Titel: | Untersuchungen über die Meyer'sche variable Expansion; von H. Fuhst. |
Autor: | Hermann Fuhst |
Fundstelle: | Band 151, Jahrgang 1859, Nr. XXXVIII., S. 161 |
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XXXVIII.
Untersuchungen über die Meyer'sche variable Expansion; von H. Fuhst.
(Fortsetzung von S. 90 des vorhergehenden Heftes.)
Mit Abbildungen auf Tab.
III.
Fuhst, Untersuchungen über die Meyer'sche variable
Expansion.
Wir erwähnten am Schlusse der Abhandlung im vorigen Hefte dieses Journales einer
zweiten Anordnung der Meyer'schen variablen Expansion,
deren Untersuchung hier nun folgen möge.
In der Nähe der Stadt Lennep in Westphalen befindet sich in einer Tuchfabrik eine
12pferdige Betriebsdampfmaschine, deren Steuerung wir unserer Untersuchung zu Grunde
legen wollen; die Maschine ist eine stehende mit hochliegendem Cylinder, die Breite
der Dampfcanäle ist a gleich 0m,026, der Voreilungswinkel des
Hauptexcenters ist δ gleich 18°30', die
Excentricitätsradius beider Excenter sind r gleich 0m,038 und die Länge der
Expansionsschieberplatten, in der Richtung ihrer Bewegung gemessen, ist l gleich 0m,076. Ein äußeres lineares Voreilen findet bei dieser Maschine, ebenso wie
bei der im vorigen Hefte besprochenen, nicht statt, wohl aber ist an dieser ein
inneres lineares Voreilen (Voreilen auf der Luftseite) im Betrage von 0m,003.
In Fig. 1 haben
wir das diesen Steuerungsverhältnissen entsprechende Zeuner'sche Diagramm. Es ist in demselben
Winkel D₁OR₃ = δ =
18°30'
der Voreilungswinkel des Hauptexcenters; der Durchmesser OD₁ des aus C₁
beschriebenen Hauptschieberkreises ist gleich den Durchmessern OD₂ und OD₃
der aus C₂ und C₃ beschriebenen, in ihren linken Hälften zur Benutzung kommenden
Expansionsschieberkreise, deren nomineller Werth gleich dem gemeinschaftlichen
Excentricitätsradius r gleich 0m,038 ist. Der Durchmesser OQ₄ des Hülfsschieberkreises ist in der bekannten
Weise gefunden; es läßt sich für ihn in analoger Weise wie bei der vorigen Steuerung
nachweisen, daß er durch den Schnittpunkt P₄ der
aus C₁ und C₃
beschriebenen Schieberkreise geht, und daß sein Halbirungspunkt mit P₄ selbst zusammenfällt. Bei der vorigen Steuerung zeigte das
Diagramm außerdem die Eigenthümlichkeit, daß die Endpunkte D₁ und D₃ der Excentricitäten
OD₁ und OD₃ in die Peripherie des Hülfsschieberkreises fielen, was bei dem
Diagramme der in Rede stehenden Steuerung, wie leicht einzusehen ist, nicht
stattfindet.
Nehmen wir an, der Abschluß des Dampfes solle eintreten, wenn die Kurbel den Bogen
R₁R₂
durchlaufen hat. Im todten Punkte der Maschine befindet sich der Hauptschieber um
OV₁ gleich der äußeren Ueberdeckung oberhalb
seiner mittleren Stellung, und eilt, sobald die Kurbel ihre vertical nach Unten
gerichtete Stellung verläßt, seiner höchsten Stellung zu, während der
Expansionsschieber sich in seinem todten Punkte oben befand, welchen er, beim Beginn
der Bewegung auf seine mittlere Stellung zueilend, verläßt. Beide Schieber befinden
sich demnach, wenn die Kurbel in der Stellung OR₂
ankommt, oberhalb ihrer mittleren Stellung und zwar der Hauptschieber um OP₂, der Expansionsschieber um Op₂. Hieraus ergibt sich die in Fig. 2 gezeichnete
Schieberstellung für den Abschluß des Dampfes bei der erwähnten Kurbelrichtung.
Lassen wir jetzt die Kurbel sich weiter drehen und nach und nach in der Richtung OR₄ ankommen, so wissen wir, daß während dieser
Drehung der Hauptschieber in seiner höchsten Stellung angekommen, dieselbe bereits
wieder verlassen und nun auf dem Wege nach seiner mittleren Stellung ist, während
der Expansionsschieber inzwischen seine mittlere Stellung bereits passirt und auf
seinen todten Punkt unten zueilt. Der Abstand beider Schieber von ihrer mittleren
Stellung ist bei dieser Kurbelrichtung gleich, und die relative Entfernung ihrer
Mittel hat den größten Werth erreicht. Hieraus ergibt sich die in Fig. 3 gezeichnete, der
Kurbelrichtung OR₄ entsprechende
Schieberstellung.
Wir sehen aus dieser Figur, analog wie bei der vorigen Steuerung, ein Wiedereröffnen
des Dampfeintrittscanals hinter der Expansionsschieberplatte eintreten; die untere
Expansionsgränze fällt somit nicht mit dem Beginn des Hubes zusammen, weßhalb es
auch bei dieser Steuerung unmöglich ist, den Dampf mittelst der
Expansionsvorrichtung allein ganz abzusperren. Die untere Expansionsgränze fällt mit
derjenigen Kurbelstellung zusammen, für welche Fig. 3.
l = e + a.
Bezeichnen wir die relative Entfernung der Schiebermittel bei
der der unteren Expansionsgränze zugehörenden Kurbelstellung mit OQx, so wissen
wir aus dem vorigen Hefte dieses Journals, daß:
e = OQ₄ –
(± OQx);
substituiren wir diesen Werth für e in der obigen Gleichung, so erhalten wir:
l = OQ₄ –
(± OQx) +
a
l – a = OQ₄ – (± OQx); da nun
l = 0m,076, a = 0m,026 und
OQ₄ = 0m,0,45, so ist
0m,050 = 0m,045 – (± OQx) oder
0m,050 = 0m,045 – (– OQx), mithin
OQx = –
5mm.
Beschreiben wir demnach aus O mit einem Radius von 0m,005 einen Bogen, welcher die Peripherie
des Hülfsschieberkreises rechts von der Verticalen R₁R₅ schneidet und ziehen durch
den Schnittpunkt Qx und den Punkt O die Linie Qx
Rx, so haben wir
in ORx diejenige
Kurbelrichtung, mit welcher die untere Expansionsgränze zusammenfällt.
Die Länge l der Expansionsschieberplatten würde richtig
gewählt seyn, wenn man, ohne ein Wiedereröffnen des Dampfeintrittscanales hinter
denselben zu erhalten, den Dampf bereits bei der Kurbelstellung OR₁ absperren könnte. Alsdann müßte:
l = OQ₄ –
(– OQ₅) + a.
Aus dem Diagramme ist leicht ersichtlich, daß
OQ₅ = a und Winkel
Q₄OQ₅ =
(R – δ)/2
ist,
da ferner noch:
Winkel Q₄Q₅O = 1R ist, so ist
Textabbildung Bd. 151, S. 163
Substituiren wir diese Werthe für OQ₄ und OQ₅, in der Gleichung
für l, so erhalten vir nach einigen Reductionen:
Textabbildung Bd. 151, S. 163
Gehen wir nun zur Untersuchung der Dampfvertheilung für Expansionsgrade, deren
zugehörige Kurbelstellungen im zweiten Quadranten der Kurbeldrehung liegen, und
wählen wir wieder zu unserer Betrachtung den Abschluß des Dampfes bei der
Kurbelrichtung OR₄. Die entsprechende
Schieberstellung haben wir in Fig. 4, und wissen auch
auf welchem Wege wir zu derselben gelangt sind. Sobald die Kurbel die Richtung OR₄, nach ihrem todten Punkte oben sich hinbewegend, verläßt,
tritt auch hier, in Folge des Kleinerwerdens der relativen Schieberentfernung,
sofort eine Wiedereröffnung des Dampfeintrittscanales vor dem Expansionsschieber
ein. Bei dieser Anordnung jedoch findet die Wiederherstellung des Dampfeintrittes,
nicht wie bei der vorigen Steuerung bis zum Ende des Hubes statt, indem der
Hauptschieber in Folge seiner äußeren Ueberdeckung den Dampfdurchlaßcanal im
Cylinder abschließt, sobald die Kurbel in der Stellung OR₆ angekommen ist. Die Größe der Wiedereröffnung des
Dampfeintrittscanales im Hauptschieber ist deßhalb:
OQ₄ – OQ₆ = Q₄S.
Hieraus können wir nun leicht die obere Expansionsgränze bestimmen, indem dieselbe
mit derjenigen Kurbelstellung zusammenfallen muß, für welche, wenn bei ihr der
Abschluß des Dampfes erfolgt ist, die Wiedereröffnung des Dampfeintrittscanales erst
stattfindet, nachdem der Hauptschieber den Dampfdurchlaßcanal im Cylinder bereits
abgeschlossen hat. Die Wiedereröffnung des Dampfeintrittscanales im Hauptschieber
bei der Kurbelstellung OR₆ findet für den
Abschluß des Dampfes bei derjenigen Kurbelstellung statt, deren zugehörige relative
Schieberentfernung gleich der relativen Schieberentfernung bei OR₆ ist. Schlagen wir somit aus O mit OQ₆ als Radius
einen Bogen und verbinden den zweiten Durchschnittspunkt Q₇ dieses Bogens mit der Peripherie des Hülfsschieberkreises, und
den Punkt O, durch eine Gerade, so gibt uns die Richtung
derselben die Lage derjenigen Kurbelstellung an, mit welcher die obere
Expansionsgränze zusammenfällt; OR₇ ist mithin
die gesuchte Kurbelstellung.
Das Endresultat, zu welchem uns unsere Untersuchung führt, ist demnach das
Folgende:
Man kann mit Hülfe der Expansionsvorrichtung allein einen
vollständigen Abschluß des Dampfes nicht erzielen; eine ordnungsmäßige Expansion
findet nur bei den Geraden statt, deren zugehörige Kurbelrichtungen in die Ebene
des WinkelsRxOR₇ fallen, und man erhält,
wenn man die Expansionsschieber ganz außer Wirksamkeit setzt, durch den
Hauptschieber allein stets einen Abschluß des Dampfes bei der
Kurbelrichtung
OR₆.
Vergleichen wir, in Bezug auf die Lage der Expansionsgränzen, das Diagramm dieser
Steuerung mit dem der im vorigen Hefte behandelten Steuerung, so finden wir hier
schon bedeutend bessere Resultate.
Diese günstigeren Resultate haben wir in Folge des Voreilungswinkels δ vom Hauptexcenter erhalten; im nächsten Hefte
mag nun folgen, wie man
durch richtige Combination dieses Voreilungswinkels und der Größe des Radius vom
Expansionsexcenter Resultate erzielen kann, die nichts mehr zu wünschen übrig
lassen.
(Der Schluß folgt im nächsten Heft.)