Titel: | Ueber die Porzellan-Fabricate des Hrn. Gosse zu Bayeux; Bericht von Hrn. Salvetat, Chemiker zu Sèvres. |
Fundstelle: | Band 149, Jahrgang 1858, Nr. LXXV., S. 256 |
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LXXV.
Ueber die Porzellan-Fabricate des Hrn.
Gosse zu Bayeux; Bericht
von Hrn. Salvetat, Chemiker
zu Sèvres.
Aus dem Bulletin de la Société
d'Encouragement, April 1858, S. 193.
Mit Abbildungen auf Tab.
IV.
Ueber Gosse's Porzellan-Fabricate.
Die Porzellan-Fabricate des Hrn. Gosse zu Bayeux im
Calvados-Departement (in Paris rue de
Paradis-Poissonnière No. 42) sind theils chemische, theils
Haushalts-Geräthe. Die Fabrik beschäftigt jetzt circa 120 Arbeiter und der Werth der Producte beläuft sich jährlich auf
200,000 Francs. Dieselben sind von vorzüglicher Qualität und dabei wohlfeil.
Die thönernen Hausgeräthe haben sich seit etwa hundert Jahren sehr verändert; damals
war gewöhnliche Fayence am meisten verbreitet, dieselbe wurde aber durch das
englische Steingut verdrängt, welches jetzt noch am meisten benutzt wird. Jedoch
dürfte die Zeit nicht mehr fern seyn, wo auch dieses seine jetzige Wichtigkeit
verlieren und dem harten oder ächten Porzellan, als dem besten Material für die
Benutzung im Haushalte, wird weichen müssen. Denn in Europa gibt es einerseits
zahlreiche Lagerstätten von Kaolin oder Porzellanerde, und andererseits von weißem
etwas eisenhaltigen Thon, der mit granitischen Gesteinen vorkommt und hinreichend
schmelzbar ist; mittelst dieser Materialien kann zu geringen Preisen ein Porzellan
angefertigt werden, welches zu Haushaltzwecken allen undurchsichtigen Thonwaaren
vorzuziehen ist.
Hr. Gosse, dessen Producte jetzt sehr verbreitet sind, war
in den letzten acht Jahren fortwährend bemüht, seine Verkaufspreise zu vermindern.
Diese Preisverminderung ist aber nicht Folge einer Entwerthung der Fabricate, oder einer
schlechten Fabrication, sondern sie beruht auf Verbesserungen in der Einrichtung und
dem Betriebe seiner Fabrik.
Die Zusammensetzung der Masse ist gegenwärtig sehr einfach; man nimmt dazu nur
feldspathigen und quarzigen Sand, Porzellanthon und Kreide.
Der Porzellanthon kommt aus den Brüchen von Pieux bei Valognes und wird roh, so wie
er gefördert, nach einer bloßen Säuberung, zu Wasser bis
Port-en-Bessin geschafft; erst in der Fabrik wird der Thon geschlämmt,
da sie Besitzerin des Bruchs ist. Der geschlämmte Thon ist sehr plastisch, und da er
weit wohlfeiler zu stehen kommt, als der von Limoges, so verwendet man ihn in
bedeutendem Verhältniß zur Masse. Wegen seiner thonigen Beschaffenheit hat das
Porzellan von Bayeux die Eigenschaft, im Feuer zu schwinden; in dieser Hinsicht
nähert es sich demjenigen von Sèvres.
Der Sand, welcher beim Schlammen des feldspathigen und quarzigen Sandes erfolgt, ist
hinreichend schmelzbar, um der Masse die ihr fehlenden Alkalien mitzutheilen.
Die Kreide, welche man, wie zu Sèvres, aus dem Grunde zusetzt, damit die Masse
keine Neigung zum Verziehen erhält, kommt aus den Brüchen in der Gegend von Caen und
ist etwas eisenhaltig. Da aber der Porzellanthon von Pieux selbst gefärbt ist und
die Fabricate von Bayeux sich durch eine grauliche Färbung charakterisiren, welche
sie von dem Porzellan von Limoges unterscheidet, dessen glasartigere Masse den
Temperaturveränderungen nicht so gut widersteht, so ertheilt eine geringe Menge
Eisenoxyd der Masse nur eine schwache Färbung und man kann daher ohne Nachtheil eine
weniger reine Kreide als die von Meudon etc. anwenden.
Die Masse, welche man, als die Porzellan-Fabrication in der Normandie, zu
Valognes und zu Caen, erst begann, von Limoges kommen ließ, wird daher jetzt in der
Fabrik selbst mit Materialien aus der Nähe bereitet. Dieselben (Sand, Kreide und
Kaolin) werden auf gewöhnliche Weise in einem Rührfaß, welches mit einer stehenden
Welle und mit Flügeln mit Messern versehen ist, mit einander vermengt. Man wählt den
Sand so fein als möglich; da nämlich der rohe Thon mehr davon enthält als
erforderlich ist, so beseitigt man den gröbern, dessen Zerkleinerung noch Kosten
verursachen würde. Die rohe Thonerde (der Kaolin), aus den Kellern genommen, enthält
in 100 Theilen:
eingesogenes Wasser
12,80
Sand
42,00
abgeschlämmten Thon
45,20
Der abgeschlämmte Thon enthält dieselben Bestandtheile wie der Kaolin von St. Yrieix,
nur eine größere Menge Eisenoxyd.
Die Masse wird auf die in anderen Fabriken gebräuchliche Weise verarbeitet und erhält
eine harte Glasur ohne Beimengung, deren Hauptbestandtheile von den mit Sand
versetzten Feldspathgesteinen herrühren, die man, hinlänglich zerkleinert, von
Limoges bezieht. Hr. Gosse will es aber versuchen, statt
des Pegmatits oder Schriftgranits von Limoges die zerkleinten feldspathigen und
kieseligen Geschiebe anzuwenden, welche an den Küsten von Finistère, in der
Umgegend von Brest, in großer Menge vorkommen.
Die in der Fabrik zu Bayeux erzielten Ersparungen sind nicht ohne Wichtigkeit; sie
würden jedoch allein es nicht ermöglicht haben, die mäßigen Preise zu halten, zu
denen die Fabrik ihre Producte in den Handel bringt.
Ein sehr wesentliches Element bei den Productionskosten der Thonwaaren im Allgemeinen
und der harten insbesondere, bildet das Brennmaterial. Hr. Gosse hat sich durch Ankauf von Holz auf den Stämmen zum Theil der
steigenden Vertheuerung des Holzes an seinem Orte entzogen; er benutzt in seiner
Fabrik alle Theile des vegetabilischen Brennmaterials; das Reisig wird in kleine
Bündel zusammengebunden und entweder am Ende des Vorfeuerns oder mit Steinkohlen in
dem unter der Sohle liegenden Ofen verbrannt; das Scheitholz wird theils in Stämmen
zu Balken und Bretern zerschnitten, theils klein gemacht und beim Scharffeuer
verwendet, während die klein gemachten Wurzelstöcke zur Vorfeuerung benutzt werden.
Die Balken und Breter finden ihre Anwendung in der Fabrik selbst, die schlechteren
Breter zu Kisten zum Verpacken der Fabricate.
Der stets steigende Preis des Holzes und mehr noch die Furcht vor Holzmangel, haben
den Besitzer der Manufactur zu Bayeux zu einigen Probebränden mit Steinkohlen veranlaßt. Es wurde dabei ein eigenthümlich
eingerichteter Ofen, welchen sich Hr. Gosse patentiren
ließ, angewendet und dadurch der Zweck sofort erreicht. Der Berichterstatter wohnte
einem dieser Probebrände bei und will hier kurz die Eigenthümlichkeit des neuen
Porzellanofens in Vergleich mit den bisherigen mittheilen. Die untere Etage des
Ofens, welche 4 Meter im Durchmesser und 3 Meter Höhe hat, wird am Umfange durch
fünf Herde von gleicher Größe gefeuert; der mittlere Theil, welcher bei den
gewöhnlichen Porzellanöfen in der Regel schlecht geheizt ist, wird direct durch
einen sechsten Ofen oder Herd, welcher unter der Sohle im Centrum liegt, auf
dieselbe Weise gefeuert wie die übrigen, jedoch werden vor den Rost einige kleine
Reisigbunde gelegt, die mit den Steinkohlen zugleich verbrennen. Essen in der Mitte, wie bei den Limoger
Oefen, sind nicht vorhanden.
Der Ofen wurde um 10 Uhr Morgens angefeuert und das Vorfeuern bis 11 Uhr Abends
fortgesetzt; darauf begann das Scharffeuer, welches bis 1 Uhr fortgesetzt wurde; der
Brand dauerte 27 Stunden. Die ersten Probescherben zeigten einen guten Brand vor der
Thür und in den vordern Herden des Ofens, während die hintern Theile noch zurück
waren; dieß rührte daher, daß bei dem vorhergehenden Brande das Entgegengesetzte
stattgefunden hatte, weßhalb man die Chargen über den beiden vordern Herden anhäufen
zu müssen glaubte. Man mäßigte die Feuerung seit 10 Uhr Morgens in den letztem
Herden, um in allen Theilen des Ofens eine gleiche Temperatur hervorzubringen; man
hörte gänzlich zu feuern auf, als die vom hintern Theile des Ofens genommenen
Probescherben ebenfalls einen guten Brand zeigten. Beim Herausnehmen zeigte sich der
Brand allenthalben sehr gleichförmig.
Hr. Gosse behauptet, daß durch die von ihm in der Feuerung
der Oefen gemachten Verbesserungen ein gleichartigeres und rascheres Brennen erzielt
werden muß, so daß an Zeit und Brennmaterial erspart wird.
Der Ofen zu Bayeux, worin man zuerst mit Holz und dann mit Steinkohlen gebrannt hat,
gestattet eine Vergleichung mit den übrigen Oefen in derselben Manufactur und mit
denen zu Sèvres, welche genau dieselben Dimensionen haben. Man findet auf
diese Weise:
Vorfeuerung.
Scharffeuer.
Ganze Dauer.
Für das Brennen mit Holz
10 Stunden
18 Stunden
28 Stunden.
„ „ „
Steinkohlen
12 „
13 „
25 „
Der Ofen zu Sèvres, von denselben Dimensionen wie der zu Bayeux, erfordert mit
Holz 15 Stunden Vorfeuerung und 15 Stunden Scharffeuer, zusammen 30 Stunden.
Der Ofen zu Bayeux, ohne Herd unter der Sohle, erfordert 30 bis 32 Stunden
Feuerung.
Der Brennmaterialverbrauch bei dem Brennen mit Holz und Steinkohlen im großen Ofen zu
Bayeux und im kleinen Ofen von 3,30 Meter Durchmesser, war der nachstehende:
Brand mit Holz, 30 Kubikmeter à 13 Francs
390,00 Fr.
Brand mit Steinkohlen; 5400 Kilogr.
englische Steinkohlen
à 4 Frcs. die 100
Kil. 216,00
Fr.
300 Reisigbunde à 3,5 Frcs. das
Hundert 10,50
„
226,50 „
–––––––––––––––––––––––
Differenz
163,50 Fr.
Die Differenz zu Gunsten der Steinkohlenfeuerung betrug daher 42 Proc. von den Kosten
der Holzfeuerung. In dem kleinen Ofen zu Bayeux verbrauchte man dieselbe Holzmenge,
obgleich der Ofen weit kleiner war, und der Brennmaterialaufwand ist nur halb so
groß als für den Ofen zu Sèvres bei Holzfeuerung. Ohne Zweifel muß dieser
Unterschied einestheils dem langsamen Brennen zu Sèvres, anderntheils der
Beschaffenheit des zu Bayeux verwendeten Holzes zugeschrieben werden, welches zur
Hälfte aus sehr trockenem Buchenholz bestand. Der Unterschieb zwischen den zu
Sèvres und zu Bayeux verbrannten Steinkohlenmengen ist nicht so bedeutend,
als der bei der Holzfeuerung; doch ist er noch beträchtlich, und ohne Zweifel wird
er noch größer werden, wenn die Erfahrung der Arbeiter es gestattet, den Verbrauch
während des Vorfeuerns gehörig zu reguliren.
Diese Versuche beweisen auch den Nutzen des unter der Ofensohle im Centrum
angebrachten Herdes; derselbe regulirt den Brand und gestattet mit Gleichförmigkeit,
selbst in den größten Oefen zu brennen. Bei letzteren fehlt es oft der Mitte an
Hitze, wenn die äußeren Kapselstöße schon zusammenzuschmelzen beginnen. Die Versuche
welche man jetzt zu Limoges macht, um das Porzellan mit Steinkohlen, mittelst
rauchverzehrender Apparate zu brennen, werfen auf diese Frage neues Licht, indem sie
die Wirksamkeit des im Centrum angebrachten Herdes außer Zweifel setzen. In den
bisherigen großen Oefen mit Steinkohlenfeuerung bleibt in der Mitte das Gut noch 1
Meter über der Sohle ungebrannt, ein Nachtheil, welcher von der weiten Entfernung
der Herde von der Mitte der Oefen herrührt und offenbar verschwinden wird, wenn im
Centrum unter der Sohle eine Feuerung vorhanden ist.
Hr. Gosse benutzt die aus den Oefen entweichende Hitze mit
Vortheil zum Brennen von Drainröhren.
Chemische Gerätschaften. – Die zu Bayeux
verfertigten chemischen Geräthe, die Tiegel, Schalen etc., rivalisiren mit denen aus
den Fabriken zu Sèvres und Berlin; sie sind dünn, leicht und verhalten sich
im Feuer sehr gut.
Der Berichterstatter hat die chemischen Gerätschaften von Bayeux hinsichtlich ihres
Widerstandes gegen Säuren und ätzende Alkalien mit denen von Sèvres
verglichen.
Ein halbes Liter reine Salzsäure wurde bei der Siedhitze in zwei noch nicht
gebrauchten, gleich großen Schalen verdampft, von denen die eine in Bayeux, die
andere in Sèvres angefertigt war. Der in schwach gesäuertem Wasser
aufgenommene Rückstand wog:
für die Schale von Bayeux
0,0021 Gramme
für die Schale von Sèvres
0,0022 „
Ein anderer Versuch wurde mit einer concentrirten Aetzkalilösung gemacht, welche
30° Baumé zeigte. Gleiche Volume derselben wurden in zwei gleich
großen neuen Schalen von Bayeux und von Sèvres vier Stunden lang im Kochen
erhalten. Mit Salzsäure gesättigt, zur Trockne abgedampft, dann in Säure wieder
aufgenommen und filtrirt, gaben die beiden Flüssigkeiten nachstehende Gewichtsmengen
Kieselerde:
für die Schale von Bayeux
0,0006 Gramme
für die Schale von Sèvres
0,0005
„
Diese Resultate wurden übrigens durch die directe Analyse der Glasur bestätigt,
welche der Berichterstatter selbst aus dem Glasurbottich zu Bayeux geschöpft hat.
Dieselbe stimmt mit der Sèvrer Glasur nahezu überein, wie aus nachstehenden
Analysen hervorgeht.
Glasur von Bayeux.
Glasur von Sèvres.
Kieselerde
75,00
76,10
Thonerde
14,35
15,30
Eisenoxyd
1,40
0,11
Kalk
1,25
0,17
Bittererde
Spuren
Spuren
Alkalien
7,00
7,50
Verlust im Feuer und
sonstiger
1,00
0,82
–––––––––––––––––––––––––––––
100,00
100,00
In den chemischen Laboratorien muß man manchmal Schiffchen ohne Glasur anwenden,
weßhalb der Berichterstatter vergleichende Analysen der Massen von Bayeux und von
Sèvres gemacht hat; er fand:
Masse von Bayeux.
Masse von Sèvres.
Kieselerde
61,61
58,00
Thonerde
30,01
34,50
Eisenoxyd
1,56
–
Kalk
3,56
4,50
Bittererde
Spuren
–
Alkalien
3,26
3,00
––––––––––––––––––––––––––––––––
100,00
100,00
Wenn daher bei einigen Versuchen die Schalen von Bayeux merklich angegriffen werden
sollten, so müssen die von Sèvres sich in derselben Weise verhalten.
Beschreibung der Abbildungen.
Fig. 14 ist
der senkrechte Durchschnitt des Ofens, nach der Linie XY in Fig. 15.
Fig. 15 zeigt
horizontale Durchschnitte, für den linken Theil nach der Linie WZ in Fig. 14, und für den
rechten Theil nach der gebrochenen Linie 1, 2, 3, 4 derselben Figur.
A Inneres des Ofens.
B Kuppel, die aus einem cylindrischen Theil und aus
einer halben Kugel besteht.
C Ofenthür.
D Thür zur Kuppel.
E Esse.
F Feuercanäle, welche den Ofen und die Kuppel
miteinander verbinden.
G gewöhnliche Herde oder Feuerungen.
H Herd im Centrum, unter der Ofensohle;
o Feuercanäle des letztem;
i Oeffnung dieses Herdes;
j Oeffnung zum Ausziehen der Asche etc.
K Gang unter der Sohle, welcher zu der Feuerung H führt.