Titel: | Ueber das elektromotorische Verhalten der den galvanischen Strom leitenden Schwefelmetalle und Metalloxyde; von Dr. H. Meidinger. |
Autor: | Heinrich Meidinger [GND] |
Fundstelle: | Band 148, Jahrgang 1858, Nr. LXXXIII., S. 360 |
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LXXXIII.
Ueber das elektromotorische Verhalten der den
galvanischen Strom leitenden Schwefelmetalle und Metalloxyde; von Dr. H. Meidinger.
Meidinger, über das elektromotorische Verhalten der den
galvanischen Strom leitenden Schwefelmetalle und Metalloxyde.
Die Bunsen'sche Kohle, mit Zink in verdünnter
Schwefelsäure zu einer elektrischen Kette combinirt, wie sie jetzt vielfach zum
Betrieb der Telegraphen angewendet wird, gibt bekanntlich beim ersten Gebrauch zu
einer lästigen, längere Zeit andauernden Schwefelwasserstoff-Entwicklung
Veranlassung. Böttger machte zuerst auf diese Erscheinung
aufmerksam.Polytechn. Journal Bd. CXL S.
314. Seine Vorschrift, die Kohle vorher mit Salpetersäure zu tränken, erweist
sich jedoch für die Dauer nicht ausreichend, um die
Schwefelwasserstoff-Entwicklung zu unterdrücken. Selbst eine Kohle, die Jahre
lang als Elektromotor der konstanten Batterie in Salpetersäure gedient hatte,
verhielt sich in der unconstanten Kette nach einiger Zeit in ähnlicher Weise. Der
Geruch nach dem Gase verschwindet bald, wenn die Kette geöffnet bleibt, entsteht
jedoch bei wiederholtem Schluß von Neuem, bis er, allmählich schwächer werdend,
selbst bei fortdauerndem Schluß der Kette am Ende gänzlich aufhört. Da weder der
Gasretortengraphit noch stark geglühte Holzkohle, sondern bloß die aus den
Steinkohlen dargestellte Batteriekohle, sowie gewöhnliche Kohks die Erscheinung
zeigten, so wurde dieselbe einer Beimischung von Fe₇S₈ in der Kohle
zugeschrieben, welches Schwefeleisen sich beim Glühen der Steinkohle durch
Zersetzung des in derselben stets enthaltenen Schwefelkieses, FeS₂, bildet.
Das durch Glühen des Schwefelkieses, sowie durch Zusammenschmelzen von Eisen und
Schwefel künstlich dargestellte Fe₇S₈, für sich untersucht, zeigt folgendes
Verhalten. Von concentrirter Salpetersäure wird es nicht angegriffen, wahrscheinlich
in Folge eines ähnlichen passiven Zustandes, welchen das reine Eisen in dieser
Flüssigkeit annimmt (die Schwefelkiese hingegen werden alle durch Salpetersäure
schnell zersetzt, resp.
gelöst). Verdünnte Schwefelsäure, Salzsäure etc. lösen jene Verbindung rasch unter
intensiver Schwefelwasserstoff-Entwicklung auf; aus diesem Grund ihre
Verwendung in den Laboratorien. Combinirt man dieselbe jedoch mit der negativeren
Kohle, mit der Vorsicht letztere zuerst in die Säure zu tauchen, oder wendet man sie
als positiven Pol einer elektrischen Kette an, so löst sie sich nicht mehr und die
Schwefelwasserstoff-Entwicklung unterbleibt. Als ziemlich guter Leiter der
Elektricität tritt sie nämlich selbstthätig als Elektromotor auf und umhüllt sich
dabei mit einer Sauerstoffatmosphäre, die sie vor dem Angriff der Säure schützt. Aus
diesem Grund wird das Schwefeleisen in der Batteriekohle nicht zersetzt, so lange
letztere für sich in Schwefelsäure getaucht ist. Durch Berührung mit Zink gerathen
jedoch beide, Schwefeleisen wie Kohlensubstanz, in den negativen Zustand; der sich
an ersterem abscheidende Wasserstoff verbindet sich mit dem achten Atom Schwefel und
bewirkt daß der übrige Theil um so leichter von der Säure zersetzt wird. So löst
sich durch den Strom die ganze Verbindung allmählich auf, ohne Schwefel
auszuscheiden. In anschaulicher Weise zeigt ein ähnliches Verhalten das natürliche
Fe₇S₈, der
Magnetkies, welcher durch verdünnte Säuren allein nicht angegriffen wird; mit Zink
hingegen combinirt, wird er sehr schnell unter höchst intensiver
Schwefelwasserstoff-Entwicklung vollständig aufgelöst.
Was nun die lästige Schwefelwasserstoff-Entwicklung beim Gebrauch der Batterie
betrifft, so läßt sich dieselbe nur durch vorherige vollständige Zerstörung des
Schwefeleisens vermittelst längeren Kochens der Kohle in Salpetersäure oder einer
Mischung derselben mit Schwefelsäure unterdrücken. Der Proceß ist beendet, wenn sich
keine rothen Dämpfe mehr entwickeln. Da dieß jedoch im Einzelnen eine sehr
unangenehme Operation ist, so wird dieselbe wohl am besten am Ort der Fabrication
der Kohle in größeren Quantitäten vorgenommen. Den etwas höheren Preis der Kohle
wird dann wohl jedermann gern zahlen.
Wendet man nicht verdünnte Schwefelsäure, sondern eine Mischung von Essigsäure und
Zinkvitriollösung zum Füllen der Batterie an, so läßt sich übrigens, auch bei
Anwesenheit des Schwefeleisens in der Kohle, eine Entwicklung von
Schwefelwasserstoff vollständig vermeiden. Das Schwefeleisen wird zwar auch hier
reducirt, der Schwefelwasserstoff findet aber im Entbindungsmoment überschüssige
Zinklösung vor, mit der er in Essigsäure unlösliches Schwefelzink bildet. Ist die
Essigsäure verbraucht, so bedarf es bloß einiger Tropfen concentrirter
Schwefelsäure, um die ursprüngliche Kraft der Batterie hervorzubringen, resp.
Essigsäure wieder frei zu machen. Die elektromotorische Kraft der Kette ist hierbei
dieselbe wie bei
Anwendung von verdünnter Schwefelsäure, nur ist der Widerstand in ihrem Innern etwas
größer, da Essigsäure ein schlechterer Leiter der Elektricität ist – ein
Umstand, der jedoch in den Fällen wo die einfache (unconstante) Bunsen'sche Kette Anwendung findet, beim Telegraphiren
etc., wo also schon sehr große Widerstände zu überwinden sind, von keinem Belang
seyn wird.
Alle anderen, die Elektricität leitenden Schwefelmetalle, als negative Pole einer
elektrischen Kette in verdünnter Schwefel- oder Salzsäure angewendet, zeigten
ein ähnliches Verhalten wie der natürliche und künstliche Magnetkies. Von den
Doppelt-Schwefeleisen-Verbindungen ergeben sich der krystallisirte
Schwefelkies, sowie der nierenförmige Wasser- oder Strahlkies als schwache
Leiter des Stroms; in Berührung mit Zink werden sie unter schwacher
Schwefelwasserstoff-Entwicklung langsam gelöst. Der derbe Schwefelkies und
der krystallisirte Strahlkies hingegen, als Nichtleiter
der Elektricität, zeigten die Erscheinung nicht.
Als Leiter der Elektricität erwiesen sich schließlich alle in Schwefelammonium
unlöslichen Schwefelmetalle, die aus den sauren Metalllösungen durch
Schwefelwasserstoff gefällt werden, im natürlichen wie im künstlichen Zustande.
Durch den elektrolytischen Wasserstoff werden dieselben jedoch vollständig reducirt;
so die natürlichen Schwefelkupfer-Verbindungen zu Kupfer, Bleiglanz zu
metallischem Blei, welches bis zu einer gewissen Tiefe die Oberfläche des Minerals
überzogen hält.
Uebrigens hat unlängst v. Kobell in einer kurzen
NotizPolytechn. Journal Bd. CXLVI S.
432. angegeben, daß die meisten natürlichen Schwefelmetalle, in fein gepulvertem
Zustand mit reinem ebenfalls gepulverten Eisen innig gemengt, durch Salzsäure
zersetzt werden und Schwefelwasserstoff entwickeln. Die Bezeichnung dieser
Erscheinung als unter galvanischer Einwirkung stattfindend, ist jedoch nur für die
obengenannten Schwefelmetalle richtig, welche Leiter des Stroms sind. Es ist hierbei
nämlich zu unterscheiden zwischen einer Auflösung des Eisens unter galvanischem
Einfluß, resp. durch Berührung desselben mit einem negativeren Körper, und durch
verdünnte Säuren allein. Ersterer Fall, der immer mehr oder weniger von letzterem
begleitet seyn wird, bewirkt daß sich Wasserstoff am negativen Körper abscheidet; im
letzteren Fall erhebt er sich allein vom Eisen. Dieß wird auch stattfinden, wenn das
Eisen mit einem elektrisch indifferenten Körper gemengt ist, und auf diesen kann
demnach der Wasserstoff nur dann reducirend wirken, wenn er im Entbindungsmoment
denselben trifft, also nur bei ganz inniger Vermengung desselben mit dem Eisen.
Dergleichen Beispiele, wo elektrolytisch entwickelter Wasserstoff im
Entbindungsmoment Nichtleiter der Elektricität reducirt, sind übrigens bekannt. So
werden alle Silberhaloide, sowie die Kupferhalbhaloide in verdünnter Schwefelsäure
auf einem Platinblech, von dem sich Wasserstoff durch Elektrolyse erhebt, schnell in
Silber und Kupfer verwandelt.
Schließlich wurden auch die den elektrischen Strom leitenden Metalloxyde auf ihr
Verhalten als negative Pole einer einfachen Kette untersucht. Von Bleihyperoxyd
hatte schon früher De la Rive gezeigt, daß es sich, mit
Zink in verdünnter Schwefelsäure verbunden, unter Erzeugung eines sehr starken
Stroms in metallisches Blei verwandelt. Vom Braunstein und Magneteisenstein, die
ebenfalls den Strom leiten, ersterer jedoch nur in sehr geringem Grade, war es bis
jetzt noch nicht erwiesen. Die Versuche ergaben, daß bei directem Schluß der Kette,
ohne Einschaltung eines größeren Widerstands, der Magneteisenstein nur theilweise
den Wasserstoff oxydirt, unter gleichzeitiger Auflösung zu Eisenoxydulsalz, welches
als schwerere Flüssigkeit fortwährend in einem Strom von dem Mineral abwärts auf den
Boden des Gefäßes sinkt. Braunstein hingegen, selbst bei gleichzeitiger Einschaltung
mehrerer constanter Bunsen'scher Elemente, oxydirt allen
Wasserstoff vollkommen, unter Bildung von Manganoxydulsalz und Hinterlassung eines
nicht reducirbaren, schwarzen unlöslichen Rückstandes, der wahrscheinlich Manganoxyd
ist. Ein festes Stück reinen Braunsteins, an einer Seite galvanoplastisch mit Kupfer
überzogen, um eine reine und sichere Verbindung mit dem Leitungsdraht zu
bewerkstelligen (man muß hiezu eine ganz neutrale Lösung von Kupfervitriol
anwenden), gibt so, mit Zink in verdünnter Schwefelsäure, zu der Entstehung eines,
der Bunsen'schen Kette an elektromotorischer Kraft völlig
gleichen und bis zur Erschöpfung der Säure oder der gänzlichen Auflösung von Zink
und Braunstein völlig constanten Stroms Veranlassung. Man könnte damit das Problem
einer constanten Kette aus bloß drei Theilen bestehend, zwei festen und Einem flüssigen, für gelöst
halten. Uebrigens kann eine solche Kette nie zum Ersatz der Bunsen'schen dienen, da der Braunstein ein äußerst schlechter Leiter der
Elektricität ist, so daß, selbst bei directer Verbindung desselben mit Zink, immer
nur höchst geringe Mengen von Electricität circuliren. Bei Einschaltung großer
äußerer Widerstände leisten jedoch beide Ketten gleiche Dienste, und es möchte hier
die Braunstein-Zink-Kette in der beschriebenen Form vorzuziehen seyn,
besäße man nicht eben für solche Fälle in der einfachen
Kohlen-Zink-Kette mit verdünnter Schwefelsäure einen hinreichend
starken und constanten, jedenfalls einfacheren Motor.
Es ergibt sich noch aus diesem Verhalten des Braunsteins, warum frühere Versuche
denselben in der constanten Bunsen'schen Kette statt
Salpetersäure anzuwenden, ohne Erfolg bleiben mußten. Er leitet die Elektricität nur
in ganz reinem Zustand; dieselbe geht nicht mehr von Theilchen zu Theilchen über,
wenn die sich berührenden Oberflächen mit einer nichtleitenden Schicht bedeckt sind.
Eine solche bildet sich aber bei geschlossener Kette regelmäßig in dem oben
erwähnten schwarzen unlöslichen Rückstand. In Folge dessen wird sich nach einiger
Zeit der Wasserstoff nicht mehr an den Braunsteintheilchen entwickeln können,
sondern an der Kohle, wo er aber nicht mehr oxydirt wird; der anfangs sehr starke
Strom wird schwächer, bis er schließlich nur noch die elektromotorische Kraft der
einfachen unconstanten Kette besitzt. – Auch vom ökonomischen Standpunkt aus
würde übrigens die Anwendung des Braunsteins keinen Vortheil vor der Salpetersäure
gewähren. Ein Atom der letzteren (= 63 Gewichtstheile) besitzt drei wirksame Atome
Sauerstoff, während 1 Atom Braunstein, im Falle er als reines Manganhyperoxyd
angesehen wird (43 Gewichtstheilen entsprechend), bloß 1 Atom wirksamen Sauerstoff
enthält; außerdem bedarf das hierbei zurückbleibende Manganoxydul 1 Atom
Schwefelsäure, um sich zu lösen (= 49 Gewichtstheile). Es sind demnach 63
Gewichtstheile Salpetersäure ebenso wirksam wie 130 Gewichtstheile Braunstein und 147137 Schwefelsäure zusammengenommen – ein Umstand, der den ökonomischen
Gewinn bei letzteren sehr in Frage stellen dürfte.
Aus den so weit mitgetheilten Versuchen ergibt sich, daß die zusammengesetzten festen
Leiter der Elektricität, wenn sie integrirende Theile einer elektrischen Kette sind,
d.h. negative Elektromotoren, immer eine gleichzeitige Reduction durch den an ihnen
sich abscheidenden Wasserstoff erfahren. Die Schwefelmetalle werden dabei unter
Schwefelwasserstoff-Entwicklung zersetzt, theilweise unter Bildung eines
löslichen Metallsalzes, theilweise unter vollständiger Reduction zu Metall. Aehnlich
werden die Metalloxyde – die als Leiter weder sauren noch basischen Charakter
besitzen, noch salzartige Verbindungen sind, sondern alle als indifferente Körper
anzusehen sind – theils vollständig zu Metall, theils bloß bis zum Oxydul
reducirt, welches mit der überschüssigen Säure ein lösliches Salz bildet.
Die Metalloxyde, sowie der nierenförmige Wasserkies zeigen noch das, wie es scheint
bis jetzt noch nicht beobachtete, von den Metallen und den übrigen Schwefelmetallen
abweichende Verhalten, bei höheren Temperaturen bessere Leiter des elektrischen
Stroms zu werden; es wird dieß schon zwischen 0° und 100° E. in sehr
auffallender Weise bemerklich, ohne daß eine Polarisation wahrzunehmen wäre, so daß hier also
von einer elektrolytischen Leitung, resp. Zersetzung, wie
es Hittorf von Schwefelsilber und KupfersulfürKupfersalz für wahrscheinlich gemacht hat, keine Rede seyn kann.
Die geringe Leitungsfähigkeit der meisten dieser Substanzen erlaubt es vielleicht,
sie bei manchen wissenschaftlichen Untersuchungen und auch in der Technik
anzuwenden, wo es sich zuweilen um momentane Einschaltung eines großen
Leitungswiderstands handelt, der sonst nur mit Hülfe einer Drahtrolle zu erhalten
ist. Magneteisenstein, der sich durch seine Härte wohl am besten zur Bearbeitung
eignet, leitet nach einer ungefähren Schätzung 20,000mal schlechter als Neusilber.
Wasserkies, der sich wohl auch eignen dürfte, leitet noch weit schlechter. Ein
kleines Stückchen dieser Mineralien von wenigen Linien Länge und etwa einer Linie
Dicke, an beiden Enden galvanoplastisch mit Kupfer überzogen, um die
Zuleitungsdrähte sicher daran befestigen zu können, vermag so einen
Leitungswiderstand von mehreren Tausend Fuß Neusilberdraht zu bieten und ist ohne
besondere Auslagen von jedermann leicht darzustellen.