Titel: | Neuer Drucktelegraph der HHrn. Digney und Baudouin. |
Fundstelle: | Band 149, Jahrgang 1858, Nr. XXXII., S. 115 |
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XXXII.
Neuer Drucktelegraph der HHrn. Digney und Baudouin.
Aus dem Cosmos, Revue encyclopédique, 1858, t. XII
p. 360.
Mit einer Abbildung auf Tab. II.
Digney's und Baudouin's neuer Drucktelegraph.
Der Gedanke, mit Tinte auf einem durch Uhrwerk bewegten Papierbande Punkte und
Striche, deren Kombination das Alphabet bildet, mittelst Federn oder Rädern zu
zeichnen, rührt von Morse, dem Erfinder des allgemein
eingeführten Apparates, her. Obgleich diese Idee in seinem Patent vom Jahr 1838
förmlich ausgedrückt ist, so ließ er dieselbe doch fallen, ohne Zweifel wegen der
Schwierigkeiten in der Ausführung oder der Unmöglichkeit, einen regelmäßigen Gang
des Apparates zu erlangen. Er nahm definitiv das System der unten vertieften und
oben erhabenen eingepreßten Striche an, welche man auf mechanische Weise durch den
Druck einer trockenen Spitze gegen das Papierband hervorbringt.
Diese schwach hervortretenden Striche haben jedoch das Unangenehme, daß sie nur dann,
wenn sie durch helles Licht erleuchtet sind, von einander unterschieden und gelesen
werden können. Es ist schwer, eine so geschriebene Depesche am Abend zu entziffern;
auch verwischt sie sich mit der Zeit und wird undeutlich. Dagegen sind die mit der
unzerstörbaren Druckerschwärze sauber verzeichneten Punkte oder Linien weit leichter
zu unterscheiden und erfordern überdieß zu ihrer Hervorbringung eine geringere
mechanische Pressung oder Gewalt. Von diesem Gesichtspunkte ausgehend, haben
zahlreiche Erfinder das durch Morse nicht gelöste Problem auf mehr oder weniger
einfache Weise zu lösen versucht.
Die erste, in der That praktische und hinreichend vollständige Lösung jener
interessanten Aufgabe rührt von Thomas John, einem
Ungarn, her. Wir waren erstaunt, mit welcher Leichtigkeit und Schnelligkeit sein
Rädchen, in ein flaches Tintenfaß tauchend, sich an seinem unteren Rande mit Tinte
füllte, und mit diesem Rande, welcher in Folge der Rotation an die höchste Stelle
gelangte, Linien und Punkte auf das endlose Papierband zeichnete, indem dieses durch
einen Hammer im richtigen Momente kürzere oder längere Zeit gegen dieses Rad
gedrückt wurde. Wir glaubten einen Augenblick, daß es beinahe unmöglich sey, den
Apparat noch schneller wirkend und besser einzurichten. Letzteres ist jedoch
geschehen. John's System, so rationell es anscheinend
war, hatte doch noch einige bemerkenswerthe Unvollkommenheiten: 1) es erforderte die
Anwendung eines stets
mit flüssiger Tinte gefüllten Tintenfasses, welches umgestürzt werden konnte; 2) das
kleine, an dem Ende eines Hebelarmes befestigte Rad mußte sich nähern und entfernen;
3) die Enden der Striche waren nicht scharf.
Die in Rede stehende Vervollkommnung besteht nun darin, daß man das Tintenfaß wegläßt
und das Rad durch eine kleine elastische und stets mit Schwärze getränkte Walze
ersetzt, welche, ohne ihren Ort zu verlassen, sich nur um ihre Achse dreht. Den
Abdruck aber erhält man durch einfaches Andrücken des Papiers, das sich in einer der
Druckwalze entgegengesetzten Richtung bewegt. Bei dieser Anordnung hat der
elektrische Strom nur das Papier um eine kaum bemerkbare Größe zu heben, um es gegen
eine von der Walze geschwärzte Scheibe zu drücken. Die Striche sind sehr sauber,
weil sie während der Berührung zweier, in entgegengesetztem Sinne sich bewegenden
Flächen hervorgebracht werden.
Fig. 25
erläutert den wesentlichen Theil des Druckmechanismus. D
ist eine um ihre Achse drehbare Scheibe aus Metall, Glas oder einer andern
hinreichend harten Substanz, von 8 bis 10 Millimetern Durchmesser; E ist die Schwärzwalze, welche sich frei in ihrem bei
O um ein Scharnier beweglichen Lager C dreht und mit sanfter Reibung auf der Scheibe D liegt. Mit Hülfe einer Stellschraube kann man die
Walze um einige Millimeter längs ihrer Achse verschieben, um die Scheibe gegen eine
frische, stärker geschwärzte Stelle sich reiben lassen. L,
M ist ein Hebel, welcher auf ähnliche Weise wie bei dem gewöhnlichen Morse'schen Apparat durch den Elektromagnet bewegt wird,
bei welchem jedoch die ins Papier eindringende Spitze durch einen Hammer M oder eine Art Messer ersetzt ist, dessen stumpfe
Schneide das Papierband P bei jeder Oscillation des
Hebels gegen die Scheibe D drückt. Dieses Papierband
erhält seine Bewegung auf gewöhnliche Weise durch die Walze P'. Sonst ist in Bezug auf die wesentliche Einrichtung des Morse'schen Apparates und seine Handhabung nichts
geändert. Es ist daher nichts leichter, als die bestehenden Apparate, welche
mittelst vertiefter Züge schreiben, in solche umzuwandeln die mit Schwärze
schreiben.
Diese Schwärze ist zugleich flüssig und fett; sie trocknet sehr langsam an der Luft,
und bleibt sehr lange klebrig. Auch die Walze kann tagelang dienen, ohne daß die
Schwärze erneuert zu werden braucht; letzteres ist übrigens äußerst leicht zu
bewerkstelligen, indem man einige Tropfen auf die Fläche der Walze aufträgt. Dem
Auswechseln der Walzen steht auch nichts im Weg; in einigen Secunden ist dieses
geschehen. Eine solche Walze kann sehr lange benutzt werden, wenn man mittelst der
Schraube die Berührungsstellen der Walze mit der Scheibe ändert.
Vorstehende Modification des Morse'schen Telegraphen ist
sehr einfach und gibt die Zeichen vollkommen mit großer Sicherheit und
Schnelligkeit, daher sie in Frankreich, Spanien und Belgien bald in Aufnahme kam.
Hr. Lair, erster Director der Telegraphenlinien,
bestätigt, daß der Digney'sche Telegraph auf der Strecke
zwischen Nantes und Paris mit einer Geschwindigkeit von 15 bis 20 Bewegungen per Secunde gearbeitet hat.