Titel: | Ueber die mechanische Wärmetheorie; von R. Clausius. |
Autor: | Rudolf Clausius [GND] |
Fundstelle: | Band 150, Jahrgang 1858, Nr. XIV., S. 30 |
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XIV.
Ueber die mechanische Wärmetheorie; von R. Clausius.
Clausius, über die mechanische Wärmetheorie.
In den beiden Aprilheften und den beiden Maiheften dieses Journals (Bd. CXLVIII S. 1,
81, 161 und 241) befindet sich ein Aufsatz von Hrn. Decher, in welchem unter andern meine Arbeiten über die mechanische
Wärmetheorie besprochen werden, und auf welchen ich glaube einiges erwidern zu
müssen. Dabei werde ich aber die Form, in welcher der Aufsatz geschrieben ist, ganz
unberücksichtigt lassen, und nur seinen sachlichen Inhalt in Betracht ziehen, denn
ich denke mir, daß dem wissenschaftlichen Publicum wenig damit gedient seyn würde,
wenn ich Ausdrücke wie „Mißhandlung der Analysis“,
„Pfuscherei“, „Unsinn“ mit ähnlichen
erwidern wollte. Mit meinen Begriffen von einer wissenschaftlichen Discussion ist
eine solche Sprache nicht vereinbar.
Die Abschnitte des Aufsatzes, welche sich in den drei ersten Heften befinden,
enthalten Betrachtungen über verschiedene Theile der Wärmelehre, auf welche alle einzugehen hier
viel zu weit führen würde, und aus denen ich daher nur einige Punkte beispielsweise
hervorheben will.
Auf S. 82 u. f. ist die Rede davon, daß die Annahme, die Wärme, welche in einem
festen Körper enthalten ist, bestehe in einer schwingenden Bewegung seiner Molecüle,
zu Folgerungen führen würde, welche mit den Erscheinungen im Widerspruche stehen,
und es werden eine Reihe solcher Folgerungen aufgezählt.
„1) Ein tönender Körper hat Knotenpunkte, Knotenlinien und selbst
Knotenflächen, Orte, an welchen keine schwingende Bewegung stattfindet, und muß
sie haben, weil sich um diese nicht schwingenden Theilchen die augenblicklichen
Bewegungsgrößen der schwingenden Theilchen das Gleichgewicht halten müssen, wenn
der ganze Körper keine fortschreitende oder drehende Bewegung annehmen soll. Es
müßte daher aus demselben Grunde auch in einem warmen Körper solche
bewegungslose, also absolut wärmelose Orte geben, und
von einer Gleichheit der Temperatur und Dichte durch den ganzen Körper könnte
keine Rede seyn.“
Ich glaube keinem von Allen, welche die Wärme als eine Bewegung betrachten, ist es
eingefallen, dabei an solche Schwingungen zu denken, welche ein größerer Körper als
ein Ganzes ausführt, und wobei Knotenpunkte, -linien oder -flächen
entstehen können. Es handelt sich vielmehr nur um Bewegungen, welche die einzelnen
Molecüle in solcher Mannichfaltigkeit und Unregelmäßigkeit ausführen, daß man selbst
bei dem kleinsten der Beobachtung noch zugänglichen Stückchen des Körpers nicht
erwarten darf, isochrone Schwingungen der ganzen Masse wahrzunehmen, sondern es
immer nur mit der Gesammtwirkung sehr vieler in den verschiedensten Stadien und
Phasen befindlichen Bewegungen zu thun hat.
„2) Der Bewegungszustand eines tönenden Körpers ist in seiner Anordnung
willkürlich; es kann sich für gleiche Veranlassung der Bewegung je nach
zufälligen äußeren Umständen eine größere oder geringere Anzahl von Knotenlinien
bilden und der Körper einen höhern oder tiefern Ton geben, also Schwingungen von
kürzerer oder längerer Dauer machen. Auch davon ist bei einem warmen Körper
nicht die geringste Analogie wahrzunehmen; er müßte in Folge ähnlicher Zustände,
mit welchen jedenfalls eine Verschiedenheit der Amplitude der Schwingungen
verbunden wäre, eine verschiedene Volumenausdehnung und verschiedene
Temperaturen etc. annehmen können, und zwar durch dieselbe Wärmemenge, welche
ihm zugeführt wird.“
Man sieht, daß auch dieser Einwand auf derselben irrigen Vorstellung beruht, wie der
vorige. In ähnlicher Weise werden unter 3 bis 7 noch eine Reihe anderer
Erscheinungen angeführt, von denen der Verf. meint, daß man sie bei warmen Körpern
nach der Analogie von tönenden Körpern erwarten müßte, welche aber Niemand erwarten
kann, der den Unterschied zwischen unregelmäßigen Molecularbewegungen und
gleichmäßiger Bewegung des ganzen Körpers festhält. Der darauf folgende Absatz
lautet:
„8) Und endlich woher soll die verschiedene specifische Wärme der Stoffe
kommen, wenn die Wärmemenge, welche einem Körper zugeführt wird, in der
Vermehrung der lebendigen Kraft seiner schwingenden Bewegung besteht? Muß dann
nicht die Gewichtseinheit jedes Stoffes bei gleicher Temperatur gleiche
lebendige Kraft besitzen, also auch bei gleicher Aenderung der Temperatur
gleichen Zuwachs an lebendiger Kraft erhalten, namentlich wenn die Ausdehnung
und damit auch der nach der Annahme von der Aequivalenz der Wärme und Arbeit mit
der Ausdehnung verbundene Verbrauch von Wärme verhindert wird? Müßten dann nicht
die Wärmecapacitäten der Gase bei constantem Volumen
für die Gewichtseinheit gleich seyn, während die
Erfahrung zeigt, daß deren Wärmecapacitäten bei constantem Druck für die
Gewichtseinheit sehr verschieden sind, und das angenommene fast constante
Verhältniß beider Wärmecapacitäten auch zur Annahme sehr verschiedener
Wärmecapacitäten bei constantem Volumen für die Gewichtseinheit der Gase
zwingt?“
Der Verf. stellt es hier als eine von selbst verständliche Thatsache hin, daß bei
Körpern von gleicher Temperatur gleiche Gewichtsmengen gleiche lebendige Kraft
besitzen müssen. Die Nothwendigkeit dieser Annahme ist aber durch nichts bewiesen,
und wenn man statt ihrer von der Ansicht ausgeht, daß man bei Betrachtungen dieser
Art nicht sowohl die lebendigen Kräfte gleicher Gewichtsmengen, als vielmehr die
lebendigen Kräfte der einzelnen Atome der verschiedenen Stoffe unter einander
vergleichen müsse, so fällt die von ihm erhobene Schwierigkeit fort.
Bei den Betrachtungen über die Aequivalenz von Wärme und mechanischer Arbeit (S. 166)
wird folgende Stelle von Regnault angeführt:
„Eine Gasmasse von 10 Atmosphären Druck ist in einem Raum
eingeschlossen, dessen Inhalt man rasch verdoppelt; der Druck sinkt auf 5
Atmosphären;“ und etwas weiterhin wird erwähnt, daß Regnault bei diesem Versuche eine beträchtliche Abkühlung
beobachtet habe. Hr. Decher meint, daß dieses Resultat
der mechanischen Wärmetheorie direct entgegenstehe, indem er hinzufügt:
„Bei diesem Versuch wird das Volum des Gases rasch, also so schnell
als möglich (ideell auch so schnell als denkbar, schneller als das Gas folgen
kann?) verdoppelt, und zwar durch eine äußere Ursache, die in dem
„man“ enthalten ist; offenbar dehnt sich demnach hier
das Gas doch auch in einen doppelten Raum aus, ohne eine
äußere Arbeit zu leisten.“
Dieser letzte Schluß ist durchaus unzulässig. Wenn ein Gas sich in einem Gefäße
befindet, z.B. in einem Cylinder, in welchem es durch einen Stempel abgeschlossen
ist, und nun der Stempel zurückgeht, so übt das Gas während dieser Bewegung einen
Druck auf die Stempelfläche aus, und thut dadurch eine äußere Arbeit. Wodurch die
Bewegung des Stempels veranlaßt wird, ist dabei gleichgültig. Wenn der innere Druck
groß genug ist, um den äußeren Gegendruck der Atmosphäre und außerdem noch die
Reibung des Stempels zu überwinden, so braucht man nur den Stempel sich selbst zu
überlassen, damit die Bewegung eintritt, und man kann sogar bei großem inneren
Drucke, wenn man die Geschwindigkeit mäßigen will, noch einen äußeren Widerstand
hinzufügen; ist dagegen der innere Druck nicht groß genug, um allein den Stempel zu
bewegen, so kann man ihm durch eine äußere fördernde Kraft zu Hülfe kommen. In allen
diesen Fällen hängt die Arbeit, welche das Gas thut, nur von dem Drucke ab, welchen
es auf die zurückweichende Stempelfläche ausübt, und sie könnte daher von dem
Experimentator nur dadurch vermieden werden, daß er den Stempel mit einer solchen
Geschwindigkeit zurückzöge, die schneller wäre, als das Gas folgen kann. Daß aber
Regnault bei der Erweiterung seines Gefäßes eine
solche Geschwindigkeit angewandt habe, daran wird wohl Niemand denken; es ist daher
kein Zweifel, daß das Gas während der Erweiterung eine äußere Arbeit gethan hat, und
demgemäß mußte auch, in Uebereinstimmung mit der mechanischen Wärmetheorie, eine
Abkühlung eintreten.
Wenn Hr. Decher S. 169 meint, daß die Formel von Laplace, nach welcher man aus der Schallgeschwindigkeit
innerhalb eines Gases das Verhältniß der beiden specifischen Wärmen berechnen kann,
von den Anhängern der mechanischen Wärmetheorie nicht mehr anerkannt werden dürfe,
weil Laplace bei der Entwickelung seiner Formel von ganz
anderen Ansichten über die Wärme ausgegangen sey, als sie haben, so hätte er dabei
specieller auf die Sache eingehen und zeigen müssen, daß nach der mechanischen
Wärmetheorie die von Laplace gezogenen Schlüsse nicht
mehr gültig seyn können. Dieses ist aber nicht geschehen und kann auch nicht
geschehen, da sich im Gegentheil beweisen läßt, daß jene Schlüsse mit der neuen
Ansicht über die Wärme eben so gut bestehen können, wie mit der alten.
Ferner spricht Hr. Decher S. 171 davon, daß die Formel,
mittelst deren man aus der äußeren Arbeit, welche ein Gas bei der Ausdehnung thut,
und der Wärmemenge, welche es dabei aufnimmt, das mechanische Aequivalent der Wärme
berechnet, bei verschiedenen Gasen verschiedene Zahlen gibt, und führt die folgenden
Zahlen als Beispiele an.
Namen der Gase.
BerechnetesAequivalent.
Wasserstoffgas
437
atmosphärische Luft
424
Kohlenoxydgas
415
Kohlensäure
360
Dazu bemerkt er: „Wir sehen daraus, daß schon die
Gase weit entfernt davon sind, das Princip von der Aequivalenz der Wärme und
Arbeit in der Auffassung zu bestätigen, daß wenn Wärme
verschwinde oder latent werde, immer ein bestimmtes Aequivalent an innerer
oder äußerer Arbeit dafür geleistet werde, da bei den Gasen und
Dämpfen, ob sie dem Mariotte'schen Gesetze folgen
oder nicht, von einer inneren Arbeit keine Rede seyn
kann.“
Die hier ohne Begründung hingestellte Behauptung, welche auch später auf S. 248 in
einer Anmerkung noch einmal vorkommt, daß bei Gasen und
Dämpfen von einer inneren Arbeit keine Rede seyn könne, muß ich bestreiten.
Die innere Arbeit ist allerdings bei einem permanenten Gase, wie ich selbst zuerst
mit Bestimmtheit ausgesprochen habePoggendorff's Annalen, Bd. LXXIX S. 392., im Verhältniß zur äußeren Arbeit, welche das Gas bei der Ausdehnung unter
Ueberwindung des vollen Gegendruckes thun kann, nur sehr klein, aber absolut Null
braucht sie darum noch nicht zu seyn, und bei den nicht permanenten Gasen darf man
sie auch nicht einmal sehr klein nennen. Ich habe mich dahin ausgesprochen, daß der
Fehler, welchen man begeht wenn man bei einem Gase die innere Arbeit gegen die
äußere vernachlässigt, ungefähr von derselben Größe ist wie der, welchen man begeht
wenn man auf dasselbe Gas das Mariotte'sche und Gay-Lussac'sche Gesetz als genau anwendet –
ein Fehler, der bekanntlich bei den permanenten Gasen klein, bei den nicht
permanenten aber, wie z.B. bei der Kohlensäure, beträchtlich größer ist. Daraus
folgt, daß wenn man aus der äußeren Arbeit eines Gases unter Vernachlässigung der
inneren Arbeit das mechanische Aequivalent der Wärme berechnet, man nur eine
angenähert richtige Zahl erhalten kann, und zwar mit um so geringerer Annäherung, je
weiter das Gas von dem M. und G. Gesetze abweicht. Man kann also, auch wenn man von
den Ungenauigkeiten, welche in den zur Rechnung angewandten Beobachtungsdaten noch vorkommen
können, absieht, die kleinen Abweichungen, welche die drei ersten Zahlen der vorigen
Tabelle unter einander zeigen, und die größere Abweichung der vierten Zahl erklären,
ohne im Geringsten mit der mechanischen Wärmetheorie in Widerspruch zu gerathen.
Einen sehr großen und, wie er sagt, den „größtmöglichen“
Widerspruch gegen die mechanische Wärmetheorie findet Hr. Decher (S. 173) in der Erscheinung, daß das Wasser sich beim Gefrieren
ausdehnt. In dieser Beziehung will ich nur daran erinnern, daß diese Erscheinung
schon eine Behandlung durch die mechanische Wärmetheorie erfahren hat, und anstatt
mit ihr im Widerspruche zu stehen, vielmehr dazu dient, auf andere Eigenschaften der
Flüssigkeiten zu schließen. James Thomson hat nämlich
durch ein Verfahren, welches noch auf der älteren Ansicht über die Wärme beruhte,
von dem ich aber nachgewiesen habePoggendorff's Annalen, Bd. LXXXI S. 81., daß es auch mit der neueren Ansicht vollkommen im Einklange steht, den
Schluß gezogen, daß bei solchen Flüssigkeiten, welche sich beim Erstarren ausdehnen,
der Schmelzpunkt durch äußeren Druck erniedrigt, und bei solchen, die sich beim
Erstarren zusammenziehen, der Schmelzpunkt durch Druck erhöht werden muß; und dieser
Schluß wurde bald darauf durch Versuche auf eine überraschende Weise bestätigt.
Nach diesen mehr allgemeinen Betrachtungen, aus welchen ich, wie schon gesagt, nur
einzelne Stellen hervorgehoben habe, um an ihnen beispielsweise zu zeigen, von
welcher Art die Einwände des Hrn. Decher sind, wendet
dieser sich im letzten Theile seines Aufsatzes dazu, nachzuweisen, daß meine
mathematischen Entwickelungen falsch sind. Da vielleicht Mancher geneigt seyn
möchte, auf diesen Theil ein besonderes Gewicht zu legen, indem er sich von der
Voraussetzung leiten ließe, daß in den mathematischen Gegenbeweisen eine größere
Strenge liegen müsse, als in den allgemeinen Betrachtungen, so glaube ich auf diesen
Theil etwas specieller eingehen zu müssen.
Dabei werde ich aber die Auseinandersetzungen in anderer Weise ausführen, als im
Vorigen. Die Gleichung, um welche es sich vorzugsweise handelt, indem ihre
Richtigkeit und die Zulässigkeit der von ihr gemachten Anwendungen in Frage gestellt
sind, ist eine Differentialgleichung von der Art, daß sie für sich allein in ihrer
allgemeinen Form nicht integrirbar ist, sondern es erst wird, wenn man noch eine
zweite Gleichung außerdem annimmt. Ich glaubte früher, als ich meine Abhandlung
schrieb, diese Art von
Gleichungen und ihre Behandlungsweise, welche z.B. in Lacroix's Differential- und Integralrechnung ziemlich vollständig
durchgenommen ist, als bekannt voraussetzen zu dürfen, so daß ich meinen Rechnungen
keine weitläufigen Erläuterungen beizufügen brauchte. Da ich aber aus dem Aufsatze
des Hrn. Decher ersehen habe, daß meine Voraussetzung
selbst bei mathematischen Schriftstellern, welche in ihren Schriften
Differential- und Integralrechnung anwenden, nicht immer erfüllt ist, so will
ich versuchen den Gegenstand hier etwas vollständiger und möglichst elementar zu
erklären. Die Einwände des Hrn. Decher werde ich an
solchen Stellen, wo sie den Gang der Entwickelung unterbrechen würden, getrennt
davon in Anmerkungen besprechen. Auf diese Weise kann das Nachfolgende vielleicht
ein größeres Interesse gewinnen, als eine bloße Antwort auf den Aufsatz des Hrn. Decher haben könnte, und zugleich hoffe ich damit manchen
Lesern dieses Journals einen Dienst zu erweisen, indem ich ihnen das Verständniß der
mechanischen Wärmetheorie erleichtere.
Es wird zweckmäßig seyn, bevor wir die in der mechanischen Wärmetheorie vorkommende
Gleichung speciell behandeln, erst über die betreffende Art von Gleichungen im
Allgemeinen einiges zu sagen, wobei ich mich aber auf die einfachste Form derselben
beschränken will.
Es sey eine Differentialgleichung von folgender Form gegeben:
(1) dW
= Xdx + Ydy,
worin X und Y irgend zwei Functionen der beiden Veränderlichen x und y sind. Diese Gleichung läßt erkennen,
wie die Größe W sich ändert, wenn x und y irgend wie ihre Werthe ändern. Nehmen
wir z.B. an, y bleibe constant und nur x ändere sich um dx, so
ändert sich dadurch W um Xdx; und wenn umgekehrt x constant bleibt und y sich um dy ändert, so
ändert sich W um Ydy. Man
kann daher, wenn man die Veränderungen, welche W dadurch
erleidet, daß x allein oder y allein sich um resp. dx oder dy ändern, mit
(dW/dx) dx und (dW/dy) dy
Die Klammern sind der größeren Deutlichkeit wegen hinzugefügt. Es kommt
nämlich im Folgenden auch der Fall vor, daß y
als Function von x betrachtet wird, und in einem
solchen Falle kann man unter dW/dx dx die Zunahme verstehen, welche
W verfährt, wenn x sich um dx ändert, und zugleich y diejenige Aenderung erleidet, welche seiner
Abhängigkeit von x entspricht. Ebenso kann, wenn
x als Function von y betrachtet wird, der Ausdruck dW/dy dy eine solche
erweiterte Bedeutung haben. Die Klammern sollen nun andeuten, daß (dW/dx) sich auf den
bestimmten Fall bezieht, wo y als constant
angenommen wird, und nur x sich ändert, und (dW/dy) auf den Fall,
wo x constant bleibt, und nur y sich ändert.
bezeichnet, nach der obigen Gleichung schreiben:
(2) (dW/dx) = X und
(dW/dy) = Y.
Es fragt sich nun, ob und in welcher Weise man die Größe W selbst aus der gegebenen Gleichung (1) bestimmen
kann.
Wenn die beiden Functionen X und Y von der Art sind, daß sie folgende Bedingungsgleichung erfüllen:
(3) (dX/dy) = (dY/dx),
so ist der Ausdruck, welcher die rechte Seite der Gleichung
(1) bildet, integrabel, d.h. er ist das vollständige Differential einer Function von
x und y, in welcher
diese beiden Veränderlichen als von einander unabhängig betrachtet werden können,
und man erhält daher durch Integration eine Gleichung von der Form:
(4) W
= F (x, y) + Const.
Ist dagegen die Bedingungsgleichung (3) nicht erfüllt, so ist die rechte Seite von
(1) nicht integrabel, und daraus folgt, daß W sich nicht durch eine Function von x und y darstellen läßt,
so lange diese beiden Veränderlichen als von einander unabhängig betrachtet
werden. Denn in der That, wenn man setzen wollte:
W = F (x, y),
so würde man erhalten:
X = (dW/dx) = dF (x, y)/dx
Y = (dW/dy) = dF (x, y)/dy,
und daraus würde weiter folgen:
(dX/dy) =
d²F (x, y)/dxdy und (dY/dx) = d²F (x, y)/dydx.
Da nun für eine Function von zwei von einander unabhängigen
Veränderlichen der Satz gilt, daß wenn man sie nach beiden differentiiren soll, die
Ordnung der Differentiationen gleichgültig ist, und man daher setzen kann:
d²F (x, y)/dxdy = d²F (x, y)/dydx,
so würde man aus den beiden vorigen Gleichungen wieder zur
Gleichung (3) gelangen, von welcher wir in unserem gegenwärtigen Falle angenommen
haben, daß sie nicht erfüllt sey.
Wenn man dagegen in diesem Falle, anstatt die Veränderlichen x und y als von einander unabhängig zu
betrachten, im Voraus eine bestimmte Beziehung zwischen ihnen annimmt, so wird
dadurch die Integration von (1) ausführbar. Setzen wir nämlich:
(5) f (x, y) = 0,
worin f eine beliebige Function
andeutet, so können wir mittelst dieser Gleichung eine der beiden Veränderlichen
durch die andere ausdrücken, und dadurch sie selbst nebst ihrem Differentiale aus
der gegebenen Gleichung (1) eliminiren. Führen wir dieses z.B. mit y aus, so nimmt die Gleichung (1) die Form
dW = φ (x) dx
an, und diese Gleichung läßt sich offenbar integriren, und
gibt eine Gleichung von der Form:
(6) W = F (x) + Const.
Demnach sind die beiden Gleichungen (5) und (6) zusammen als
eine Auflösung der gegebenen Differentialgleichung zu betrachten, und da die in (5)
vorkommende Function f(x, y)
eine beliebige ist, und für jede veränderte Form dieser Function auch die Function
F(x) im Allgemeinen eine
andere wird, so sieht man, daß es unendlich viele Auflösungen dieser Art gibt.
In Bezug auf die Gestalt der Gleichung (6) ist noch zu bemerken, daß man mit Hülfe
der Gleichung (5) anstatt der Veränderlichen y auch die
andere Veränderliche x aus der gegebenen
Differentialgleichung hätte eliminiren können, so daß nur y in ihr geblieben wäre, oder, was auf dasselbe hinauskommt, daß man in
der durch die vorige Integration gewonnenen Gleichung (6) nachträglich y statt x einführen kann,
wodurch man eine Gleichung von der Form
(6a) W = F₁ (y) + Const.
erhält. Auch kann man, wenn x in
der Function F(x) mehrmals
in verschiedenen Verbindungen vorkommt, in einigen Verbindungen y für x einführen und in
anderen x stehen lassen, so daß die Gestalt der
Gleichung wird:
(6b) W = F₂ (x, y) + Const.
Diese drei Gleichungen bilden aber natürlich nur verschiedene Formen derselben
Auflösung.
Endlich muß ich noch hinzufügen, daß man statt der Gleichung (5) auch eine Gleichung
von der allgemeineren Form
f (W, x, y) = 0
annehmen kann, um dadurch die Gleichung (1) integrabel zu
machen, indessen ist es für unseren gegenwärtigen Zweck nicht nothwendig, auch
hierauf noch einzugehen.
Um deutlich zu erkennen, was für einen Unterschied es für die Sache selbst macht, ob
die Bedingungsgleichung (3) erfüllt ist, oder nicht, wollen wir zunächst als
Beispiel einen Fall betrachten, welcher einestheils dadurch, daß er sich auf einen
schon anderweitig bekannten Gegenstand bezieht, und anderentheils wegen seiner
geometrischen Anschaulichkeit besonders geeignet ist, eine klare Vorstellung von der
Sache zu geben.
Es sey in einer festen Ebene ein beweglicher Punkt p
gegeben, dessen Lage zu irgend einer Zeit durch die rechtwinkeligen Coordinaten x und y bestimmt sey. Auf
diesen Punkt wirke eine Kraft, welche ihn innerhalb der Ebene zu bewegen suche, und
welche an verschiedenen Punkten der Ebene verschieden seyn kann. Wenn nun der Punkt
unter dem Einflusse dieser Kraft sich bewegt, so wird dabei von der Kraft eine
gewisse Arbeit gethan, und diese soll bestimmt
werden.
Sey ds ein Wegelement, welches der Punkt beschreibt, und
S diejenige Componente der wirksamen Kraft, welche
in der Richtung dieses Wegelementes fällt, so ist das Arbeitselement, welches bei
dieser kleinen Bewegung von der Kraft gethan wird, und welches dW heiße, bestimmt durch die Gleichung
(7) dW
= S . ds.
Diese Gleichung läßt sich in eine andere, für die Behandlung
bequemere Form bringen. Sey P die ganze Kraft, welche an
der Stelle wirkt, wo sich das Element ds befindet, und
φ der Winkel zwischen der Richtung der Kraft
und der des Elementes, so ist S = cos φ. P und es kommt also:
(8) dW
= cos φ . Pds.
Ferner seyen X und Y die beiden in die Coordinatenrichtungen fallenden
Componenten der Kraft P, dann werden die Cosinus der
Winkel, welche die Kraft mit den Coordinatenrichtungen bildet, durch
X/P und Y/P
dargestellt. Ebenso, wenn dx und
dy, die senkrechten Projectionen des Wegelementes
ds auf die beiden Coordinatenachsen sind, so werden
die Cosinus der Winkel,
welche das Wegelement mit den Coordinatenrichtungen bildet, durch
dx/ds und dy/ds
dargestellt. Daraus folgt, daß für den Cosinus des Winkels
φ, welchen die Kraft und das Wegelement unter einander bilden, folgende
Gleichung gilt:
cos φ = X/P . dx/ds +
Y/P . dy/ds.
Durch Einsetzung dieses Ausdruckes in die Gleichung (8) geht
diese über in:
(9) dW
= Xdx + Ydy.
Wir erhalten somit für das Arbeitselement eine Gleichung von derselben Form, wie
unsere vorher betrachtete Gleichung (1), und dabei ist leicht zu sehen, daß die
Größen X und Y, welche die
Componenten einer Kraft darstellen, die an den verschiedenen Punkten der Ebene in
Bezug auf Richtung und Stärke nach beliebigen Gesetzen verschieden seyn kann, zwei
beliebige Functionen der Coordinaten x und y sind.
Wenn man aus dieser Gleichung durch Integration die Arbeit für eine endliche Bewegung
ableiten will, so fragt es sich zunächst, ob die Bedingungsgleichung
(dX/dy) = (dY/dx)
erfüllt ist, oder nicht. Im ersten
Falle erhält man ohne Weiteres eine Gleichung von der Form:
(10) W
= F (x, y) + Const.
Im zweiten Falle dagegen muß man
erst eine Relation zwischen den Größen x und y annehmen, um die Integration ausführen zu können, und
erhält daher ein System von Gleichungen von der Form:
(11)
f (x, y) = 0
W = F (x, y) + Const.
Die geometrische Bedeutung dieser beiden verschiedenen Resultate läßt sich leicht
übersehen. Nehmen wir an, der Punkt p bewege sich von
einem gegebenen Anfangspunkte x₀, y₀ bis zu einem gegebenen Endpunkte x₁, y₁, so
können wir im ersten Falle die Arbeit, welche bei dieser Bewegung von der wirksamen
Kraft gethan wird, sofort angeben, ohne daß wir dazu den Verlauf der Bewegung selbst
zu kennen brauchen. Diese Arbeit wird nämlich in Folge der Gleichung (10)
ausgedrückt durch die Differenz:
F(x₁, y₁) – F(x₀, y₀).
Während also der bewegliche Punkt auf sehr verschiedenen Wegen von der einen Stelle
zur anderen gelangen kann, ist die Größe der Arbeit, welche die Kraft dabei thut,
davon ganz unabhängig, und ist vollständig bestimmt, sobald nur der Anfangs-
und Endpunkt der Bewegung gegeben sind.
Anders im zweiten Falle. In diesem Falle erhalten wir ein System von zwei
Gleichungen, von denen die erste beliebig ist, und die zweite von der ersten in der
Weise abhängt, daß sie erst dann bestimmt werden kann, wenn diese gegeben ist, und
je nach der verschiedenen Form, welche man für die Function f(x, y) wählt, verschieden ausfällt. Die erste
Gleichung ist die Gleichung einer Curve, und man kann daher das eben Gesagte
geometrisch folgendermaßen aussprechen: die Arbeit, welche die wirksame Kraft bei
der Bewegung des Punktes p thut, läßt sich in diesem
Falle erst dann bestimmen, wenn der ganze Verlauf der Curve, auf welcher der Punkt
sich bewegt, bekannt ist. Wenn der Anfangs- und Endpunkt der Bewegung im
Voraus gegeben sind, so muß jene erste Gleichung so gewählt werden, daß die ihr
entsprechende Curve durch diese beiden Punkte geht; dabei sind aber noch unendlich
viele verschiedene Gestalten der Curve möglich, für welche man trotz ihrer gleichen
Gränzpunkte unendlich viele verschiedene Arbeitsgrößen erhält.
Man könnte vielleicht sagen, daß in diesem Falle auch die Differentialgleichung
dW = Xdx + Ydy
keine allgemeine Gültigkeit haben könne, denn das
Arbeitsdifferential hänge nicht bloß von der Größe der beiden Differentiale dx und dy ab, sondern auch
davon, ob sich erst x um dx
und dann y um dy ändere,
oder ob die Reihenfolge der Veränderungen umgekehrt sey, oder ob endlich beide
zugleich sich nach irgend einem Gesetze ändern. Indessen ist leicht zu sehen, daß,
sofern die Functionen X und Y als stetig vorausgesetzt werden, die durch jene verschiedenen Arten der
Veränderung bedingten Verschiedenheiten im Werthe von dW
nur unendlich kleine Größen von zweiter Ordnung seyn
können, und daher in einer Gleichung, welche unendlich kleine Größen von erster Ordnung enthält, vernachlässigt werden dürfen.
Wir kehren nun zur Wärmetheorie zurück, und zwar wollen
wir die Betrachtung an das Verhalten gasförmiger Körper
knüpfen.
Es sey eine Gewichtseinheit eines permanenten Gases gegeben. Wenn dieses Gas bei der
Temperatur t das Volumen v
einnimmt, so ist durch diese beiden Größen zugleich auch der Druck p, welchen es nach Außen hin ausübt, und überhaupt der
ganze Zustand des Gasts, soweit er hier in Betracht kommt, bestimmt. Wenn dieser
Zustand sich dann ändert,
indem entweder t allein, oder v allein, oder beide zugleich nach irgend einem Gesetze sich ändern, so
wird dabei das Gas eine gewisse Quantität Wärme aufnehmen oder abgeben. Wir
bezeichnen die aufgenommene Wärmemenge allgemein mit Q,
wobei eine abgegebene Wärmemenge als aufgenommene negative Wärmemenge gerechnet
wird, und es kommt darauf an, diese Größe Q zu
bestimmen.
Dazu gehen wir von der Betrachtung unendlich kleiner Veränderungen aus. Wenn das Gas
bei constantem Volumen um die unendlich kleine Temperaturdifferenz dt erwärmt werden soll, so bedarf es dazu einer
Wärmemenge, welche mit (dQ/dt) dt zu bezeichnen ist, und wenn das Gas
sich bei constanter Temperatur um das unendlich kleine Volumen dv ausdehnt, so muß es dabei eine Wärmemenge aufnehmen,
welche ebenso mit (dQ/dv)
dv zu bezeichnen ist. Die beiden hierin vorkommenden
Größen (dQ/dt) und (dQ/dv) sind vollkommen
bestimmt, sobald die Temperatur t und das Volumen v, welche das Gas vor der kleinen Veränderung hatte,
gegeben sind. Wir können sie daher als Functionen der beiden Veränderlichen t und v betrachten, und
wollen zur Bequemlichkeit einfache Zeichen einführen, indem wir setzen:
(12) (dQ/dt) = T und
(dQ/dt) = V.
Wenn nun das Gas beide Veränderungen erleidet, indem sowohl
seine Temperatur um dt als auch sein Volumen um dv wächst, so gilt für die Wärmemenge dQ, welche es dabei anfnimmt, die Gleichung:
(13) dQ = Tdt + Vdv.
Die hierin vorkommenden Functionen T und V, welche im Vorigen nur ihrer Bedeutung nach definirt
sind, müssen nun näher bestimmt werden. Dabei bietet sich zunächst die Frage dar, ob
die beiden Functionen von der Art sind, daß sie die Bedingungsgleichung der
Integrabilität, nämlich
(dT/dv) =
(dV/dt),
erfüllen oder nicht, und diese Frage habe ich in meiner
Abhandlung durch eine Reihe von directen Betrachtungen im negativen Sinne
entschieden, indem ich nachgewiesen habe, daß nach dem Grundsatze von der
Aequivalenz von Wärme und Arbeit statt der vorigen Gleichung die folgende gelten
muß:
(dV/dt)
– (dT/dv) = AR/v,
oder wie ich in meiner Abhandlung geschrieben habe:
(14) d/dt (dQ/dv)
– d/dv (dQ/dt) = AR/v.
Hierin bedeutet A das
Wärmeäquivalent für die Einheit der Arbeit und R ist
eine andere Constante von folgender Bedeutung:
R = (p₀ v₀)/(a + t₀),
worin t₀, v₀ und p₀
irgend drei zusammengehörige Werthe von t, v und p sind, während a der
umgekehrte Werth des Ausdehnungscoefficienten der permanenten Gase ist, und
angenähert gleich 273 gesetzt werden kann.
Aus der Gleichung (14) folgt, daß die rechte Seite von (13) nicht integrabel seyn
kann, und daraus läßt sich weiter nach dem, was im Obigen über nicht integrable
Differentialgleichungen gesagt ist, schließen, daß Q
keine Function von t und v
seyn kann, so lange die letzteren von einander unabhängig sind. Wenn also das Gas
von einem gegebenen Anfangszustande, in welchem seine Temperatur und sein Volumen
t₀ und v₀
sind, zu einem anderen Zustande übergeht, in welchem diese Veränderlichen die Werthe
t₁ und v₁
haben, so läßt sich aus dieser Angabe allein noch nicht bestimmen, wieviel Wärme das
Gas während des Ueberganges aufnimmt, sondern dazu muß noch das Gesetz, nach welchem
t und v sich ändern,
bekannt seyn, oder wie man es in Uebereinstimmung mit dem obigen mechanischen
Beispiele ausdrücken kann, es muß der Weg, auf welchem
das Gas aus dem einen Zustande in den anderen gelangt, bekannt seyn.Hr. Decher macht, anstatt diesen Schluß
anzuerkennen, auf S. 243 zu der Gleichung (14) folgende Bemerkung.
„In dieser Gleichung sind die Formen (dQ/dv) und (dQ/dt) bestimmt die
Ableitungen einer bestimmten Function Q von
v und t je
nach v und t als
einzige Veränderliche genommen, und wie auch diese Function beschaffen
seyn mag, und welche Abhängigkeit zwischen v
und t gedacht werden mag, die rechte Seite
jener Gleichung muß immer Null seyn.“ Er stellt also gerade
über dasjenige, was aus der Beschaffenheit der Größen (dQ/dv) und (dQ/dt)
erst geschlossen werden soll, ob Q eine
bestimmte Function von v und t ist, ohne Weiteres eine entschiedene
Behauptung auf, nämlich die, daß Q eine solche Function sey, und zieht
daraus dann den Schluß, daß meine Gleichung falsch seyn müsse, ohne auch nur
ein Wort zum Beweise seiner Behauptung hinzuzufügen. Ein solches Verfahren
kann ich mir nur daraus erklären, daß Hr. Decher
den ganzen Gang meiner Betrachtung nicht verstanden hat.
Aus der Gleichung (14) kann man folgende vollständige Differentialgleichung erster
Ordnung ableiten:
(15) dQ =
dU + AR (a + t)/v dv,
worin U eine willkürliche Function
von t und v ist. Daß diese
Gleichung wirklich der Gleichung (14) entspricht, davon kann man sich leicht dadurch
überzeugen, daß man aus ihr umgekehrt durch Differentiation wieder jene Gleichung
(14) ableiten kann. Schreibt man für dU den
vollständigen Ausdruck
(dU/dt)
dt + (dU/dv) dv,
so lautet die vorige Gleichung:
dQ = (dU/dt) dt + [(dU/dv) + AR (a + t)/v] dv,
und daraus folgt, daß man setzen kann:
(dQ/dt) =
(dU/dt)
(dQ/dv) =
(dU/dv) + AR (a + t)/v.
Von diesen beiden Ausdrücken soll der erste nach v und der zweite nach t
differentiirt werden. Dabei ist zu bemerken, daß in Bezug auf die Größe U, von welcher ausdrücklich gesagt ist, daß sie eine
Function von t und v
bedeuten soll, die Gleichung
d/dv (dU/dt) = d/dt (dU/dv)
gilt, und wir wollen beide in dieser Gleichung vorkommende
Größen mit d²U/dtdv bezeichnen. Dann kommt:
d/dv (dQ/dt) = d²U/dtdv
d/dt (dQ/dv) = d²U/dtdv + AR/v,
und wenn man die erste dieser Gleichungen von der zweiten
abzieht, so gelangt man wieder zur Gleichung (14).Hr. Decher sagt S. 247, daß er es mir überlassen
müsse zu erklären, wie ich die Gleichung (15) aus (14) abgeleitet habe. Ich
meine daß zu dieser Ableitung keine lange Rechnung gehört, sondern daß, wer
einigermaßen mit der Behandlung von Differentialgleichungen vertraut ist,
beim bloßen Anblicke der Gleichung (14) sofort erkennt, wie eine
vollständige Differentialgleichung erster Ordnung lauten muß, welche jener
entspricht. Indessen wenn Hrn. Decher dieses auch
nicht möglich war, so hätte er sich wenigstens durch das hier im Texte
ausgeführte umgekehrte Verfahren leicht von der Richtigkeit der Gleichung
(15) überzeugen können. Statt dessen verfährt er wie folgt. Er schließt
zuerst aus der Gleichung (15) richtig, daß zu setzen ist:(a) (dQ/dv) = (dU/dv) + AR (a + t)/v;anstatt aber weiter zu schließen, daß man aus
denselben Gründen auch setzen muß:(b) (dQ/dt) = (dU/dt),gewinnt er auf einem Umwege mit Hülfe der Gleichung
(a), nachdem er sie nach t differentiirt hat, und unserer Gleichung (14)
die auch noch richtige Gleichung:d/dv (dQ/dt) = d²U/dvdtund hieraus schließt er durch Integration nach v:(c) (dQ/dt) = dU/dt + f'(t).Durch diese Rechnungsweise, bei der zuerst
differentiirt und dann wieder integrirt wurde, ist in den Ausdruck von (dQ/dt) eine
unbestimmte Function f'(t) hineingekommen, welche man bei der directen Bestimmung nicht
erhält, und von welcher man daher schließen muß, daß sie Null ist. Ferner,
nachdem er den oben angeführten Ausdruck von (dQ/dt) gewonnen hat, will er daraus
wieder den vollständigen Ausdruck von dQ bilden.
Dazu mußte er natürlich außer dem Ausdrucke von (dQ/dt) den von ihm selbst unter (a) schon angenommenen Ausdruck von (dQ/dv) anwenden,
wodurch er erhalten haben würde:dQ = dU + f'(t)
dt + AR (a + t)/v dv;statt dessen schreibt er aber:(d) dQ =
dU + f'(t) dt + φ'(v) dv,worin φ'(v) eine zweite unbestimmte Function seyn soll.
Diesen Ausdruck scheint er dadurch gewonnen zu haben, daß er die Gleichung
(c) nach t
integrirte, wobei eine willkürliche Function von v eingeführt werden konnte, und dann das Integral vollständig
differentiirte. Dieses Verfahren aber, die Größe Q durch Integration des einzelnen Differentialcoefficienten (dQ/dt) zu bestimmen, setzt schon voraus, daß Q eine Function von t und v sey, was gerade der Punkt ist,
welcher durch meine Entwickelung bekämpft wird. Bei solcher Art von Rechnung
wird man wohl zugeben, daß wenn seine Endgleichung (d) mit meiner Gleichung (15) nicht übereinstimmt, darin kein
Beweis gegen die Richtigkeit der letztern liegt.Einen besonderen Einwand erhebt Hr. Decher
dagegen, daß in meiner Gleichung (15) die Constante a enthalten ist, welche in (14) nicht vorkommt; indessen hätte er
leicht sehen können, daß diese Constante auf die Richtigkeit der Gleichung
als Integral von (14) keinen Einfluß haben kann. Wenn man statt (15)
zunächst schreibt:dQ = dS + AR t/v dv,worin S eine willkürliche
Function von t und v
bedeutet, so kann man diese Gleichung folgendermaßen umformen:dQ = dS – AR a dv/v + AR (a + t)/v dv
= d (S – AR a log v) + AR
(a + t)/v
dv,und wenn man hierin statt des in der Klammer stehenden
Ausdruckes den Buchstaben U als Zeichen einer
anderen willkürlichen Function von t und v einführt, so erhält man die beanstandete
Gleichung (15). Mit anderen Worten ausgedrückt, wenn in einer Gleichung
einmal eine willkürliche Function von t und v vorkommt, so kann man von dieser jede
beliebige bestimmte Function, sey's von t oder
von v oder auch von t und v, abtrennen, ohne daß der Rest
dadurch den Charakter einer willkürlichen Function verliert, und von dieser
Befugniß habe ich Gebrauch gemacht, um meine Gleichung in diejenige Gestalt
zu bringen, welche für ihre weiteren Anwendungen die zweckmäßigste war.Endlich stößt sich Hr. Decher daran, daß ich die
Function U eine willkürliche genannt habe, und nicht vielmehr eine in besonderen Fällen zu bestimmende. In
dieser Beziehung brauche ich nur zu bemerken, daß es in der Integralrechnung
sehr gewöhnlich ist, die Constanten oder Functionen, welche durch
Integration einer Differentialgleichung in die Gleichung hineinkommen, willkürliche zu nennen. Darunter ist aber
natürlich nur verstanden, daß durch die gegebene Differentialgleichung diese
Constanten oder Functionen nicht bestimmt werden können; daß sie sich aber
durch andere Bedingungen der Aufgabe möglicherweise bestimmen lassen, ist
dadurch nicht ausgeschlossen.
Mit Hülfe einer Nebenannahme, welche im Wesentlichen auf den schon oben erwähnten
Satz hinauskommt, daß bei der Ausdehnung eines permanenten Gases nur eine sehr geringe
innere Arbeit gethan werden kann, habe ich die Gleichung (15) in folgende noch
speciellere Form gebracht:
(16) dQ = cdt + AR (a + t)/v dv,
worin c die specifische Wärme des
Gases bei constantem Volumen bedeutet. Dieses ist die Hauptgleichung für das
Verhalten der permanenten Gase unter dem Einflusse der Wärme. In Bezug auf die
Schlüsse, welche ich aus derselben gezogen habe, muß ich auf meine ursprüngliche
Abhandlung verweisen, wo man finden wird, daß ich sie in ähnlicher Weise behandelt
habe, wie es oben in Bezug auf die Gleichung (1) für den Fall, daß diese nicht
integrabel ist, angedeutet wurde.
In einer späteren Abhandlung „über eine veränderte Form des zweiten
Hauptsatzes der mechanischen Wärmetheorie “
Poggendorff's Annalen Bd. XCIII S. 481. habe ich auch den ersten Hauptsatz noch einmal kurz behandelt, und habe die
Gleichung, welche ihn ausdrückt, in allgemeinerer Form als früher hingestellt. Es
sey irgend ein Körper gegeben, welcher beliebige Zustandsänderungen erleidet, und es
soll die Wärmemenge Q, welche er dabei aufnimmt (oder
wenn sie negativ ist abgibt), bestimmt werden. Nennen wir die äußere Arbeit, welche
der Körper bei seinen Zustandsänderungen durch Ueberwindung von Widerständen thut,
W, das Wärmeäquivalent für die Einheit der Arbeit,
wie bisher, A, und bezeichnen wir endlich mit U eine Größe, von der wir, wenn wir sie auch noch nicht
näher angeben können, wenigstens so viel wissen, daß sie durch den Anfangs-
und Endzustand des Körpers vollständig bestimmt ist, so gilt folgende Gleichung:
(17) Q
= U + AW.
In dieser allgemeinen Form gilt die Gleichung für alle Arten
von Körpern und für jede beliebige Veränderung derselben. Bei ihren Anwendungen auf
specielle Fälle dagegen nimmt sie bestimmtere den einzelnen Fällen entsprechende
Formen an.
Als solchen specielleren Fall habe ich in meiner Abhandlung folgenden gewählt. Die
äußere Kraft, welche der Körper bei seinen Veränderungen zu überwinden hat, soll nur
ein Druck gegen seine Oberfläche seyn, welcher an allen Punkten derselben gleich und
überall normal gegen sie gerichtet ist, wie es z.B. bei einer in einem Gefäße
eingeschlossenen Gasmasse der Fall ist. Zugleich soll vorausgesetzt werden, daß die
Volumenänderungen immer nur in solcher Weise geschehen, daß dabei die
Ausdehnungskraft des Körpers und der ihr entgegenwirkende Druck einander sehr nahe
gleich sind. Dieses ist z.B. der Fall, wenn ein Gas in einem Cylinder, in welchem es
durch einen Stempel abgesperrt ist, sich dadurch ausdehnt, daß der Stempel
zurückweicht; ist aber nicht der Fall, wenn ein Gefäß, in welchem sich ein Gas im
comprimirten Zustande befindet, mit einem anderen Gefäße in Verbindung gesetzt wird,
welches Gas von geringerem Drucke enthält, oder ganz leer ist, so daß nun ein Theil
des Gases aus dem ersten Gefäße in das zweite gewaltsam überströmt.
Unter diesen Voraussetzungen betrachten wir den Zustand des Körpers wieder als
bestimmt durch seine Temperatur t und sein Volumen v. Der Druck p, welchen er
auf der Flächeneinheit seiner Oberfläche erleidet, und daher auch umgekehrt als
Gegendruck ausübt, ist als Function von t und v zu betrachten, und ebenso muß sich die Größe U, welche nur von dem Zustande des Körpers abhängt,
durch eine solche Function darstellen lassen. Die äußere Arbeit, welche unter diesen
Umständen nur bei Volumenänderungen des Körpers vorkommt, läßt sich für unendlich
kleine Aenderungen leicht ausdrücken. Wenn das Volumen unter Ueberwindung des
Druckes p um dv wächst, so
ist die dabei gethane Arbeit:
dW = pdv.
Wenden wir dieses auf die Gleichung (17) an, indem wir
voraussetzen, daß die Zustandsänderung, welche der Körper erleidet, nur unendlich
klein sey und aus einer Temperaturänderung um dt und
einer Volumenänderung um dv bestehe, und nennen die
entsprechende Wärmemenge dQ, so kommt:
(18) dQ = dU + A . pdv.
Nehmen wir ferner noch specieller an, der betrachtete Körper sey ein permanentes Gas,
so können wir nach dem Mariotte'schen und Gay-Lussac'schen Gesetze schreiben:
pv = (p₀ v₀)/(a + t₀) (a + t) = R (a + t)
also:
(19) p
= R (a + t)/v,
und dadurch geht (18) über in:
(20) dQ = dU + AR (a + t)/v dv,
welches wieder unsere frühere Gleichung (15) ist.
Aus der Gleichung (18) kann man, ähnlich wie es für den specielleren Fall eines
permanenten Gases schon oben geschehen ist, durch Differentiation eine andere
Gleichung ableiten, welche die unbekannte Größe U nicht
enthält. Wir schreiben dazu für (18) vollständiger:
dQ = (dU/dt) dt + [(dU/dv) + Ap] dv,
daraus folgt:
(dQ/dt) =
(dU/dt)
(dQ/dv) =
(dU/dv) + Ap
und hieraus ergibt sich weiter:
d/dv (dQ/dt) = d²U/dtdv
d/dt (dQ/dv) = d²U/dtdv + A dp/dt.
Durch Subtraction der erstern dieser beiden Gleichungen von
der letzteren heben sich die Glieder, welche U
enthalten, auf und es kommt:
(21) d/dt (dQ/dv)
– d/dv (dQ/dt) = A dp/dt.
Will man diese Gleichung wieder auf ein permanentes Gas
anwenden, so braucht man nur für p den in (19) gegebenen
Ausdruck zu setzen, woraus folgt:
dp/dt = R/v,
und dadurch geht die vorige Gleichung über in:
(22) d/dt (dQ/dv)
– d/dv (dQ/dt) = AR/v,
welches unsere frühere Gleichung (14) ist.
Ich habe diese Ableitung hier noch einmal anführen müssen, weil sich auf dieselbe
eine Anmerkung des Hrn. Decher bezieht. Er sagt nämlich
auf S. 254:
„Wenn daher Hr. Cl. in der zuletzt
genannten Abhandlung das Differential von W durch
pdv ersetzt, worin p
offenbar nur eine willkürliche Function von v seyn kann, und dann aus der Gleichung
(17) die Ausdrücke zieht:
dQ/dt = dU/dt;
dQ/dv = dU/dv + Ap,
um den ersten nach v und den zweiten nach t zu differentiiren, und den früheren Unsinn:
d/dt (dQ/dv) – d/dv (dQ/dt) = A dp/dt = A df(v)/dt (!)
wieder zu erhalten, so bleibt er sich zwar in seiner Pfuscherei consequent, er
zeigt aber dabei, daß er seine eigene Gleichung nicht versteht.“ Ohne
über den Ton dieser Anmerkung ein Wort zu verlieren, oder noch etwas zur
Rechtfertigung meiner Ableitungsweise hinzuzufügen, will ich nur bemerken, daß das
Glied A df(v)/dt, welches Hr. Decher mit
Recht mit einem Ausrufungszeichen versehen hat, nicht von mir herrührt, sondern von
ihm hinzugefügt ist. Ich betrachte p nicht als eine
willkürliche Function von v, sondern als eine durch den
Zustand des Körpers bestimmte Größe, welche sich als Function von t und v darstellen läßt, wie
es für den specielleren Fall eines permanenten Gases im Vorigen wirklich geschehen
ist.
In Bezug auf die Gleichung (20) und die daraus von mir gezogenen Schlüsse ist Hr. Decher der Ansicht, daß sie mit den Principien der
mechanischen Wärmetheorie selbst im Widerspruche stehen, da nach dieser ein Gas,
wenn es bei der Ausdehnung keine äußere Arbeit thut, wie z.B. beim Ueberströmen aus
einem mit Gas gefüllten Gefäße in ein leeres, seine Temperatur nahe beibehält, ohne
Wärme aufzunehmen, was nach jener Gleichung nicht möglich sey. Darauf ist zu
erwidern, daß die Gleichung (20) und alle daraus abgeleiteten weiteren Gleichungen
für Fälle dieser Art gar nicht bestimmt sind, indem für die Gültigkeit derselben
vorausgesetzt ist, daß die Ausdehnung immer in der Weise stattfindet, daß das Gas
dabei den ganzen Widerstand überwindet, welchen es seiner Expansivkraft nach
überwinden kann. In der ersten Abhandlung liegt diese Voraussetzung in der ganzen
Art der Entwickelung, so daß niemand, der sie mit Aufmerksamkeit liest, darüber in
Zweifel seyn kann, und in der zweiten Abhandlung ist die Voraussetzung sogar mit
bestimmten Worten ausgesprochen, indem es auf S. 485 derselben heißt:
„Ferner wollen wir noch annehmen, daß der Druck sich immer nur ganz
allmählich ändert, so
daß er in jedem Augenblick von der ihm entgegenwirkenden Ausdehnungskraft des
Körpers nur so wenig verschieden ist, daß beide in der Rechnung als gleich zu
setzen sind.“ Es ergibt sich daraus, daß die Gleichung (18) und
demgemäß auch die Gleichung (20) von mir nur als specielle Formen der allgemeinen
Gleichung (17) betrachtet sind, und daher auch nur auf die entsprechenden speciellen
Fälle angewandt werden dürfen.
Außer meinen Untersuchungen über die permanenten Gase bespricht Hr. Decher noch die von mir für Dämpfe
im Maximum der Dichte abgeleitete Grundgleichung. Es würde zu weitläufig
werden, auch hier seiner ganzen Entwickelung zu folgen, und ich denke, die Stellen,
welche ich bei den permanenten Gasen angeführt habe, werden genügen um seine
Behandlungsweise des Gegenstandes richtig zu würdigen. Ich will nur so viel sagen,
daß auch die Entwickelung über die Dämpfe wieder in der Weise geführt ist, daß darin
stillschweigend die Voraussetzung liegt, daß die Wärmemenge, welche ein Körper
während einer Zustandsänderung aufnimmt, eine Größe sey, die nur vom Anfangs-
und Endzustande des Körpers, und nicht von dem Wege, auf welchem er aus dem einen in
den anderen gelangt, abhänge.
Von der ganzen zweiten Hälfte meiner Abhandlung sagt Hr. Decher, daß er sich, nachdem er die erste Hälfte kennen gelernt habe, zur
weiteren Beachtung der zweiten nicht veranlaßt gesehen habe. Demnach habe auch ich
keine Veranlassung auf die zweite Hälfte hier einzugehen.
Schließlich muß ich noch eine kurze Bemerkung für die Zukunft hinzufügen. Wenn jemand
in irgend einem Zweige der Wissenschaft neue Ideen aufstellt, welche von den
bisherigen Ansichten abweichen, so muß er auf Widerspruch gefaßt seyn, und darf sich
der Besprechung der gemachten Einwände nicht entziehen, auch wenn sie ihm zwischen
seinen anderen Arbeiten zuweilen etwas unbequem ist. Auch halte ich dafür, daß die
so hervorgerufenen wissenschaftlichen Discussionen für die Sache selbst sehr
nützlich sind, und in der That hat keine neue Theorie ohne solche Discussionen in
der Wissenschaft Bürgerrecht gewonnen. Aber Eins glaube ich, darf man von den
Einwendungen, welche man beantworten soll, verlangen, nämlich daß aus ihnen
hervorgeht, daß ihr Verfasser die Theorie, welche er bekämpft, verstanden hat, oder
daß wenigstens nicht das Gegentheil aus ihnen hervorgeht. Sollte daher Hr. Decher noch fernere ähnliche Aufsätze, wie den eben
besprochenen, folgen lassen, und sollte ich darauf nicht antworten, so darf man
daraus nicht den Schluß ziehen, daß ich seine Einwendungen als richtig
anerkenne.