Titel: | Zur Theorie der Bierbrauerei, in Bezug auf Mulder's Chemie des Bieres; von G. E. Habich. |
Autor: | G. E. Habich |
Fundstelle: | Band 150, Jahrgang 1858, Nr. LXXXI., S. 300 |
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LXXXI.
Zur Theorie der Bierbrauerei, in Bezug auf
Mulder's Chemie des
Bieres; von G. E.
Habich.
Habich, zur Theorie der Bierbrauerei.
II.Fortsetzung von S. 230 dieses
Bandes.
Das Malzen
ist ohne Zweifel der Theil der Bierbraupraxis, bei welchem
die Theorie bisher noch so gewaltig „grau“ war, daß die
Praxis allein das Feld behauptet hat. Und wie verschiedenartig ist diese Praxis?
Daß ein Fortschritt in der Malzbereitung möglich und mit großem Erfolge
durchzuführen ist, davon habe ich mich in den letzten Jahren überzeugt; aber ich
bin auch zu der Einsicht gelangt, daß man sofort den ganzen Chorus der
praktischen Mälzer (die auf ihre Kunst nicht wenig stolz sind) gegen sich haben
und vorläufig Aerger genug ernten würde. Da will ich also dermalen mich damit
begnügen, bei der Besprechung dieses Capitels der Theorie so viel als möglich
praktische Seiten abzugewinnen.
Mulder vergleicht (S. 108 Anm.) das Malzen des
Getreides mit dem Keimen der Samenkörner im Boden und findet dabei zwei
wesentliche Unterschiede:
1) Im Boden muß das Samenkorn die Feuchtigkeit in der
Regel langsam an sich ziehen und wird nie so durch
und durch feucht wie beim Malzen. Mulder knüpft daran
die Frage: ob man – da doch das Keimen im Boden vollständig sey –
wirklich wohl daran thut, das Getreide so vollständig zu erweichen, bevor man es
keimen läßt? Die Antwort hierauf findet sich S. 116, wo er die rationellere
Methode des Besprengens vermittelst einer Gießkanne beschreibt.
2) Beim Malzen entsteht durch das Haufenführen eine Temperaturerhöhung, was bei dem Saatgut im Boden gar nicht eintreten
kann; daß diese Temperatursteigerung aber lediglich eine durch die
Beschleunigung für den Verbrauch gebotene Praxis ist, die sehr unliebsame Folgen
mit sich führt, – das hat Mulder nicht gehörig
hervorgehoben. Es hätte namentlich die Praxis der Schotten, welche mit Recht in
dem Rufe der sorgfältigsten Mälzer stehen, voran gestellt werden müssen, wornach
die Temperatur der Malzhaufen auf höchstens 55° F. (10° 1/4 R.)
gehalten wird, um den Keimproceß möglichst zu verlangsamen und bis nahe an 20 Tage
hinzuschleppen. Dabei wäre denn auch noch zu erwähnen gewesen, daß man in
Schottland lediglich auf die richtige Entwickelung des Blattkeims – und nicht des
Würzelchens – Werth legt; der Blattkeim soll 4/5 der Länge des Korns
überschritten haben, ehe der Keimproceß unterbrochen wird. Das so bereitete Malz
besitzt die bedeutendste diastatische Wirkung. Sehr
richtig ist in dieser Beziehung die Bemerkung Mulder's (S. 122): „Man hält die
Länge des Würzelchens für ein sicheres Merkmal der in dem Getreidekorne
stattgehabten Veränderung, während sie doch nur ein sicheres Kennzeichen für
die in demselben erfolgte Cellulosebildung ist,
womit jedoch die Bildung der sogenannten Diastase nicht nothwendig
vollkommen gleichen Schritt zu halten braucht.“ Die Erfahrung
bestätigt das auch vollkommen, – bei rasch gewachsenem Gerstenmalze ist
der Wurzelkeim 1 1/2mal so lang wie das Korn, und der Blattkeim oft kaum bis zur
Hälfte vorgedrungen, bei langsam gewachsenem Malz dagegen ist, bei derselben Entwickelung des Würzelchens, der
Blattkeim dem Durchbruch nahe. Und in gleichem Verhältniß ist die diastatische
Wirkung umfassender.
Der Verlust, welcher beim Einweichen durch das
Auslaugen entsteht, ist durch Aschenanalysen von Veltman und Mösman festgestellt, –
er ist sehr unbedeutend, so z.B. ist der Kaligehalt um 6 Proc. vermindert, die
Phosphorsäure unversehrt geblieben und der Kalkgehalt gestiegen.
Den Gesammtverlust, welcher durch das Malzen erwächst, hat Mulder nach den Versuchen des Dr. Thomas
Thomson zu 8 Proc. angegeben, – doch fehlt
dabei die weitere Notiz Thomson's, daß die Art der Gerste auf die Größe des Verlustes
sehr influire und daß die dickhülsige sechszeilige Gerste (Big der Engländer) beim Malzen einen Verlust von
durchschnittlich 15 Proc. erleidet. Diese Differenz, welche durch die Art der
Gerste hervorgerufen ist, documentirt sich auch in den
Volum-Verhältnissen des Malzes, – während 100 Maaß gewöhnlicher
Gerste 109 Maaß Malz gaben, wurden von 100 Maaß Big
nur 100 1/2 Maaß Malz erhalten.
Der Verlust, welcher den Nutzeffect des Getreides für die Bildung des
Würzeextractes durchs Malzen betrifft, wird von Mulder nach Scheven's Analyse der Malzkeime (S. 124) bemessen. Er geht dabei
offenbar von der Voraussetzung aus, daß alle Eiweißkörper, die durch den Keimproceß in das Würzelchen gelangt sind, auch durch den Maischproceß in die Würze gelangt seyn
würden. Und diese Voraussetzung scheint mir unrichtig zu seyn. Ich verweise auf
meine deßfallsigen Untersuchungen in diesem Journal Bd. CXLVII S. 220, welche zu dem Schlusse
berechtigen, daß der Keimproceß wesentlich mit einer Zersetzung des Pflanzenfibrins (Mulder's Elastin) verbunden ist. Da nun
dieses Fibrin nach Mulder nur durch anhaltendes
Kochen lösliche Bestandtheile an die Würze abgibt (wozu nur bei der
Dickmaischbrauerei Gelegenheit ist), so ist der Verlust an Eiweißkörpern (durchs
Keimen) für die Würzebereitung kaum in Rechnung zu bringen.
Ueber die flüchtige Säure, welche sich neben der
Phosphorsäure im gekeimten Getreide entwickelt, erhalten wir durch Mulder keine entscheidenden Angaben, – er
stellt es in Frage, ob die Säure Essigsäure ist (nach Becquerel und Matteuci) oder nicht. Wären
die Untersuchungen Boussingault's, welche Mulder (S.
138) zwar citirt, aber nicht hoch in Anschlag bringt, – wären die
Resultate dieser Untersuchungen richtig, so könnte die auftretende Säure wohl
Ameisensäure seyn.
Die stofflichen Veränderungen, welche während des
Keimprocesses im Samenkorn vor sich gehen, bleiben nach wie vor ziemlich
unenthüllt. Mulder verweist uns (S. 144) auf die
demnächst erscheinende Zusamenstellung der Resultate der Versuche, welche Oudemans und Rauwenhoff
kürzlich über das Keimen der Samen angestellt haben. Wir werden deßhalb die
Besprechung dieses Themas in der Hauptsache bis nach der Veröffentlichung dieser
Arbeiten verschieben müssen und nur Einiges, was ganz feststeht, berühren.
Mulder theilt (S. 17 und 150) Analysen von roher
Gerste und Malz (sammt Keimen) mit, welche Oudemans
angestellt hat und die – wenn sie auch über die
„Eiweißkörper“ zu summarisch
hinweggehen – bezüglich der stickstofffreien
Bestandtheile einiges Interessante bieten. Es geht aus denselben hervor:
1) daß nur Spuren von Zucker im Malz enthalten sind, – die rohe Gerste
enthält gar keinen;
2) daß die Menge des schon in der Gerste enthaltenen Dextrins beim Keimen fast um
die Hälfte vermehrt wird;
3) daß die Menge des Stärkmehls fast um 1/7 vermindert wird, was mehr ist als der
Zunahme an Dextrin entspricht;
4) daß die übrigen abhanden gekommenen Stärkmehl-Mengen sich in
Zellenstoffe umgesetzt haben, welche sich bei der Constituirung der Malzkeime
betheiligten und deßhalb für die Bierbereitung
verloren sind;
5) daß sich die Eiweißstoffe im Malze vermehrt haben,
weil die stickstofffreien Substanzen sich verminderten. Diese „Vermehrung“
ist aber nicht wörtlich zu nehmen, – denn die
Versuche Scheven's weisen
ja auch einen Eiweißgehalt in dem Würzelchen nach (woher auch eine Pflanzenzelle ohne Eiweißkörper als Inhalt?) und um diesen war die
Gerste beim Keimen ärmer geworden.
Welche Bewandtniß es mit der sogenannten Diastase hat,
deren Erschaffung doch der Zweck des Malzens ist,
darauf kommt Mulder erst später zu sprechen. Voran
stellt er jetzt eine Verständigung mit dem Leser über die Umwandlungsproducte
des Stärkmehls.
Durch Einwirkung einer Temperatur von 196 bis 200° C. bildet sich aus dem
Stärkmehl das sogenannte Röstgummi. Balling hat
behauptet, daß die Auflösung dieses Röstgummis durch einen Malzauszug nicht verzuckert werden kann. Mulder findet(S. 172), „daß diese Umsetzung des Röstgummis
nur langsam und niemals vollständig von Statten geht.“ Das
geschieht nun freilich mit gewöhnlichem Stärkmehl auch
nicht vollständig. Um so auffallender ist der (S. 173) erwähnte Versuch und die daraus gezogenen Folgerungen.
Der Versuch war dieser: „Digerirt man Malzauszug bei 70 bis 75°
C. mit einer gleichen Menge desjenigen Malzauszuges, worin Röstgummi
aufgelöst ist, so wird man in Letzterem nach der Digestion noch etwas durch
Alkohol fällbares Gummi finden. Bestimmt man die Menge durch Kupferlösung,
so findet man stets so viel ZuckerAuch Röstgummi wird schließlich reducirt
(s. S. 177). weniger, als die angewandte Menge Röstgummi mehr hätte geben müssen,
als der bloße Malzauszug.“
Aus diesem Versuche erhellt:
1) daß – da auch der bloße Malzextract immer noch etwas durch Alkohol
ausfällbares Gummi hat – die Umwandlung des Röstgummis in Dextrin
keinenfalls von erklecklichem Belange war; – daß aber
2) die Zunahme des Zuckergehalts in dem Malzauszuge mit Röstgummi der Menge eben dieses Zusatzes entsprechend war, und daß also die Verzuckerung des Röstgummis keine
Schwierigkeiten hatte!
Mulder dagegen zieht folgenden Schluß:
„zeigt das Röstgummi noch die Jodreaction, so wird dasselbe
natürlich auch durch sogenannte Diastase in Zucker verwandelt; reagirt es indessen nicht mehr auf Stärkmehl, so kann
dasselbe auch durch sogenannte Diastase nicht mehr in Zucker übergeführt
werden.“ Da möchte man doch Hrn. Mulder um etwas Aufklärung bitten, –
ich gestehe, daß ich diese Folgerung nicht fassen kann.
Uebrigens ist das Röstgummi für die Theorie und Praxis der Bierbrauerei sicher
eine sehr uninteressante Substanz. Um es zu bilden,
ist eine Temperatur von 196 bis 200° C. erforderlich, – und die
Tabelle (S. 245) belehrt uns, daß das Malz in der Darre bereits bei 80°
C. schwarz wird. In der That wacht man z.B. in Bayern
mit Sorgfalt darüber, daß die Hitze der Darre nicht über 70° C. hinaus
geht, weil das Bier sonst eine zu dunkle Farbe und einen brenzlichen Geschmack
erhalten würde (vergl. auch Zierl, im bayerischen
Gewerbeblatt 1833, S. 789 etc.). Wo also soll sich nun eine Gelegenheit bieten
zur Bildung dieses Röstgummis? – Im Farbmalz mag's enthalten seyn, – im bloß gedarrten ist's sicher nicht. Daher bieten denn auch alle übrigen Folgerungen Mulder's über die Rolle, welche
das Röstgummi im Biere spielen soll, nicht das mindeste Interesse. – Die
Aenderung, welche beim Darren die dunkle Farbe
hervorruft, betrifft das Glutin. Wir kommen darauf beim Darren
zurück.
Aus den (S. 175 bis 177) zusammengestellten chemischen Reactionen erhellt, daß
das Röstgummi, das Dextrin durch Malzauszug hergestellt und das Dextrin
vermittelst Schwefelsäure gemacht – drei verschiedene Dinge sind, von
denen uns hier freilich bloß eins interessirt.
Für das von Balling sogenannte Dextrin, welches durch
Jod blau gefärbt wird, schlägt Mulder den Namen Amylo-Dextrin vor, behält jedoch in dem
vorliegenden Werke den Namen „Stärkmehl“ für diesen Uebergangskörper bei. Ich bitte den Leser, hiermit
meine Erfahrungen (in diesem Journal Bd.
CXLVIII S. 215 und 216) zu
vergleichen. – Interessant ist die (S. 180) in Erinnerung gebrachte
Beobachtung Proust's,
wonach das Stärkmehl aus gemalztem Getreide einen dünnflüssigen Kleister gibt, während das Stärkmehl
desselben, aber ungemalzten Getreides einen dicken Kleister bildet. Vielleicht wird aus dem
Stärkmehl während des Keimens jenes Dextrin Balling's? –
Interessant ist ferner die Angabe Mulder's (S. 181), daß Stärkekleister schon durch alleiniges fortgesetztes Kochen und ohne
Dazwischenkunft eines andern Stoffes zuerst in Dextrin und darauf in Fruchtzucker verwandelt wird!
Ueber die Menge von Fruchtzucker, welche dem Stärkmehl
durch die Umwandlung vermittelst Schwefelsäure entspringt, hat Mulder durch Oudemans
Versuche anstellen lassen. Bekanntlich müßten 100 trocknes Stärkmehl 111,11
trocknen Fruchtzucker geben. Saussure fand 110,15,
Brunner 107,01, – Balling aber behauptet aus
100 Stärkmehl nur 91,5 Theile Zucker erhalten zu haben. Oudemans erhielt aus 100 Kartoffel-Stärkmehl im einen Versuche 108,3, im
andern 109 Fruchtzucker! (s. S. 184).
Den Schluß dieses Capitels bildet eine Zusammenstellung von Thatsachen, welche
über das Wesen des Stärkmehl-Umbilders, der sogenannten Diastase, mehr Licht verbreiten soll, als die
bisherige Doctrin auszugeben vermochte. Mulder
bekämpft mit Glück die Annahme, daß eine eigenthümliche Substanz, welche durch den Keimproceß sich gebildet habe, den in Rede stehenden Stoffwechsel veranlasse und zu
Ende führe. Allein es ist ihm nicht gelungen, auf dem Wege der Analogie ein
besseres Verständniß einzuleiten. Seine Aufgabe formulirt er sich (S. 214) in
dem Satze: „Gelingt es uns, die Bedeutung von Diastase zu
verallgemeinern, wie dieß bei der Gährung der Fall ist, so hat die
Wissenschaft zwar die Diastase als eine eigenthümliche Substanz verloren,
allein auf der andern Seite dadurch gewonnen, daß an die Stelle von etwas
Speciellem nun etwas ganz Allgemeines getreten ist.“
Mulder zeigt uns nun an einer Reihe von Beispielen,
daß die Umbildung von Stärkmehl in Dextrin und Zucker stattfindet ohne Mitwirkung jenes Körpers, den man Diastase
nannte. Die wichtigeren mögen hier kurz erwähnt seyn.
„Läßt man Gerste unter Wasser weichen, so ist nach einiger Zeit
Dextrin darin entstanden, ohne daß noch die geringste Spur einer Keimung zu
bemerken ist.“ (S. 187.) Mulder
unterstellt hiernach, daß die „Bildung der sogenannten
Diastase“ von dem Augenblicke der anfangenden Befeuchtung des
Samens an beginnt (S. 188), – ja daß der ganze Keimproceß durch die
beginnende Umwandlung des Stärkmehls veranlaßt werde (S. 187).
Bringt man sogenannten Kleber aus Weizenmehl (das
Gemenge aus Glutin und Mulder's Elastin) mit Kartoffelmehlkleister und Wasser bei 65
bis 75° C. zusammen, so wirkt die Flüssigkeit auf die Kupferprobelösung
bedeutend reducirend, – während weder Stärkekleister noch der
Kleberextract eine Veränderung derselben herbeiführen (S. 205).
Weizenmehl wurde mit Wasser und trockener Hefe
angerührt und zwei Stunden an einen warmen Ort gestellt. Während sich die Masse
in voller Gährung befand, wurde sie mit Alkohol übergossen und filtrirt. Aus der
alkoholischen Lösung kann der Fruchtzucker in Substanz dargestellt werden. Wurde
aber ein solches Gemenge aus Mehl und Hefe sofort mit
Alkohol extrahirt, so wirkte diese Lösung kaum reducirend auf die
Kupferprobelösung (S. 212).
Magendie mengte einem Kleister frisches Blutwasser bei, und beobachtete, daß bei einer
Temperatur von 40° C. das Stärkmehl nach wenigen Augenblicken
verschwunden war und nach einer Viertelstunde Zucker und Dextrin nachgewiesen
werden konnten. Ebenso verhielt sich frisch aus einer Ader gelassenes Blut (S.
215).
„Setzt man Speichel zu einem steifen
Kleister, so sieht man letztem unter den Augen flüssig werden. Die
Untersuchung lehrt, daß zuerst Dextrin und darauf Zucker gebildet
wurde.“ – „Das Malz, welches nur 1/2 Proc.
Zucker enthält, ist durch seinen süßen Geschmack bekannt; die gemischte
Mundflüssigkeit ist es, welche das Dextrin augenblicklich in Zucker
verwandelt.“ (S. 227.)Auf dieser Wirksamkeit des Speichels beruht die eigenthümliche
Bierbrau-Methode der Bewohner der Westküste von Südamerika. Die
beste Sorte Maisbier (Chica) wird bereitet, indem ganze Gesellschaften
sich damit beschäftigen, gequellte und etwas gekeimte Maiskörner zu Brei
zu zerkauen; – diese Masse mit warmem Wasser angerührt, zur
Gährung gebracht und auf Krüge gezapft, soll nach einiger Zeit einen
sehr edlen Saft geben – für Liebhaber! u.s.w.
Da nun in allen den Substanzen, welche hier als Stärkmehl-Umbilder wirken,
jenes von Payen und Persoz
„Diastase“ genannte Ding nicht
enthalten ist, so streicht Mulder mit Recht besagte
Diastase aus der Wissenschaft der Chemie. Statt dessen versucht er folgenden
Ausweg.
„Im Allgemeinen ergibt sich demnach, daß eiweißartige Stoffe in bestimmtem Zustande der Zersetzung die
Eigenschaft besitzen, Stärkmehl in Zucker zu verwandeln. Die Wissenschaft
hat nun die Aufgabe, das genau zu bestimmen, was hier unter bestimmtem Zustande begriffen ist. Vollständig
bekannt wird uns keine Thätigkeit, also auch diese nicht.“ (S.
220.)
Ferner in Bezug auf das Experiment mit dem Speichel: „Hier ist eine
erregende Substanz zur Entstehung des Umbilders erforderlich, d.h. chemisch
ausgedrückt, Bestandtheile des Mundschleims und Speichels erzeugen in ihrer
Aufeinanderwirkung einen in molecularer Bewegung sich befindenden
Atomcomplex, welcher das Stärkmehl in seine Bewegung mit sich fortreißen
kann.“ (S. 228.)
Das stimmt so ungefähr mit dem Gedanken, welcher sich in meinem Hirne
auskrystallisirt hatte, als ich (in diesem Journal Bd. CXLVIII S. 217) hinter der Diastase
einen „revolutionären Stoffclub“ witterte. Freilich war's
auch nur das „Wort,“ was
„zur rechten Zeit sich einstellt!“ – Aber
registriren wir vorläufig nur Thatsachen, wie sie uns
Mulder in Menge gibt und suchen wir analoge neue aufzufinden, – so werden wir auch
schon die Brücke schlagen lernen, welche uns demnächst zu einer greifbareren Erklärung hinüber leitet.
Ueber die Veränderungen, welche die Eiweißstoffe des
Getreides beim Keimen erleiden, geben uns die
Analysen von Vlaanderen und Oudemans einigen Aufschluß. Es sind enthalten
in 100 Theilen:
Gerste
Gerstenmalz
Glutin
0,28
0,34
coagulirbare Eiweißstoffe
0,28
0,45
lösliche, nicht coagulirbare Eiweißstoffe
1,25
2,08
unlösliche Eiweißstoffe
7,59
6,23
––––––––––––––––
9,70
9,10
Durch das Malzen hat also die Menge des Glutins und der
löslichen Eiweißstoffe beträchtlich zugenommen auf Kosten der unlöslichen
Eiweißstoffe. Dieses Resultat bestätigt meine auf anderem (aber wie es
jetzt scheint nicht richtigem) Wege erschlossene
Ansicht (s. polyt. J. Bd. CXLVII S. 220), daß das Pflanzenfibrin das Material für die sogenannte Diastase geliefert
habe, wodurch denn auch das Auftreten der freien Phosphorsäure erklärlich ist.
Meine Voraussetzung, daß, wenn beide Glutenbestandtheile noch vorhanden seyen, sie auch in der Würze (eben wegen
des Phosphorsäuregehalts) wieder gefunden werden müßten, ist durch die obigen
Analysen widerlegt worden; – es sind noch eine Menge unlöslicher
Eiweißkörper „vorhanden,“ welche denn auch den Mastwerth
der Treber bedingen. Aber über die löslichen nicht
coagulirbaren Eiweißstoffe, deren Menge sich um 1/3 vergrößert hat, mag
noch Einiges zur Verständigung folgen. Ich lasse dabei meine Erfahrungen reden.
Das Glutin wird auf zweierlei Weise in die Reihe der
löslichen Eiweißkörper übergeführt, – durch längeres Erhitzen
bei Gegenwart von Feuchtigkeit und durch Verbindung mit Zucker. Der erste Weg
wird beim Darren des Malzes und beim Kochen des wässerigen Auszuges betreten,
den andern Weg bahnt die im Malz enthaltene geringe Zuckermenge an. Vielleicht
bildet auch das Dextrin mit dem Glutin eine lösliche Verbindung?
Hieran reiht sich das fünfte Capitel über
Trocknen und Darren des Malzes.
Da finden wir gleich Anfangs erwähnt: „Feuchtes Malz bräunt sich schon
bei 60° C., vorzüglich dadurch, daß der Fruchtzucker, unter der
Einwirkung der in Zersetzung begriffenen Stoffe, eine weiter gehende
Veränderung erleidet und zum Theil in einen humusartigen Körper verwandelt
wird.“ Daß diese Veränderung hauptsächlich das Glutin betrifft, liegt auf der Hand, – und es
könnte (nach Mulder)
allenfalls auch das Elastin zu Anfang des Darrens, wo
noch längere Zeit hindurch hinreichende Feuchtigkeit vorhanden ist, zu dem
löslichen Eiweißstoff einen geringen Beitrag liefern.
Den Beweis für diese Umwandlung des Glutins wollen wir aus dem von Mulder selbst gelieferten Material herbeiholen. Wir
finden auf S. 26 eine Zusammenstellung der Analysen von lufttrocknem, gedarrtem
und stark gedarrtem Malz, – Oudemans hat sie
gemacht. Ich entnehme denselben folgende Daten.
In 100 Theilen Malzsind enthalten:
lufttrocken.
gedarrt.
stark gedarrt.
Stärkmehl
47,3
51,2
43,9
Dextrin
6,5
5,8
9,4
Zucker
0,4
0,6
0,8
––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Wässeriger Auszug
11,0
17,0
21,0
Es ist daraus ersichtlich daß zu Anfang des Darrens kein Dextrin gebildet wird,
– erst beim starken Darren steigert sich der
Gehalt. Da nun aber gleich Anfangs der wässerige Auszug
von 11 auf 17 (also um 55 Procent) steigt und
andere lösliche Dinge nicht da sind, so müssen die unlöslichen Eiweißstoffe
eine Veränderung erfahren haben, kraft deren sie im Wasser löslich
werden!
Oudemans hat noch einen andern Versuch gemacht (Mulder führt ihn S. 254 an), aus welchem hervorgeht,
daß aus stark gedarrtem Malz 22 Proc. Extract erhalten wurden, wovon aber nur 14
Proc. durch Schwefelsäure verzuckert werden konnten, – 8 Proc. waren also
(da ja andere Substanzen ausgeschlossen sind) den Eiweißstoffen entnommen. Und
wenn Mulder (S. 255) sagt: „es wäre noch zu
untersuchen, welche Producte außer Röstgummi, einer Spur Caramel (denn viel
Zucker ist überhaupt nicht im Malze) und wahrscheinlich auch Apoglucinsäure,
gebildet werden“ – so möchte ich vor allen Anderen dieß
veränderte und löslich gewordene Glutin hier eingereiht wissen. Da diese
Umwandlung des Glutins stets erfolgt, wenn es längere Zeit mit Wasser zusammen
erhitzt wird, – da sie ferner auch schon bei einer Temperatur von
60° C. im feuchten Malz eintritt: so wird man das Product derselben
fortan nicht mehr (wie Mulder es noch thut) unter den
„Röstproducten“
aufführen können.
Der auch von Mulder erwähnte Umstand, daß ein größerer
Feuchtigkeitsgehalt des Malzes während der Darrtemperatur die Bräunung des Malzes befördert,
beruht aber auf der Veränderung des Glutins. Die Sache hat einen praktischen
Werth, der in den deutschen Malzereien meines Wissens noch nicht gekannt ist,
– in Schottland berücksichtigt man's genau und hat folgende Erfahrungen
gemacht.
Will man ein blasses Malz haben, so darf das feuchte
Malz Anfangs nur einer Temperatur von 32 bis höchstens 38° C. exponirt
werden, bis alle Feuchtigkeit verdunstet ist, dann
erst beginnt das eigentliche Darren, wobei ohne Nachtheil die Temperatur bis auf
77° C. steigen kann. Würde man das noch feuchte Malz einer rasch
gesteigerten Temperatur aussetzen, so tritt schon bei 57 bis 60° C. die
Bräunung ein.
Auf dieser Grundlage will auch Black das Wenden des Malzes
auf der Darre nicht dulden, wenn ein recht blasses Malz erzielt werden
soll. Natürlich kommt bei der gewöhnlichen Praxis des WendensDiese Vorsichtsmaßregel bezieht sich hauptsächlich auf einfache Darren, – bei Doppeldarren
ist der Unterschied weniger bemerkbar. – Ich will bei Gelegenheit
auf die vortreffliche Anwendung gußeiserner
Malzdarrplatten, wie ich solche in Nordamerika kennen lernte, verweisen.
Hr. Schlossermeister Fr.
Schmidt hierselbst (Cassel) läßt solche auf meine
Veranlassung anfertigen. das bereits abgetrocknete Malz über dem feuchten zu liegen und wird bei
der höhern Temperatur, welche es von den Darrplatten mitbringt, aufs Neue den
Wasserdämpfen des feuchten Malzes exponirt, was denn – neben anderen
Mißständen – die stärkere Bräunung unvermeidlich herbeiführt.
Will man aber ein braunes Malz machen, so wird es,
bevor es vollständig trocken ist, mit etwas Wasser
besprengt und das Darren bei gesteigerter Temperatur rasch beendigt
(wobei beständig gewendet wird).
Mulder erwähnt noch einiger Substanzen, deren
Vorkommen im gewöhnlichen Malze (das „Farbmalz“ gehört
nicht hierher) sehr problematisch ist. Die Apoglucinsäure, eine braune lösliche Substanz, soll
die braune Färbung des Malzes bedingen. Assamar, eine
bittere Substanz, welche bei höherer Temperatur
gebildet wird – soll den aus stark gedarrtem
Malze dargestellten Würzen einen bittern Geschmack ertheilen; allein die dazu
erforderliche Temperatur kommt beim Darren nicht in
Anwendung und man darf diese Substanz allenfalls im Farbmalz suchen. Endlich der Caramel,
welcher sich erst bei 220° C. bildet. Zur Zeit bieten alle diese Körper
noch wenig Interesse für die Theorie der Bierbrauerei.
Wichtiger ist das Verhalten der coagulirbaren
Eiweißstoffe bei höhere Temperaturen. Mit Recht weist Mulder (S. 236) darauf hin, daß Eiweiß, welches bei 63° C. gerinnen
würde, sich bei niederer Temperatur trocknen und dann bis auf 100° C. erhitzen läßt, ohne seine Löslichkeit in Wasser zu verlieren. Daher
denn auch die obige Praxis der schottischen Mälzer, um ein kräftiges Malz mit
ungeschwächter „Diastase“ zu erlangen.