Titel: | Notizen für Branntweinbrenner; von G. E. Habich. |
Autor: | G. E. Habich |
Fundstelle: | Band 152, Jahrgang 1859, Nr. XIX., S. 72 |
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XIX.
Notizen für Branntweinbrenner; von G. E. Habich.
Habich, Notizen für Branntweinbrenner.
1. Ueber Strache's Nachahmung des
Weinbouquets.
Die im polytechnischen Journal Bd. CXLVII S.
230 mitgetheilte Methode Strache's, wonach man
durch Zusatz einer Fett- oder Fettsäure-Emulsion zu einer gährenden
Flüssigkeit dem eingeleiteten Processe einen andern Verlauf vorschreiben und die
Entstehung des Oenanthäthers, den man für den Träger des Weinbouquets hält, soll
beliebig herbeiführen können, – erschien wichtig genug für die
Branntweinbrennereien, um sie durch einen Versuch bestätigen zu lassen. Zu diesem
Versuche veranlaßt ich den Domänenpächter Hrn. Thon zu
Cornberg (Kreis Rotenburg). Zur Beurtheilung des erhaltenen Resultats sandte mir
derselbe eine Probe des erhaltenen Branntweins. Da war aber in der That von
Weinbouquet nichts zu entdecken, – es war vielmehr ein sehr durchdringendes
Kartoffelfuselgeruch vorherrschend.
Nun behauptet zwar Mulder (siehe dessen Chemie des Weines,
S. 318), daß der Oenanthäther ebenso stinkt, wie das Fuselöl. Man könnte deßhalb die
Möglichkeit zugeben, daß dieser Branntwein allerdings Oenanthäther reichlich
enthalte, ohne daß ihm dadurch die Tugenden des Weinbranntweins zu Theil geworden
sind, weil der Oenanthäther mit Unrecht zum Repräsentanten des Weinbouquets ernannt
war. In der That scheint diese Annahme sehr wahrscheinlich, – der vorliegende
Schnaps zeigte nämlich bei der Verdünnung mit Wasser keine Trübung, welche doch hätte eintreten müssen, wenn das im Wasser fast unlösliche Amyloxydhydrat (Fuselöl der Kartoffeln)
die Quelle des Gestanks gewesen wäre. Der Oenanthäther aber ist in Wasser löslich und könnte also hier das
„Bouquet“ hergegeben haben. Entscheiden kann darüber
natürlich nur die chemische Analyse. Mir kommt es hierbei nur auf die rein
praktische Seite, die „Bouquetfrage,“ an. Und von diesem
Standpunkte aus kann ich einige Bemerkungen nicht unterlassen, die gelegentlich
einmal anderweit ausgesponnen werden sollen.
Man forschte und forscht noch heute nach jener Verbindung welche dem Weine den
„Weingeruch“ ertheilt. Ein Gemisch aus 10 Pfund Alkohol und
90 Pfd. Wasser riecht, auch wenn es Jahrelang mit dem erforderlichen
Weinsäure-Zusatz stehen bleibt, nicht nach
„Wein.“ Daraus folgerte man, daß im Weine neben dem
Alkoholgehalt noch ein Riechstoff vorhanden seyn müsse, der dem Departement des
Bouquets vorstehe. Man
legte sich aufs Nachsuchen, fand neben vielen anderen Verbindungen – die zwar
alle riechen, von denen aber keine nach Wein riecht
– unter andern auch den Oenanthäther, den man sofort mit dieser Mission
betraute. Daß er seinem Posten nicht gewachsen ist, wissen wir heute ganz gewiß und
man wird vielleicht nächstens wieder zu einem „Fermentol“ oder
etwas Aehnlichem greifen. Da möchte ich aber zuvor abermals Folgendes zur Erwägung
anheim geben.
Der Alkohol ist eben so wenig wie das Fuselöl im Weine (aller Wein enthält auch
„Fuselöl“) frei vorhanden,
– beide sind an ein Albuminoid gebunden; diese
Verbindung ist beim Kochen zersetzbar, der Alkohol und
das Fuselöl werden frei und können der Reihe nach
abdestillirt werden, wobei das Albuminoid im Rückstande
bleibt. Es liegt klar zu Tage, daß solche Verbindungen des Alkohols oder Fuselöls (oder vielleicht des Aethyloxyds
oder Amyloxyds) andere Eigenschaften haben müssen, als diese Körper im freien Zustande.So z.B. riecht auch eine reife Kartoffelmaische nicht im geringsten nach
Fuselöl, – erst nach der Destillation finden wir diese Substanz im
Destillat und in der Schlempe. Unter diesen Eigenschaften finden sich denn auch Geruch und Geschmack des
„Weines.“ Ein dankbares Feld zur genauern Untersuchung des
Sachverhalts für Jeden, der ohne Vorurtheil daran geht!
– Und über diesen Punkt müssen wir erst einigermaßen im Reinen seyn, ehedann
wir an die Beherrschung des Bouquets denken können. Hr. Strache mag uns den Weg gezeigt haben, eine gährende Flüssigkeit reicher
an Oenanthäther zu machen, aber ein „Bouquet“ hat er uns nicht geschaffen.
2. Vorsichtsmaßregel bei der
Vorausbestimmung der Branntweinausbeute durch die Attenuation der
Maische.
In meinem Schriftchen über die Anwendung des Saccharometers zu diesem Zwecke (Cassel,
bei Fischer, 1856) habe ich versäumt, auf eine
Vorsichtsmaßregel aufmerksam zu machen, ohne deren Befolgung diese Untersuchung
meist zu übertriebenen Erwartungen, hinter denen dann die Ausbeute weit
zurückbleibt, berechtigt. Ich will diesem Mangel hier abhelfen.
Durch die Kohlensäure-Entwickelung bei der Gährung werden die Hefemengen
bekanntlich der Oberfläche der Flüssigkeit zugetrieben,
so daß dieselbe da anhaltend hefenreicher ist als die tiefer liegenden Schichten. Folge davon ist, daß der durch die Hefenzelle
vermittelte Stoffwechsel (die Gährung) oben wegen der größeren Berührungsflächen in
größerm Umfange von Statten geht, – daß also die Flüssigkeit an der
Oberfläche alkoholreicher seyn muß, als der übrige Inhalt des Bottichs. Um ein genaues Resultat zu
erhalten, ist deßhalb erforderlich, die Maische tüchtig
umzurühren, bevor ihr eine Probe zur Untersuchung entnommen wird.
Hr. Professor Balling hatte die Güte, mich auf diesen
wesentlichen Umstand aufmerksam zu machen, nachdem er die Erwähnung desselben in
meinem Schriftchen vermißt hatte. In der Wischin'schen
Branntweinbrennerei in Prag hatte man lange Zeit keine genügende Uebereinstimmung
zwischen der vorausberechneten und der erhaltenen Spiritus-Ausbeute, bis man
den Grund im mangelnden Aufrühren erkannte.