen.
Ueber die analytische Methode der Zuckerbestimmung für technische Zwecke stehen hier
wohl einige Worte am Platze, zumal nach den oben mitgetheilten Thatsachen wohl
anzunehmen ist, daß neue Anbau-Versuche und Saft-Analysen des Sorghum
auch in Deutschland gemacht worden.
Ein Polarisationsapparat bietet freilich das einfachste Mittel, um den Zuckergehalt
einer Flüssigkeit in kürzester Zeit zu ermitteln. Aber solch ein Instrument ist
nicht in den Händen des Publicums, welches sich
allenfalls am meisten für fernere Prüfungen des Sorghum interessiren wird, –
und die Anschaffungskosten sind nicht gering. Halten wir uns also lieber an ein
Instrument, welches wohl in jedem Atelier für
landwirthschaftliche Gewerbe heimisch seyn wird, – das Saccharometer. Ich will die vorzunehmende Manipulation hier etwas genauer
mittheilen und muß wegen der diesem Verfahren zu Grund liegenden Principien auf Balling's Gährungschemie verweisen.
Der abgepreßte Saft wird durch trockenes Papier filtrirt und das specifische Gewicht
desselben, in Saccharometerprocenten ausgedrückt,
bestimmt. Dann werden 100 Loth des Saftes abgewogen und mit 8 Loth dickbreiiger Hefe
gemischt. Die hierdurch erfolgte Veränderung des specifischen Gewichts wird ebenwohl
an einer filtrirten Probe mittelst des Saccharometers festgestellt.Diese Veränderungen beruhen hauptsächlich auf der Verdünnung durch das der
Hefe anhängende Wasser. Ob auch die fast augenblicklich erfolgende Umwandlung des Rohrzuckers in
Traubenzucker (die man mit der Böttger'schen
Probe vortrefflich controliren kann) von Einfluß auf das specifische Gewicht
ist (wie Graham, Hofmann und Redwood behaupten), will ich dahin gestellt seyn
lassen. Jedenfalls ist sie oben unschädlich
gemacht. Die Gährung läßt man nun im verdeckten Gefäße vorschreiten, wobei man die
Hefe zuweilen unterrührt. Zeigt das Saccharometer keine Veränderung binnen 24
Stunden mehr an, so nimmt man eine Probe, schüttelt sie bis alle Kohlensäure
entwichen ist, filtrirt sie und überliefert sie dem Saccharometer. Die Grade werden
notirt und mit diesen Zahlen wird folgendermaßen gerechnet.
Die Saccharometergrade nach der Gährung werden von den
Saccharometergraden vor der Gährung subtrahirt. Der
Unterschied wird mit der
Zahl (dem „Zuckerfactor“), welche in der nachfolgenden Tabelle
neben den Saccharometergraden der Gährung steht, multiplicirt. Das Product sind die
Zuckerprocente in der saccharometrisch untersuchten
Flüssigkeit. Aber unser Saft war ja durch das Hefenwasser verdünnt und wir haben unser Resultat deßhalb noch mit jener Zahl zu
multipliciren, welche sich aus der Division der Saccharometerprocente vor dem Hefenzusatz durch die Saccharometerprocente nach dem Hefenzusatz erzielt. Ein Beispiel wird's
deutlich machen, nachdem ich die Tabelle mitgetheilt habe.
Saccharometergrade
vor der
Gährung.
Zuckerfactor.
8
0,8027
9
0,8064
10
0,8101
11
0,8138
12
0,8176
13
0,8214
14
0,8253
15
0,8293
16
0,8333
17
0,8374
18
0,8415
Gesetzt, der filtrirte Saft zeige 15 Saccharometergrade. 100 Loth desselben werden
mit 8 Loth wohl ausgewaschener, dickbreiiger Hefe versetzt, sofort wieder eine Probe
filtrirt und deren Gehalt auf 14 Saccharometergrade festgestellt. Nach Beendigung
der Gährung finde man 2 Saccharometergrade, so beträgt die Differenz (14 – 2
=) 12 Grade. Den dazu gehörigen Zuckerfactor finden wir (bei 14) mit 0,8253. Mit
diesem multipliciren wir die Differenz, – ergibt 12 × 0,8253 = 9,9036
Proc. in der untersuchten Flüssigkeit, welche durchs
Hefenwasser verdünnt war. Dieses Resultat haben wir nur noch mit 15/14 zu
multipliciren, um den wahren Procentgehalt des ausgepreßten Saftes = 10,61 Proc. an
den Tag zu bringen.
Kehren wir nach dieser nützlichen Abschweifung zum Faden des Berichts zurück.
Hr. Joseph Lovering hat eine detaillirte Darstellung
seiner Versuche zur Verarbeitung des Sorghum auf Rohrzucker veröffentlicht, aus der
das Wesentlichste hervorgehoben werden soll.
Die Versuche wurden nahe bei Philadelphia (unter 39° 56' n. Br.) mit den
dortselbst gezogenen Pflanzen gemacht.
Die Pflanzen waren auf einem guten, hochgelegenen Boden angebaut und standen in
Reihen, welche 4 Fuß auseinander entfernt waren, – jede Pflanze stand von der
andern 7 Zoll ab. Als die Pflanzen etwa 18 Zoll hoch waren, wurden die
Seitenschossen entfernt, – später wurden sie behäufelt. Sie wuchsen schlank
empor und erreichten eine Höhe von 12 bis 14 Fuß.
Auf diese Weise wurden dem Acre etwa 18,200 Pflanzen abgewonnen, was auf den
preußischen Morgen etwa 11,500 Stengel ergeben würde. Dieser Ertrag erscheint im
Vergleich mit den von A. Reihlen veröffentlichten
Ernteresultaten viel zu gering; – Reihlen hatte
jeder Pflanze einen Quadratfuß Terrain bewilligt, und würde also auf dem preußischen
Morgen etwa 26,000 Pflanzen producirt haben. Ferner hatte
aber Reihlen seinen Pflanzen auch die Seitentriebe
gelassen, wodurch der Ertrag an Stengeln noch bedeutend
vermehrt wird, – der pr. Morgen würde nämlich 102,000 Stengel von 5–8
Fuß Höhe und noch 18,000 Stengel von 2–5 Fuß Höhe, im Gesammtgewicht von
39,000 Pfund abgeworfen haben. Unser Experimentator in
Philadelphia hat nirgends Angaben gemacht, welche einen Vergleich des
Ernte-Ertrags dem Gewichte nach möglich machen;
– er beantwortet die Frage: „wie viel Zucker wächst auf dem Acker?“ – Und dabei benutzt er
in der Regel nicht den ganzen Stengel, sondern nur die untern zuckerreichern Glieder
desselben.
Voraus gieng eine Untersuchung des Saftes der noch grünen
Stengel mit dem Polarisationsapparat.
Von zwei Stengeln wurde je das unterste Glied (8 bis 9''
lang) genommen.
Beide wogen
212,596 Gramme, –
dreimal
gewalzt und ausgepreßtblieb ein
Rückstand von
93,742 „
also
wog der abgeflossene Saft
148,216 „
was
69,7 Proc. ausmacht. Das specifische Gewicht war 1,063.
Aus diesem Safte nun wurden, unter Beobachtung aller
nothwendigen Cautelen, 5,008 Proc. trockner Zucker herauspolaroskopirt, – was
3,49 Proc. Zucker im Rohr ergibt.
Es wurden ferner auch die zweiten Glieder der Stengel (zunächst über den vorher
versuchten) der polaroskopischen Untersuchung unterworfen. Das Ergebniß war 5,57
Proc. Zucker im Saft, so daß also der Saft aus den zweiten Gliedern etwas reicher an
Zucker zu seyn scheint, als der aus den untersten.
Etwa vier Wochen später, nachdem inzwischen mehrere Rauhfröste eingetreten und die
Stengel gereift waren, wurde eine neue polaroskopische
Probe gemacht, welche 7,29 Proc. Zucker im Saft ergab.
Hr. Lovering erwähnt ferner, daß der Saft aus dem unreifen Rohr entschieden sauer war, während der aus gereiften Stengeln
Lackmuspapier kaum röthete. Halten wir uns diese Thatsache mit den Erfahrungen des
Dr. Jackson zusammen, so
erscheint es in hohem Grabe unwahrscheinlich, daß jene mit dem Polaroskop gefundenen
5 Proc. Zucker als Rohrzucker in Rechnung kommen dürfen.
Diese Annahme wird auch durch die weiteren Versuche des Hrn. Lovering bestätigt, indem es ihm nicht gelang, aus dem sauren Saft krystallisirbaren Zucker darzustellen. Ich
gebe diese Versuche im Auszuge.
Erster Versuch. Am 30. Sept. 1857 wurden von 30 noch
grünen, im Milchsaft stehenden Stengeln die untern 6 bis 8 Glieder zerquetscht und
gepreßt, wobei 3 1/2 Gallons (= 15,9 Liter) Saft von 9° Baumé (= 1,063
spec. Gew.) erhalten wurden. Dieser Saft wurde nun mit Kalkmilch neutralisirt, mit
Eiweiß geklärt und bis zu einem Siedepunkt von 240° F. (92 1/2° R.)
eingesotten. Das Product war eine sehr dunkle, klebrige Masse, welche 6 Tage ohne
die geringste Krystallisation stand. Ließ man sie noch 4 Tage auf dem warmen Ofen
stehen, so schieden sich weiche Krystalle, ähnlich dem
„Melada“
von Cuba
Ohne Zweifel nichts anderes als Traubenzucker! aus. Die Syrup-Ausbeute ist nicht angegeben.
Zweiter Versuch. Zwei Wochen später wurden dazwischen gereifte Stengel verarbeitet. Der abfließende Saft zeigte
10° B. und es wurden von 340 Stengeln (aus den 6 bis 7 untern Gliedern) 31
7/8 Gallons erhalten. Die Ausbeute ist also geringer dem Volum nach, aber der Saft
ist concentrirter. Dieser Saft war schwach sauer und wurde zunächst wie oben
behandelt, dann aber noch mit Beinschwarz versetzt, bis auf 22° Baumé
eingesotten, nochmals mit Eiweiß geklärt, mit Kalkwasser gesotten, „um
Pflanzeneiweiß zu coaguliren,“ – verdünnt und nochmals durch
Knochenkohle (5 Fuß hoch) passirt, wobei ein farbloses Filtrat erhalten wurde.
Das Product wurde nun in drei Theile gebracht. Der erste
zu 230° F. (88° R.) eingesotten, wobei er die Fingerprobe zeigte,
stand eine Stunde ohne Krystalle auszuscheiden. Die zweite Portion zu 246° F. (95° R.) eingesotten und zum
ersten gegeben, veranlaßte in wenigen Minuten die Ausscheidung von Krystallen. Die
dritte Portion wurde auf 238° F. (91 1/2°
R.) Siedepunkt gebracht und zu den vorigen beiden gegeben. Am nächsten Morgen wurden
die damit gefüllten Zuckerformen auf Ablauftöpfe gesetzt. Der abfließende Syrup zur
Consistenz eingekocht, wog 27 1/4 Pfd., der Zucker in den Formen 11 1/2 Pfd. Auf den
Acre (von 8200 Pflanzen) berechnet, gibt das einen Ertrag von 615,6 Pfd. Zucker und
1458,6 Pfd. Melasse.
Der erhaltene Zucker war gelblich braun, etwa wie die zweite Qualität Cubazucker,
welcher in den Raffinerien verwendet wird.
Dritter Versuch. Abermals wurden an fünf aufeinander
folgenden Tagen zerquetscht 782 Stengel, und daraus zusammen 86 15/16 Gallons Saft
von 10° Baumé erhalten, – 18 Proc. mehr als beim zweiten
Versuch. Der Saft, wie oben behandelt, wurde bis auf 15 bez. 18° B.
eingesotten und blieb 4 bis 9 Tage stehen. Da zeigte sich denn, daß alle fünf
Portionen gewaltig verändert waren. Die Massen waren dick und geronnen und sehr
sauer, – (Milchsäure?) nur die letzte Portion, welche nur 4 Tage gestanden
hatte, gab noch gute Zuckerkrystalle.
Das Resultat dieser Versuche concentrirte sich also dahin, daß man den einmal
ausgepreßten Saft auch sofort seinem Bestimmungsort, den Zuckerformen,
entgegenführen soll, wenn man ihn vor Zersetzung bewahren will.
Gewitzigt durch diese Erfahrung wurde beim vierten Versuch
rascher vorgeschritten. Der ausgepreßte Saft wurde nach der obigen Behandlung mit
Kalkmilch, Eiweiß und Beinschwarz auf 234° F. (89 4/5° R.)
eingesotten. Es ergaben 389 Stengel 39 5/16 Gallons Saft von 10° B. Außerdem
wurden auch noch die Wipfel dieser 389 Stengel ausgepreßt und daraus 4 11/16 Gallons
Saft von 12° B. erhalten, der aber etwas mehr Säure enthielt als der Saft der
untern Glieder.
Hiervon wurden beim ersten Sud 19 3/4 Pfd. Zucker und 25 1/4 Pfd. Melasse erhalten.
Die Melassen hätten noch viel mehr krystallisirten Zucker gegeben; – der
Ausscheidungsversuch verunglückte aber durch einen Zufall, so daß nur ein Theil
gerettet werden konnte. Diese Ausbeute als Basis zu einer Berechnung benutzt, würden
die obigen 25 1/4 Pfd. Melassen noch 6 8/10 Pfd. Zuckerkrystalle gegeben haben. Auf
dem Acre würden also gewachsen seyn 1242 Pfd. Rohzucker und etwa 860 Pfd. Melasse,
d.h. wenn die Wipfel auch mit verarbeitet werden. – Die von den Wipfeln
erhaltene Ausbeute, für sich gewogen, ergab 3 Pfd. Zucker und 2 Pfd. Melasse.
Wir wollen nun die Resultate des zweiten und vierten Versuchs übersichtlich
zusammenstellen und mit den polaroskopischen Ermittelungen vergleichen. Dabei haben wir das
Gewicht eines Gallons Saft festzustellen. Hr. Lovering
hat dasselbe zu 9 Pfund angegeben, was aber offenbar unrichtig ist, – da ein
Gallon reines Wasser 10 Pfd. wiegt, so muß ein Gallon des
10grädigen Saftes 10,75 Pfd. wiegen.
Nummer
Müssen wiegen
Lieferten
des
Gallons Saft.
Pfund.
Zucker.
Melasse.
Versuchs.
Pfund.
Procent.
Pfund.
Procent.
2
31 7/8
342,7
11 1/2
3,356
27 1/4
7,951
4
39 5/16
422,6
23 1/2
5,56
16 1/2
3,90
Rechnen wir Zucker und Melassen zusammen, so hat der zweite Versuch 11,3 Proc., der
vierte 9,46 Proc. Zuckermasse ergeben. Die polaroskopische Untersuchung hatte 7,29
Proc. herausgestellt. Erwägt man nun, daß die Melassen Gummi und Salze enthalten, so
erscheint ein Ueberschuß an erhaltenem Zucker über die
berechnete Menge hinaus nicht überraschend. Wäre nur
überhaupt mehr Uebereinstimmung in den Resultaten dieser Versuche, von denen der
vierte eine um 16 Proc. geringere Ausbeute lieferte als der zweite.
Von den übrigen Versuchen des Hrn. Lovering bietet uns nur
noch der letzte Interesse. Es war am 17. November als er durchgeführt wurde. Das
Wetter war inzwischen sehr veränderlich gewesen, – nach warmer
Sommertemperatur bei häufigem Regen waren Fröste
eingetreten und das Thermometer variirte zwischen 16 und 60° F. (= –
7° bis + 12 1/2° R.) Und die Wirkung dieses Witterungswechsels fest zu
stellen, war der Zweck des Versuchs, zu welchem die Stengel frisch geschnitten
wurden. Aus einem Quantum, welches hätte 19 bis 20 Gallons Saft ausgeben müssen,
wurden aber nur 11 15/16 Gallons von 10° B. erhalten, – also etwa 37
Proc. weniger. Der Saft war saurer, stark riechend und dunkler gefärbt als der
frühere, – auch zeigte er sich ärmer an Zucker. Man wird also die Stengel
sofort nach vollendeter Reife zu schneiden und unter Dach zu bringen haben, um
solchen Eingriffen des Wetters einen Riegel vorzuschieben. Den sehr nothwendigen
Versuch, ob ein in der Reife geschnittenes und trocken
gelagertes Rohr seinen Zuckergehalt ungeschmälert behält,
hat Hr.
Lovering nicht gemacht. Diese Lücke habe ich durch den
nachfolgenden Versuch beseitigt.
Von der Farm des Hrn. Hyde bei Newton Centre, wo diese
Zuckerpflanze in größerer Menge angebaut und trotz dem kurzen Sommer des
verflossenen Jahres völlig reif geworden war, verschaffte ich mir im April d. J.
noch einige Stengel und entzog denselben durch Maceration den Zuckergehalt. Eine
Probe der Flüssigkeit wurde (nach Böttger's Angabe) mit
etwas Sodaauflösung und dann mit einer Messerspitze voll basisch salpetersaurem
Wismuthoxyd (dem Magisterium Bismuthi der Apotheker)
versetzt, zum Sieden erhitzt. Der weiße Bodensatz behauptete seine Farbe unverändert und documentirte
dadurch die Abwesenheit jeder Spur von Traubenzucker. Eine andere Probe der
süßen Flüssigkeit konnte durch Hefe alsbald in Gährung gebracht werden.
Uebersehen wir die ganze Reihe dieser Erfahrungen, so darf man dem Sorghum als
Zuckerpflanze wohl mit Fug und Recht eine Zukunft verheißen. Und es hat allen
Anschein, daß durch dasselbe der Runkelrübe eine Concurrentin erwachsen wird.
Zunächst ist das leichte Trocknen der Stengel und die unveränderte Haltbarkeit des
Zuckergehaltes derselben eine nicht genug zu schätzende Thatsache, welche die
Zuckerfabrication von der Erntezeit emancipirt, und alle Vorzüge ohne die Nachtheile des Schützenbach'schen Verfahrens
bietet.
Ein zweiter Umstand ist nicht minder wichtig, – der
Saft des Sorghum enthält im Verhältniß zu seinem
Zuckergehalt viel weniger Salze, als die Runkelrübe. Von welcher
Wichtigkeit das für die Zuckerfabrication ist, weiß Jedermann. Ich lasse die Zahlen
den Beweis dieser Angabe führen.
Nach den Untersuchungen des Dr. Jackson enthält das Sorghum 1,66 lösliche Salze auf 100 Zucker. Die
Analysen, welche Hervy mit dem gewöhnlichen Zuckerrohr
von Guadeloupe (das als zu derselben Pflanzenfamilie
gehörig wohl mit dem Sorghum verglichen werden darf) gemacht hat, wiesen
einen Salzgehalt von 0,5 (bei trocknem Boden) und 1,8 (von tiefgelegenem Boden) auf
100 Zucker nach. Diese Angaben stimmen hinreichend zusammen, wir wollen uns aber an
Dr. Jackson's Bestimmung
halten, weil die von ihm untersuchte Pflanze ein in Massachussets (also in nördlichern Zonen) gewachsenes Sorghum war.
Der Runkelrübensaft enthält nach Hochstätter's
Untersuchungen 7,4 Salze auf 100 Zucker! (Es versteht sich wohl von selbst, daß nur
die löslichen Salze in Rechnung gezogen sind.)
Dieser bedeutende Unterschied im Salzgehalte bietet nun, neben seiner Wichtigkeit für
den Zuckerfabrikanten, auch noch ein ganz besonderes Interesse für den
zuckerpflanzenden Landwirth. Und das ist die
volkswirthschaftliche Seite des Sorghum.
Wenn der Rübenbau dem Landwirth einen angemessenen Nettoertrag gewähren soll, so
rechnet man (so viel mir bekannt ist) auf eine Ernte von 160 Centr. per preußischen Morgen. Der Saft dieser Rüben enthält
(zu 10 Proc. gerechnet) 1600 Pfd. Zucker. Ein gleiches Zuckerquantum per Morgen wird das Sorghum auch liefern. – A.
Reihlen erhielt das Doppelte.
Vergleichen wir nun den mit diesen Zucker mengen
verbundenen Salzgehalt, so haben wir
bei der Runkelrübe
(1600 × 7,4)/100 = 118
Pfd. Salze und
beim Sorghum
(1600 × 1,66)/100 = 27
„ „
Also verbraucht die Runkelrübe, um gleiche Zuckermengen zu
produciren, mehr als viermal so viel Salze denn das
Sorghum. Und diese Salzmengen gehen dem Boden verloren, wandern in die Melassen der
Fabriken. Der Landwirth muß sie seinem Boden durch
Düngen ersetzen, wenn er sich vor Bodenverarmung
schützen will. Dieser Ueberschuß der Salze in der Rübe hätte noch drei reichliche Sorghum-Ernten geliefert (neben
einem reichlichem Viehfutter in den Wipfeln etc.), ohne den
Boden in größerem Maaße zu erschöpfen.