Titel: | Ueber das Ausströmen brennbarer Gase; von W. Barentin. |
Fundstelle: | Band 152, Jahrgang 1859, Nr. XCII., S. 350 |
Download: | XML |
XCII.
Ueber das Ausströmen brennbarer Gase; von
W.
Barentin.
Aus Poggendorff's Annalen der Physik, 1859, Bd. CVII
S. 183.
Barentin, über das Ausströmen brennbarer Gase.
Wenn ein brennbares Gas aus einem Rohre strömt, dann angezündet wird und nun mit oder
ohne Cylinder brennt, oder wie in der chemischen Harmonika tönt, so ist die
Ausflußgeschwindigkeit in allen diesen Fällen verschieden, wofern Druck und
Röhrenmündung sich nicht ändern. Die Versuche, aus denen sich dieß ergab, wurden mit
dem zur öffentlichen Beleuchtung dienenden Gase angestellt und zwar auf zweierlei
Weise. Anfangs wurde das Gas in eine tubulirte Glocke gebracht, durch deren Tubulus
luftdicht ein Glasrohr mit enger Mündung ging; ihr cylindrischer Theil war von Unten
auf in Zolle getheilt und der oberste Theilstrich mit 0 bezeichnet. Wurde nun die
Glocke in einen sehr weiten mit Wasser gefüllten Glascylinder so gesenkt, daß der
Nullpunkt ihrer Theilung im Wasserspiegel lag, was sich durch ein passendes Gestell
leicht erreichen ließ, so strömte das comprimirte Gas aus, während das Wasser in der
Glocke stieg und im Cylinder entsprechend sank. Hier wurde es vor jedem Versuch
durch behutsames Nachgießen so lange auf dem Nullpunkt erhalten, bis das Wasser in
der Glocke an einen bestimmten Theilstrich trat, z.B. 3 Zoll, d.h. bis das Gas unter
einem Druck von 3 Zoll stand; dann hörte das Nachgießen sofort auf, und es wurde
mittelst einer Sekundenuhr die Zeit beobachtet in welcher das Wasser in der Glocke
um eine zuvor festgesetzte Höhe stieg. Indem so die Zeit bestimmt wurde, in welcher
dasselbe Gasvolumen unter denselben Druckverhältnissen aus der nämlichen Oeffnung
strömte, ließ sich aus der Umkehrung des Verhältnisses der Zeit das der
Geschwindigkeiten ableiten.
Aus mehreren bei 18° R. und 337''' Barometerstand, mit den Steighöhen 1, 1 1/2
und 2 Zoll, ausgeführten Versuchsreihen ergab sich, daß, wenn
man die Geschwindigkeit des frei aus einem Glasrohr strömenden Gases = 1 setzt,
die des brennenden 0,74 und in der chemischen Harmonika 0,70 ist.
Um diesen Versuchen mehr Mannichfaltigkeit geben zu können, wurden sie mit einem
Gasmesser fortgesetzt, dessen Zeiger einen Umlauf vollendete, wenn 0,1 Kubikfuß Gas
durch den Apparat gegangen war. Derselbe hatte an dem messingenen Ausflußrohr ein
Manometer und darunter einen Hahn zur Regulirung des Druckes. Zunächst wurde ein
gewöhnlicher Fledermausbrenner aufgeschraubt, aus welchem 0,1 Kubikfuß Gas bei 4 Linien Wasserdruck
in durchschnittlich 73,25 Secunden ausströmte; nach dem Anzünden des Gases wuchs
aber die Ausflußzeit mit der Erhitzung des Messingrohres und wurde erst constant,
nämlich 130,5 Secunden im Mittel, als die Temperatur des Rohres ein Maximum erreicht
hatte. Nach dem Auslöschen der Flamme verringerte sich die Ausflußzeit wieder und
ging nach völligem Erkalten auf die frühere zurück. Hieraus folgt, daß, wenn man das Gas aus einem Metallrohr erst frei, dann
angezündet strömen läßt, sich die Geschwindigkeiten wie 130,5 : 73,25, d.h.
wie 1 : 0,56 verhalten. Temperatur und Barometerstand
schwankten während dieser und der folgenden Versuche zwischen 15 bis 17° R.
und 336 bis 342 Linien.
Um den Einfluß eines als Schornstein wirkenden Cylinders auf die Geschwindigkeit der
Ausströmung zu ermitteln, wurde ein Argand'scher Brenner
mit 16 Löchern, der die Form einer Schiebelampe hatte, angewandt. Aus diesem floß
0,1 Kubikfuß unter 4''' Druck aus:
bei freier Ausströmung in
73,9 Sec., daraus die Geschwindigkeit
1
nach dem Anzünden in
110,2
„ „
„
„
0,67
nach Aufsetzen d. Cylinders
in
101,0
„ „
„
„
0,73
nach Abnahme d. Cylinders in
110,6
Auch hier bezeichnet 110,2 die Zeit des constanten Ausflusses, welcher eintritt, wenn
nach dem Anzünden der Brenner seine höchste Temperatur angenommen hat. Vergleicht
man ferner die Zahlen der letzten Verticalreihe, so stellt sich zunächst die
Geschwindigkeit des brennenden Gases hier größer heraus als im vorigen Fall, wo sie
nur 0,56 betrug. Dieß hat aber unzweifelhaft seinen Grund darin, daß an der
Schiebelampe die Flamme von vielen Metalltheilen umgeben ist, welche einen Theil
Wärme ableiten, und das Ausflußrohr kühler erhalten als der Fledermausbrenner. Wie
sehr die Temperatur des Rohres von Einfluß ist, ergibt ein Versuch, bei welchem 0,1
Kubikfuß in 11 1/2 Minuten ausströmte, als die Flamme auf einem kalten Glasrohr
brannte; nach dem Erhitzen der Röhre durch eine Spirituslampe waren dagegen 16
Minuten erforderlich. Die letzte obige Zahl 0,73 endlich zeigt, daß durch einen Cylinder über der Flamme die Ausströmung
merklich beschleunigt wird.
Zu der Untersuchung über tönende Flammen mußten Glasröhren mit enger Oeffnung
angewandt werden; wenn aber aus einer solchen lange Zeit eine Flamme brennt, so wird
die Spitze glühend und die Mündung verändert sich allmählich, daher nur die
unmittelbar sich folgenden Versuche vergleichbar sind. Es wurde deßhalb eine jede
Reihe mit der Zeitmessung des frei ausströmenden Gases begonnen und beendigt, und
wenn sich in beiden Fällen für 0,1 Kubikfuß dieselbe Dauer ergab, so war anzunehmen, daß
inzwischen die Mündung keine erhebliche Aenderung erlitten hatte. Als Mittel aus
mehreren solchen Reihen fand sich bei 7''' Druck das Verhältniß der
Geschwindigkeiten, wenn das Gas
frei,
brennend,
tönend ausströmte.
1
0,76
0,71
also nahe wieder dieselben Werthe, wie die erste Methode
ergeben hatte.
Als endlich drei abgestimmte Röhren nach einander über dieselbe Flamme gesenkt wurden
und die Töne ē ḡ hervorbrachten, war das Verhältniß der
Geschwindigkeiten der Röhren : ē : ḡ wie 1 : 0,94 : 0,88, und
eine ähnliche Abnahme zeigte sich, als durch eine kleinere Flamme die Röhren
ē ḡ angeblasen wurden; es nimmt also mit
wachsender Tonhöhe die Ausflußgeschwindigkeit ab.
Die vorstehenden Erfahrungen führen zu dem Schluß, daß der im Innern einer Flamme
befindliche Gaskern durch seine erhöhte Expansivkraft auch gegen das nachströmende
Gas drängt und dessen Ausfluß verzögert. Diese Wirkung nimmt zu, wenn das
Ausflußrohr sich ebenfalls erhitzt, und wie eine nach Unten verlängerte Flamme dem
durchströmenden Gase eine erhöhte Temperatur und Spannkraft ertheilt. Während daher
durch die Flamme auf einem schlechten Wärmeleiter, wie Glas, die Geschwindigkeit der
Ausströmung um 25 Proc. verringert wird, steigt die Verzögerung bei einem Metallrohr
auf 44 Proc. Ein Schornstein beschleunigt den Ausfluß wieder um etwa 6 Proc., weil
der vermehrte Luftzug dem expandirenden Gaskern mehr Raum nach Oben verschafft, als
die freie Flamme; dagegen wird in der chemischen Harmonika die Geschwindigkeit
vermindert, weil neben der Hitze der Flamme auch die Luftschwingungen hemmend auf
die Ausströmung wirken, und zwar desto mehr, je höher der Ton liegt.