Titel: | Bestimmung des Salpetergehalts der Pflanzen, überhaupt der Salpetersäure bei Gegenwart organischer Materien; von Hrn. Boussingault. |
Fundstelle: | Band 149, Jahrgang 1858, Nr. LXXXIII., S. 276 |
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LXXXIII.
Bestimmung des Salpetergehalts der Pflanzen,
überhaupt der Salpetersäure bei Gegenwart organischer Materien; von Hrn. Boussingault.
Aus den Comptes rendus, Juni 1858, Nr.
24.
Boussingault's Bestimmung des Salpetergehalts der
Pflanzen.
Wenn man eine Pflanze verbrennt, so findet man in der Asche mineralische Basen,
gewöhnlich mit Phosphorsäure, Schwefelsäure, Kohlensäure verbunden. Die kohlensauren
Salze sind aber in der Pflanze nicht als solche enthalten, wenigstens nicht in
beträchtlicher Menge; sondern ihre Basen waren darin mit organischen Säuren
verbunden, welche während der Einäscherung zerstört wurden, und deren Kohlenstoff
Kohlensäure erzeugt hat.
Enthielt die Pflanze salpetersaure Salze, was in der Regel der Fall ist, so trifft
man dieselben in der Asche nicht an. Ihre Stelle nehmen darin ebenfalls kohlensaure
Salze ein, weil die Säure der salpetersauren Salze durch das Feuer ebenso zerstört
wird wie die organischen Säuren, mit dem Unterschiede, daß der Sauerstoff der
Salpetersäure mit dem Sauerstoff der Luft zur Verbrennung der brennbaren Elemente
beiträgt, nämlich mit dem Wasserstoff Wasser bildet, und mit dem Kohlenstoff
Kohlensäure, welche sich mit den alkalischen Basen der salpetersauren Salze
vereinigt.
Ich stellte mir die Frage, ob es nicht möglich wäre die Elemente einer organischen
Substanz, welche einem salpetersauren Salz beigemengt ist, in der Weise zu
verbrennen, daß man nicht in der Atmosphäre operirt, sondern in einem Medium von
solcher Natur, daß der Sauerstoff der Salpetersäure keine Rolle als Oxydationsmittel
spielen kann; kurz, unter solchen Umständen, daß man die salpetersauren Salze im
Rückstand der Verbrennung eben so vorfindet, wie die Chloride der Alkalien, deren
schwefelsaure und phosphorsaure Salze; die Flüchtigkeit der Salpetersäure ließe sich
hernach benutzen, um sie aus ihren Verbindungen frei zu machen und zu wägen.
Es handelt sich, wie man sieht, darum, den Kohlenstoff und Wasserstoff durch
Sauerstoff im Entbindungsmoment zu verbrennen, welcher wirksamer als der Sauerstoff
der Salpetersäure ist, und den man so leicht und so reichlich erhält, wenn man
Schwefelsäure auf Chromsäure einwirken läßt; dieses kräftige Oxydationsmittel hat
ein geschickter Chemiker, C. Brunner, mit Erfolg
angewandt, um den Kohlenstoff, nicht nur der leicht verbrennlichen Substanzen, wie
Zucker und Stärkmehl, sondern auch denjenigen der Holzspäne, der Steinkohle, des
Graphits, zu verbrennen und zu bestimmen.Poggendorff's Annalen Bd. XCV S. 379. Wenn man das Verhältniß von Schwefelsäure und zweifach-chromsaurem
Kali bis zu einer gewissen Gränze steigert, so hat man nicht zu befürchten daß sich
Ameisensäure bildet; aller Wasserstoff, aller Kohlenstoff, werden in Wasser und in
Kohlensäure verwandelt.
Ich vermuthete, daß bei dieser energischen und raschen Verbrennung, welche innerhalb
einer Flüssigkeit erfolgt, die fortwährend mit Sauerstoff im Entbindungsmoment
versehen ist, die Salpetersäure nicht modificirt werden kann, oder daß, wenn dieses
momentan wegen des Contacts mit der verbrennlichen Substanz der Fall seyn sollte,
ihr der abgegebene Sauerstoff sogleich wieder ersetzt werden muß. Zahlreiche
Versuche haben mir in der That bewiesen, daß die Salpetersäure in der oxydirenden
Flüssigkeit verbleibt, nachdem die organische Substanz verbrannt worden ist. Sobald
in der Retorte, worin die Reaction stattfindet, die Ruhe wieder eingetreten ist, das
Anzeichen der beendigten Verbrennung, braucht man nur die Flüssigkeit zu erhitzen
und das Ueberdestillirende zu sammeln. In dieser destillirten sauren Flüssigkeit
findet sich nun die Säure der salpetersauren Salze, welche die organische Substanz
enthielt. Man sättigt sie genau mit Barytwasser,Der Baryt durch Behandlung von Schwefelbarium mit Kupferoxyd dargestellt. sondert den schwefelsauren Baryt, welcher mit ein wenig chromsaurem
gemengt ist,Bei der Destillation geht nämlich in die Vorlage ein kleiner Theil der
Schwefelsäure nebst etwas Chromsäure über. ab, verdampft die Flüssigkeit im Wasserbad, und erhält dann den
salpetersauren Baryt, woraus man die Salpetersäure berechnet.
Folgendes ist das Resultat eines Versuchs.
Man brachte in eine tubulirte Retorte, welche 5 Gramme gereinigtes
zweifach-chromsaures KaliDas käufliche zweifach-chromsaure Kali enthält salpetersaure Salze und
Chloride. enthielt, eine Auflösung bestehend aus:
destillirtem Wasser
10 Kubik-Centim.
salpetersaurem Kali
0,5 Grm.
Zucker
0,5 Grm.
Nachdem diese Lösung dem zweifach-chromsauren Kali beigemischt war, setzte man
zu:
reine Schwefelsäure
6 Kubik Centim.
Nachdem die Reaction beendigt ist und die Destillation bis zum Erscheinen weißer
Dämpfe getrieben wurde, welche den Uebergang der Schwefelsäure anzeigen, läßt man
erkalten; dann gießt man in die Retorte 5 Kubikcentimeter Wasser, und hierauf
destillirt man wieder bis zum Erscheinen der weißen Dämpfe.
Als man die überdestillirte saure Flüssigkeit sättigte, erhielt man:
salpetersauren Baryt
0,640 Grm.
entsprechend salpetersaurem
Kali
0,4954 „
man hatte zugesetzt
0,500 „
–––––––––––
Differenz
0,0046 Grm.
Diese Differenz entspricht einem Salpetersäure-Verlust von 0,002 Grm. auf
0,267 Grm. = 1/134.
Dieses Verfahren scheint mir in vielen Fällen mit Vortheil angewendet werden zu
können; es wird aber complicirter, wenn die den salpetersauren Salzen beigemengten
organischen Substanzen stickstoffhaltig sind; man muß alsdann diese Substanzen
mittelst basisch-essigsauren Bleioxyds entfernen, weil der in denselben
enthaltene Stickstoff während der besprochenen Reaction Salpetersäure bildet.
Titrirung schwacher Salpetersäure mittelst Indiglösung.
- Bestimmung der Salpetersäure im Regenwasser.
Ich habe früher gezeigt, daß man mittelst titrirter schwefelsaurer Indiglösung,
welche mit Salzsäure versetzt ist, mit Sicherheit 1/300 Milligramm Salpeter, der in
einigen Kubikcentimetern destillirten Wassers aufgelöst ist, bestimmen kann.Annales de Chimie et de Physique, 3me série, t. XLVIII p. 153; Jahresbericht von Liebig und Kopp für 1857, Seite
734. (Die anzuwendende Salzsäure muß zur Verjagung eines allenfallsigen
Chlorgehalts um 1/5 ihres Volums in einem Kolben eingekocht worden seyn.)
So habe ich bei zahlreichen Versuchen gesunden, daß wenn man 1 Liter destillirten
Wassers 1 Milligramm oder nur 1/10 Milligrm. Kalisalpeter zusetzt, dessen Säure
durch diese Probe fast vollständig gefunden wird; dieß ist aber nicht mehr der Fall,
wenn man statt des destillirten Wassers Regenwasser
anwendet. Das Regenwasser, selbst das klarste, welches im Freien, in Wäldern
niederfällt, enthält nämlich fast immer eine organische Substanz aufgelöst. Wenn
aber eine oxydirbare Substanz (Zucker, Gummi, Dextrin etc.) bei Gegenwart eines
salpetersauren Salzes in einem großen Ueberschuß von Salzsäure aufgelöst ist, so
wird in diesem Falle das gebildete Königswasser vorzugsweise auf die Elemente der
organischen Substanz einwirken und sie verbrennen; dadurch wird die Bestimmung der
Salpetersäure mittelst Indiglösung unmöglich.
Ich dampfte daher 1 Liter Regenwasser (mit ein wenig Kalkwasser versetzt, um die
Ammoniaksalze zu zersetzen) in einer flachen Porzellanschale auf einige
Kubikcentimeter ein, und destillirte die so erhaltene Flüssigkeit auf oben
angegebene Weise in einer tubulirten Retorte mit zweifach-chromsaurem Kali
und Schwefelsäure. Die Salpetersäure geht vollständig in die Vorlage über; da sie
aber meistens weniger als 1 Milligramm beträgt,1 Liter Regenwasser, in Paris gesammelt, enthält nach Boussingault 0,37 bis 1,36, höchstens 3,11 Milligramme
Salpetersäure. so kann man sie nicht als salpetersauren Baryt wägen. Man ist daher auf die
Bestimmung derselben mittelst titrirter Indiglösung angewiesen; diese ist aber im
vorliegenden Falle nicht anwendbar, weil mit der Salpetersäure stets auch Chromsäure
in die Vorlage übergeht, welche bekanntlich ein kräftiges Bleichmittel für den
Indigo ist. Ich ersetzte daher das zweifach-chromsaure Kali durch vollkommen
ausgewaschenes Mangansuperoxyd; nun ließ sich die überdestillirte Salpetersäure
mittelst titrirter Indiglösung sehr genau bestimmen.