Titel: | Die Baryt-Industrie; von Friedr. Kuhlmann. |
Fundstelle: | Band 150, Jahrgang 1858, Nr. CIV., S. 415 |
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CIV.
Die Baryt-Industrie; von Friedr. Kuhlmann.
Aus den Comptes rendus, November 1858, Nr.
18.
Kuhlmann, über die Baryt-Industrie.
Zweiter Theil.
Fabrication verschiedener Säuren.
Im ersten Theil dieser AbhandlungSeite 57 und 109 dieses Bandes. habe ich verschiedene Anwendungen aufgeführt, welche von dem nach meiner
Methode fabricirten Chlorbaryum gemacht werden können. Insbesondere habe ich
bemerkt, daß eine concentrirte und heiße Chlorbaryum-Lösung durch Mischen
mit Aetznatronlauge Barythydrat liefert, und daß man den wasserfreien Baryt für
den industriellen Bedarf wohlfeil durch Glühen des aus Chlorbaryum dargestellten
salpetersauren Baryts erhalten kann. Den salpetersauren Baryt habe ich ferner
benutzt, um durch Zersetzung desselben mittelst Schwefelsäure einerseits
Salpetersäure ohne Destillation zu fabriciren, und andererseits künstlichen
schwefelsauren Baryt (Permanentweiß); ebenso habe ich das Chlorbaryum mit
Schwefelsäure zersetzt um einerseits Permanentweiß und andererseits Salzsäure zu
erhalten.
Die Salpetersäure welche das neue Verfahren liefert, zeigt 10º an
Baumé's Aräometer und kann direct zur Bereitung gewisser salpetersauren
Salze benutzt werden. Die auf demselben Wege gewonnene Salzsäure findet
zahlreiche Anwendungen, obgleich ihre Dichtigkeit nicht über 6º
Baumé beträgt; abgesehen von ihrer Anwendung zur Darstellung gewisser
salzsauren Salze, kann sie zum Säuern der Knochen, zum Waschen der Knochenkohle,
für die Säurebäder in den Bleichanstalten etc. benutzt werden.
Da man aber manchmal genöthigt seyn kann, diese Säuren durch Einkochen in
Retorten zu concentriren, so habe ich die Gränzen bestimmt, welche dabei
eingehalten werden müssen, um Verluste durch Verdampfung zu vermeiden. Meine
Versuche ergaben: 1) daß man die verdünnte Salpetersäure durch directes
Abdampfen auf keine größere Dichtigkeit als 20 bis 25º Baumé
bringen kann, wenn man einen merklichen Säureverlust vermeiden will; 2) daß man
die Salzsäure durch directes Abdampfen nicht über 14º Baumé
concentriren darf, wo dann ihr Siedepunkt 109º C. beträgt.
Fabrication der Weinsteinsäure.
Das Princip, worauf sich mein Verfahren zur Bereitung der Salpetersäure und
Salzsäure ohne Destillation gründet, habe ich mit Vortheil zur Fabrication
verschiedener anderen Säuren, z.B. der Weinsteinsäure, Citronensäure und
Essigsäure angewandt. Zur Bereitung der Weinsteinsäure sättigt man zuerst die
überschüssige Säure des Weinsteins in der Wärme mit fein pulverisirtem
natürlichen kohlensauren Baryt (Witherit), und zersetzt hernach das neutrale
weinsteinsaure Kali mittelst Chlorbaryum. Durch Kochen einer
Weinstein-Auflösung mit Witherit erhält man eine vollkommen neutrale
Flüssigkeit.
Der so erhaltene weinsteinsaure Baryt wird mit kaltem Wasser gut gewaschen, dann
in der Wärme mit verdünnter Schwefelsäure vollständig zersetzt. Die verbleibende
Auflösung gibt Weinsteinsäure, welche leicht bis auf die letzten Portionen
krystallisirt; der Absatz welcher aus sehr dichtem Barytweiß (Permanentweiß)
besteht, wird durch Decantiren ausgewaschen, und das Waschwasser zum Verdünnen
der Schwefelsäure für spätere Operationen benutzt. Bei dem neuen Verfahren
ersetze ich also die Kreide und das Chlorcalcium, welche bei der gewöhnlichen
Fabrication gebräuchlich sind, durch kohlensauren Baryt und Chlorbaryum, und
zwar mit offenbarem Vortheil; denn der benutzte kohlensaure Baryt wird als
Barytweiß verwerthet; überdieß trennt sich der weinsteinsaure Baryt von der frei
gewordenen Weinsteinsäure viel schneller als der schwefelsaure Kalk, welcher
viel voluminöser und dessen Löslichkeit in den sauren Flüssigkeiten beträchtlich
ist.
Den natürlichen kohlensauren Baryt und das Chlorbaryum kann man durch
Schwefelbaryum ersetzen; der hierbei erhaltene weinsteinsaure Baryt hat aber ein
gallertartiges Ansehen und ist schwierig auszuwaschen, wogegen man bei Anwendung
von kohlensaurem Baryt und Chlorbaryum einen weinsteinsauren Baryt erhält,
welcher körnig und sehr leicht auszuwaschen ist. Der einzige Vortheil des
Verfahrens mit Schwefelbaryum bestände darin, daß Schwefelkalium anstatt
Chlorkalium gebildet wird, welches letztere einen geringeren Werth hat.
Fabrication der Citronensäure.
Bei dieser Fabrication kann der Baryt ebenfalls den Kalk ersetzen, mit analogen
Vortheilen wie bei der Weinsteinsäure-Fabrication. Wie der weinsteinsaure
Baryt im Wasser oder in sauren Flüssigkeiten weniger löslich ist als der
weinsteinsaure Kalk, ist auch der citronensaure Baryt weniger löslich als der
citronensaure Kalk.
Der gewöhnliche oder concentrirte Citronensaft wird in der Wärme mittelst
pulverisirten Witherits in citronensauren Baryt verwandelt; die Sättigung
vervollständigt man durch Zusatz von ein wenig Schwefelbaryum, oder mittelst
Aetznatron gefälltem Barythydrat, oder mit Ammoniak gemischtem Chlorbaryum, kann
aber auch bloß Ammoniak dazu benutzen. Diese Körper fällen den citronensauren
Baryt, welcher durch einen Ueberschuß von Citronensäure aufgelöst blieb. Das
erhaltene Barytsalz kann durch Auswaschen mit kaltem Wasser gereinigt werden. Es
muß in der Wärme durch 1 Aequivalent Schwefelsäure von 66º Baumé,
die man mit 5 bis 6 Theilen Wasser verdünnt hat, zersetzt werden.Um für den citronensauren, weinsteinsauren, essigsauren etc. Baryt die zu
ihrer Zersetzung erforderliche Quantität Schwefelsäure genau zu
bestimmen, empfehle ich ein bestimmtes Gewicht dieser Producte mit
Zusatz von ein wenig reinem Salpeter einzuäschern und deren Barytgehalt
zu bestimmen.
Der zurückbleibende künstliche schwefelsaure Baryt kann eben so wie bei der
Weinsteinsäure-Bereitung als Permanentweiß benutzt werden, wenn der
angewandte citronensaure Baryt hinreichend farblos war.
Die so abgeschiedene Citronensäure krystallisirt viel leichter, als wenn man
citronensauren Kalk mit Schwefelsäure zersetzt, weil im letztern Falle die
Citronensäure schwefelsauren Kalk zurückhält.
Fabrication der Essigsäure.
Ich sättige die rohe Holzsäure mit natürlichem kohlensauren Baryt oder mit
Schwefelbaryum, und röste den so erhaltenen essigsauren Baryt, damit er keine
Zersetzung erleidet, bei einer Temperatur unter der Rothglühhitze, welche
Operation nöthigenfalls mehrmals wiederholt werden kann; beim Auflösen des
Barytsalzes in Wasser müssen die theerigen Theile zurückbleiben.
Den so bereiteten essigsauren Baryt zersetze ich durch ein Aequivalent
Schwefelsäure; damit aber eine vollständige Zersetzung erfolgt, darf die
Auflösung des Barytsalzes nicht zu concentrirt seyn. Hierdurch erhält man
einerseits Permanentweiß und andererseits schwache Essigsäure, deren Dichtigkeit
jedoch für verschiedene technische Verwendungen groß genug ist, z.B. zur
Fabrication von Bleiweiß, Bleizucker und anderen essigsauren Salzen.
Wenn man behufs der Zersetzung mit Schwefelsäure zu concentrirte Auflösungen von
essigsaurem Baryt anwendet, so hat der sich abscheidende schwefelsaure Baryt
nicht die gewöhnliche Form; er hält alsdann Essigsäure zurück und ist
gallertartig und halb durchsichtig.
Um eine reinere Essigsäure zu erhalten, kann man den essigsauren Baryt mittelst
Glaubersalz in essigsaures Natron umwandeln. Dabei hat man noch den Vortheil,
daß die Bildung des Doppelsalzes von schwefelsaurem Natron und Kalk vermieden
wird, welches bei der gegenwärtigen Fabrication entsteht, wobei die Säure zuerst
in essigsauren Kalk umgewandelt wird.
Will man concentrirtere Essigsäure erhalten, so braucht man nur den essigsauren
Baryt oder das mit demselben dargestellte essigsaure Natron mit Schwefelsäure zu
destilliren, wie es bisher mit dem essigsauren Kalk oder Natron geschah.
Chromsäure, Eisenblausäure etc.
Schon Döbereiner hat den Baryt zur Bereitung der
Chromsäure und Porret denselben zur Darstellung der
Eisenblausäure angewandt.
Chromsäure. Um diese Säure zur technischen Verwendung
zu bereiten, benutze ich folgende Reaction: Chlorbaryum und neutrales
chromsaures Kali geben durch doppelte Zersetzung Chlorkalium und chromsauren
Baryt; es bleibt keine Spur von Chromsäure in der Auflösung des Chlorkaliums
zurück. Den chromsauren Baryt zersetze ich in der Wärme durch sein Aequivalent
Schwefelsäure, welche mit ihrem zehnfachen Volum Wasser verdünnt ist; man erhält
so einerseits schwefelsauren Baryt, welcher sich rasch absetzt, andererseits
eine Chromsäure-Auflösung von beiläufig 10º Baumé. Letztere
kann man in Steinzeuggefäßen auf 50 bis 60º Baumé abdampfen, sogar
in Bleipfannen, ohne daß dieses Metall beträchtlich angegriffen wird. Der
abgeschiedene schwefelsaure Baryt enthält nach dem Auswaschen stets ein wenig
Chromsäure, und kann bei der Farbenbereitung benutzt werden.
Das chromsaure Blei kann als Malerfarbe durch den chromsauren Baryt ersetzt
werden, dessen gelbe Farbe eben so lebhaft, aber weniger intensiv ist. Das
Barytgelb kommt wohlfeiler zu stehen als das chromsaure Blei und ist überdieß
unveränderlich. Auch muß man oft die intensive Farbe des chromsauren Bleies
durch Zusatz von Weiß abschwächen.
Eisenblausäure. Der eisenblausaure Baryt, welchen man
erhält, wenn man eine heiße Auflösung von Blutlaugensalz durch Chlorbaryum
zersetzt, ist sehr wenig löslich; er wird beim Vermischen beider Auflösungen
sogleich in kleinen gelben Krystallen gefällt. In diesem Zustande hält der
eisenblausaure Baryt noch Kali zurück, wovon man ihn durch Kochen in einer
Auflösung von Chlorbaryum befreien kann.
Versetzt man den so gereinigten eisenblausauren Baryt in der Kälte mit seinem
Aequivalent verdünnter Schwefelsäure, so erfolgt die Zersetzung augenblicklich;
schwefelsaurer Baryt fällt nieder, und die Flüssigkeit, welche eine grüne Farbe
annimmt, enthält die Eisenblausäure. Wenn man Schwefelsäure von 66º
Baumé anwendet, welche mit ihrem 5 bis 6fachen Volum Wasser verdünnt
wurde, so hat die Eisenblausäure eine Dichtigkeit von 12 bis 15º
Baumé.
Die so erhaltene Eisenblausäure kann man nicht durch Abdampfen concentriren; um
sie zur Ersparung von Transportkosten beim Verkauf an die Färbereien und
Zeugdruckereien direct in concentrirterem Zustande zu erhalten, müßte man bei
ihrer Bereitung weniger Wasser anwenden, alsdann wäre aber der schwefelsaure
Baryt schwieriger auszuwaschen. Diese Säure muß in gut verschlossenen
Steinzeuggefäßen aufbewahrt werden.
Man kann die Eisenblausäure in festem Zustande und vollkommen rein erhalten, wenn
man die auf angegebene Weise bereitete flüssige Säure mit einem Ueberschuß von
concentrirter Salzsäure und ein wenig Aether versetzt und das Product in der
Kälte über Stückchen gebrannten Kalks entwässert. Die Eisenblausäure enthält bei
dieser Darstellung kein Chlorkalium, welches ihr beigemengt bleibt, wenn man das
Blutlaugensalz mit denselben Agentien behandelt.