Titel: | Die Rolle der Obergährung in der Bierbrauerei; von G. E. Habich. |
Autor: | G. E. Habich |
Fundstelle: | Band 152, Jahrgang 1859, Nr. LI., S. 211 |
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LI.
Die Rolle der Obergährung in der Bierbrauerei;
von G. E.
Habich.
Habich, über die Rolle der Obergährung in der
Bierbrauerei.
Man hat der Obergährung Unrecht gethan, als man sie bei den Bierbrauern so sehr in
Mißcredit brachte. Diese schiefe Stellung derselben datirt aus jener Zeit, als Liebig den verunglückten Versuch machte, Ober- und
Unterhefe als zwei in chemischer Beziehung sehr
wesentlich verschiedene Dinge zu declariren und daraus eine weitaus größere
Haltbarkeit der untergährigen Biere herzuleiten.
Ist nun auch längst darüber entschieden, daß die Voraussetzungen Liebig's mit den Erfahrungen der Praxis schlechterdings nicht in Einklang
zu bringen sind, so hat doch die Obergährung den ihr angestifteten Kleks, nur unhaltbare Biere resultiren zu lassen, bis auf unsere
Tage behalten. Und aus dieser grundfalschen übeln Nachrede erwächst der Praxis gar
mancher Schaden. Ich
will den Versuch machen, die eingewurzelten Vorurtheile durch Thatsachen zu
widerlegen und dadurch auch der Praxis zur klaren Anschauung der Sache zu verhelfen.
Dazu aber muß ich etwas weiter ausholen; um ein vollständiges Verständniß
anzubahnen, müssen einige bereits anderweit erwähnte, aber noch nicht allerwärts zum
Bewußtseyn gelangte Sätze in Erinnerung gebracht werden.
1. Ueber die Natur der Hefe weiß man, daß sie zu den Pilzen gehört, – man hat diese Gattung
„Gährungspilz“ (Saccharomyces)
genannt. Es gibt mehrere Arten derselben, die durch die Verschiedenheit der Art der
Fortpflanzung charakterisirt sind.
a) Die Unterhefe bildet in
der Flüssigkeit freischwimmende Zellen, die sich nur beim
Austrocknen dicht aneinander legen kraft des Alles
beherrschenden Strebens zur Association. Wird eine solche zusammengetrocknete Gruppe
(deren Grundriß unter dem Mikroskop als eine Mosaik von dicht in einander gefugten
Sechsecken erscheint) mit irgend einer Flüssigkeit befeuchtet, welche der Zelle
adhärirt (Wasser, Bierwürze etc.), so wird die ganze Gesellschaft gesprengt und
jedes Mitglied derselben gibt sich wiederum dem Einzelleben hin. – Die in der
Mutterzelle neugebildeten Nachkommen (Tochterzellen) werden schon in frühester
Jugend in die weite Welt geschickt. Diese (selbst bei starker Vergrößerung nur als
Punkte erscheinende) junge Brut entweicht nämlich mit der exosmotischen Strömung
durch die Zellenwand in umgebende Würze und bildet sich dort selbst ihre
Pflanzstätte in der erwähnten ungebundenen Weise. Das ist die Fortpflanzung durch
das Entsenden von „Sporen.“
b) Die Oberhefe dagegen führt
ein enggeschlossenes Familienleben. Die Tochterzellen, welche sich in der
Mutterzelle bilden, erreichen dort erst eine ansehnlichere Größe als bei der
Unterhefe, und treten alsdann in Form von Knospen aus der
Mutterzelle hervor. Dieser junge Zweig treibt nun sofort seine Ausläufer weiter und
so würde dann bald eine tausendköpfige Familie sich unseren Augen präsentiren. Dem
wird aber dadurch entgegengewirkt, daß unter der Hand die eine oder andere Knospe
sich durch „Abscheuerung“ von dem elterlichen Hause trennt und
sich den eigenen Herd gründet. Da würden wir dann eben solchen vereinzelten Zellen begegnen wie bei der Unterhefe. Indessen kann man sie
unter dem Mikroskop gar nicht verwechseln, indem die Oberhefenzelle im Innern stets
eine bereits mehr entwickelte Brut zeigt, die auch alsbald zur Knospe ausschießt, während die Unterhefe
stets frei bleibt von solchen Auswüchsen.
Im praktischen Leben kommen beide Hefenarten rein jede für
sich und mehr oder minder gemengt (also in
Gesellschaft) vor. Wir werden weiter unten sehen, welche wichtige praktische Folgerungen
sich daran knüpfen.Ich benutze diese Gelegenheit, um auf eine von mir entdeckte dritte Art des Gährungspilzes aufmerksam zu
machen, – er bildet sich bei der sogenannten
„Selbstgährung“ bei Gegenwart reichlicher Mengen
von Milchsäure. Die junge Brut wächst in der Mutterzelle heran: es kommt
aber nicht zur Knospenbildung, sondern die Geburt kostet der Mutter das
Leben, – die Zelle zerplatzt und der
Inhalt derselben fährt alsbald zu Einzelnzellen
auseinander.
2. Der Verkehr zwischen der zur Gährung gestellten Flüssigkeit einerseits und dem
Inhalt der Hefenzellen anderseits geschieht durch die Zellenwand, – bei der
Gelegenheit wird dann jener Conflict, den man „geistige
Gährung“ nennt, in Scene gesetzt. Der Conflict
gewinnt an Umfang, wenn die Landstraße breiter wird und Platz bietet für
eine größere Anzahl von Combattanten, – d.h. wenn man
die Menge der Stellhefe vergrößert.
3. Die Schnelligkeit des Marsches beider Flüssigkeiten
gegen einander ist abhängig von der Größe der Differenz ihrer
specifischen Gewichte. Ist das specifische Gewicht einer Bierwürze = dem
specifischen Gewichte des Zelleninhalts, so findet keinerlei Bewegung statt,
– eine solche Würze kommt nicht in Gährung. Ist eine Bierwürze dünner, so
verläuft die Gährung rascher. Und da auch mit dem Beginn der Gährung die Würze nach
und nach dünner (d.h. zu „Bier“) wird, so müßte der Verlauf der
Gährung in steter Zunahme begriffen seyn, wenn nicht mit der Verdünnung der
Flüssigkeit auch weniger Nahrung für die Fortführung der Gährung hinterbliebe,
mithin auch die Menge der entwickelten Kohlensäure geringer seyn wird und damit auch
dem agitatorischen Treiben der Kohlensäure Schranken gezogen werden. Denn
4. die Kohlensäure ist ein Hauptfactor für die Beschleunigung und Erlahmung der
Gährung. Und das hängt zusammen mit der mechanischen
Anordnung der Hefenzellen und deren Verhalten in einem Kohlensäurestrome. Die
gesammte Hefenzelle ist schwerer als die sie umgebende Bierwürze und sinkt also in
derselben zu Boden. Mit dem Beginn der Kohlensäure-Entwickelung aber hängt
sich diese in Bläschen an die Hefenzellen und reißt sie mit empor. Trennt sich
unterwegs die Hefenzelle von ihrem Luftballon, so sinkt sie wieder zu Boden, wenn
sie nicht inzwischen einer neuen Kohlensäureblase in die Arme fällt und dadurch
mindestens schwebend erhalten wird.
Es leuchtet ein, daß das Verhalten der Kohlensäure-Gasblasen zu den
Hefenzellen verschieden seyn muß, je nachdem diese vereinzelt (Unterhefe), oder in
dichten Gruppen (Oberhefe) auftreten. Die vereinzelten
Zellen werden sich dabei
leichter des Umgangs mit der Kohlensäure entschlagen können, während eine
Zellengruppe, einem lebhaftem Kohlensäurestrom exponirt, sich des Einnistens der
Gasbläschen nicht wohl erwehren kann und deßhalb an die Oberfläche getrieben wird.
Da angelangt, hält sie so lange Stand, als ihr Träger (die Kohlensäure), welcher
nach und nach entweicht, durch neuen Zuzug in ungeschwächter Kraft erhalten wird.
Ist die Vorrathskammer erschöpft, so senkt sich auch die Oberhefe wieder zu
Boden.
Mit diesen Thatsachen wollen wir nun an die Betrachtung einiger praktischen
Ergebnisse herantreten, welche durch dieselben ins hellste Licht gesetzt werden.
Ich beginne mit
der Verschiedenheit der Attenuations-Verhältnisse
beider Gährverfahren.
Vergleichen wir (mit Balling) die scheinbare Attenuation einer Würze (d.h. die Differenz der
Saccharometer-Anzeigen vor und nach der Gährung) = p
– m mit dem ursprünglichen Extractgehalt der
Würze = p: so kommen wir zu dem Begriff der
stattgefundenen Vergährung und messen die scheinbare Größe derselben = V, indem wir die Proportion setzen p : p – m – 1
: V, woraus denn V = (p – m)/p.
Diese Größe V aber ist, wenn wir das Stadium der Hauptgährung in Betracht ziehen, größer bei der Untergährung und kleiner bei der
Obergährung. Als Belege mögen einige Betrachtungen Balling's (s. dessen Bierbrauerei Bd. II. S.
226, 350 u.s.f.) hier stehen.
Material,aus dem die Biere gebraut
Größe von V
bei Obergährung
bei Untergährung.
Gerstenmalz
0,539 bis 0,653
0,818
Malz und Kartoffelstärkmehl
0 523 bis 0,530
0,769 bis 0,775
Gerstenmalz und Weizen
0,06
0,81
deßgl.
und Gerste
0,59
–
deßgl.
und Himalaya-Gerste
0,55
–
deßgl.
und gedarrte Gerste
0,60
–
deßgl.
und geweichte und gedarrteGerste
0,59
0,807
deßgl.
und Mais
0,57
0,64
deßgl.
und Reis
0,64
0,66
Wollen wir uns über den Grund dieser auf den ersten Blick befremdlichen Erscheinung
aufzuklären suchen, so haben wir uns das Verhalten der Hefenzelle zur Kohlensäure
ins Gedächtniß zurückzurufen.
Nehmen wir eine starke Kohlensäure-Entwickelung aus
einer bei höherer Temperatur gährenden Würze an, so
werden bei Unterhefe zwar eine große Menge der Zellen an
die Oberfläche getrieben, wo sie anfangs nur wenig und
später gar nichts mehr für die Gährung wirken
können.Denn das Hefenabseihbier hat stets den vorgeschrittensten
Vergährungsgrad. Von da fallen sie aber zum großen Theil in die gährende Flüssigkeit zurück
und unterhalten daselbst die Bewegung. – Eine solche Gährung aber durch Oberhefe hervorgebracht, wird einen andern
Verlauf nehmen, indem die reinen Oberhefe-Gruppen
nicht wieder herniedersinken können, – sie werden
beständig an der Decke schwebend erhalten. Nur die ihr beigemengte Unterhefe sinkt
zum Theil in die gährende Flüssigkeit zurück und führt dort die Untergährung (die man wegen der da droben faullenzenden,
aber zu Tage liegenden Oberhefe fälschlich
„Obergährung“ nennt) weiter. Der Erfolg einer solchen Gährung
ist dann derselbe, wie bei einer mit äußerst wenig
Stellhefe veranlaßten Untergährung. Je weniger Unterhefe einer
Oberhefe beigemengt ist, um so geringer ist auch
die angestrebte Attenuation. Es kommt sogar der Fall vor, daß die Zuckerzersetzung
in Mitten der Würze vollständig ins Stocken geräth, – weil die angewendete
Oberhefe sehr rein (frei von Unterhefe) war, –
weil die heftige Gährung alle Hefe an die Oberfläche
getrieben hat, wo sie mit der Zersetzung der wenigen aufgesogenen Würze nur kurze
Zeit zu thun hatte und auf die darunter liegende Würze nicht früher wieder einwirken
kann, bis fast alle Kohlensäure entwichen ist und die Hefendecke wieder in die
Flüssigkeit darnieder geht. Dann erst hört das „Rasten“ auf,
– Umrühren der Flüssigkeit und wiederholtes Untertauchen der Decke ist der
gewöhnliche Weg der Abhülfe. Es kann nun zwar auch noch andere Veranlassungen zum
Rasten der Gährung geben (ich verweise deßhalb auf meine „Chemie des
Bieres“ §§. 77 und 78), – aber das eben erwähnte
Verhalten scheint doch vorherrschend zu seyn, wenn man bei Obergährungen vom „Rasten“ spricht. – Für die
Praxis der Obergährung – wenn solche bei höherer
Temperatur bewerkstelligt wird – ist es ein wahres Glück, daß der meisten
Oberhefe hinreichende Portionen von Unterhefe beigemengt sind, welche die Gährung
flüssig erhält: im andern Falle würde das Rasten häufiger vorkommen.
Denken wir uns jetzt eine bei niedriger Temperatur und mit
wenig Stellhefe eingeleitete Gährung, welche uns also
auch nur einen schwachen Kohlensäurestrom zur Disposition
stellt, so werden diejenigen Unterhefezellen, welche am
meisten entwickelt sind, rasch zu Boden sinken und die leichter empor zu tragende, junge Brut wird sich hauptsächlich an der
Zersetzung in der Masse der Flüssigkeit betheiligen. Da nun aber die zersetzte Würze
leichter wird, so entsteht eine Strömung in der
gesammten Flüssigkeit, kraft deren die zuckerreichste und schwerste Würze zu Boden sinkt und dort mit der kampfbereiten Hefenschicht
in Conflict geräth, dann, nachdem sie einigermaßen attenuirt ist, der Oberfläche
zuwandert und zuckerreicherer Würze Platz macht. Von den Zellen selbst wird bei
hinreichend niedriger Temperatur nur weniges an die Oberfläche getrieben.
Arbeiten wir unter gleichen Verhältnissen mit Oberhefe, so
macht sich wiederum das Gewicht einer Beimengung von Unterhefe geltend. War die
Oberhefe ganz rein, so ist die Hauptgährung rasch beendigt; ist nämlich das Bier mit Kohlensäure
gesättigt und sind die erforderlichen Locomotiven von Gasblasen vorgespannt, so
tritt alle Oberhefe an die Oberfläche und die Hauptgährung ist scheinbar zu Ende.
Alle Anstrengung, durch Unterrühren der Hefendecke die Gährung wieder in Gang zu
bringen, ist vergeblich; – es gibt nur ein Mittel,
wodurch man dem Biere zu einer größeren Attenuation verhelfen kann, – es ist
der Zusatz von etwas Unterhefe. Aber das hätte man ja gleich beim Stellen haben
können, wenn man sich an eine weniger reine Hefe gehalten
hätte, – kamen dann die Zellengruppen an die
Oberfläche, so schöpfte man diese vortrefflichste aller Oberhefen ab, und wenn die
Kohlensäure nichts mehr an die Oberfläche trieb, so ließ man die nun fast reine Untergährung ihren
Lauf fortgehen. Gegen das Ende derselben rührt man dann die Bodenhefe nochmals auf,
dabei wird die Kohlensäure-Entwickelung heftiger
und treibt die Reste von Oberhefe nebst etwas Unterhefe an die Decke, – man
nimmt sie sorgfältig ab und benutzt sie demnächst als
„Stellhefe.“ – Wollte man vielleicht weniger accurat
verfahren bei der Säuberung der Oberfläche, so würden die restirenden
Oberhefen-Gruppen dem Klarwerden des Bieres lange Zeit Abbruch thun, –
diese Gruppen nämlich werden durch die geringste Gasentwickelung in der Schwebe
erhalten. Um sie zu beseitigen, pflegt man durch Wälzen (Kugeln) der Fässer eine
starke Gasentwickelung herbeizuführen, die Bodenhefe aufzurühren und dann die
emporgetriebene Oberhefe ausstoßen zu lassen, bis die
sogen. Blüthe (d.h. ein ganz hefenfreier Schaum)
erscheint.
Das ist der Verlauf der Biergährungen und so stellen sich ihre
Unterschiede wesentlich heraus. – Man sieht
daraus, welch ein wichtiges Hülfsmittel die Oberhefe
abgeben kann, wenn es sich um die Herstellung eines Bieres von geringem Vergährungsgrade, also eines Lagerbiers handelt!
Ich weiß sehr wohl, daß ich bei Aufstellung dieses Satzes mit den Glaubensartikeln
der praktischen Bierbrauer in die Haare gerathe, – denn das geht ja
schnurstracks gegen alle gute Sitte. Dennoch bitte ich, nicht vor der Zeit zu
verdammen. Man hat gesagt, das obergährige Bier sey nicht haltbar. Dagegen spricht nun, daß man in England
sehr haltbaren Porter durch Obergährung erzeugt, daß
die obergährigen englischen Ales gute Haltbarkeit
bewähren und daß auch die vortrefflichen böhmischen obergährigen Biere sich zu Lagerbieren
qualifiziren, – wogegen man doch in Jahren, wo das Frühlingswetter zu rasch
ins Land brach und die nöthige Abkühlung für Lagerbiere nicht mehr ins Werk zu
setzen war, während des ganzen Sommers untergährige Biere
von erklecklichem Säure gehalt allerwärts in Menge
findet. Wo solche Thatsachen reden, da muß freilich der
Zopf des Vorurtheils die Segel streichen, und dem Satze, daß die Haltbarkeit eines
Bieres nicht durch die Art der
Hefe, mit der es erzeugt ist, bedingt werde, zustimmen.
Aber wovon – frage ich – hängt denn die Haltbarkeit eines Bieres überhaupt ab? – Doch von nichts Anderm als
1) dem Umfang des Zuckervorraths, welcher noch im Biere
vorhanden ist und das Material zur Nachgährung liefern soll, und 2) von den
„Umständen,“ welche beim Lagern die Zersetzung dieses Zuckerrestes (nach dessen Beseitigung die Sündfluth der
Essigbildung unaufhaltsam hereinbricht) möglichst zu verschleppen im Stande sind.
Was den ersten Punkt anlangt, so muß nun alles Streben
eines Gährungskünstlers dahin gerichtet seyn, die Attenuation bei der Hauptgährung so wenig als möglich vorschreiten zu lassen. Je kleiner die
Größe V, desto mehr Zucker und also desto mehr Aussicht
ist vorhanden das Bier auf dem Lager lange zu erhalten, wenn allen dazu erforderlichen „Umständen“ Rechnung
getragen wird.
Das ist der zweite Punkt, und das ist gerade die Seite,
auf der fast alle die Unterlassungssünden verzeichnet stehen, welche bisher dem obergährigen Biere zur Last gelegt wurden.
Die Vorsichtsmaßregeln bei 1) concentriren sich auf
a) Verarbeitung stärkerer
Würzen, weil solche auch bei gleichem Vergährungsgrad
(d.h. wenn bei verschiedenen Bieren V = derselben Zahl ist) mehr
unzersetzten Zucker ins Bier liefern, als schwächere Würzen, –
b) Vergährung bei möglichst niedriger Temperatur, wobei sowohl die Differenz der spec. Gewichte der
Würze und des Zelleninhalts (und also auch die diasmotische Strömung und deßhalb
auch die Zuckerzersetzung) geringer ist, als auch die
Kohlensäure weniger stürmisch entweicht und deßhalb bei der Untergährung die Hefe zum Theil außer Thätigkeit setzt; – bei der
Obergährung ist diese Vorsichtsmaßregel weniger
nöthig, weil ein stärkerer Gasstrom die Oberhefe an die Decke treibt und unschädlich
macht, während nur die beigemengte Unterhefe die Attenuation weiter führt;
–
c) Anwendung von wenig
Stellhefe, wodurch der Umfang der Zuckerzersetzung in engern Gränzen gehalten wird. Diese Vorschrift ist eigentlich wieder der
Untergährung entsprossen, – bei der
Obergährung ist sie weniger stritt zu handhaben, weil, wenn die Gährung und mit ihr
die Kohlensäure-Entwickelung zu stark aufbrauset, immer so viel Oberhefe aus
dem Felde geschlagen wird, daß die restirende Unterhefe alsbald zu einer Erlahmung
der Gährung führt; –
d) künstliche rasche Abkühlung der gährenden Flüssigkeit, wenn deren Attenuation zu weit
fortzuschreiten droht, was aber wiederum nur für Untergährung paßt (wobei die
Kohlensäure von der kühlern Flüssigkeit besser absorbirt wird und die
Unterhefenzellen an den Boden sinken können), – bei der Obergährung nimmt man
die Hefendecke rein ab und greift nur dann zur Anwendung der Kühlröhren, wenn die
Oberhefe viel Unterhefe beigemengt enthielt; durch Reduction der Menge der Stellhefe
hätte man dann wieder denselben Zweck erreicht.
Diese Verhaltungs-Maßregeln auf die „unhaltbaren“ obergährigen Biere angewendet, muß es
Jedermann bekannt seyn, daß man die zu denselben verwendeten Würzen immer nur auf
einen ziemlich geringen Extractgehalt stellt, –
und daß man die Gährung in Deutschland überall (außer in Böhmen) bei zu hoher Temperatur durchführt, wobei denn die der
Oberhefe beigemengte Unterhefe ihr schädliches Treiben entwickeln und bis zur
Herbeiführung eines hohen Vergährungsgrades ausdehnen
kann.
Beim Lagern des Bieres bis zur Zeit seiner Consumtion sind
wiederum die zum Schutz dienlichen „Umstände“ aufs
allerpünktlichste zu wahren. Dahin gehören:
e) ein kühler Keller –
aus denselben Gründen wie oben bei b) erwähnt,
–
f) das Bier soll möglichst hefenfrei gefaßt werden – aus Gründen wie bei c, – und
g) die Lagerfässer müssen höchst sauber, frei von
angetrockneter Hefe und
von Säure seyn, was nur bei Anwendung von Pechfässern mit Sicherheit zu erreichen
ist.
Wiederum wird sich Jedermann erinnern, daß die „unhaltbaren“
obergährigen Biere, wie man sie an vielen Orten Deutschlands unter dem Druck
besonderer Verhältnisse verzapft, weder im kühlen Keller gebettet werden (häufig
liegen sie im obererdigen Locale nahe dem Schenkzimmer
unter dem Zapf), noch sehr lauter gefaßt sind (weil man durch die Menge der
beigemengten Hefe ein lebhaftes Schäumen hervorrufen und dadurch Liebhaber für die
„vergängliche“ Waare
herbeiködern will), – noch endlich auf Pechfässer, sondern vielmehr in irgend
beliebige, nur oberflächlich gereinigte und deßhalb in der Regel mit Säure
imprägnirte und im günstigsten Falle einmal ausgeschwefelte Fässer gelegt
werden.
Das sind die Gründe, weßhalb die derzeitigen obergährigen
Biere allerdings nicht haltbar sind, – Gründe, die mit der chemischen Zusammensetzung der Oberhefe nichts gemein haben, noch weniger aber die Sage von einem
ganz absonderlichen chemischen Proceß der Obergährung
länger dulden dürfen.
Zudem hat das obergährige Bier (weil es bei höherer Temperatur gebraut schnell
trinkbar wurde) auch noch die Handhabe abgeben müssen, an der sich alle die das
Braugewerbe corrumpirenden Gebräuche des Reihebrauens, sowie Zwang- und
Bannrechte bis in die neuere Zeit fortgeschleppt haben – ein Umstand, der
auch nicht wenig dazu beigetragen hat, die Erkenntniß des wahren Sachverhalts der
Obergährung nicht aufkommen zu lassen.
Ich glaube den Beweis geliefert zu haben, daß man in Sachen der Obergährung bisher
stark auf Abwegen herumstolperte, und daß es leicht ist, ein vollkommen haltbares
Lagerbier auf dem Wege der Obergährung zu erzeugen.
Allein ich habe noch einen andern Wunsch auf dem Herzen, dem ich hier Luft machen
werde.
Unsere Lagerbiere werden durch den Aufwand einer größern Schüttung, eines größern
Hopfenzusatzes, die Benutzung der Lagerräume und Fässer, größern Zinsaufwand vom
Betriebscapital etc. erheblich vertheuert. Und es ist ein
großer Mißstand, daß die Volksclassen, welche in warmen
Tagen und bei der sauersten Arbeit das Bedürfniß eines Labetrunks am meisten fühlen, durch den hohen Preis des
Lagerbiers mehr und mehr mit dem Branntwein befreundet werden. Wollten doch die
Regierungen sich das eben erwähnte und höchst dringende Bedürfniß klar machen und
die Einleitungen treffen, durch welche demselben recht bald abgeholfen wird. Es gibt
nur einen Weg, welcher zu diesem Ziele führt, –
das Ausschreiben einer Prämie, welche sich der Bierbrauer
erwirbt, der den
Nachweis liefert, daß er während eines Sommers beständig obergährige Biere von
untadelhafter Beschaffenheit und zu einem billigen Preise fabricirt und verkauft
hat. Das würde sicher helfen!