Titel: | Ueber die Fabrication von Leuchtgas aus Torf; von Dr. W. Reißig. |
Autor: | W. Reißig |
Fundstelle: | Band 151, Jahrgang 1859, Nr. XXXII., S. 126 |
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XXXII.
Ueber die Fabrication von Leuchtgas aus Torf; von
Dr. W. Reißig.Der Verfasser ist Chemiker bei Hrn. L. A. Riedinger in
Augsburg.
Reißig, über die Fabrication von Leuchtgas aus Torf.
Der immer fühlbarer werdende Mangel an Holz wie an Brennmaterial überhaupt, hat in
letzter Zeit die Industriellen und Techniker veranlaßt, dem Torfe eine besondere
Aufmerksamkeit zuzuwenden, da sich dieses Material in vielen Gegenden in Lagern von
bedeutender Ausdehnung und Mächtigkeit findet. Außer den vielseitigen Bemühungen den
Torf in die geeignetste Form als Brennmaterial zu bringen und besonders die
schlechteren Sorten durch Pressen und dergleichen von Wasser zu befreien und sie so
nutzbar zu machen, hat man es denn auch versucht, Torf zur Gasfabrication zu
verwenden.
Zu dem Zweck, fortwährend Versuche über Gasfabrication im Großen anstellen zu können,
hat Hr. Riedinger eine der von ihm errichteten
Gasfabriken in einer größeren Stadt Bayerns als Eigenthum behalten. In dieser Fabrik
wurde von mir während des Zeitraumes zweier Monate ausschließlich Torfgas
fabricirt.
Zur Bereitung des Gases wurde ein Torf aus der Münchner Gegend gewählt, welcher
dicht, bastigfaserig und etwas schwer ist. Er ist unter dem Namen Specktorf bekannt
und hinterläßt wenig Asche. Sein Wassergehalt betrug im Monat Mai – nach dem
Lagern über Winter in einem gedeckten Schuppen – 14 bis 15 Proc.; nach dem
Trocknen blieben noch circa 8 Proc. Wasser zurück.
Von diesem getrockneten Torfe luden wir 1 Centner (Zollgew.) in eine zur Holzgasfabrication dienende Retorte, die nach meinem
Erachten allein dazu geeignet ist, ein gutes Gas aus Torf
zu erzeugen, denn nach Prof. Pettenkofer's Entdeckung
liegt der Kern der Gasfabrication aus PflanzenfaserMan s. Pettenkofer's
Abhandlung: „über die wichtigsten Grundsätze der Bereitung und
Benutzung des Holzleuchtgases“ im polytechn. Journal Bd. CXLV S. 21. gerade darin, daß die bei der Destillation sich entwickelnden theerartigen
Körper längere Zeit mit der glühenden Metallfläche in Berührung bleiben, so daß sie
dadurch in schwere Kohlenwasserstoffe umgewandelt werden. In den relativ engern
Steinkohlengasretorten kann aber dieser Bedingniß nicht genügt werden, indem die
sich rasch aus Holz oder
Torf entwickelnden Gase zu schnell, d.h. ohne Zersetzung, aus der Retorte
Hinausgetrieben werden; dieß wäre nur dann nicht der Fall, wenn die
Steinkohlengasretorten mit einem Minimum der Ladung beschickt werden. Wirklich
findet man auch das im Großen in Steinkohlengasretorten erzeugte Torfgas –
wenn diese anders mit entsprechender Ladung beschickt werden – schwach
leuchtend und blau brennend. Auch hat z.B. eine Fabrik, die ihrer Zeit auf dem Boulevard de Strasbourg in Paris etablirt war und mit
Steinkohlengasretorten arbeitete, nie aus Torf mit einer einzigen Destillation ein
gutes Leuchtgas erzielen können; es wurde dort stets der Torf für sich destillirt,
dann der dabei gewonnene Theer bei höherer Temperatur in besonderen Retorten
zersetzt und dieses stark leuchtende Gas nun dem schwächer leuchtenden Gase
zugesetzt, um es als Leuchtmaterial brauchbar zu machen.Nach Köchlin's Patent, polytechn. Journal Bd. CXXXVI S. 50.
Die Betriebsberichte, welche ich beispielsweise von neun Tagen gebe, zeigen die
gewonnenen Resultate in Bezug auf Quantität des Gases.
Wir erhielten bei 1 1/2 stündiger Destillationszeit: aus
1200 Pfund Torf
6000 Kubikfuß bayer. Gas
600
„ „
2800 „ „
„
1400
„ „
5500 „ „
„
1300
„ „
5500 „ „
„
1200
„ „
5400 „ „
„
1200
„ „
5600 „ „
„
750
„ „
3900 „ „
„
1100
„ „
4400 „ „
„
600
„ „
2500 „ „
„
mithin aus 1 Cntr. Torf 436 Kubikfuß bayer. Gas.
Die Gasentwickelung geht im Anfange wie bei Holz rasch vor sich, doch nimmt sie
gleichmäßiger und stetiger ab, als bei diesem.
Bei gleicher Destillationszeit entwickelten:
100 Pfund Torf
100
Pfund Holz
in der
1sten
– 5ten
Minute
64
Kubikfuß
Gas
91
Kubikf.
Gas
5ten
–10ten
„
48
„
„
77
„
„
10ten
–15ten
„
40
„
„
73
„
„
15ten
–20sten
„
40
„
„
74
„
„
20sten
–25sten
„
37
„
„
71
„
„
25sten
–30sten
„
38
„
„
69
„
„
30sten
–35sten
„
35
„
„
59
„
„
35sten
–40sten
„
32
„
„
46
„
„
40sten
–45sten
„
30
„
„
35
„
„
45sten
–50sten
„
27
„
„
24
„
„
50sten
–55sten
„
21
„
„
14
„
„
55sten
–70sten
„
15
„
„
8
„
„
70sten
–90sten
„
10
„
„
7
„
„
––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
437
Kubikfuß
Gas
648
Kubikf.
Gas
Das ungereinigte Gas aus Torf führt wie das Holzgas Kohlensäure in beträchtlicher
Menge mit sich und nebenbei, besonders wenn man „ältern“ Torf
verarbeitet, auch Schwefelwasserstoff.
Die Menge der Kohlensäure ist derjenigen des ungereinigten Holzgases gleich und
beträgt selbst mehr. Die Menge des Schwefelwasserstoffs ist sehr wandelbar; ich fand
dieselbe von Spuren bis zu 2 und 3 Volumprocenten.
Zur Reinigung des Torfgases ist der Kalk in etwas größerer Quantität als bei der
Holzgasfabrication erforderlich.
Das gereinigte Torfgas ist, wie folgende Analyse eines guten Gases zeigt,
zusammengesetzt:
I.
Schwere Kohlenwasserstoffe
= 9,52 Proc.
Leichtes Kohlenwasserstoffgas
= 42,65 „
Wasserstoffgas
= 27,50 „
Kohlenoxydgas
= 20,33 „
Kohlensäure und Schwefelwasserstoff
= Spuren
––––––––––––
100,00
Die Analyse eines andern, mit vorzüglichem Torfe bereiteten Gases gab:
II.
Schwere Kohlenwasserstoffe
Elayl = 9,52Ditetryl = 3,65
= 13,16 Proc.
Leichtes Kohlenwasserstoffgas
= 33,00 „
Wasserstoffgas
= 35,18 „
Kohlenoxydgas
= 18,34 „
Kohlensäure und Schwefelwasserstoff
= 0,00 „
Stickstoff
= 0,32 „
–––––––––––
100,00
Die Lichtstärke des unter I analysirten Torfgases, mit
einem 2 Lochbrenner unter einem Drucke von 4''' gebrannt, betrug nach dem Bunsen'schen Photometer:
für die Lichtstärke einer Stearinkerze (6 aufs Pfd.), welche
22'''
engl. hoch brannte:
= 0,55 Kubikf. engl. per Stunde
2
dito
=
1,2 „
„
3
dito
=
1,35 „
„
5
dito
=
2,0 „
„
10
dito
= 2,64 (Mittel aus 48 Versuchen während der Fabrication.)
14
dito
=
3,6 „
„
18
dito
=
4,3 „
„
24
dito
=
4,7 „
„
Bei Holzgas (gleichfalls aus einem 2 Lochbrenner unter
4–6''' Druck gebrannt) wurden gebraucht:
für die Lichtstärke einer Stearinkerze (6 aufs Pfd.), deren Flammenhöhe 22''' engl.
betrug:
1
= 0,5 Kubikf. engl. per Stunde
2
=
1,15 „
„
3
=
1,3 „
„
5
=
1,8 „
„
10
=
2,7 „
„
14
=
3,6 „
„
18
=
4,1 „
„
24
=
4,5 „
„
Aus diesen Versuchen ist ersichtlich, daß das Holzgas einen kleinen Vorsprung vor dem
Torfgase hat.
Ueber die Menge der zu erhaltenden Torfkohle und über ihre Güte läßt sich kein
bestimmtes Resultat anführen; der Aschegehalt des ursprünglichen Materials influirt
zu bedeutend darauf. Diese Kohle leistet aber zum Schmieden, Schweißen etc. die
vortrefflichsten Dienste; doch gibt sie einigen Schwand. Auch fand ich, daß der
comprimirte Torf (dessen Masse vor dem Pressen gemahlen wird) eine Kohle gab, welche
weniger Zusammenhang und Festigkeit zeigte, als die von gewöhnlichem nicht
comprimirtem Torfe.
Was die Menge des Theers betrifft, so ist dieselbe bei Torf etwas großer als bei
Holz; sie beträgt 4–5 Proc. Dieser Theer ist aber sehr zähe, ohne gerade sehr
dickflüssig zu seyn; er enthält, wie der Holztheer, Kreosot und Paraffin.
Das erhaltene ammoniakalische Wasser betrug dem Gewichte nach 15–20 Proc. Es
enthält meistens kohlensaures Ammoniak, nebst essigsaurem Ammoniak und nur wenig
Schwefelammonium. Der Gehalt an Ammoniak ist etwas geringer als bei Steinkohlen.
Aus vorstehenden Daten ergibt sich, daß das Torfgas von vorzüglicher Güte hergestellt
werden kann, daß dasselbe bezüglich der Fabrication den Vorzug mit dem Holzgase
theilt, daß es sich in den Retorten verhältnißmäßig sehr schnell entwickelt, und daß
es bezüglich der Anwendung in sanitätischer Beziehung durch seinen geringen
Kohlenoxydgehalt selbst einigen Vorzug vor dem Holzgase hat.