Titel: | Ueber die trockene Destillation der Braunkohlen zur Photogen- und Paraffin-Gewinnung; von C. Sprengel. |
Autor: | C. Sprengel |
Fundstelle: | Band 149, Jahrgang 1858, Nr. CXXXI., S. 459 |
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CXXXI.
Ueber die trockene Destillation der Braunkohlen
zur Photogen- und Paraffin-Gewinnung; von C. Sprengel.
Sprengel, über die trockene Destillation der Braunkohlen zur
Photogen- und Paraffin-Gewinnung.
Bekanntlich wendet man zur trocknen Destillation behufs der Photogen- und
Paraffinbereitung entweder gußeiserne oder Charmotteretorten, oder auch sogenannte
Schachtöfen an. Es stellt sich nun die Frage, welcher Apparat ist für die Braunkohle der geeignetste und
wie muß derselbe gehandhabt werden, um mit Vortheil zu fabriciren.
Ich stelle die Daten, welche mir in meiner Praxis vorkamen, für die Industriellen
dieses Faches, so weit sie Nutzen davon ziehen können, nebeneinander.
Bei Anwendung der gußeisernen Retorten stellt sich als Hauptvortheil heraus, daß
vermöge der guten Wärmeleitung des Eisens der Turnus der Enttheerung in kurzer Zeit
und zwar mit geringem Aufwand an Heizmaterial geschehen kann. Dahingegen benöthigt
dieser Betrieb ein großes Anlagecapital und einen bedeutenden Aufwand an
Arbeitskräften. Um an letzteren zu sparen, hat man versucht, den Retorten große
Dimensionen und hohe Schüttung zu geben. Hierbei hat sich aber herausgestellt, daß
die große Feuerberührungsfläche der zerstörenden Wirkung der Flamme zu wenig
Widerstand leistet, d.h. die Retorten warfen sich im Boden und in der Regel so, daß
die Form der Retorte die Richtung der Bauchung bestimmte. Bei Retorten mit flachen
Böden geht die Bauchung gewöhnlich nach unten. Die Folge davon ist, daß da, wo die
Bauchung nach Oben geht, die Flamme sich daselbst durch einen Wirbel concentrirt und
das Eisen durchbrennt, sowie auch an den nach Unten gerichteten Buckeln, welche von
der Flamme umspielt werden.
Um dem Werfen der Retorten vorzubeugen, hat man solche von verschiedener Eisenstärke
construirt und zwar so, daß man bei der Form dem Boden etwa 1 1/2'', den
Seitenwänden 1 1/4'' und dem Bogen 1'' Stärke gab. Außerdem wendete man zum Schutz
gegen die schädliche Einwirkung des Feuers, entweder durchbrochene Gewölbe oder
Charmottesteinunterlagen an; auch brachte man von Steinen eine Unterstützung an,
welche gleichzeitig die Züge bildete. Hierbei stellten sich nun im Betriebe
fortwährend Störungen ein, indem oft einzelne Steine aus den Gewölben, denen man aus
andern Rücksichten fast immer nur wenig Spannung geben kann, Herausfielen, oder es
zersprangen Steine von der Abplattung und fielen in den Zug. Einerseits wurde
hierdurch der Zug gehemmt und andererseits wirkte die Flamme jetzt erst recht
zerstörend auf die bloßgelegte Stelle der Retorten ein. Ueberhaupt aber wurde bei
dieser Retorteneinmauerung die, den eisernen Retorten zu Gute kommende Ersparniß an
Brennmaterial wieder durch die Anwendung dieser Schutzmittel aufgehoben. Wesentlich
trägt zur Conservirung der Retorten eine gut construirte und richtig gehandhabte
Feuerung bei. Ebenso vortheilhaft ist eine lufttrockne Beschickung, da grubenfeuchte
Kohle, welche oft sehr naß ist, den Retorten leicht Risse zufügen kann. Nicht minder
vortheilhaft, sowohl für die Theergewinnung als auch für die Dauer der Retorten, ist eine Schwächung
des Feuers gegen das Ende einer jeden Abtreibung. Dadurch wirkt bei erneuerter
Beschickung die kalte Kohle weniger nachtheilig auf das Eisen, und es gehen beim
Beginn der Destillation, wo die Condensation durch die vielen Wasserdämpfe sehr
erschwert wird, weniger Theerdämpfe mit den Gasen fort.
Da die Kohle ein schlechter Wärmeleiter ist, so kann durch zu hohe Schüttung die
Retorte ebenfalls leiden.
Was die Legung von Zügen oberhalb der Retorten anbelangt, so sind diese durchaus
nicht zu verwerfen, wenn sie nur die Verdichtung der Theerdämpfe in den Retorten
verhindern sollen. Verlangt man aber, daß auch ein Abtreiben von Oben stattfinden
soll, so kann dieß leicht zur Folge haben, daß die gebildeten Kohlenwasserstoffe als
Leuchtgas fortgehen, oder daß selbst letzteres noch zersetzt wird. In diesem Falle
findet man an den überhitzten Stellen abgesonderte Kohle und in den nicht
verdichtbaren Gasen eine überaus große Menge Wasserstoffgas.
Die Anwendung von Exhaustoren zur schnellen Abziehung der Dämpfe aus den Retorten ist
da stets überflüssig, wo eine dem Zwecke der Condensirung entsprechende, gute
Vorrichtung vorhanden ist, weil diese gewissermaßen selbst schon als Vacuum auf die
Retorten wirkt. Ueberdieß können ja die Theerdämpfe ungehindert ihren Weg in die
Condensation nehmen, da die Abzugswege der Retorten hier nicht, wie bei der
Leuchtgasbereitung, hydraulisch verschlossen sind.
Die käuflichen Charmotteretorten sind noch weniger anzuempfehlen, da sie bei nicht
entsprechender Feuerung und wegen ihrer Porosität Theer einsaugen, welcher hier
zersetzt wird.
Ferner ist bei dieser Art Retorten natürlich auch die Bedienungsmannschaft in eben so
großer Zahl als bei den eisernen erforderlich. Der Verbrauch der Charmotteretorten
wird wegen der ungleichmäßigen Ausdehnung der Masse, wodurch Risse entstehen,
ebenfalls hoch zu veranschlagen seyn. Obgleich sich namentlich breitere Risse
verstreichen lassen, so hat diese Reparatur doch keine Dauer.
Schachtöfen, in denen die Enttheerung durch die Selbstverbrennung bewerkstelligt
wird, werden überall da mit Vortheil angewendet werden können, wo das Rohmaterial
billig zu haben ist und massenhaft vorkommt. Natürlich muß hier für einen schnellen
Abzug der Dämpfe und hinreichende Condensation derselben ganz besonders Sorge
getragen werden.
Die Vortheile der Schachtöfen sind: ein geringes Anlagecapital, massenhafte
Production und Ersparniß an Arbeitern. Selbst wenn mit diesen Oefen nur die Hälfte
der Retortenausbeute an Theer gewonnen wird, so stellt sich die Theerproduction in
Bezug auf Quantität dennoch gleich mit derjenigen der Retorten; denn bei diesen ist
das Verhältniß der Beschickung- zur Unterfeuerungskohle in der Regel wie 1 :
1. Also von einem Theile der verbrauchten Kohle geht das Bitumen hier, für die
Theergewinnung, total verloren.
Was die Qualität des mittelst Schachtöfen gewonnenen Theers anbelangt, so ist
derselbe nur um wenige Grabe specifisch schwerer als der aus Retorten gewonnene
Theer.
Wo indessen ein großer Werth auf die Kohks der Kohlen gelegt wird, ist ein
Schachtofen natürlich nicht an seinem Platze, da in diesem die Kohle zu Asche
verbrennt.