Titel: | Zur Theorie der Bierbrauerei, in Bezug auf Mulder's Chemie des Bieres; von G. E. Habich. |
Autor: | G. E. Habich |
Fundstelle: | Band 151, Jahrgang 1859, Nr. CXI., S. 449 |
Download: | XML |
CXI.
Zur Theorie der Bierbrauerei, in Bezug auf Mulder's Chemie des Bieres; von G. E. Habich.
Habich, zur Theorie der Bierbrauerei.
VI.Schluß von S. 309 in diesem Bande des
polytechn. Journals.
Aus dem sehr vollständigen Capitel über
Zusammensetzung des Bieres
hebe ich Einzelnes hervor, was Gegenstand fernerer
Forschungen zu werden verdient.
Für die verschiedenartige Zusammensetzung der
Malzextracte haben wir Anhaltspunkte in den Analysen Heckmeyer's (S. 404 etc.). Wir wollen nach dem
gefundenen Alkoholgehalte des Bieres den Fruchtzuckergehalt der Würze (der
Einfachheit wegen) durch Verdoppeln der Zahlen annehmen, – ist das auch
ungenau, so schadets doch für unsere Betrachtung nicht.
Textabbildung Bd. 151, S. 449
Alkohol, die
Volum-Procente in Gewichts-Procente umgewandelt; Dem
entspricht Zucker in der Würze. Procent; Extract im Bier. Procent; Extract
in der Würze (= Zucker in der Würze + Extract im Bier). Procent;
Eiweißstoffe. Procent; 100 Gewichtstheile Extract der Würze liefern an
Eiweißstoffen ins Bier. Gewichtstheile; Biere aus Utrecht. Altes Braunbier
aus dem Boog; Prinzessinnenbier; Bier aus Middelburg von Nuys u. Comp.
Nehmen wir nun ferner an, daß nach den Bestimmungen von Graham, Hofmann und Redwood (S. 409) der
Stickstoffgehalt der
Würze zum Stickstoffgehalt des Bieres sich verhält wie 217 : 134, – daß
also in diesem Verhältnisse auch die Eiweißstoffe durch die Hefebildung während
des Gährprocesses vermindert sind: so können wir die obigen Eiweißstoffprocente
(gleichen Vergährungsgrad der Biersorten vorausgesetzt) entsprechend erhöhen und
erhalten dann in 100 Gewichtstheilen Extract:
beim Braunbier aus Utrecht
7,03 Gewichtsthl. Eiweißstoffe
„ Prinzessinnenbier
8,28
„ „
„ Middelburger Bier
10,19
„ „
Diese Zahlen bedeuten die Summen der Einflüsse, welche
im Stande sind, der Umwandlung des Glutins (und
vielleicht auch seiner stickstoffhaltigen Cameraden) Vorschub zu leisten, – als: Behandlung des Malzes beim Darren,
Maischverfahren (ob Infusion oder Decoction?) und Zeitdauer des Kochens der
Würze.
Mulder nimmt den Eiweißgehalt des Malzextractes nach
den Bestimmungen von Graham, Hofmann und Redwood (S. 409) zu nur 7 Proc. an und rechnet (S.
410) aus den Malz- und Treberanalysen von Oudemans
dasselbe Resultat heraus. Diese Uebereinstimmung ist aber nur
scheinbar, – sie entspringt der Annahme, daß dem Malze im Mittel 2/5
sämmtlicher Eiweißstoffe entzogen werden, ohne irgend eine
Rücksicht auf das Maischverfahren zu nehmen. Daß das letztere aber
einen wesentlichen Unterschied herbeiführt, zeigen die obigen Zahlen, deren
höchste (beim Middelburger Biere) offenbar durch das längere Zeit fortgesetzte
Kochen, zur Erzielung einer concentrirteren Würze
bedingt ist, – es gehen mehr Eiweißstoffe in
die Würze und weniger ins Kühlgeläger über.
Die hieraus folgende Verschiedenheit in der Zusammensetzung des Malzextracts
gewinnt nun besondere Wichtigkeit für die Praxis, – bei der Ueberwachung
des Bieres im Lagerkeller. Die Beobachtung des Vergährungsgrades bleibt nämlich
nur dann ein sicherer Wegweiser, wenn im Maischverfahren
keine Aenderung stattgefunden hat, – oder Würzen von gleichen Saccharometerprocenten, aber verschiedenem Eiweißgehalt, geben nach der
vollständigen Zersetzung des Zuckergehalts sehr verschiedene Saccharometer-Anzeigen, weil der restirende
Extract nur noch reicher an Eiweißstoffen geworden
ist. Wo die Consumenten damit einverstanden sind, daß ihnen ein Bier von
übrigens guten Eigenschaften, dessen Vergährung aber noch nicht weit
vorgeschritten ist, verzapft wird, da hat freilich der Brauer leichtes Spiel.
Anders aber ist's, wenn der herrschende Geschmack die lange gelagerten Biere, deren Zuckergehalt auf ein Minimum
herabgesunken ist, vorzieht. Da ist denn die größte Sorgfalt von nöthen, daß die
Biere nicht gar zu nahe an des Verderbens Abgrund gerathen. Die Prüfung des
Vergährungsgrades durchs Saccharometer reicht aus, wenn
man für das betreffende Maischverfahren einmal die gefährliche Gränze kennt,
wo das letzte Atom Zucker zersetzt ist. Um aber ganz sicher zu seyn, wäre
ein Reagens nothwendig, welches auf Zucker (unter Ausschluß anderer
Bierbestandtheile) gerade so scharfhinweise, wie eine Jodlösung auf
Stärkmehl, – die derzeit vorhandenen reichen für die Praxis nicht aus.
Was die chemische Verschiedenheit der im Bier enthaltenen Eiweißstoffe anlangt, so zählt Mulder (S.
413) deren vier Arten auf: „1) Producte von durch Kochen zersetzten
und in Wasser löslichen Eiweißstoffen, – 2) in schwachen Säuren
lösliche Eiweißstoffe, – 3) durch Kochen entstandene Ueberbleibsel
des Umbilders, – 4) Hefeextract.“ – Hierbei müßten
doch wohl die unter 3) aufgeführten Reste des „Umbilders“
beseitigt werden, weil Mulder ja selbst den Umbilder
als solchen über Bord und die Summe der leicht
zersetzbaren Eiweißstoffe an die Stelle der Diastase gebracht hat. Dadurch
würden diese Ueberbleibsel des Umbilders mit den Producten unter 1) zu
vereinigen seyn.
In diesem Register der Eiweißstoffe fehlt aber eine ganz wesentliche Substanz,
auf welche Mulder überhaupt kaum Werth legt. Es ist
das coagulirbare Eiweiß! Mulder sagt (S. 413):
„Wackenroder gibt an, in allen
Bieren aus Gerstenmalz ein beim Verdampfen des Bieres coagulirtes
Pflanzeneiweiß gefunden zu haben. Die Menge desselben betrug 1/4 bis 3/4
Proc. vom Gewicht des Bierextracts. Diese Menge ist jedoch viel zu niedrig
angegeben.“ – Nach diesen letzten Worten sollte man
denken, Mulder habe darüber controlirende
Beobachtungen angestellt, – leider ist aber nichts davon zu finden. Und
doch ist es am Ende für die gegohrenen Getränke gerade der wichtigste der Eiweißstoffe, weil er – nachdem die Würze kein coagulirbares Eiweiß mehr enthielt
– nunmehr im Biere wieder erscheint. Entweder
war die Säure, welche coagulirbares Pflanzeneiweiß enthielt, durch die Gährung
beseitigt (vielleicht zum Aufbau von Hefenzellen verwendet?), – oder es
hatte eine theilweise Umwandlung der übrigen löslichen, aber nicht coagulirbaren Eiweißstoffe in unser
Pflanzeneiweiß Platz gegriffen. Es gibt mehr als einen
Grund zu der Annahme, daß dieses coagulirte Eiweiß jene Substanz ist, welche
mit Aethyloxyd in Verbindung den geistigen Gehalt der gegohrenen Getränke
bildet und beim Erhitzen in Aethyloxydhydrat und Eiweißgerinnsel zerfällt. Auch in
physiologischer Beziehung (Fetterzeugung) ist diese Betrachtungsweise wichtig
(S. 415).
Durch angemessenen Zusatz von Gerbsäure kann man den größten Theil der
Eiweißstoffe aus den Würzen ausscheiden, die Glänze wird durch den Gehalt an
Phosphorsäure und Milchsäure gesteckt. Die Gerbsäure des Hopfens reicht aber
dazu bei Weitem nicht hin; – und wenn Mulder
(S. 413) einen Anstoß daran nimmt, daß die mit Hopfen gekochten Biere doch
nachträglich noch einen beträchtlichen Niederschlag mit Gerbsäure geben, so läßt
sich darauf antworten, daß der Hopfen doch nur eine seinem Gerbsäuregehalte äquivalente Menge Eiweißstoffe ausscheiden
konnte.
Unter den Bestandtheilen des Bieres erwähnt Mulder (S.
415) der von Graham, Hofmann und Redwood aufgefundenen Gährungszuckersäure. Was man darüber weiß, ist nicht viel, –
Mulder vermuthet, es sey Glucinsäure. Die Elementaranalyse, welche zur Zeit noch fehlt, muß es
ausweisen, ob diese Säure nicht am Ende Bernsteinsäure (nach Pasteur) ist.
Den unorganischen Bestandtheilen des Bieres legt Mulder einen hohen Werth bei und verweist namentlich
auf den großen Nutzen des Bieres für solche Personen, welche diese Salze
vorzugsweise bedürfen (S. 474). „2 Liter
gutes bayerisches Sommerbier enthalten 1,6 Grm. Phosphorsäure, –
ebenso groß ist die Menge, derselben in 530 Grm. frischem Ochsenfleische und
in 220 Grm. Brod (mit 45 Proc. Wassergehalt).“ Das ist der medicinische Maaßstab, – und wenn man sich
dessen bedienen will, so schlage ich kurzer Hand vor, schon beim Maischen ein
angemessenes Quantum sauren phosphorsauren Kalks zuzusetzen!
Das Capitel „Untersuchung des Bieres“ können wir hier
übergehen, – nicht so das folgende über
Verfälschung des Bieres.
„Unter einem Verfälschungsmittel verstehe ich hier eine Substanz, die
man der Natur der Sache nach nicht im Bier erwarten sollte, oder die
überdieß noch eine nachtheilige Wirkung auf den Organismus übt.“
So definirt Mulder S. 444.
Die nachtheiligen Substanzen werden natürlich von
aller Welt verworfen. Aber was die erste Hälfte dieser Definition betrifft, so
läßt sich darüber doch reden.
Ich habe bereits an einer anderen Stelle (Bd. CL S. 67 etc. dieses Journals) die
Mitanwendung der Kartoffeln vor dem
Verdammungsurtheil
Mulder's zu retten versucht und will darauf
verweisen. Mulder läßt sich offenbar zu Consequenzen
hinreißen, welche weder vor dem Forum der Theorie noch der Praxis bestehen
können. Er verlangt: das Bier soll lediglich aus Getreide
gebraut werden, – Andere werden mit demselben willkührlichen
Rechte noch weiter streifen und nur dem gemalzten Getreide den Zutritt gestatten. Ausgeschlossen werden sollten doch eigentlich nur
solche Substanzen, „die man der Natur der Sache noch nicht im Bier
vermuthen sollte.“ Gut, – wir wollen also bei einer
Einmaischung einen Theil des Stärkmehls im Getreide
durch einen Theil von Stärkmehl aus Kartoffeln
ersetzen; – welche Aenderung wird dadurch im
fertigen Bier bedingt? – Die Eiweißstoffe sind vermindert, – hätte man nun bisher das Infusionsverfahren befolgt, so würde schon durch den Uebergang zum Decoctionsverfahren theilweise Abhülfe geschaffen
seyn. In keinem Falle aber ist dadurch eine Substanz ins Bier gebracht, welche man nicht darin erwarten sollte. –
Zuckersyrup (wenn er nicht mit Rübenmelasse versetzt ist) bringt ebenwohl keine
fremdartigen Substanzen ins Bier, – er
vermindert sogar den Gehalt an Eiweißstoffen nicht einmal, weil er deren selbst
ein gut Theil enthält. Und welchen Vorwurf kann man auf Grundlage der Mulder'schen Definition von Verfälschung dem Zusatz
von Zucker, Dextrin oder Dextrinsyrup machen? – Ich wüßte keinen.
Von einem andern, und zwar dem praktischen Gesichtspunkte aus, erscheint aber der
übermäßige Zusatz von Substanzen, welche wohl
Zucker aber keine Eiweißstoffe ins Bier liefern,
gefährlich für die Hefezellenbildung, indem die Hefeproduction in Hefeconsumtion umschlägt
und die dadurch erhaltene Hefe einen schlechten Gährungserreger bildet. Warum?
das läßt sich erst erörtern, nachdem man dem Leben der Hefezelle die Initiative
des Gährungsprocesses zugestanden haben wird. Und nur
auf diesem Boden kann sich auch die Praxis mit Sicherheit bewegen.
Daß Mulder (S. 446) die Anwendung von Beinschwarz beim
Einmaischen von Malz, welches beim Lagern einen fremdartigen (sogen. mulstrigen)
Geruch angenommen hat, ebenwohl eine Verfälschung nennt, ist auf Grundlage
seiner Definition unbegreiflich, da ja durch diese Anwendung „eine
Substanz, die man der Natur der Sache nach nicht im Biere erwarten
sollte“ – es ist eben die Trägerin des fremdartigen
Geruchs! – aus der Würze entfernt wird. Und
was könnte denn vom Beinschwarz ins Bier gelangen? – Kohle? – die
ist ja unauflöslich. Oder etwas Kalk durch die Säure
der Würze? – dadurch wird ja ein Vortheil erreicht (S. 106). Oder gar etwas
phosphorsaurer Kalk? – Das würde noch
höher im Werth anzuschlagen seyn.
Der Verlust an nährenden Bestandtheilen bei der
Brauerei wird im 16. Capitel ermittelt. Aber ich muß gestehen, daß der
eingeschlagene Weg, aus den Analysen des Malzes und der Treber den Gehalt der
Würze und aus den durch die Gährung herbeigeführten Ausscheidungen eines Theils
des Kohlenstoffs (durch die unvermeidliche
Kohlensäurebildung) und eines Theils des Stickstoffs (durch die ebenfalls unvermeidliche Hefebildung) den Kohlenstoff-
und Stickstoffverlust zu berechnen, wohl auf zu summarischen Voraussetzungen zu
beruhen scheint, – vor allen Dingen aber zu weitläufig ist. Der
nachfolgende dürfte kürzer und sicherer seyn.
Will man sich überhaupt ein gegohrenes Getränk
verschaffen, so muß man den Kohlenstoffverlust,
welcher durch die Zuckerzersetzung erwächst, ohne Zagen acceptiren, – es
geht einmal nicht anders.In fabrikmäßigen Etablissements steht ja übrigens nichts im Wege, das
Kohlensäuregas entweder zur Bereitung von doppelt-kohlensaurem
Natron oder von Bleiweiß etc. zu benutzen und ihr
so wieder zu einem Marktpreise zu verhelfen. Ebenso unvermeidlich ist ein Stickstoffverlust durch die zur Hefebildung nothwendigen Eiweißstoffe,
sobald wir uns „Bier“ präpariren wollen; – aber da
wir die auf diese Weise verloren gegangenen Eiweißstoffe in der Form von Hefe noch zur
Disposition haben, so können wir sie dem Verkehr wiederum zuführen, und
zwar entweder in der werthvollen Form von Oberhefe
(welche einen so bedeutenden Marktwerth hat, daß der Stickstoff in derselben
etwa dreimal so viel kostet als im Getreide, – und wobei dieser
Stickstoff der Ernährung der Menschen wieder zugänglich gemacht wird), oder durch Verwendung der Unterhefe als Gährungserreger in den Branntweinbrennereien, wodurch
wenigstens der Normalwerth des Stickstoffs im Getreide für den Brauer
vollständig wiedererobert wird, weil ihn der Branntweinbrenner in der Schlempe
bei der Mastung verwerthen kann.
Was von dem Malze nicht in die Würze übergeht, bleibt
in den Trebern und beansprucht dort seinen Mastwerth.
Verluste entstehen nur
a) durch das Hopfen der Würze; wobei
ein Theil der Eiweißstoffe mit Gerbsäure verbunden sich ins Kühlgeläger
verliert; –
b) durch das Anhaften der Würzen an
den Braugeräthschaften, wobei die nutzbare Substanz im Spülwasser verloren
geht, also den Anforderungen der Reinlichkeit zum
Opfer fällt, und
c) durch das Faßgeläger –
wenn es nicht durch Destillation entgeistet und die Schlempe verfuttert
wird.
Das sind meiner Ansicht nach die alleinigen Verluste.
In dem Schlußcapitel der deutschen Uebersetzung bespricht Mulder die
Surrogate des Getreides zur Bereitung eines guten
Getränks,
wohlverstanden, er nennt's nicht
„Bier,“ ja er verwahrt sich (S. 472) ausdrücklich gegen
eine solche Auffassung, als sollten die mit solchen Surrogaten geschaffenen
Getränke für Bier gelten. „Bier nenne ich
sie nicht. Allein es sind wohlschmeckende und gesunde Getränke, wenn sie
auch weniger nährende Substanzen als das eigentliche Bier
enthalten.“
Und welche Surrogate sind es nun, die Mulder
„bloß in Rücksicht auf die Verhältnisse in Holland, wo von jener
Classe der Bevölkerung, welcher die Mittel zur Beschaffung eines besseren
Bieres fehlen, ein starker Mißbrauch mit geistigen Getränken getrieben
wird“ – bespricht und (S. 472) empfiehlt mit den Worten: „Meiner Ueberzeugung nach würde
Holland ein großer Dienst geleistet werden, wenn man die Bereitung solcher
Biersurrogate beförderte und die Regierung würde wohl
daran thun, dieselben in jeder Hinsicht zu begünstigen“
–? – diese introducirten Surrogate sind dieselben Substanzen, deren Anwendung im 15. Capitel als Bierverfälschung – neben Kupfer, Blei,
Schwefelsäure, Strychnin u.s.w. – proclamirt wurden! – Zu solchen
Widersprüchen gelangt man, wenn man einen so einseitigen Satz wie:
„alles Bier soll aus Getreide fabricirt werden“
– als Richtschnur hinstellt. Vor Zeiten wurde aller Branntwein aus
Getreide gebrannt, – wie, wenn nun die älteren Brenner die Anwendung der
Kartoffeln zur Brennerei als Branntweinverfälschung
verfehmt hätten? – Oder (so muß ich wiederholen) – da unsere
deutschen Brauer derzeit das Bier nur aus Hopfen und Malz hergestellt wissen wollen – wie, wenn sie nun die
Mitanwendung des ungemalzten Getreides als eine Bierverfälschung ausschrieen? Wer würde ihnen Unrecht
geben können, der sich sein Terrain eigenmächtig so eng eingepfählt hat?
– Nein, da muß eine bessere Legitimationsurkunde beibehalten werden,
welche längst allgemeine Geltung erlangt hat, das ist der
durch das Urtheil der Konsumenten festgestellte Werth auf dem Markte!
– Und dieser Gedanke muß auch Mulder
vorgeschwebt haben, als er sich entschloß, um dem holländischen Biere einen
größern Consumentenkreis zu werden, die Biersurrogate zu empfehlen, d.h. durch Anwendung der sog. Bierverfälschung das vorhandene
schlechte Product zu verbessern. Die weitere Ausführung dieser Aufgabe – Hebung
der niederländischen Brauerei – versucht Mulder im 18. Capitel seines Werkes.
Dort bekämpft er den Localgeschmack der Consumenten,
– er meint, es müsse ebenso einen allgemeinen Biergeschmack geben, wie
ein gemeinsamer Brod-, Fleisch-, Kaffee- oder Theegeschmack
existire. Und darauf basirt er kurzer Hand den Vorschlag, in größeren
Etablissements einen solchen Stoff zu produciren, der
sich sowohl auf der Tafel der Wohlhabenden sehen lassen könne, als er berufen
sey, dem Schnapstrinken der Arbeiter den Garaus zu machen. Der Gedanke ist gut;
nur darf man, wenn man reussiren will, dem Localgeschmack, d.h. der lieben
Gewohnheit, doch nicht gar zu arg auf die Hühneraugen treten, – man
gewöhne sie nach und nach zum Bessern. In Brüssel
wollte man sich bekanntlich auch die besten bayerischen Biere nicht munden
lassen, – umgekehrt würde man in Bayern auf energischen Widerstand
stoßen. So sind die alten süßlichen obergährigen Biere Norddeutschlands
(Breyhahn, Gose etc.) erst allmählich durch die mehr
gehopsten untergährigen Biere verdrängt worden.
In einer Beziehung aber ist die Bierfabrication in
größerem Maaßstabe berufen, auf den Geschmack der Consumenten veredelnd einzuwirken. Sie beherrscht einen umfassenden Markt, wenn sie eine mannichfaltigere Bierkarte verfügbar hält, –
sie gibt dadurch den Consumenten Gelegenheit, das Beste kennen zu lernen und für ihre Bedürfnisse auszuwählen. Das ist
die Art, wie man den Weg zu einem „Zukunftsbiere“ anbahnen
kann. Geht's auch langsam, nun – so geht's doch.