Titel: Anwendung des Zeuner'schen Diagrammes auf Steuerungen mit kurzen Excenterstangen; von Hermann Fuhst.
Autor: Hermann Fuhst
Fundstelle: Band 150, Jahrgang 1858, Nr. LXII., S. 241
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LXII. Anwendung des Zeuner'schen Diagrammes auf Steuerungen mit kurzen Excenterstangen; von Hermann Fuhst. Mit Abbildungen auf Tab. V. Fuhst, über die Anwendung des Zeuner'schen Diagrammes auf Steuerungen mit kurzen Excenterstangen. Die Schrift des Hrn. Professor Dr. Zeuner: „Die Schiebersteuerungen“, Freiberg 1858, hat gewiß jeder Constructeur willkommen geheißen. Die von Prof. Zeuner gewählte graphische Darstellung der Schieberwege für jeden beliebigen Drehungswinkel der Kurbel ist selbst für die complicirteren Fälle so überraschend einfach, und gibt das Diagramm ein so klares Bild der ganzen Schieberbewegung, daß dieses bisher noch ziemlich dunkle Feld jetzt durchaus keine Schwierigkeiten mehr bietet. Die langweilige, zeitraubende Arbeit, mittelst einer Schiebercurve oder eines eigens dazu hergerichteten Modelles eine Steuerung zu construiren, ist beseitigt, und bietet außerdem die Zeuner'sche Methode den gewiß großen Vortheil, mittelst ihr einfach und leicht die den gegebenen Bedingungen am meisten entsprechenden noch fehlenden Elemente einer Steuerung zu finden. Je größer die Vorzüge dieser Methode sind, um so unangenehmer wird es für den Constructeur seyn, sie nicht in allen Fällen zur Anwendung bringen zu können, und dann wieder zu dem früheren schwerfälligen Verfahren greifen zu müssen. Dieser Fall tritt ein, wenn der nominelle Werth des von Hrn. Prof. Zeuner vernachlässigten sogenannten „Fehlergliedes“ so groß wird, daß durch diese Vernachlässigung das Resultat eine für die Praxis fühlbare Veränderung erleidet. Indem ich aus der oben citirten Schrift die Art und Weise der Berechnung des Schieberweges als bekannt voraussetze, gehe ich gleich zu dem Resultate über, welches Hr. Prof. Zeuner durch diese Rechnung erzielt; dasselbe lautet: „Der Weg ξ des Schiebers, d.h. die Entfernung von seiner mittleren Stellung, ist bei einem Radius der Excentricität gleich r, und der Länge der Excenterstange gleich l, für den Drehungswinkel w der Kurbel: ξ = r sin w – (r² sinw²)/2l oder „wenn das Excenter um den Winkel δ voreilt ξ = r sin (w + δ) – [r² sin (w + δ)²]/2l. Das letzte Glied dieser Gleichung ist das von Prof. Zeuner sogenannte „Fehlerglied“. Er vernachlässigt dasselbe bei seinen weiteren Operationen, indem er annimmt, daß r, der Radius der Excentricität, gegen l, die Länge der Excenterstange, stets sehr klein, und der Werth dieses Gliedes dann für die Praxis verschwindend ist. Mit Hülfe der bleibenden, der Polargleichung zweier in ihren Polen sich berührenden Kreise identischen Gleichung, erhält man dann die bekannten Schieberkreise. Obgleich kurze Excenterstangen nach Möglichkeit zu vermeiden sind, so lassen sich dieselben doch zuweilen bei der Construction von Dampfmaschinen, angesichts wesentlicher Vortheile die man erreichen kann, nicht gut umgehen. Fig. 1 zeigt einen solchen Fall. Es kommt das hier skizzirte System jetzt mehrfach in Aufnahme, indem es vor dem gewöhnlichen Systeme horizontaler Dampfmaschinen zwei wesentliche Vortheile bietet, nämlich: 1) Ersparniß an Raum, und somit Ersparniß an Material, und 2) größere Festigkeit bei sonst gleichen Dimensionen, indem es selbst bei stärkeren Maschinen noch zuläßt, den Fundamentrahmen in einem Stück zu gießen. Bei der vom Constructeur dieser Maschine gewählten Anordnung ist die Länge der Excenterstange gleich 13 1/2'', während der Radius der Excentricität, welcher im vorliegenden Falle gleich der Breite des Dampfcanales ist, gleich 1 1/2'' ist. Man sieht leicht, daß für diese Dimensionen das Fehlerglied eine nicht mehr zu vernachlässigende Größe wird, und das Zeuner'sche Diagramm so ohne Weiteres nicht mehr angewandt werden darf. Es soll hier nun ausgeführt werden, wie man dasselbe mit Hülfe einer leicht zu bewerkstelligenden Nebenconstruction auch zur Construction von Steuerungen mit verhältnißmäßig kurzen Excenterstangen benutzen kann. Denken wir in der Gleichung: ξ = r sin (w + δ) – [r² sin (w + δ)²]/2l gemäß der rechten Seite derselben den Schieberweg aus Theilen ξ₁ und ξ₂ bestehend und zwar so, daß ξ₁ = r sin (w + δ) und ξ₂ = [r² sin (w + δ)²]/2l, daß also ξ = ξ₁ – ξ₂ so erhalten wir ξ₁ unmittelbar aus dem Diagramme, während ξ₂ in einer eigenthümlichen Abhängigkeit von ξ₁ steht. Betrachten wir nämlich die obige Gleichung für ξ₂ genauer und fassen dieselbe auf als ξ₂ = [r sin (w + δ)]²/2l so ist dieß nichts anderes als ξ₂ = ξ₁²/2l oder 2l . ξ₂ = ξ₁² d.h. der für einen beliebigen Drehungswinkel der Kurbel dem Diagramme entnommene Schieberweg ist die mittlere Proportionale zwischen der doppelten Länge der Excenterstange und dem Fehlergliede für denselben Drehungswinkel. Hiernach kann man nun die Größe des Fehlers auf folgende Weise finden: In Fig. 2 ist AB gleich 2l, gleich der doppelten Länge der Schieberstange; errichtet man jetzt in B eine Normale BC und macht dieselbe gleich dem Wege ξ₁ des Schiebers, wie ihn das Zeuner'sche Diagramm für den in Frage stehenden Drehungswinkel der Kurbel angibt, zeichnet dann denjenigen Kreis, dessen Peripherie durch die Punkte A und C geht und dessen Mittelpunkt in der Linie AB sich befindet, so ist BD der Werth des Fehlers, denn: AB . BD = BC² 2l . BD = ξ₁² BD = ξ₂/2l BD = [r² sin (w + δ)²]/2l mithin BD = ξ₂ Zieht man nun BD von dem im Diagramme erhaltenen Schieberwege ab, so gibt die Differenz den wahren Schieberweg für die betreffende Kurbelstellung. Diese Construction ist des großen Kreises wegen, den man schlagen muß, etwas unbequem und nicht gut mit der erforderlichen Schärfe auszuführen, auch kommt es weniger darauf an, den Werth des Fehlers als direct den wahren Schieberweg zu finden. Deßhalb gebe ich in Fig. 3 eine leicht auszuführende Construction des letzteren. Es ist in Fig. 3 wieder AB = 2l, und die in B errichtete Normale BF = ξ₁ gemacht, verbindet man nun die beiden Punkte A und F, trägt von B aus auf AB das Stück BD = BF = ξ₁ ab, und errichtet in D auf AB eine zweite Normale, so ist das Stück DC derselben, welches in die Ebene des Winkels FAB fällt, gleich dem wahren Schieberwege. Da CD parallel BF ist, verhält sich nämlich: AB : AD = BF : CD AB : ABBD = BF : CD 2l : 2l – ξ₁ = ξ₁ : CD 2l : 2lr sin (w + δ) = r sin (w + δ) : CD Textabbildung Bd. 150, S. 244 CD = ξ gleich dem wahren Schieberwege für den Drehungswinkel w. Die folgende Aufgabe wird die Anwendung dieser Hülfsconstruction in Verbindung mit dem Zeuner'schen Diagramme zeigen. Es ist in dem in Fig. 1 angedeuteten Systeme eine Dampfmaschine mit Meyer'scher variabler Expansion zu construiren; dazu ist die Länge der Excenterstange = 13 1/2'', die Breite der Dampfcanäle = 1 1/2'' und der Voreilungswinkel vom Hauptexcenter = 15° gegeben. Der bequemeren Abmessung wegen wollen wir unserer Construction als Maaßeinheit 1/20 Zoll zu Grunde legen. Wir wollen uns darauf beschränken die nachstehenden drei Hauptfragen zu beantworten: 1) ? Radius des Vertheilungsexcenters. 2) ? Radius und Voreilungswinkel vom Expansionsexcenter. 3) ? Expansionsscala bei Absperrung nach 1/6, 2/6, 3/6, 4/6 und 5/6 des Hubes. Auflösung. ad 1. In Fig. 4 tragen wir an eine beliebige Linie AE die gegebene Canalbreite = AB = 30 (Maaßeinheiten) unter dem Winkel δ = 15° an, fällen von B eine Normale BC auf AE, schlagen aus B mit dieser Normale als Radius den Bogen CD, und verbinden die beiden Punkte C und D durch eine Gerade, ziehen wir dann durch den Punkt B eine Parallele mit CD, und errichten in dem Schnittpunkte E derselben auf AE die Normale EF, so ist AF = r = 41 der Radius des Vertheilungsexcenters. ad 2. Sind Fig. 5 OX und OY die Coordinatenachsen des Diagrammes, und tragen wir an OY unter dem Winkel δ = 15° den gefundenen Werth für r = 41 an, halbiren r, und schlagen aus dem Halbirungspunkte mit r/2 als Radius den Kreis l, so ist dieß der Schieberkreis für den Vertheilungsschieber. Nehmen wir nun das Voreilen VP₀ auf der Dampfseite gleich 1 1/2 an, so erhalten wir für die äußere Ueberdeckung den Werth OV= 9. Schlagen wir ferner aus O mit OV₀ einen Kreis, und ziehen durch O und den Durchschnittspunkt Vg dieses Kreises mit dem Kreise I die Gerade OG, so gibt dieselbe die Lage des Durchmessers vom Hülfsschieberkreise III an; nehmen wir die Größe dieses Durchmessers = OZg = 38 an, halbiren dann OZg und schlagen aus dem Halbirungspunkte mit OZg/2 als Radius einen Kreis, so ist dieß der Hülfsschieberkreis III selbst. Construiren wir weiter das Parallelogramm, dessen eine Seite OZg und dessen Diagonale OD ist, so erhalten wir in der Seite OD₀, desselben Richtung und Größe des Radius vom Expansionsexcenter, und zwar ist OD₀ = r₀ = 48 und Winkel YOD₀ = Winkel δ₀ = 65°. ad 3. Bei einem Verhältnisse zwischen Kurbel und Bleuelstange gleich 1: 5 sind OR₁, OR₂, OR₃, OR₄ und OR₅ die bezüglichen Kurbelstellungen für 1/6, 2/6, 3/6, 4/6 und 5/6 des Hubes. Die Expansionsscala erhalten wir nun in der Längenverschiedenheit der Radiusvectoren des Kreises III, welche mit den betreffenden Kurbelstellungen zusammenfallen. Tragen wir in bekannter Weise die Längen der betreffenden Radiusvectoren auf OX auf, so erhalten wir in ZG die vollständige Expansionsscala vom Abschluß beim Beginn des Hubes mit den zwischenliegenden Sechsteln bis zur Expansionsgränze, d.h. bis zu der Kurbelstellung, bei welcher beide Schieber gleichzeitig den Dampfeintrittscanal abschließen. Wir müssen diese Scala nun, bevor sie für die Praxis brauchbar ist, auf ihren wahren Werth reduciren, es geschieht dieß folgendermaßen: In Fig. 6 ist AB = 2l = 26 Zoll gemacht. Errichten wir jetzt in B eine Normale, und tragen auf derselben oberhalb diejenigen Theilpunkte der Scala ab, welche im Diagramme rechts von O, und unterhalb die, welche links von O liegen, verbinden jeden der Theilpunkte F₀, F₁, F₂... Fg mit A, und verfahren mit jeder einzelnen Größe der auf diese Weise neu gebildeten Scala so, wie wir in Fig. 3 speciell ausgeführt haben, und projiciren die hierdurch erhaltenen Punkte C₀, C₁, C₂... Cg auf die Gerade MN, so erhalten wir in dieser eine neue Scala, deren Genauigkeit unter allen Umständen für die Praxis ausreichend ist.

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Tafel Tab.
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