Titel: | Ueber Fontaine's und Brault's Verbesserungen der Fontaine'schen Turbinen; von Prof. Dr. Zeuner. |
Fundstelle: | Band 149, Jahrgang 1858, Nr. XX., S. 83 |
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XX.
Ueber Fontaine's und Brault's Verbesserungen der Fontaine'schen Turbinen;
von Prof. Dr. Zeuner.
Aus der schweizerischen polytechnischen Zeitschrift, 1858,
Bd. III S. 33.
Mit Abbildungen auf Tab.
II.
Zeuner, über Verbesserungen an den Fontaine'schen
Turbinen
Nach Armengaud's
Publication industrielle, Bd. XI S. 119, sind an den
bekannten Fontaine'schen TurbinenBeschrieben im polytechn. Journal, 1845, Bd. XCVI S. 340. in neuerer Zeit von ihrem Erfinder einige bemerkenswerthe Verbesserungen
angebracht worden, unter denen zunächst eine eigenthümliche Schützenvorrichtung
hervorzuheben ist, die darin besteht, daß über den Einlaufcanälen ein oder zwei
Streifen von Gutta-percha oder Kautschuk ausgebreitet werden können und auf
diese Weise ein Abschließen einzelner oder sämmtlicher Einlaufcanäle erzielt
wird.
Das eine Ende jedes dieser Streifen ist am Umfange eines abgestumpften Kegels
befestigt, dessen Spitze in die Achse der Welle fällt und der über den Einlaufcanälen
hinrollt, wenn man seiner geneigten Achse die gehörige Bewegung ertheilt.
Bei dieser rollenden Bewegung des Kegels wickelt sich der
Gutta-percha-Streifen auf den Kegelumfang auf oder davon ab.
Der Hauptvortheil dieser ganzen Anordnung liegt nicht allein in der großen
Einfachheit, sondern auch besonders darin, daß die Bewegung der ganzen
Schützenvorrichtung außerordentlich wenig Kraft beansprucht und doch der Abschluß
der Canäle höchst vollkommen ist.
Fig. 1 und
2 zeigen
zunächst das Modell einer Fontaine'schen Turbine mit der
erwähnten Schützenvorrichtung, welches sich im Conservatoirs
des arts et métiers in Paris befindet.
Fig. 1 ist der
Verticaldurchschnitt und Fig. 2 der
Horizontaldurchschnitt nach der Linie 1–2.
Das Turbinenrad A sitzt, wie bei der bisher bekannten Fontaine'schen Turbine auf der hohlen Welle B, die oben bei b erweitert
ist und an dem obern Ende das conische Rad C trägt, von
welchem aus die Bewegung fortgepflanzt wird.
Die hohle Welle B umschließt die Achse D, welche unten auf dem Support E ruht, der auf eine aus der Figur deutlich hervorgehende Weise mit dem
umstehenden Mauerwerke verbunden ist. Der obere Theil der Säule D trägt ein Lager a, welches
den erweiterten Theil der hohlen Welle B einnimmt und
das den mit letzterer fest verbundenen Zapfen c, f
trägt.
lieber dem Turbinenrade A liegt eine gegossene Scheibe
H, die mit den Leitcanälen verbunden ist; sie umgibt
mittelst der bronzenen Büchse h die hohle Welle B; diese, sowie eine Büchse h₁ am obern Deckel J des ganzen
Gehäuses, erhält die Welle genau vertical. In dieses Gehäuse mündet von der Seite
das Rohr J₁, durch welches das Wasser eintritt.
Ueberdieß ist das verticale cylindrische Rohr des Gehäuses J an der Seite noch mit einer verschließbaren Oeffnung j versehen, durch die man in das Innere gelangen kann.
Die hohle Welle B ist von einem zweiten Rohre K umgeben, welches von ersterer das Wasser entfernt hält
und innerhalb dessen das Oel von dem obern Halslager h₁ zu dem untern h gelangen kann.
Das Rohr K umschließt endlich wieder auf seinen größten
Theil ein drittes gußeisernes Rohr L, das am untern
Theile mit dem Ringe M verbunden ist, der die Lager für
die Achsen der beiden Kegel N und N¹ trägt. Das Rohr L wird am obern Ende
durch den Ring k concentrisch mit dem Rohre K erhalten und kann sich frei umdrehen, wobei am untern
Theile die Nabe der Scheibe H als Führung dient. Die
Drehung des Rohres L geschieht mit der Schraube ohne Ende O, die in das auf dem Rohre L festsitzende Zahnrad P eingreift. Die Achse
der Schraube durchdringt das Gehäuse beim Lager o und
kann außen mit der Hand durch das Schwungrädchen V in
Umdrehung gesetzt werden. Die Schraubenwelle trägt außen noch eine zweite Schraube
l, die in einem mit einem Zeiger versehenen Sector
eingreift, der durch seine Stellung an einer Scala die Anzahl der geschlossenen
Leitcanäle angibt. (Das Letztere ist in der Figur nicht angegeben.)
Der ringförmige Gutta-percha-Streifen, der zum Abschließen der
Leitcanäle dient, ist in zwei Hälften geschnitten; das eine Ende jedes Streifens ist
bei p und p¹ am
Leitapparate befestigt, das andere Ende aber am Umfange des Kegels; die
Gutta-percha-Streifen sind, wie Fig. 10 zeigt, mit
schmalen Blechstreifen besetzt, damit das über dem Leitapparat stehende Wasser den
sonst biegsamen Streifen nicht in die Canäle hineinpreßt und so einen undichten
Abschluß bewirkt. Um ferner keine seitlichen Abweichungen zu erhalten, werden die
Leitcanäle durch die Ringe m begränzt, zwischen welche
sich der Streifen einlegt.
Es ist leicht zu übersehen, wie durch Drehung der Schraubenwelle O mit Hülfe des Schwungrädchens V ein Fortrollen der beiden Kegel auf dem Leitapparate und sonach auch ein
Abwickeln oder Aufwickeln der Streifen stattfindet, also nach Belieben die
Leitcanäle für den Durchgang des Wassers geöffnet oder geschlossen werden. Fig. 2 zeigt,
wie eben die Hälfte aller Leitcanäle geöffnet ist. Bei Hochdruck zeigte sich hier
der Uebelstand, daß in Folge des starken Wasserdruckes eine Drehung der Kegel um
ihre Achse stattfand, ohne daß eine Drehung des Rohres L
eintrat; dadurch wurden die Streifen schlaff und der Abschluß war nicht mehr
vollkommen. Um das zu umgehen, versah Fontaine den innern
Theil des Kegels mit einem conischen Rade (Fig. 11), welches in ein
auf der Platte H sitzendes Kronrad n² eingriff. Durch diese Anordnung wurde der
bemerkte Uebelstand vollständig beseitigt, und die Vorrichtung arbeitete mit
vollkommener Präcision.
Eine andere wichtige Verbesserung besteht in der Herstellung
transportabler Turbinen.
Fig. 3 gibt
die Seitenansicht einer solchen Turbine, gesehen von der Seite, auf welcher der
Canal für den Austritt liegt; Fig. 4 ist der Grundriß,
Fig. 5 ein
Verticaldurchschnitt nach der Linie 1–2 (Fig. 4); Fig. 6 ein
Horizontaldurchschnitt nach der Linie 3–4 (Fig. 5); Fig. 7 endlich zeigt im
Detail den Einlauf nebst einem Stück Verticaldurchschnitt des Rades nach der Linie
5–6 (Fig.
6). Alle Figuren sind in 1/8 der natürlichen Größe gezeichnet. Die hier dargestellte
Turbine kann beliebig aufgestellt werden und gibt bei 50 Meter Gefälle und 4 Liter
Aufschlag pro Secunde und bei 800 Umdrehungen pro Minute mit 2 Einläufen 4 Pferdestärken; die Anzahl
der Einläufe kann aber leicht auf 8 vermehrt werden, so daß bei gehöriger
Wassermenge die Leistung auf 16 Pferdestärken gesteigert werden kann.
Das Turbinenrad A ist, wie bei allen Fontaine'schen Turbinen, auf der hohlen Welle B befestigt, die oben aufgelagert ist, wie es schon oben
bei der Beschreibung der Figur 1 und 2 erörtert
wurde. Die verticale Säule D, welche oben das Lager
trägt, steht unten bei f¹ fest auf dem Boden des
Gehäuses F, welches die Turbine umgibt, und an der Seite
mit dem Ausmündungsrohre F¹ versehen ist. Das
Gehäuse F ist oben offen und ringsum mit der Flantsche
E versehen, auf welche nicht allein die gußeiserne
Platte H, sondern auch das obere Gehäuse J aufgeschraubt ist. Das obere Gehäuse ist mit zwei
gegenüberliegenden, verschließbaren Oeffnungen j
versehen, die dazu dienen, in das Innere zu gelangen und außerdem mündet von der
Seite das Einfallrohr j¹ ein. Die Platte H ist mit dem Rohre H¹ verbunden, an dessen obern Theile mittelst Flantschen das Bronzerohr
K aufgeschraubt ist. Dieses letztere Rohr umschließt
die Turbinenwelle und erhält durch das Halslager h¹ die letztere vertical.
Da diese Turbine bei einem Gefälle von 5 Metern etwa 800 Umdrehungen per Minute macht, so würde eine starke Abnutzung
stattfinden, wenn nicht durch eine gehörige Schmierung die Reibung möglichst
herabgezogen würde. Fontaine wendet folgende Einrichtung
an. Mit der hohlen Turbinenwelle ist ein kupfernes Rohr L am untern Theile fest verbunden und unten durch die Stopfbüchse h dicht verschlossen. Dieses Rohr bildet ein
Oelreservoir, das sich mit der Welle dreht. Das im Innern dieses Rohres L liegende Rohr K ist
ringsum durchlöchert, so daß von da aus das Oel leicht nach den sich reibenden
Flächen gelangen kann. Die Schmierung ist also continuirlich und eine starke
Erhitzung ist nicht zu befürchten. Der Inhalt des Kupferrohres ist so groß, daß eine
Erneuerung des Oeles nur etwa alle 3 Monate nothwendig wird; die Zuführung des Oeles
geschieht dann durch das mit einem Hahne verschließbare Rohr r.
Bei den bisherigen Fontaine'schen Turbinen erstreckte sich
der Leitapparat über das ganze Turbinenrad; wollte man diese Anordnung auch bei
Turbinen der vorliegenden Art anwenden, deren Aufschlagwassermenge so gering ist, so
würde daraus ein sehr kleiner Raddurchmesser hervorgehen. Um das zu umgehen, hat Fontaine nur wenig Einlaufcanäle und zwar bei vorliegender
Turbine nur zwei in Anwendung gebracht. Diese Einläufe s
bestehen ganz einfach aus Oeffnungen, die im gußeisernen Deckel H angebracht sind und deren Gestalt der Durchschnitt
Fig. 7
deutlich zeigt; durch die Erweiterung der Oeffnung nach Oben hin wird das Wasser in
gehöriger Richtung in das Rad geführt. Diese Oeffnungen lassen sich nun entweder
ganz oder zum Theil durch die beweglichen Stücke t
schließen, die wie Schieber in Führungen auf der Platte H hin- und hergeschoben werden können. Je nach der vorhandenen
Wassermenge ändert man bei dieser Schützenvorrichtung durch Verstellen des Schiebers
nichts, als die Strahldicke; Richtung und Form des in das Rad tretenden
Wasserstrahles bleiben immer dieselben. Um die beiden Schützenschieber t gleichzeitig zu bewegen, ist folgende Anordnung
getroffen: Durch das Gehäuse j geht durch die
Stopfbüchse u eine verticale Achse L, die unten mit dem Excenter s¹ versehen ist, welches von dem kreisförmigen Ausschnitte des
Armes t₁ umfaßt wird. Dieser Arm ist, wie die
beiden Arme welche die Schieber t leiten, mit einem aus
zwei Theilen bestehenden und durch Schrauben verbundenen Ringe T befestigt.
Der oberste außerhalb des Gehäuses liegende Theil der Welle L ist mit einem gezahnten Sector P aus Bronze
verbunden, in welchen die Schraube ohne Ende O
eingreift. Die Achse o der Schraube liegt horizontal in
zwei auf den Supports U befindlichen Lagern und trägt am
einen Ende das Handschwungrädchen V. Wie nun durch Drehung dieses Rades ein Drehen
des Excenters s¹ und dadurch wieder die Bewegung
der Schieber t erfolgt, ist leicht zu übersehen.
Die ganze Turbine läßt sich leicht auf einem Wagen transportiren und kann daher zu
verschiedenen Zwecken, bei vorübergehenden Arbeiten verschiedener Art verwendet
werden.
Als letzte Anordnung, welche Fontaine für seine Turbinen
in Anwendung gebracht hat, ist noch die in Fig. 8 und 9 gegebene zu erwähnen.
Sie unterscheidet sich von der in Fig. 1 und 2 abgebildeten dadurch,
daß der Leitapparat nur über einen Theil des Rades sich ausbreitet und das
Abschützen nur durch einen über dem Leitapparate
hinrollenden Kegel stattfindet, von dessen Umfang sich der
Gutta-percha-Streifen abwickelt. Diese Anordnung hat vor der eben
beschriebenen den Vortheil, daß das Turbinenrad freier und zugänglicher ist, wenn
Reparaturen vorzunehmen und Störungen zu untersuchen sind.
Das Turbinenrad A sitzt wieder an der hohlen Welle B, die oben im erweiterten Theile b mit dem Zapfen versehen ist, der in einem auf der Säule D befindlichen Lager läuft. Die Welle wird oben durch das Halslager h' umfaßt, welches im Mauerwerk I befestigt ist.
In das Gehäuse J, welches am untern Theile den
Leitapparat trägt, mündet von der Seite das Einfallrohr J' ein. Das Gehäuse überdeckt nur einen Theil des Rades und innerhalb
desselben rollt über den Mündungen des Einkaufes der Kegel N mit seiner Gutta-percha-Umhüllung; seine Achse liegt in
einer Gabel, die am Ende einer bogenförmigen Zahnstange M' festsitzt; diese Zahnstange erhält ihre Bewegung von einem Zahnrädchen
P, welches an einer durch den obern Theil des
Gehäuses gehenden Welle sitzt, durch deren Umdrehungen das Fortrollen des Kegels
bewerkstelligt wird, wobei das Auf- oder Abrollen des
Gutta-percha-Streifens stattfindet. An dem großen Gehäuse J, welches den Leitapparat überdeckt, ist das zweite
Gehäuse M angebracht, welches die bogenförmige
Zahnstange aufnimmt, wenn die Einlaufcanäle geöffnet sind; der Querschnitt dieses
Gehäuses ist nur eben so groß, daß der gezahnte Bogen M'
Raum genug darin findet.
Unsere Quelle führt zum Schluß noch eine Reihe von Bremsversuchen an, die von dem
Hrn. Ingenieur Slawecki an einer Turbine der oben
beschriebenen Art in der Fabrik der HHrn. Gebrüder Hilzingerin Perriers-sur-Andelle angestellt wurden.
Der Leitapparat der Turbine hatte 46 Einlaufcanäle von 46 Centimeter Weite und 4
(Zentimeter Höhe. Der äußere Durchmesser der Turbine betrug 2,60 Meter. Der
Uebereinkunft gemäß sollte die Turbine bei einem Gefälle von 2,30 Meter und 3500
Liter Aufschlag per Secunde den Wirkungsgrad 0,65
ergeben. Das Bremsdynamometer wurde auf die erste Welle gebracht, die von der
Turbinenwelle ihre Bewegung erhielt.
Die Versuchsresultate waren folgende:
Textabbildung Bd. 149, S. 87
Aufschlagwassermenge pro Secunde; Gefälle; Disponible Leistung; Anzahl
der Umdrehungen der Bremswelle p. Minut; Effective
Leistung; Wirkungsgrad; Liter; Meter; Pferdestärke; Reihe; Die Turbine benutzte
die ganze Wassermenge des Flusses; Die Turbine benutzte nur einen Theil der
ganzen Wassermenge. Leistung, welche die Fabrik von der Turbine beansprucht
Ueber die Wirksamkeit der neuen Schützenvorrichtung spricht sich der Ingenieur,
welcher vorstehende Versuche leitete, sehr günstig aus. So weit unsere Quelle.
–––––––––––
Die Fontaine'sche Turbine in ihrer bisherigen Einrichtung
gehört unstreitig zu den besten hydraulischen Motoren und ebenso sind die oben
beschriebenen Verbesserungen aller Beachtung werth.
Es darf aber nicht unerwähnt bleiben, daß diese Verbesserungen schon früher von
anderer Seite in Vorschlag gekommen sind; das Abschließen der Leitcanäle durch einen
Lederstreifen, der sich um einen beweglichen Kegel wickelt, wurde schon von Henschel im Jahre 1837 in Vorschlag gebracht und
ausgeführt, der nach Professor Rühlmann als der
eigentliche Erfinder der sogenannten Jonval-Turbinen zu betrachten ist.Zeitschrift des hannoverschen Ingenieurvereins, 1855, Bd. I S. 227;
polytechn. Journal Bd. CXLI S.
248. Für die Fontaine'sche Turbine, die sich von der
Jonval'schen eigentlich nur dadurch unterscheidet,
daß sie stets über dem Unterwasser, in freier Luft läuft, während die letztere immer unter
Wasser geht, ist die erwähnte Schützenvorrichtung jedenfalls sehr zu empfehlen; sehr
zweifelhaft würde aber der Erfolg ihrer Anwendung bei den Jonvalturbinen seyn; bei
diesen Turbinen, bei denen fortwährend sämmtliche Radcanäle vollständig mit Wasser
gefüllt sind, weil sie eben unter Wasser laufen, haben bis jetzt alle Versuche
ergeben, daß ihr Wirkungsgrad schnell und stark sinkt, wenn, wie dieß häufig
geschieht, bei geringerer Aufschlagwassermenge einzelne Leitcanäle durch Klappen
oder Schieber verdeckt werden; dasselbe würde sich natürlich ergeben, wenn man bei
diesen Turbinen einzelne Kanäle in der Weise abschließen würde, wie dieß oben bei
den Fontaine'schen Turbinen in Vorschlag gebracht worden
ist. Der Grund der schnellen Abnahme des Wirkungsgrades bei den Jonval-Turbinen mit den angegebenen
Schützenvorrichtungen ist leicht zu erklären. So lange ein Turbinencanal unter den
offenen Leitcanälen hinstreicht, geht das Wasser mit
einer gewissen und gewöhnlich sehr großen Geschwindigkeit durch den Turbinencanal
hindurch; tritt nun dieser Canal plötzlich unter eine oder mehrere hinter einander
liegende verdeckte Leitcanäle, so wird zunächst das noch
im Canale befindliche Wasser in Folge der Trägheit das Bestreben haben, abwärts zu
fließen und hinter sich einen luftleeren Raum zu bilden; das wird jedoch in
Wirklichkeit dadurch verhindert, daß in Folge des äußern Atmosphärendruckes das
Unterwasser von Unten nach Oben in die Radcanäle tritt und die Ausfüllung derselben
übernimmt, so lange der Canal unter den verdeckten Leitcanälen hinstreicht. Jetzt
tritt nun dieser Turbinencanal plötzlich wieder unter einen offenen Leitcanal, das
zuströmende Wasser stößt gegen das, wenn wir hier diesen technischen Ausdruck
gebrauchen dürfen, tobte Wasser im Turbinencanale und es muß eine gewisse Zeit
vergehen, ehe das Wasser mit der gehörigen Geschwindigkeit wieder durch die Canäle
geht. Dieses abwechselnde Eintreten und Zurückdrängen des Unterwassers muß in den
Turbinencanälen zu Wirbelungen Anlaß geben, die nicht anders als von sehr
schädlichem Einflüsse auf den Wirkungsgrad der Turbine seyn können; berücksichtigt
man dabei noch die gewöhnlich sehr große Umdrehungszahl der Jonval-Turbinen und wie schnell auf einander in Folge dessen diese
schädlichen Einwirkungen stattfinden, so läßt sich gar nichts anderes erwarten, als
daß in allen Turbinencanälen, selbst in denen, welche eben unter offenen Leitcanälen hinstreichen, Wirbel und
Unregelmäßigkeiten in der Bewegung des Wassers stattfinden, in Folge deren der
Wirkungsgrad stark herabgezogen wird. Die Versuche, welche Prof. Brückmann an einer Jonval-Turbine anstellte, die aus der berühmten Fabrik von Escher, Wyß und Comp. in
Zürich hervorging, ergaben bei vollständig geöffnetem Leitapparat den
ausgezeichneten Wirkungsgrad 0,78 (beim vortheilhaftesten Gange). Sobald aber von
den 15 Leitcanälen 3 verdeckt waren, sank der günstigste Wirkungsgrad auf 0,75 und
wenn 5 verdeckt waren, gar auf 0,65 (polytechn. Centralblatt, 1849 S. 1348).
Aehnliche Versuche siehe: Hydraulique de d'Aubuisson,
Experiences de Morin.
Nach dem oben Erwähnten sind, diese Resultate erklärlich, ebenso läßt sich leicht
übersehen, daß die schädlichen Einwirkungen um so größer seyn werden, je mehr
Leitcanäle verdeckt sind.
Es ist unzweifelhaft, daß alle Schützenvorrichtungen bei Vollturbinen
(Reactionsturbinen), d.h. bei solchen Turbinen, die unter Wasser laufen, bei denen
überhaupt stets sämmtliche Turbinencanäle mit Wasser gefüllt sind, unzweckmäßig
sind, wenn sie so angeordnet werden, daß bei geringerem Aufschlage einzelne Leitcanäle ganz
geschlossen werden. Weit vortheilhafter ist dann die Anordnung, wie sie in neuerer
Zeit bei den Jonval-Turbinen vorkommt, wenn sie
für veränderliche Wassermengen bestimmt sind, daß man nämlich Doppelturbinen
herstellt; die eine (die äußere) ist für das Minimum der Aufschlagwassermenge
berechnet, und ohne eigentliche Schützenvorrichtung, die andere (die innere) ist mit
einem Ringschützen versehen. Auf nähere Untersuchung dieser Anordnung kann ohne
Rechnungen nicht weiter eingegangen werden.
Ganz anders, als wir es eben für die Jonval-Turbine
erörtert haben, verhält sich die Sache bei den Turbinen, die in freier Luft über dem
Unterwasser laufen, also z.B. bei den Fontaine'schen
Turbinen, mit denen wir es hier speciell zu thun haben. Hier kann das Verdecken
einzelner Leitcanäle durchaus nicht schädlich wirken, denn sobald ein mit
durchströmendem Wasser gefüllter Turbinencanal unter einen verdeckten Leitcanal
tritt, wird das Weiterfließen nicht gehemmt, das Wasser fällt aus dem Canale und es
tritt dafür Luft ein. Hieraus erklärt sich auch, weßwegen alle bis jetzt
angestellten VersucheGirard's Versuche, Comptes
rendus, t. XXXIII p. 379; polytechn.
Journal Bd. CXL S. 412 und Bd. CXLII S. 1. (siehe auch die oben angegebene Versuchstabelle) das Resultat geben, daß der
günstigste Wirkungsgrad fast constant bleibt, mögen alle Leitcanäle offen oder
einzelne verdeckt seyn; auf welche Weise dann das Verschließen stattfindet, ob durch
Schieber, Klappen oder Gutta-percha- oder Lederstreifen ist
gleichgültig hinsichtlich des günstigsten Wirkungsgrades und nur in constructiver
Hinsicht von Wichtigkeit.
Dieser Umstand lehrt aber zugleich, daß man bei sehr veränderlichen Wassermengen die
Turbine besser in freier Luft als unter Wasser laufen läßt, denn für die letztere
Turbine besitzen wir eben noch keine zweckmäßige Schützenvorrichtung; die Rechnung
zeigt, daß selbst die Ringschützen bei der Turbine von Jonval,
Fourneyron, Cadiat, bei den Turbinen mit äußerer Beaufschlagung (Turbine
von Francis) ihren Zweck nicht vollkommen erfüllen.
Sobald die Fontaine-Turbine in Folge veränderlichen
Unterwassers in das Wasser taucht, verliert aber plötzlich die obige
Schützenvorrichtung allen Werth, sofort treten dann auch hier alle Uebelstände ein,
die wir oben bei der Jonval-Turbine erwähnten.
Hier tritt nun der große Vortheil der Hydropneumatisation hervor, wie sie von Girard vorgeschlagen wurde; dieselbe besteht bekanntlich
darin, daß der Raum unter der Fontaine-Turbine von
der äußern Atmosphäre abgeschlossen und daß mit Hülfe einer Luftpumpe Luft in diesen
Raum gepreßt wird; in Folge des Luftdruckes wird der Unterwasserspiegel stets so
weit herabgedrückt, daß die Turbine nicht in das Wasser taucht, der Vortheil der
Hydropneumatisation tritt also besonders dann hervor, wenn einzelne Leitcanäle
verschlossen sind; ist hingegen der ganze Leitapparat geöffnet, so ist das
Eintauchen des Rades in das Unterwasser nicht schädlich und dann nützt auch die
Hydropneumatisation nicht viel. Die Versuche Girard's
(polytechn. Journal Bd. CXLII S. 1) bestätigen vollkommen das
Gesagte. Weder Girard noch Andere haben auf den wahren
Grund hingedeutet, weswegen die Hydropneumatisation der Fontaine-Turbinen, besonders bei geringerm Aufschlage als dem
normalen, so vortheilhaft ist. Eben so wie die Fontaine-Turbine der bisherigen Construction im Grunde nichts anderes
als eine Jonval-Turbine ist, und sich von
letzterer nur dadurch unterscheidet, daß sie nie unter Wasser läuft, so sind auch
die oben beschriebenen und in den Figuren 3 bis 7 und den Figuren 8 und
9
dargestellten Turbinen nichts anderes als die, welche schon längst unter dem Namen
Borda-Turbinen bekannt sind; die Fontaine-Turbinen unterscheiden sich also von den
genannten Systemen einzig und allein nur durch ihre constructive Ausführung; diese
muß aber unbedingt als sehr gelungen und beachtenswerth bezeichnet werden.
Zum Schluß seyen uns noch einige Bemerkungen über die Ausführung von Bremsversuchen
an Turbinen gestaltet. Die obige Versuchsreihe von Slawecki veranlaßt uns, den Wunsch auszusprechen, daß doch bei
Veröffentlichung derartiger Untersuchungen genauere Angaben über die Dimensionen und
Aufstellung der Turbine, über die Winkel, welche die Enden der Rad- und
Leitschaufeln mit dem Horizonte oder dem Radumfange ein schließen, und über die Art
und Weise gemacht werden möchten, in welcher die Wassermessung ausgeführt wurde.
Sollen die Versuche dazu dienen, die Ergebnisse der Theorie mit den Erfahrungen zu
vergleichen, und das kann doch nur der Hauptzweck der Veröffentlichung der Versuche
seyn, dann müssen auch alle Verhältnisse genau angegeben seyn, die man bei den
theoretischen Untersuchungen zu Grunde legen muß. Die meisten der bisher
veröffentlichten Versuche erfüllen diesen Zweck nicht, es wird gewöhnlich als das
Hauptresultat der Wirkungsgrad der Maschine hin gestellt; besser ist es aber, nicht das Verhältniß der
effectiven zur theoretischen Leistung, sondern beide für
sich genau zu kennen. Die effective Arbeit der Maschine wird gewöhnlich,
soweit es unsere Bremsdynamometer gestatten, genau genug angegeben, so daß man
diesen Angaben fast immer Glauben schenken kann. Anders verhält es sich aber mit der
disponiblen Arbeit; diese, die hauptsächlich von der richtigen Wassermessung
abhängt, muß man immer mit Mißtrauen aufnehmen, wenn nicht ganz genau angegeben
wird, auf welche Weise die Bestimmung der Aufschlagwassermenge vorgenommen wurde;
das gilt besonders in solchen Fällen, wo die Wassermessung mit Hülfe von Ueberfällen
oder rectangulären Ausflußmündungen vorgenommen wird, also gewisse durch andere
Versuche bekannte Ausflußcoefficienten zu Grunde gelegt werden. Bei hydraulischen
Untersuchungen anderer Art nimmt man, um sicher zu gehen, gewöhnlich die kleinern
Werthe dieser
Coefficienten, und diese Methode wenden viele Ingenieure auch bei den
Wassermessungen bei Bremsversuchen hydraulischer Maschinen an, und geben dann bei
Veröffentlichung der Versuche häufig nicht einmal den Werth des Coefficienten, den
sie der Rechnung zu Grunde legten. Solche Versuchsresultate wird Niemand zur
Vergleichung mit den Resultaten theoretischer Untersuchungen benutzen.
Ist L die Arbeit der Turbine in Meterkilogrammen, Q die theoretische Ausflußmenge (bei Ueberfällen) und
μQ die wirkliche Wassermenge, wo μ der Ausflußcoefficient ist, h das Gefälle und γ
das Gewicht eines Kubikmeters Wasser, so ist die disponible Arbeit
μQhγ
also der Wirkungsgrad
η = L/(μQhγ)
Man sieht daraus sofort, daß der Wirkungsgrad um so größer
ist, je kleiner man μ nimmt, daß also, wie schon
erwähnt, den Angaben über die Wirkungsgrade kein Vertrauen geschenkt werden kann,
wenn der angenommene Werth des Ausflußcoefficienten μ nicht angegeben ist und nicht die Dimensionen des Ueberfalles,
und die Höhe des Wasserspiegels über der Schwelle angegeben werden.
Wenn Versuchstabellen die Wirkungsgrade einer Turbine über 0,76 bis 0,78 geben, so
kann man sicher seyn, daß die hohen Wirkungsgrade ihr Entstehen meist dem Umstande
verdanken, daß der Experimentator bei Berechnung der Wassermenge den kleinsten
Ausflußcoefficienten zu Grunde legte, den Hydrauliker für ähnliche Fälle
angeben.