Titel: | Die Baryt-Industrie; von Friedr. Kuhlmann. |
Fundstelle: | Band 150, Jahrgang 1858, Nr. XXXII., S. 110 |
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XXXII.
Die Baryt-Industrie; von Friedr.
Kuhlmann.
Aus den Comptes rendus, September 1858, Nr.
12.
(Fortsetzung von S. 61 des vorhergehenden
Heftes.)
Kuhlmann, über die Baryt-Industrie.
Anwendung der Rückstände vom Auslaugen der rohen Soda zur
Gewinnung von Chlorcalcium.
Die Benutzung des Schwefels, welcher in dem mittelst Schwerspath erzeugten
Schwefelbaryum enthalten ist, hat mich schon seit langer Zeit beschäftigt. Vor beiläufig zehn
Jahren wurden in meinen Fabriken große Quantitäten von künstlichem kohlensaurem
Baryt dargestellt, nämlich für die Zuckerfabriken welche den krystallisirbaren
Zucker nach Dubrunfaut's
Methode aus den Melassen abschieden; zu diesem Zweck zersetzte ich die
Schwefelbaryum-Auflösung durch Kohlensäure, wobei der Schwefel als
Schwefelwasserstoff verdrängt wurde. Auf den ersten Blick schien es leicht, den
Schwefelwasserstoff in Bleikammern zu verbrennen, mittelst analoger Apparate wie man
sie zur Gasbeleuchtung und Gasheizung anwendet; dabei stieß ich jedoch auf
unüberwindliche Schwierigkeiten. Die Kohlensäure, welche den Schwefelwasserstoff
verdrängen mußte, bereitete ich nämlich durch Verbrennen von Kohks in einem
gußeisernen Cylinder, welcher innerlich mit Ziegeln gefüttert war und durch den ich
die Luft unter einem gewissen Druck mittelst Druckpumpen trieb. Nun enthielt in
gewissen Zeitpunkten das aus den Zersetzungskufen abziehende Gasgemisch Luft und
konnte folglich explodirend werden. Manchmal entgieng auch Schwefelwasserstoff der
Verbrennung und griff die Bleikammern an oder setzte darin Schwefelblumen ab; dazu
kam noch, daß die Behandlung großer Massen von Schwefelwasserstoff für die Arbeiter
nicht ohne Gefahr war.
Aus diesen Gründen gab ich die Benutzung des im Schwefelbaryum enthaltenen Schwefels
bei der Fabrication von kohlensaurem Baryt auf, und suchte nun das Schwefelmangan
und Schwefeleisen, welche bei meinem früher beschriebenen Verfahren zur Bereitung
des Chlorbaryums in reichlicher Menge erzeugt werden, anstatt Schwefelkies zu
benutzen. Ueberdieß versuchte ich das Calcium-Oxysulfurid, woraus die
Rückstände vom Auslaugen der künstlichen Soda großentheils bestehen, einerseits in
Chlorcalcium, andererseits in Schwefelmangan und Schwefeleisen umzuwandeln, indem
ich nämlich ein teigförmiges Gemenge dieser Rückstände mit den Rückständen von der
Chlorfabrication im Flammofen glühte. Dabei erfolgt jene Umwandlung des
Calcium-Oxysulfurids mit der größten Leichtigkeit; durch methodisches
Auslaugen des Products erhält man direct sehr reine Auflösungen von Chlorcalcium,
deren Dichtigkeit 40° Baumé beträgt.
Die Anwendung des unter den beiden angegebenen Umständen erzeugten Schwefelmangans
und Schwefeleisens bietet aber ziemlich große Schwierigkeiten dar: 1) ist es
schwierig, diese Schwefelmetalle vollständig zu trocknen, ohne sie zum Theil zu
verbrennen; 2) ist das erzeugte schwefligsaure Gas in Folge der im Schwefelmetall
zurückgebliebenen Kohle mit Kohlensäure gemischt; 3) verwandelt sich ein Theil des
Schwefels von Schwefelmangan während des Röstens in schwefelsaures Mangan; 4) sind
die fraglichen Schwefelmetalle ziemlich unrein, denn als Rückstände von der
Chlorbaryum-Fabrication enthalten sie außer der Kohle noch unzersetzten Schwerspath und
Kieselerde aus dem Braunstein; dazu kommt noch, daß man, um jeden Verlust von
Salzsäure während des Calcinirens zu vermeiden, in dem Gemenge absichtlich einen
kleinen Ueberschuß von Kreide ließ, welche sich in Calcium-Oxysulfurid
verwandelt, daher entsprechend weniger Schwefelmangan entsteht. 100 Th. reines
Schwefelmangan enthalten 37 Th. Schwefel, wovon man durch das Rösten nur 26 Th.
benutzen kann, weil der übrige Schwefel sich in schwefelsaures Mangan verwandelt.
Die fraglichen Schwefelmetalle lieferten mir aber nur 15 bis 18 Proc. Schwefel in
Form von schwefliger Säure; diese Ausbeute an Schwefel war noch geringer, wenn die
Schwefelmetalle durch Zersetzung des Rückstandes von der rohen Soda dargestellt
waren. Da nun die 100 Kilogr. Schwefelkies nur beiläufig 3 Francs kosten, so läßt
sich das nach den angegebenen Methoden bereitete Schwefelmangan nicht als Surrogat
desselben anwenden. Andererseits erhält man durch Rösten des Schwefelmangans ein
Oxyd, dessen Gehalt an Superoxyd zu gering ist, um es zur Chlorfabrication verwenden
zu können.
Bei der Behandlung des Rückstandes vom Auslaugen der rohen Soda mit rohem
Manganchlorür kann man also nur den Zweck haben, auf ökonomische Weise reines
Chlorcalcium zu gewinnen, auf dessen technische Verwendung ich später
zurückkomme.
Anwendung des Chlorbaryums zur Fabrication von salpetersaurem
Baryt und von Salpetersäure.
Die geringe Löslichkeit des salpetersauren Baryts gestattet dieses Salz leicht
vermittelst doppelter Zersetzung zu erhalten, indem man eine in der Wärme gesättigte
Auflösung von salpetersaurem Natron auf Chlorbaryum einwirken läßt; vier Fünftel des
dem angewandten salpetersauren Natron entsprechenden salpetersauren Baryts kann man
unmittelbar in Form kleiner Krystalle erhalten. Durch Abdampfen der Mutterlaugen
erhält man neue Quantitäten von Krystallen, und endlich kann man die letzten Spuren
von Baryt durch Zusatz von schwefelsaurem Natron als Permanentweiß abscheiden.
Der so auf ökonomische Weise gewonnene salpetersaure Baryt dürfte eine allgemeinere
Anwendung in der Pyrotechnik finden. Die Chemiker können dieses Salz in zahlreichen
Fällen ohne vorhergehendes Calciniren anstatt Aetzbaryt anwenden. Durch Calciniren
des salpetersauren Baryts im Großen kann man auf ökonomische Weise einerseits
wasserfreien Aetzbaryt, andererseits Untersalpetersäure und Sauerstoff zur Benutzung
in den Bleikammern gewinnen.
Ich habe den salpetersauren Baryt benutzt um schwache Salpetersäure zu gewinnen, ohne Destillation
und bloß durch Abscheidung des Baryts (als Permanentweiß) mittelst der genau
erforderlichen Quantität Schwefelsäure. Man kann so Salpetersäure von 10°
oder 11° Baumé erhalten; wollte man unmittelbar eine Säure von höherem
Grab erhalten, so hätte der schwefelsaure Baryt ein krystallinisches Ansehen. Die
Säure von 10° bis 11° B. läßt sich in Gefäßen von Glas, Steinzeug oder
Porzellan durch bloßes Kochen ohne großen Verlust bis auf 25° B.
concentriren.
Eine in der Wärme gesättigte Auflösung von Chlorbaryum gibt mit einer concentrirten
Auflösung von Aetznatron Barythydrat, welches sich in großer Menge in blätterigen
Krystallen abscheidet.
Anwendung des Chlorbaryums, um gypshaltiges Wasser und
Meerwasser zum Speisen der Dampfkessel verwendbar zu machen.
In einer im J. 1841 veröffentlichten AbhandlungPolytechn. Journal Bd. LXXX S.
377. empfahl ich die Benutzung von kohlensaurem Natron, um die Krustenbildung in
Dampfkesseln, welche mit einem viel kohlensauren Kalk enthaltenden Wasser gespeist
werden, zu verhüten; für das gypshaltige Wasser und für das Meerwasser empfahl ich
vorzugsweise die Anwendung von Chlorbaryum. Jetzt, wo sich das Chlorbaryum ohne
Aufwand von Salzsäure mit dem fast werthlosen Schwerspath so wohlfeil fabriciren
läßt, scheint mir der Zeitpunkt für die Verbreitung meiner Methode zum Reinigen des
Wassers gekommen seyn. Man kann leicht die Quantität Chlorbaryum berechnen, welche
erforderlich ist, um aus dem Wasser alle in demselben enthaltene Schwefelsäure
abzuscheiden, die sonst in den Kesseln bald einen dicken Absatz von Gyps, bald den
sogenannten Schlotter (Pfannenstein, Hungerstein) der
Salinen bildet, worin der Gyps bis 56 Procent Kochsalz mit sich reißt und welcher
Krusten von großer Härte veranlaßt. Bekanntlich verursachen diese Krusten, wenn sie
sich plötzlich ablösen oder spalten, oft schreckliche Explosionen.
Fortsetzung.