Titel: | Die Quelle des Fuselöls im Branntwein; von Dr. H. Schwarz in Breslau. |
Autor: | H. Schwarz |
Fundstelle: | Band 149, Jahrgang 1858, Nr. CIX., S. 377 |
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CIX.
Die Quelle des Fuselöls im Branntwein; von Dr.
H. Schwarz in
Breslau.
Schwarz, über die Quelle des Fuselöls im Branntwein.
Durch eine Anzahl Lehrbücher der Chemie und durch eine Menge von Journalen zieht sich
im Betreff des Fuselöls der constante Irrthum, daß dasselbe aus den Keimpunkten und
Keimen der Kartoffeln stamme und in denselben schon gebildet vorhanden sey.
Wenn nun auch nicht zu läugnen ist, daß dieselben schädliche Bestandtheile in öliger
Form enthalten, so ist das hier gemeinte Solanin doch bedeutend vom Fuselöle
verschieden. In gleicher Weise enthält die Kartoffelstärke ein übelriechendes
flüchtiges Product, das besonders bei der Umwandlung derselben in Traubenzucker
durch Schwefelsäure sich bemerkbar macht; doch ist dieß ebenfalls in seinem Geruche
und seinen Eigenschaften himmelweit vom Fuselöle oder dem Amylalkohol
verschieden.
Die einfache Beobachtung, daß das Fuselöl überall da auftritt, wo eine übertrieben
rasche Gährung stattfindet, und nur da fehlt, wo, wie bei der Gährung des Weins, der
Kirschen und Pflaumen, eine langsame Selbstgährung sich entwickelt, läßt die
Erklärung richtiger erscheinen, daß das Fuselöl aus dem Traubenzucker nach der
Formel
Traubenzucker.
Fuselöl.
C¹²H¹²O¹²
= C¹⁰H¹²O² +
C²O⁴ + O⁶
sich bildet, indem der überschüssige Sauerstoff zu der gleichzeitig vor sich gehenden
raschen Oxydation des Klebers und der Hefenbestandtheile in Anspruch genommen
wird.
Wäre dieß nicht der Fall, wie käme es denn, daß z.B. bei der Gährung von
Runkelrübenmelasse so ungemein große Mengen ächtes Fuselöl erzeugt werden? Freilich
gehört auch dieser Gährungsproceß zu denjenigen, welche bei möglichst großer
Concentration und bei sehr hohen Temperaturen enorm rasch verlaufen. So wenig Neues
diese Thatsachen enthalten, so wenig werden sie von manchen Technikern
anerkannt.
Der sonst so tüchtige Dr. Gall
z.B. bezieht sich in einem Artikel des deutschen Telegraphen (1858, Nr. 28) auch
noch auf dieses Vorkommen von Fuselöl in den Kartoffelkeimen, während er einfach auf
die Art der Gährung, die er anwendet, hätte verweisen können. Ich zweifle keinen
Augenblick, daß, wenn man reinsten Kartoffelzucker in concentrirter Lösung und mit
viel Hefe bei hoher Temperatur in Gährung setzt, Fuselöl in nicht unbeträchtlicher
Menge erzeugt werden wird. Ebenso aber bin ich überzeugt, daß, wenn man eine klare
Würze aus gut gemaischten Kartoffeln zieht, und bei großer Verdünnung und sehr niedriger
Temperatur unter Zusatz von Weinstein vergähren läßt, alsdann wenig oder kein
Fuselöl erzeugt werden wird, wenn auch der Branntwein noch den eigenthümlichen
Geruch, welcher aus dem Stärkmehl entwickelt wird, haben sollte.
Leider zwingt die Steuergesetzgebung des Zollvereins zu Gährungsmethoden, die einen
fuselhaltigen Branntwein erzeugen müssen.