Titel: | Einige Bemerkungen über das submarine Boot des Hrn. Wilhelm Bauer; von M. H. Jacobi. |
Fundstelle: | Band 150, Jahrgang 1858, Nr. LXIV., S. 249 |
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LXIV.
Einige Bemerkungen über das submarine Boot des
Hrn. Wilhelm Bauer; von
M. H.
Jacobi.
Aus dem Bulletin physico-mathématique de
l'Académie de Saint-Pétersbourg, t. XVII p.
101.
Jacobi, über das submarine Boot von Bauer.
In der Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 19. März wurde in
Folge einer Bitte des Hrn. W.
Bauer eine aus den HHrn. Akademikern Lenz, Tschébyscheff und dem Unterzeichneten
bestehende Commission ernannt, welche in der Sitzung vom 9. April einen
hauptsächlich die hydrostatischen Bedingungen betreffenden Bericht über ein von dem
Genannten construirtes submarines Boot erstattete, von welchem der Erfinder der
Akademie eine bereits von demselben zurückgenommene Zeichnung vorgestellt hatte. Der
Unterzeichnete erlaubt sich nachträglich, einige allgemeine Bemerkungen über diesen
Gegenstand der Classe vorzulegen.
Es ist bekannt, daß schon von vielen Seiten Versuche angestellt worden sind, eine
submarine Navigation herzustellen, daß aber diese Versuche aus Gründen scheitern
mußten, welche, obwohl entgegengesetzter Natur, dennoch denen analog sind, welche
sich den aeronautischen Bestrebungen entgegensetzen. In beiden Fällen ist das
Problem des Auf- und Niedersteigens, und sich unter mäßigen Oscillationen in
beinahe derselben Höhe Erhaltens leicht gelöst worden; in beiden aber sind die
möglicher Weise zur Verwendung kommenden Triebkräfte unzureichend gewesen eine
horizontale Fortbewegung in bestimmter Richtung mit einiger Geschwindigkeit zu
unterhalten. Auch der verstorbene General-Adjutant Carl Andreitsch Schilder hat bei seinen vor etwa 20 Jahren angestellten
Versuchen genau durch dieselben Mittel wie Hr. Bauer ein Auf- und Niedersteigen seines
submarinen Bootes, aber ebenfalls keine namhafte Fortbewegung desselben, bewirken
können. Jedoch waren, sowohl wegen der geringern Dimensionen des Schilder'schen Bootes, als auch wegen der mangelhaften
Ausführung aller dazu gehörigen Mechanismen, selbst die verticalen Bewegungen des
letztern viel unvollkommener, als sie nach den Berichten beim
Bauer'schen Boote gewesen zu seyn scheinen. Da, wie man
weiß, ein im Wasser schwimmender Körper ein labiles Gleichgewicht besitzt, so daß
ein genaues Verharren auf derselben Tiefe unter dem Wasserspiegel streng genommen
nicht zu erreichen ist, so darf es nicht wundern – die Dichtigkeit der
Wasserschichten als gleichförmig vorausgesetzt – auch den massenhaftesten im
Wasser schwebenden Schiffskörper durch Hinzufügung oder Hinwegnahme des möglich
kleinsten Gewichts zum Sinken oder Steigen gebracht zu sehen. Auch bieten die
Resultate der Bauer'schen Versuche, so weit ich mich
deren erinnere, in dieser Beziehung keinerlei Anomalie dar, und hätten sich, wenn es
darauf angekommen wäre, ziemlich genau vorher berechnen lassen. Mehr Interesse als
die verticalen Bewegungen bietet die horizontale Fortbewegung dar, in deren
Berechnung wir etwas näher eingehen wollen.
Es sey F der Widerstandsquerschnitt des submarinen
Bootes, v dessen Geschwindigkeit in Fußen, ε ein der Erfahrung entlehnter
Widerstandscoefficient und γ das Gewicht eines Kubikfuß Wasser, so haben wir
für die mechanische Arbeit T, welche erforderlich ist,
das Boot in stillstehendem Wasser mit der Geschwindigkeit v
pro Secunde fortzuziehen,
T = (εFγv³)/2g. (1)
Setzen wir die mechanische Arbeit eines Menschen in der Secunde = p, so sind zu der genannten Arbeit N Menschen erforderlich, wo
N = T/p = (εFγv³)/2gp. (2)
Wir ersehen zunächst aus dieser Formel, daß unter gewöhnlichen Umständen, wenn
nämlich von dem zum Unterhalte der N Arbeiter
erforderlichen Luftquantum abstrahirt wird, die Arbeiter sich wie die Cuben der
Geschwindigkeiten verhalten.
Uebereinstimmend mit der Angabe des Hrn. Bauer ist F = 105 Quadratfuß. Setzt man
nun γ = 70 Pfd., 2g =
64', ε = 0,1 und p = 15, d.h. 15 Pfd. in 1'' auf 1 Fuß Höhe
gehoben, so erhält man
N = 49/64 v³. (3)
Da die Arbeiter sich im Innern des Bootes in einem beschränkten Räume befinden, durch
mannichfache Arbeitsmechanismen auf eine Propeller-Schraube zu wirken haben
und durch diese letztere selbst ein bedeutender Verlust an Arbeit veranlaßt wird, so
haben wir p = 15 Fußpfund gewiß nicht zu niedrig
angeschlagen, wobei wir selbstverständlich voraussetzen, daß nicht von einer
momentanen Kraftanstrengung, sondern von einer mehrere Stunden anhaltenden, nicht erschöpfenden
Arbeit die Rede ist.
Aus der obigen Formel geht nun hervor, daß eine Geschwindigkeit des Bootes von 1' pro Secunde nicht einmal die volle Kraft eines
Arbeiters in Anspruch nimmt; zu einer Geschwindigkeit
von 2'
sind aber
6 Arbeiter,
„ 3'
„
21 „
„ 4'
„
49 „
„ 5'
„
96 „
und nicht 4 Arbeiter, wie erwartet wurde, erforderlich. Eine
solche Arbeiterzahl hätte das Boot nur mit einer Geschwindigkeit von 1',735 oder etwa 1 3/4 Werst in der Stunde forttreiben
können. Nach den Berichten hat das submarine Boot des Hrn. Bauer durch 4 Arbeiter eine Geschwindigkeit von
1 1/2 Werst in der Stunde in der That erreicht, eine Geschwindigkeit, die indessen
nur berechnet worden ist, da das Boot nie wirklich 1 1/2 Werst hintereinander
zurückgelegt hat. Wenn wir auch nicht wissen, ob zur Erlangung dieses Resultates
eine besondere Kraftanstrengung oder nur eine gewöhnliche Arbeit aufgeboten wurde,
die wohl mehrere Stunden hintereinander hätte fortgesetzt werden können, so erlangen
wir doch durch diesen Versuch die Ueberzeugung, daß wir den obigen, andern
Erfahrungen entnommenen Coefficienten ε/p =
0,1/15 keinenfalls zu nachtheilig für die Beurtheilung des Bauer'schen Bootes, aber eher noch etwas zu vortheilhaft angenommen haben.
Da nach der Angabe des Erfinders ein Luftraum von 3060 Kubikfuß für 14 Menschen
während 7 Stunden hinreichte, um ohne Beschwerde athmen zu können, so hätten die
einer Geschwindigkeit von 5' entsprechenden 96 Arbeiter
auch nur etwa eine Stunde in diesem Boote leben können, aber schwerlich Raum oder
Mittel zur Anwendung ihrer Arbeitskraft und zur Concentrirung derselben auf die
Welle des Propellers gefunden.
Um die allgemeinen Bedingungen festzustellen, welchen die Fortbewegung solcher
submarinen Boote unterliegt, wollen wir annehmen:
1) das Boot sey ein Ellipsoid, entstanden durch Umdrehung seines
elliptischen Längendurchschnitts um dessen große Achse, welche wir durch nx bezeichnen, wenn wir die kleine Achse = x setzen. Der Inhalt eines solchen Ellipsoids ist
bekanntlich = 1/6 πnx³;
2) daß der innere Raum des Bootes ein Luftquantum Q enthalten müsse, das, ohne erneuert zu werden, für 5
Stunden hinreicht zur Unterhaltung einer Arbeiterzahl N, die erforderlich
ist, das Boot mit der Geschwindigkeit v
fortzutreiben.
Setzen wir den Verbrauch an Luft für jeden Arbeiter pro
Stunde = q, so haben wir
N = Q/τq = nx³π/6τq (4)
und
N = (εγFv³)/2gp =
εγ/2gp . x²π/4 . v³. (5)
Behalten wir für ε, γ, g die oben
angenommenen Werthe bei und setzen εγ/2g = 7/64, so erhalten wir
x = 21/128 . τq/pn
v³ (6)
und
N = (7.21²)/(2.128³) . π.(τq)²/(p³n²) v⁹. (7)
Diese Formeln zeigen uns, daß der Durchmesser des Querschnittes, dem Cubus und die
Anzahl der Arbeiter der 9ten Potenz der Geschwindigkeit proportional ist.
In dem Bauer'schen Boote kamen, wie wir oben gesehen
haben, 3060/14.7 = 31,2 Kubikfuß Luft pro Stunde auf
jeden Menschen, was für die Zeit von 8 Stunden, welche das Boot unter Wasser
verweilen sollte, ohne einer Lufterneuerung zu bedürfen, 250 Kubikfuß ausmacht.
Indessen müssen wir berücksichtigen, daß sich im Räume des Bootes noch
Wasserreservoirs, Maschinen und andere Gegenstände befinden, daß ferner zu den
Nebenarbeiten, die nichts mit der horizontalen Fortschaffung des Bootes gemein
haben, noch eine Anzahl Arbeiter erforderlich sind, die ebenfalls in dem Boote leben
müssen, daß endlich bei angestrengten Arbeiten der Athmungsproceß beschleunigt wird;
wenn wir also für jeden unserer N Arbeiter, statt 250
Kubikfuß, 300 Kubikfuß Luft in Anspruch nehmen, so ist das gewiß keine übertriebene
Anforderung. Setzen wir nun in den obigen Formeln (6) und (7) rq = 300, p = 15 Fußpfund, wie oben, und für
das Verhältniß der Länge des Bootes zu seinem größten Querschnitte n = 5, so erhalten wir
x = 21/128 . 4v³ (8)
und
N = (7.21²)/(2.128³) . 16π/15 . v⁹, (9)
wonach die folgende Tabelle berechnet ist, welche die den
verlangten Geschwindigkeiten entsprechenden Dimensionen des Bootes und die zur
Fortbewegung desselben erforderliche Arbeiterzahl enthält.
Geschwindigkeit des Bootespro Secunde.
Durchmesser des Bootes in Fußen.
Längedesselben.
Anzahl derArbeiter.
3
17,7
88,5
48
4
42
210
647
5
82
410
4817
Aus den obigen Formeln ergibt sich übrigens, daß wenn man dem Boote 7', 7 Durchmesser und 38',5
Länge gegeben hatte, 4 Arbeiter hinreichend gewesen wären, dem Boote eine
Geschwindigkeit von etwa 2 1/4 Werst in der Stunde zu ertheilen, daß aber schon 10
Menschen und ein Boot von 12',7 Durchmesser und 63',5 Länge erforderlich gewesen wären, um eine
Geschwindigkeit von 2 1/2 Werst in der Stunde zu erlangen.
Hätte Hr. Bauer damit
angefangen, die wichtigsten bei der submarinen Navigation vorkommenden Bedingungen
einer soliden Berechnung zu unterwerfen oder unterwerfen zu lassen, so hätte er
sicherlich keine übertriebenen, mit der Natur der Dinge unverträglichen
Anforderungen an dieselbe gestellt. Er hätte sich begnügt, statt 8 Stunden nur 4
Stunden unter dem Wasser verweilen zu wollen, und nur eine, für alle submarinen
Zwecke hinlängliche Geschwindigkeit von 3 Werst in der Stunde in Aussicht gestellt.
Ein solches sehr beachtungswerthes Resultat wäre mit geringern Kosten durch ein Boot
von 9' Durchmesser und 45'
Länge und bei Anwendung von 12 statt 4 Arbeitern vielleicht erreicht norden. Sein
Project wäre wenigstens theoretisch gerechtfertigt gewesen, wenn auch wegen
unvorhergesehener Umstände das Resultat hinter den Erwartungen zurückgeblieben wäre.
Es kommt häufig vor, daß besonders bei neuen Unternehmungen die praktischen
Resultate den auf Berechnung gegründeten Erwartungen nicht entsprechen, sehr selten
aber ist ein Gelingen zu erwarten, wenn ein Unternehmen schon vorher von der Theorie
verurtheilt wird. Als Fälle, welche in die letztere Kategorie kommen, werden
gewöhnlich
Fulton's Project zur Dampfschifffahrt und die vorher
vielfach bestrittene Anwendbarkeit von Locomotiven auf Eisenbahnen angeführt. In
unserm Falle läßt es sich aber, auch ohne vorhergegangenen Versuch, voraussehen, daß auf die submarine Navigation verzichtet werden müsse, wenn
als Triebkraft Menschenkräfte angewendet werden sollen, und wenn man auf einem
8stündigen Aufenthalt unter Wasser ohne Lufterneuerung und auf einer
Geschwindigkeit von 5 Werst in der Stunde bestehen will.