Titel: | Die sogenannten Scheibenräder der Eisenbahnfuhrwerke und insbesondere die Fabrication derselben; von Professor Dr. Rühlmann. |
Fundstelle: | Band 150, Jahrgang 1858, Nr. IV., S. 7 |
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IV.
Die sogenannten Scheibenräder der
Eisenbahnfuhrwerke und insbesondere die Fabrication derselben; von Professor Dr.
Rühlmann.
Aus den Mittheilungen des hannoverschen Gewerbevereins,
1858 S. 14.
Mit Abbildungen aus Tab.
I.
Rühlmann, über die Scheibenräder der
Eisenbahnfuhrwerke.
An gute Räder für Eisenbahnfuhrwerke muß man bekanntlich vor Allem die Anforderung
machen, daß sie gehörige Festigkeit und Steifigkeit mit hinreichender Elasticität
vereinigen, daß die Reifen in allen Punkten ihres Umfanges unterstützt sind, die
Speichen nicht ausweichen und besonders in der Nabe nicht leicht los werden.
Manche dieser Anforderungen scheinen sich zu widersprechen und sind auch jedenfalls
Veranlassung, daß noch immer neue Radconstructionen auftauchen, wovon die
vorzüglichsten der Neuzeit die Scheibenräder des Ingenieurs Rainer Daelen zu Hörde (Westphalen) sind, bei denen Nabe,
Scheibe und Kranz aus einem einzigen Stück Schmiedeisen durch Walzen hergestellt
ist.
Bevor wir jedoch diese Räder besprechen, mag einiger der älteren Gattungen und zwar
zuerst der Räder nach Losh's Patent gedacht werden, wovon
Fig. 15
und 16 in der
untern Hälfte, a, b, c,
eine Abbildung ist. Bei diesen, nach unserem Wissen, bisher am meisten verbreiteten
Rädern sind die Speichen aus schmiedeisernen Dreiecken bcb gebildet, die bei c in die gußeiserne Nabe
d mit eingegossen (man sehe deßhalb besonders die
Durchschnittsfigur), bei a eine mit der andern
zusammengeschweißt und überdieß dazwischen bei K mit den
Radreifen durch Schrauben verbunden sind. Leider haben aber diese Räder den
Nachtheil, daß sich die
nicht unterstützten Segmenttheile bKb einbiegen, der
kreisrunde Umfang zu einem polygonartigen, sternförmigen wird und an den starren,
unterstützten (geschweißten) Stellen a, a sogenannte
Schlaglöcher bilden, endlich auch daß sie in den Naben leicht los werden;
Erfahrungen, die man mindestens beim Betriebe der hannoverschen Eisenbahnen hat
machen müssen.
Eine bessere Unterstützung, wenigstens auf den ersten Blick, scheinen die Räder nach
Haddan's Patent zu gewähren, welche die obere Hälfte von Fig. 15 und 16 erkennen
läßt. Von vielen Seiten her hat man diese Räder als eine schlechte Modification der
Losh-Räder bezeichnet,Heusinger, Organ des Eisenbahnwesens, Bd. III S.
160. ihnen Veränderlichkeit der Speichenform und damit Loswerden der Bandagen
(Tyres) vorgeworfen, dem weder durch Auskeilen (mit
Holz) der dreieckigen Oeffnungen m, m, noch durch
sonstige Modification abgeholfen werden könne.
Nach den Erfahrungen, welche Referenten aus dem Gebiete der hannoverschen
Eisenbahnverwaltung mitgetheilt wurden, ist den erwähnten Vorwürfen nicht nur
beizustimmen, sondern noch hinzuzufügen, daß die Speichen leicht ausweichen und die
Naben eben so leicht los werden.
Von diesen Uebeln mehr oder weniger (oder auch völlig) frei sind die sogenannten
Scheibenräder, wobei die Speichen durch eine oder durch zwei Scheiben aus
Schmiedeisen oder Eisenblech ersetzt und welche zuerst, nach unserem Wissen, durch
Heusinger von Waldegg eingeführt worden sind.Organ etc. Bd. X S. 28.
Heusinger's derartige Räder, wie auch die anderer
Constructionen, z.B. von Cavé in Paris, sind
jedoch nicht so angeordnet, daß, wie bei R. Daelen, Nabe,
Scheibe (Speichen) und Kranz aus einem einzigen Stücke bestehen, sondern
zusammengesetzt sind, wodurch wieder mehreren Wünschen Raum gegeben wurde, was auch
die Erfahrung mindestens insofern bestätigt, als Scheibenräder ersterer Art durchaus
nicht allgemeinen Eingang gefunden haben.
Bei weitem mehr Hoffnung zu letzterem bieten ganz entschieden Daelen's Räder, wovon Figur 17 und 18
Vorderansicht und Profildurchschnitt in der Weise darstellen, wie diese Räder zur
Zeit beim hannoverschen Eisenbahnbetriebe vorkommen. Aufmerksam machen möchten wir
auf die eigenthümliche Form der Biegung (in der Profilzeichnung erkennbar), welche
man der Scheibenspeiche p, q gegeben hat, wodurch die
Elasticität erhöht wird,
ohne der Festigkeit Eintrag zu thun und wobei noch bemerkt werden mag, daß bei p die Wandstärke 15/16 Zoll, bei q aber 3/4 Zoll und im Kranze r endlich 5/8
Zoll beträgt, während die Tragfähigkeit der betreffenden Räder zu 140 Centner (100
Centner Nutzlast, 40 Centner Nebenlast) vorausgesetzt ist.
Bei ungefähr 1000 Paar Rädern, welche Ende 1857 beim hannoverschen Eisenbahnbetriebe
(die Hälfte seit etwa zwei Jahren) in stetem Gebrauch waren, war nur ein Reifen
gesprungen und ein anderer los geworden. Ob freilich dann die Unterstützung noch
ausreichen wird, wenn die jetzt noch beinahe 2 Zoll starken Bandagen bis auf 3/4
Zoll werden abgelaufen seyn, läßt sich allerdings nicht im Voraus bestimmen.
Die Bandagen bestehen übrigens aus Puddelstahl. Die in den Scheiben befindlichen 1
3/4 Zoll großen Löcher i, i werden beim Aufziehen der
Räder auf die Achsen erforderlich.
Ganz besonderes Interesse bietet aber noch die Fabrication dieser Scheibenräder und
vorzüglich das zur Erzeugung der eigentlichen Radform erforderliche Walzwerk, wovon
im Nachstehenden die Rede seyn wird und wozu uns die betreffenden Acten der
Patentertheilung (vom 25 Mai 1857) für den Umfang des Königreichs Hannover zu Gebote
gestellt wurden.
Figur 9 zeigt
das Daelen'sche Radscheibenwalzwerk im Aufrisse, wobei
solche Theile im Durchschnitt gezeichnet wurden, welche sonst minder leicht deutlich
erschienen wären.
a ist ein Zahnrad, welches die Bewegung von einer durch
Elementarkraft getriebenen Welle aufnimmt und auf die Parallelwelle b überträgt. Ein conisches Räderpaar n, n' pflanzt diese Bewegung auf eine Verticalwelle b' fort, wodurch endlich die Umdrehung der conischen
Walzen c, c' veranlaßt wird, die beziehungsweise auf den
Wellen b und b' unwandelbar
befestigt sind. Wie durch die Walzen c, c' die zum
Eisenbahnrade bestimmte Scheibe G entsprechend
bearbeitet wird, dürfte sich hiernach von selbst verstehen, weßhalb nur noch bemerkt
werden mag, daß sich die zwischenliegende Scheibe G
während des Walzens um ihren Mittelpunkt dreht, ohne jedoch die Lage dieses Punktes
selbst zu verändern.
Welche Gestalt die zum künftigen Rade bestimmte und vorher gelochte Scheibe bald nach
Beginnen des Walzens hat, erhellt aus Fig. 10. Beim Walzen
selbst wird mittelst der Hebelarme p, p das conische
Räderpaar r, r' in Umdrehung versetzt, hierdurch die auf
den Achsen q und q'
befestigten Schrauben ohne Ende s und s' zum Eingreifen in die Räder t und t' veranlaßt und die Wellen u, u' bewegt. Auf letzteren sind die Zahnräder v, v' befestigt, welche in die Zahnräder w, w' greifen und wodurch die Schraubenspindeln x und x' in Umdrehung
gesetzt werden. Diese Schraubenspindeln, zugleich als Führungslager der Wellen b und b' dienend, schieben
b, b beziehungsweise in horizontaler Richtung nach
links und b', b' gleichzeitig in verticaler Richtung
nach aufwärts, so daß die conischen Walzen c und c' nach und nach näher zusammenrücken, wodurch also die
Scheibe G gezwungen wird sich auszubreiten und eine
Gestalt anzunehmen, wie sie in Fig. 9 sichtbar ist. Nach
Erreichung des letzteren Zustandes werden die Walzen c,
c' in entgegengesetzter Richtung zurückgedreht und zwar, um Zeit zu sparen,
mittelst Riemen, welche die Bewegung von der Hauptwelle aus auf die Scheiben z und z' (erstere fest,
letztere los) übertragen.
Das Verfahren zum Anwalzen, beziehungsweise Umbiegen des Unterreifens, ist ähnlich
dem Walzen der Scheiben selbst, nur mit dem Unterschiede, daß statt der conischen
Walzen mit geraden Oberflächen, Walzen von der Form Fig. 11 in Anwendung
gebracht werden.Die Grundidee eines derartigen Walzwerkes findet sich in einem englischen
Patente (15. April 1848), welches einem Thomas Forsyth ertheilt wurde und wovon Abbildung und Beschreibung in dem
Repertory of Patent Inventions, 1849, Vol. XIII p. 280
vorkommen (im polytechn. Journal Bd. CXIII
S. 97). In England scheint man dasselbe nicht weiter verfolgt und
noch weniger zur praktischen Anwendung gebracht zu haben.
Als eine Vervollkommnung der in Fig. 17 und 18
abgebildeten Scheibenräder betrachtet Daelen die in Fig. 12 bis
14
dargestellten Räder, wobei die Unterstützung des Radreifens durch zwei
schmiedeiserne Scheiben bewirkt ist, welche mit der Nabe aus einem Stücke bestehen und auf gleiche Weise, wie vorher beschrieben,
gewalzt werden. Außer einer besseren Seitensteifigkeit sollen diese Räder (mit zwei
Scheiben) die Vortheile gewähren, daß bei ihnen durch das Aufziehen der Radreifen
ein Zusammenziehen derselben, ohne eine Veränderung der Spurweite zu gestatten, nur
rechtwinkelig in einer Ebene mit der Achse erfolgt, ferner aber auch die Bandage
eine solidere Unterstützung erhält. Ueberdieß ist zu bemerken, daß, der geringeren
Nabenlänge wegen, die Doppelscheiben leichter herzustellen sind als einfache
Scheiben, so wie auch endlich die Dimensionen der Scheiben derartig schwächer
genommen werden können, daß ihr Gewicht bei gleicher Tragfähigkeit, größerer
Seitensteifigkeit und Elasticität, das von einfachen Scheiben nicht übersteigt. Fig. 12 stellt
ein Rad A dar, wo die beiden Scheiben in der Nabe mit
ihren innern Stirnflächen x, x zusammengeschweißt sind,
so daß beide Scheiben ein zusammenhängen des Ganzes (ein
Stück) ausmachen. Das Schweißen der Naben geschieht unter dem Dampfhammer, wozu
vorher die zu schweißenden Flächen in einem besonders construirten Schmiedeherde in
die Schweißhitze gebracht werden. Die äußern Umfänge der Scheiben sind überdieß, als
Unterreifen, so umgebogen, daß den Radreifen eine doppelte Unterstützung dargeboten
wird.
Fig. 13 und
14 zeigen
noch vier verschiedene Arten der Radreifenbefestigung bei Anwendung von zwei
Scheiben. B und C mit
besonderen Unterreifen, D und E mittelst Rippen, welche an den Radreifen angewalzt sind. Bei C und E sind jedoch die
Naben nicht aufeinander geschweißt, sondern stoßen mit ihren abgedrehten
Stirnflächen gegeneinander.