Titel: | Ueber einen englischen Trockenapparat für Garne; von Prof. C. H. Schmidt in Stuttgart. |
Fundstelle: | Band 150, Jahrgang 1858, Nr. LXX., S. 266 |
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LXX.
Ueber einen englischen Trockenapparat für Garne;
von Prof. C. H.
Schmidt in Stuttgart.
Aus dem württembergischen Gewerbeblatt, 1858, Nr.
46.
Schmidt, über einen englischen Trockenapparat für
Garne.
Das Trocknen des in Färbereien, Bleichereien, Flachsspinnereien, Zwirnereien u.s.w.
auftretenden nassen Garnes bewirkt man bisher, zur Zeit feuchten und kalten Wetters,
in großen geheizten Räumen (Trockenhäusern), in denen das Garn in Strähnen auf
hölzernen Stangen aufgehängt wird. Diese Methode verursacht wegen der erforderlichen
großen Räumlichkeiten bedeutende Anlagekosten; sie ist im Betriebe sowohl
umständlich als kostspielig, und gibt vielfache Veranlassung zur Entstehung von
Feuersbrünsten. Die übrigen bisher angewandten Trockenvorrichtungen, als der
Hydroextracteur (Centrifugal-Trockenmaschine), die Ausringmaschine u.s.w.
können für Garne nur nebenbei zur Beschleunigung des Trocknens Anwendung finden;
aber das Trockenhaus können sie nie ersetzen, da sie nicht im Stande sind, dem Garne
denjenigen Grad von Trockenheit zu geben, welcher für dessen weitere Aufbewahrung
erforderlich ist.
In neuerer Zeit hat man in mehreren deutschen Etablissements Garntrockenapparate aus
England bezogen, wodurch nicht nur die umfangreichen Trockenhäuser ganz entbehrlich
gemacht werden, sondern auch die Arbeitsweise bedeutend vereinfacht und der ganze
Proceß außerordentlich beschleunigt wird. Die Anwendung dieser Apparate bedingt aber
das Vorhandenseyn eines Dampfkessels in dem betreffenden Etablissement.
Dieser englische Garntrockenapparat besteht aus drei Theilen, welche in drei Etagen
senkrecht übereinander angebracht sind. Im Parterre steht der Apparat zur Erzeugung warmer Luft, in der ersten Etage befindet sich der
zur Aufnahme des zu trocknenden Garnes dienende Trockenkasten und in der zweiten Etage ist der Schlot nebst Ventilator zur Ansaugung und Fortführung der feuchten Luft
angebracht.
Der Apparat zur Erzeugung warmer Luft besteht aus einem
aufrecht stehenden cylindrischen Kessel von 9' Höhe und
4' Durchmesser, welcher nach Art der
Locomotivkessel mit 115 Stück ebenfalls senkrecht stehenden Röhren von circa 2'' Durchmesser
versehen ist. Die unteren Oeffnungen dieser Röhren stehen in Verbindung mit der
Atmosphäre, während die oberen Oeffnungen in den Trockenkasten münden, in den Kessel
selbst wird Dampf von 110–115° C. eingeführt, welcher die Räume
zwischen den Röhren anfüllt und die Erwärmung der durch die Rohre streichenden
atmosphärischen Luft bewirkt.
Der Trockenkasten ist ein hölzerner viereckiger Kasten von
circa 5' Höhe; sein
horizontaler Querschnitt bildet ein Rechteck, dessen eine Seite durch die
Weifenlänge des zu trocknenden Garnes bestimmt wird, während die andere willkürlich
gewählt werden kann. Für Leinengarn mit 2 Yards Weifenumfang bildet der Kasten im
Grundriß ein Quadrat von circa 5/4 Yards Seitenlänge.
Zur Aufnahme des Garnes dienen hölzerne, aus quadratischen Pfosten von 2 1/2 Zoll
Seite, gebildete Rahmen von rechteckiger Form, deren äußere Dimensionen um etwa 1'' kleiner sind, als die im Lichten gemessenen
horizontalen Dimensionen des Trockenkastens. In jedem Rahmen befinden sich in einer,
der halben Weifenlänge entsprechenden Entfernung, zwei geriffelte, aus Weißblech
hergestellte Cylinder von 1'' Durchmesser, deren Achsen
in entsprechenden Schlitzen der Rahmenpfosten so gelagert sind, daß die Cylinder
selbst mit Leichtigkeit eingelegt und herausgenommen werden können. Die Garnsträhne,
12 bis 15 an der Zahl, werden über diese beiden Blechcylinder gelegt und dadurch in
horizontaler Ebene ausgespannt.
Diese mit Garn bespannten Rahmen werden im Trockenkasten über einander geschichtet,
so daß sie den ganzen inneren Raum ausfüllen und das eingespannte Garn der Wirkung
der von Unten einströmenden warmen Luft ausgesetzt wird. Die weitere Einrichtung ist
nun so getroffen, daß der unterste Rahmen herausgezogen, hierauf die ganze übrige
Rahmenschicht um die senkrechte Höhendimension eines Rahmenpfostens, also 2 1/2
Zoll, gesenkt und in den dadurch oben gebildeten leeren Raum ein neuer, mit feuchtem
Garne bespannter Rahmen eingelegt werden kann. Zu diesem Zwecke sind im höchsten und
tiefsten Punkte des Kastens Thüren von angemessenen Dimensionen angebracht; es ist
außerdem noch ein besonderer, durch einen Hebel in Thätigkeit zu setzender
Mechanismus vorhanden, mittelst dessen einige Riegel in den inneren Raum des Kastens
geschoben werden, welche zu dem Zeitpunkte, wo der unterste Rahmen ausgezogen werden
soll, die ganze über demselben liegende Rahmenschicht
abfangen und am Herabsinken hindern, wodurch der unterste Rahmen von dem Druck der
darüber befindlichen Schicht befreit wird und so mit Leichtigkeit entfernt werden
kann. Eine entsprechende Hebelbewegung senkt hierauf die ganze Rahmenschicht um 2 1/2
Zoll, so daß der untere Rahmen wieder auf dem Boden aufruht und oben Raum zum
Einbringen eines neuen Rahmens hergestellt wird. Das Herausziehen und Einlegen der
Rahmen geht abwechselnd vor sich, innerhalb derjenigen Zeiträume, welche zum
Aus- und Einspannen des Garnes erforderlich sind.
Der Schlot bildet die Fortsetzung des Kastens. Seine
Querschnittsdimensionen vermindern sich mit der Höhe und an der oberen Mündung ist
ein Ventilator von circa 4'
Durchmesser angebracht, welcher die feuchte Luft ansaugt und fortführt.
Der Apparat wird von 3 Mädchen bedient und trocknet täglich 25–30 Centner
Garn. Der Ankaufspreis in England beträgt 185 Pfd. Sterl., so daß seine Beschaffung
für eine Fabrik in Deutschland sich auf circa 200 Pfd.
Sterl. = 2400 fl. belaufen dürfte.Zur Ertheilung weiterer Auskunft und zur Beschaffung von derartigen Apparaten
können genannt werden: Hr. Robinson, Flachsspinnereidirector in Hirschfelde bei Zittau
und Hr. Gustav Hirt,
Flachsspinnereidirector in Liebau in Schlesien.