Titel: | Chemisch-technische Notizen; von Prof. Fr. Crace Calvert in Manchester. |
Fundstelle: | Band 149, Jahrgang 1858, Nr. XXXVI., S. 135 |
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XXXVI.
Chemisch-technische Notizen; von Prof.
Fr. Crace Calvert in
Manchester.
Vortrag desselben in der Society of arts zu London. – Aus der Revue universelle des mines et
des arts appliqués à l'industrie, 1858, t. III p.
141.
Calvert's chemisch-technische Notizen.
I. Das elektrische Leitungsvermögen von
Kupferdrähten.
Prof. W. Thomson in Glasgow hat das Leitungsvermögen von
Kupferdrähten aus verschiedenen Fabriken untersucht und dabei merkwürdige
Unterschiede gefunden.Man vergl. die Notiz im polytechn. Journal Bd. CXLVI S. 113. Aus nachfolgender ersten Tabelle ersieht man, daß Drähte von gleichem
Durchmesser in dieser Hinsicht um mehr als 50 Proc. differiren können, je nach der
Qualität des Metalls womit sie dargestellt wurden. Für die elektrische Telegraphie
wäre es sehr wünschenswerth, die Ursache dieser großen Unterschiede zu kennen,
weßhalb Thomson eine Reihe von Versuchen durchführte,
durch welche er fand, daß fremde Metalle, dem Kupfer in kleinem Verhältniß
zugesetzt, das Leitungsvermögen der Drähte auffallend ändern, wie man aus der
zweiten Tabelle ersieht.
Leitungsvermögen des Kupferdrahts.
Textabbildung Bd. 149, S. 135
Normaldraht; Anderes Muster (A),
einfacher Draht; zu einer Schnur gedreht; Letzte probirte Muster (A), einfacher
Draht; (B); (B), zu einer Schnur gedreht; (C), einfacher Draht; Drähte von zwei
anderen Fabriken (E); (F); Drähte von gewöhnl. Kupfer, zu Glasgow gekauft; Mit
Seide überzogener Draht (von Manchester)
Proben, dargestellt von den HHrn. Matthey und
Johnson.
Reines Kupfer
100
Legirung von Kupfer mit
0,25 Procent Silber
105,5
„ „
0,13
„ „
106
„ „
0,25
„ Blei
109,9
„ „
0,13
„ „
111,2
„ „
0,25
„ Zinn
99,8
„ „
0,13
„ „
101,4
„ „
0,80
„ Zink
95
„ „
0,40
„ „
91,7
„ „
1,40
„ „
78,5
II. Verfahren zur Bereitung der
schwefligen Säure.
Es war bisher schwierig, flüssige schweflige Säure im Großen zu technischen Zwecken
darzustellen; das in den Lehrbüchern der Chemie angegebene Verfahren ist nicht ohne
Gefahr, wenn man es im Großen anwenden muß. Ich veröffentliche hiermit eine Methode,
wornach man täglich Tausende von Litern einer gesättigten Auflösung dieser Säure mit
Leichtigkeit bereiten kann. Dieses Verfahren besteht darin, Schwefel in einem
kleinen Ofen zu verbrennen und das schwefligsaure Gas durch Porzellanröhren, welche
mit kaltem Wasser umgeben sind, abzuleiten; man läßt es dann in einem hölzernen
Cylinder von 40 Fuß Höhe und 4 Fuß Durchmesser aufsteigen, welcher mit
Bimssteinstücken gefüllt ist (diese müssen vor ihrer Verwendung mit Salzsäure und
hernach mit Wasser gewaschen werden). Indem die schweflige Säure durch den Bimsstein
hinaufzieht, kommt sie mit einer herabfließenden Wassersäule in Berührung, von
welcher sie aufgelöst wird. Dieser Wasserstrom wird durch ein, oben auf dem Cylinder
angebrachtes Ventil regulirt. Man erhält so ohne Mühe am untern Theil dieses
Cylinders eine gesättigte Auflösung, welche man in einem Behälter sammelt.
III. Raffiniren des Zuckers.
Ich habe das vorstehend beschriebene Verfahren benutzt, um schweflige Säure zum
Raffiniren des Zuckers darzustellen; ich war nämlich überzeugt, daß sie bessere
Resultate liefern muß, als der zweifach-schwefligsaure Kalk, welchen Dumas und Melsens
Polytechn. Journal Bd. CXIV S. 375
und Bd. CXV S. 212. vor einigen Jahren so warm empfohlen haben, weil diese Säure wegen ihrer
Flüchtigkeit nicht in den Syrupen und Melassen zurückbleiben und denselben einen
unangenehmen Geschmack mittheilen kann, wie es der schwefligsaure Kalk thut, dessen Basis im Syrup als
essigsaurer und milchsaurer Kalk zurückbleibt. Meine Voraussetzung zeigte sich nicht
nur begründet, sondern ich habe auch gefunden, daß die schweflige Säure zum
Raffiniren des Zuckers folgende zwei Vortheile gewährt:
1) sie hält die Gährung der heißen Flüssigkeiten bei deren Austritt aus den
Kohlenfiltern auf;
2) durch geeignete Anwendung verhindert sie diese Flüssigkeiten sich während des
Eindampfens in den Vacuumpfannen neuerdings zu färben. In der Praxis erhielt ich
sehr genügende Resultate, indem ich 8 bis 9 Liter gesättigter Lösung von schwefliger
Säure 450 Litern entfärbten Syrups zusetzte, so wie er von den Kohlenfiltern in die
Verkochpfannen gelangt.
IV. Sauerwerden des Bieres.
Mehrere Londoner Brauer haben mir in der letzten Zeit geklagt, daß ihre Biere nach
dem Fassen sauer wurden, indem die saure Gährung nach der geistigen eintrat. Zur
Verhinderung dieser sauren Gährung empfahl ich ihnen folgendes einfache und leicht
anwendbare Verfahren. Es besteht in der Benutzung der flüssigen oder gasförmigen
schwefligen Säure. Ich fand aber, daß ein bloßes Schwefeln der Fässer nicht
ausreicht. Um einen sichern Erfolg zu erzielen, muß man eine Auflösung von
schwefliger Säure in das Holz der Bottiche und Fässer eindringen lassen und die
metallenen Behälter oder Apparate, welche das Bier behufs des Fassens zu passiren
hat, mit derselben Lösung gründlich waschen.
V. Darstellung von Farbstoffen mittelst
der im Steinkohlentheer enthaltenen Alkaloide.
In meinem früheren Vortrage „über die Destillationsproducte der Steinkohlen
und deren technische Anwendung“
Polytechn. Journal, 1855, Bd. CXXXV S. 378. bemerkte ich, daß man außer der Kohlenstickstoffsäure bald noch andere zum
Färben geeignete Farbstoffe erhalten dürfte. Meine Erwartung wurde vollständig
erfüllt. W. Perkins und A. H. Church erhielten mittelst der Alkaloide des Steinkohlentheers verschiedene
blau färbende Substanzen, und auch einen blauen Farbstoff mittelst des Naphthalins;
sie nannten diese Producte Nitrophenyl, Nitronaphthalin etc.
W. Perkins nahm unlängst ein Patent auf die industrielle
Anwendung dieser schönen röthlichblauen Farben, welche er auf Seide befestigt hat. Diese Farbe kann
mit derjenigen der Orseille rivalisiren, hat aber vor letzterer den großen Vorzug,
daß sie dem Licht widersteht; Perkins hat also ein
wichtiges Problem der Färbekunst gelöst. Sein Verfahren besteht darin,
schwefelsaures Amilin, Cumidin oder Toluidin in Wasser aufzulösen, und dann die
Schwefelsäure dieser Salze durch eine hinreichende Menge zweifach-chromsauren
Kalis zu sättigen. Man läßt das Ganze zwölf Stunden lang in Ruhe, und erhält alsdann
einen braunen Niederschlag, welchen man mit Steinkohlentheeröl wascht und hernach in
Methylalkohol (Holzgeist) auflöst. Diese Auflösung, welcher man ein wenig
Weinsteinsäure oder Oralsäure zusetzt, bildet das Färbebad.
Ch. Lowe und ich waren so glücklich, neuerlich aus dem
Steinkohlentheer Substanzen darzustellen, welche ein außerordentliches Färbevermögen
besitzen, und damit ächte Farben zu erhalten, welche fast eben so schön wie das
Safflor-Rosenroth und das Cochenille-Carmesinroth sind; der Werth
dieser Producte des Steinkohlentheers wird noch dadurch erhöht, daß wir mit ihnen
auf einem für das Krappfärben gebeizten Kattunstück alle Farben und deren
verschiedene Nüancen erhalten können, welche der Krapp liefert, nämlich das Violett,
Purpurroth, Chocolatebraun, Rosenroth und Roth. Der einzige Grund, welcher uns
verhinderte das von uns dargestellte geruchlose Roth in den Handel zu bringen, ist
der, daß sein Preis noch zu hoch ist, um mit dem an Farbstoff so reichen Krapp
concurriren zu können; wir setzen aber unsere Versuche fort, in der Hoffnung durch
dieses Product den Safflor und die Cochenille ersetzen zu können, deren Preis hoch
genug ist. Ich bemerke noch, daß unsere Nachahmung der Safflorfarbe der Seife und
dem Licht widersteht, was der Safflor nicht thut.
VI. Färben und Drucken der Zeuge mit
Murexid.
Sacc hat zuerst die Zersetzungsproducte der Harnsäure zum
Färben der Gewebe angewandt. Sein Verfahren bestand darin, die mit einem Zinnsalz
vorbereiteten Wollengewebe in eine schwache Auflösung von
Alloxan zu tauchen. Der so behandelte Zeug wurde getrocknet, und wenn man ihn dann
der Einwirkung der Wärme aussetzte, so erhielt er eine schöne carmesinrothe Farbe,
deren Intensität man durch Ammoniakdämpfe erhöhen konnte. Nach diesem Verfahren war
es aber schwierig gleichförmige Farben zu erhalten, und in dieser Hinsicht wurde es
von Schlumberger verbessert. Für seidene und baumwollene
Gewebe konnte jedoch das Verfahren von Sacc und Schlumberger
Polytechn. Journal Bd. CXXXII S. 54
und 136. nicht angewendet werden.
Das Färben der Seide mit Murexid gelang zuerst Hrn. Depoully
Polytechn. Journal Bd. CXLV S.
139., welcher folgendes Verfahren anwandte: man taucht den Stoff in eine
concentrirte Auflösung von Quecksilberchlorid (Sublimat), welche mit einer Auflösung
von Murexid gemischt ist; man drückt ihn dann gut aus und hängt ihn an der Luft auf.
Es befestigt sich nun eine unauflösliche carmesinrothe Verbindung auf der Seide. Das
Gemisch der Lösungen von Quecksilberchlorid und Murexid liefert übrigens diese
unauflösliche Verbindung erst nach 1–2 Stunden.
Das Verfahren zum Färben der Baumwolle verdankt man den HHrn. Lauth
Ebendaselbst. und Schlumberger. Es besteht darin, auf dem
Gewebe purpursaures Bleioxyd zu erzeugen, indem man es mit salpetersaurem Bleioxyd
beizt, durch ein Alkali passirt und mit einer Lösung von Murexid färbt; um endlich
die Farbe zu beleben, passirt man das Gewebe durch eine schwache Auflösung von
Quecksilberchlorid. – Dollfuß, Mieg und Comp. in Frankreich, und Lightfoot in Lancashire haben dieses Verfahren vervollkommnet; sie drucken
das Murexid mit einem Ueberschuß von salpetersaurem Bleioxyd auf und setzen dann das
Gewebe der Einwirkung ammoniakalischer Dämpfe aus, oder passiren es durch eine mit
Salmiak gemischte Auflösung von Aetznatron.
Es blieb nun bloß noch eine Methode zu ermitteln, um mit Murexid ächte FarbenWir verweisen hinsichtlich der Dauerhaftigkeit dieser Farben auf Hrn. O. Meister's Bemerkungen im polytechn. Journal Bd. CXLV S. 156.A. d. Red. auf gemischten Geweben zu erhalten, nämlich auf dem Wollmusselin mit
baumwollener Kette und Schuß aus Kammwolle; dieser Zweck wurde von Schlumberger erreicht. Das Gewebe wird zuerst dadurch
vorbereitet, daß man der Wolle Zinnoxyd einverleibt, mittelst des sogenannten
Pinksalzes (Zweifachchlorzinn-Salmiak); auf das so vorbereitete Gewebe druckt
man hernach folgendes Gemenge:
1 Theil
Murexid,
6 „
salpetersaures Bleioxyd,
2 „
salpetersaures Natron.
Man läßt das Stück zwei oder drei Tage lang hängen und passirt es dann in folgendem
Quecksilberchlorid-Bad:
Wasser
454 34/100 Liter,
Quecksilbersublimat
2 Kilogr. 720
Gramme,
essigsaures Natron
5 Kilogr. 44
Grm.
Essigsäure von 7°
Baumé
2 27/100 Liter.
VII. Färben mit Chinesischgrün und mit
Chlorophyll.
Chinesischgrün. – Bis auf die letzte Zeit konnte
man auf den Geweben grüne Farben nur durch Mischung von Blau und Gelb erzeugen;
neuerlich wurde man aber auf eine von den Chinesen entdeckte grüne Substanz
aufmerksam, welche sie zum Färben der Baumwolle anwenden. Es ergab sich, daß sie
dieselbe durch ein langwieriges Verfahren mittelst zweier Kreuzdorn-Arten,
nämlich Pa-bi-lo-za (Rhamnus
chlorophorus) und Hom-bi-lo-za (Rhamnus utilis), bereiten; sie bringen diesen Farbstoff in kleinen Tafeln
unter dem Namen Luh-Kaou oder Luh-Chao in den Handel. Kürzlich wurde
derselbe in London auf dem wöchentlichen Indigomarkt unter der Benennung
„grüner Indigo von China“ verkauft.
Chlorophyll. – Es gelang Schlumberger das Chlorophyll, den grünen Farbstoff der Blätter und des
Grases, auf wollenen Geweben zu befestigen. Sein
Verfahren besteht darin, 27 Kilogr. zerhacktes Gras mit 113 Litern Wasser kochen zu
lassen. Diese Operation wird wiederholt, und dann das Gras mit 113 Litern
Aetznatronlauge behandelt, welcher man 750 Gramme bis 1 1/2 Kilogr. Mercer'sches Kuhkoth-Surrogat (phosphorsaures
Natron mit phosphorsaurem Kalk) zusetzt. Man läßt eine halbe Stunde lang kochen, und
setzt einen Ueberschuß von Salzsäure zu; es bildet sich ein grüner Niederschlag,
welchen man abfiltrirt. Dieser Niederschlag wird in einer verdünnten Aetznatronlauge
aufgelöst, welcher man ein wenig Mercer'sches
Kuhkoth-Surrogat zusetzt, worauf man die zu färbende Seide oder Wolle so
lange in diese Lösung taucht, bis man die gewünschte Farbe erhalten hat. Das
Zinnoxyd-Natron ist die einzige Beize, welche genügende Resultate gibt.
VIII. Patentirtes Gummi für den
Zeugdruck.
Mein früherer Assistent, Eduard Hunt, ließ sich unlängst
eine für verschiedene Industriezweige und insbesondere für den Zeugdruck wichtige
Entdeckung patentiren. Es gelang ihm nämlich, ein Gummi zu erzeugen, wovon 2 Kilogr.
eine Beize oder Druckfarbe eben so stark verdicken wie 3 Kilogr. gewöhnliches
geröstetes Weizenmehl. Dieses neue Gummi besitzt überdieß folgende Eigenschaften: 1)
ist es fast weiß; 2) ist es in kaltem Wasser vollkommen löslich und 3) gibt es keine
saure Lösung.
Man fabricirt es, indem man 1000 Kilogr. ausgetrocknetes Weizenmehl mit 272 Litern
geschlagener Milch (sogenannter Buttermilch) vermischt, und das Ganze dann trocknet
und hierauf in gewöhnlicher Weise röstet. Sonderbarerweise werden durch die Wirkung
der Milchsäure auf den Käsestoff und den Eiweißstoff der geschlagenen Milch, diese beiden
sowie das Mehl, vollkommen löslich in Wasser.Man sehe unten (S. 145) das dem neuesten Heft des Repertory of Patent-Inventions entnommene Patent von Pochin und Woolley in
Manchester, welche dieses Gummi fabriciren.A. d. Red.